Montag, August 31, 2009

Maurice Jarre - Doctor Zhivago

Sonntag, August 30, 2009

TA: So schlugen Hannibal und Aline Qadhafi zu

Tages Anzeiger Online 28.08.09
So schlugen Hannibal und Aline Qadhafi zu
Von Thomas Knellwolf.

Bisher unbekannte Akten zeigen, wie das Paar Bedienstete quälte. Trotzdem wurde das Verfahren eingestellt, und Bundespräsident Merz hat sich entschuldigt.
In Genf angezeigt: Hannibal und Aline Qadhafi.

Leila* wird es bis an ihr Lebensende bereuen, dass sie auf die Annonce in einer tunesischen Lokalzeitung reagiert hat, mit der eine «Gesellschaftsdame» für eine «Frau in schwangerem Zustand» gesucht wurde. Die 36-jährige Tunesierin bewirbt sich und sitzt kurz darauf in einem Wagen, der sie zu einem Palast im Nachbarland Libyen bringt. Dort – so erzählt Leila bei ihrer ersten Einvernahme durch die Genfer Polizei – lernt sie Aline Qadhafi kennen. Und damit beginnt der Albtraum, aus dem Leila bis heute nicht erwacht ist.

Bereits nach wenigen Tagen im Dienste der Schwiegertochter...


Tages Anzeiger Online 28.08.09
So schlugen Hannibal und Aline Qadhafi zu
Von Thomas Knellwolf.

Bisher unbekannte Akten zeigen, wie das Paar Bedienstete quälte. Trotzdem wurde das Verfahren eingestellt, und Bundespräsident Merz hat sich entschuldigt.
In Genf angezeigt: Hannibal und Aline Qadhafi.

Leila* wird es bis an ihr Lebensende bereuen, dass sie auf die Annonce in einer tunesischen Lokalzeitung reagiert hat, mit der eine «Gesellschaftsdame» für eine «Frau in schwangerem Zustand» gesucht wurde. Die 36-jährige Tunesierin bewirbt sich und sitzt kurz darauf in einem Wagen, der sie zu einem Palast im Nachbarland Libyen bringt. Dort – so erzählt Leila bei ihrer ersten Einvernahme durch die Genfer Polizei – lernt sie Aline Qadhafi kennen. Und damit beginnt der Albtraum, aus dem Leila bis heute nicht erwacht ist.

Bereits nach wenigen Tagen im Dienste der Schwiegertochter des libyschen Diktators fliegt sie im Luxusjet mit nach Genf. Dort will ihre neue Gebieterin ihr zweites Kind gebären. Zwei Wochen darauf wird Hannibal Qadhafi, der Ehemann Alines, in der Genfer Nobelherberge «President Wilson» verhaftet. Untersuchungsakten, in die der TA Einblick hatte, zeigen im Detail, welches Drama sich in jenen Sommertagen in den zehn Suiten und Zimmern abspielte, die Qadhafi junior für drei Wochen reserviert hatte. Die Dokumente belegen, was das offizielle Libyen bestreitet: Das Ehepaar Qadhafi hat seine beiden Bediensteten, Leila und den Marokkaner Omar*, systematisch drangsaliert.

Alarm an der Lake Parade

Am zehnten Tag ihres Aufenthalts findet rund ums Genfer Seebecken die Lake Parade statt, das Westschweizer Pendant zur Street Parade. Ob Hannibal Qadhafi mittanzt, ist nicht verbürgt. Zu seinem Lebenswandel, wie ihn Leila schildert, würde es passen: «Er trinkt viel Alkohol, geht abends immer aus und schläft den ganzen Tag.» Auf jeden Fall verlässt Hannibal am 12. Juli seine Hotelgemächer, und Aline fährt in die Klinik. Ihre Gesellschaftsdame kann sie nicht mitnehmen, denn deren blaues Auge würde bei den Ärzten Aufsehen erregen.

Die beiden Bediensteten nutzen die Abwesenheit und schlagen Alarm bei der Genfer Polizei. Auf dem Posten Pâquis belasten sie die Qadhafis schwer. Leila erzählt, die hochschwangere Aline habe sie in den vergangenen Tagen zweimal mit hölzernen Kleiderbügeln angegriffen. Bei beiden Attacken sei der Bügel kaputtgegangen. Hannibal habe sie «ein bisschen besser behandelt». Das heisst: Im Hotelkorridor habe ihr der Herrschersohn ein einziges Mal unvermittelt die Faust ins linke Auge geschlagen. «Er kam von einem Streit mit seiner Frau», erklärt Leila der Polizei, «und er war wütend.»

Tyson soll zuschlagen

«Diese Frau hält mich für ihre Sklavin», sagt die Hausangestellte über ihre Peinigerin, «und schlägt mich regelmässig und ohne einen Grund.» Aline, «die an schweren psychischen Problemen leidet», habe gedroht, sie aus dem Hotelfenster zu stossen oder zu töten, wenn sie fliehe. Einem schwarzen Leibgardisten mit dem Übernamen Tyson habe sie befohlen, die Telefone aus Leilas Hotelzimmer 345 zu entfernen und sie zu schlagen. Die Apparate wurden abmontiert, die Schläge habe Tyson nur simuliert, «um Madame Qadhafi zufriedenzustellen».

Die Beschuldigte räumt gegenüber dem Genfer Generalstaatsanwalt ein, sie sei wegen ihrer Schwangerschaft «oft genervt» gewesen: «Ich gebe zu, dass ich Leila verbal übers Maul gefahren bin.» Aber jemanden bedroht oder gar regelmässig geschlagen? «Ganz sicher nicht!» Aline stellt sich nicht nur als Menschen-freundin dar: «Wenn in Libyen Tiere bei mir in der Nähe geboren werden, säuge ich sie persönlich mit der Flasche.» Die Qadhafis drehen den Spiess um und wollen der Genfer Polizei glaubhaft machen, dass ihre Bediensteten eine mit Diamanten besetzte Chopard-Uhr aus Weissgold, 2000 Euro und «diverse Markenartikel» gestohlen hätten.

Hautschürfungen und blaue Flecken

Gegen ihre Version – und für jene der Diener – sprechen Aussagen unabhängiger Zeugen und medizinische Befunde. Ein Arzt stellt bei Leila noch auf dem Polizeiposten Pâquis Hautabschürfungen und blaue Flecken an beiden Armen, an einer Schulter, auf dem Busen und eine 2 mal 3 Zentimeter grosse Wunde unter einem Auge fest. Auch der 39-jährige Marokkaner Omar, seit fünf Jahren Hannibals «Mann für alles», ist übersät von Spuren von Misshandlungen.

Der frühere Leiter eines 5-Sterne-Hotels zeigt in einem Genfer Spital eine Narbe, die vom Messer eines Leibwächters stammen soll. Der Polizei erzählt er, ihm sei zweimal der Arm gebrochen und Zähne eingeschlagen worden. Weil er seinen Dienst quittieren wollte, habe ihn der Sohn des Herrschers im Wüstenstaat sechs Monate eingekerkert.

Personenschützer belasten Qadhafis

Eskaliert sei die Situation in Genf, als Omar Alkohol für seinen Herrscher beschaffen musste. Aline, die nicht wollte, dass ihr Hannibal trank, habe die Flasche Château Margaux 1988 in den Gemächern entdeckt und habe den Diener geschlagen. Wenig später sei der Hüne Hannibal – 1,93 Meter gross – auf ihn losgegangen und habe ihm mehrere Fusstritte in den Unterleib versetzt. «Monsieur Qadhafi hat mich bedroht und gesagt, ich solle niemandem etwas davon erzählen», sagt der Diener der Polizei. «Sonst würden mein Bruder und meine Mutter getötet.» Hannibal habe angedeutet, «er sei Gott und habe das Recht, über mein Leben und das anderer Menschen aus meiner Familie, die sich in Libyen befinden, zu entscheiden». Nach dieser Aussage Omars wird seine Mutter auf dem Flughafen von Tripolis verhaftet, sein Adoptivbruder verschwindet.

Am 15. Juli führt ein 21 Mann starkes Polizeikommando Hannibal in Handschellen aus seiner Hotelsuite ab. Von Qadhafi angeheuerte Genfer Personenschützer belasten ihren Soldgeber und dessen Gattin schwer. Sie und mehrere Hotelangestellte haben gesehen, wie die tunesische Dienerin mehrmals weinend und einmal blutend aus den Gemächern kam, in dem sich nur das Ehepaar Qadhafi und deren dreijähriger Sohn befand. Zeugen haben gehört, wie Leila sagte: «Sie hat mich geschlagen.»

«Leila hat sich selber verletzt»

«Das muss arrangiert gewesen sein», verteidigt sich Hannibal, «Leila hat sich selber verletzt.» In der Konfrontationseinvernahme am 17. Juli unterstellt der 33-Jährige seinen abtrünnigen Dienern, sie hätten ihre Klagen nur deponiert, «damit sie in der Schweiz bleiben können». Gleichentags bezahlen die Qadhafis eine Kaution von einer halben Million Franken und kommen frei.

Eineinhalb Monate später ziehen die Hausangestellten ihre Anzeigen zurück – aus Angst um ihre Angehörigen und weil sie von unbekannter Seite «angemessen» entschädigt wurden. Die Schweiz nimmt beide aus humanitären Gründen auf. Die Genfer Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen die Qadhafis ein. Ein Jahr darauf entschuldigt sich Bundespräsident Merz in Tripolis. Vom Bruder des Marokkaners, einem 25-jährigen Studenten, fehlt bis heute jedes Lebenszeichen.

* Namen geändert. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 28.08.2009, 22:03 Uhr

Freitag, August 28, 2009

TA: Privatbankier prophezeit Niedergang der USA


Tages Anzeiger Online
Privatbankier prophezeit Niedergang der USA
Von Markus Diem Meier.

Der oberste Privatbankier der Schweiz hat genug von den USA. In einem Text sagt Konrad Hummler dem Land den wirtschaftlichen Abstieg voraus und kritisiert die Aggressivität der Weltmacht.
Hände weg von US-Anlagen: Privatbankier Konrad Hummler rät zum Totalrückzug aus den USA.

Konrad Hummler ist ein mächtiger Mann: Er sitzt im Verwaltungsrat der «Neuen Zürcher Zeitung», ist geschäftsführender Partner der St. Galler Bank Wegelin und Präsident der Vereinigung Schweizer Privatbankiers. Kleine Vermögensverwaltungsbanken wie Wegelin und die anderen im Verein der Privatbankiers....


Privatbankier prophezeit Niedergang der USA
Von Markus Diem Meier.

Der oberste Privatbankier der Schweiz hat genug von den USA. In einem Text sagt Konrad Hummler dem Land den wirtschaftlichen Abstieg voraus und kritisiert die Aggressivität der Weltmacht.

Konrad Hummler ist ein mächtiger Mann: Er sitzt im Verwaltungsrat der «Neuen Zürcher Zeitung», ist geschäftsführender Partner der St. Galler Bank Wegelin und Präsident der Vereinigung Schweizer Privatbankiers. Kleine Vermögensverwaltungsbanken wie Wegelin und die anderen im Verein der Privatbankiers haben ein weit grösseres Problem mit der aktuellen Aufweichung des Bankgeheimnisses als die grossen Banken. Denn letztere können ihre Dienstleistungen fast überall auf der Welt auch vor Ort anbieten.

Hummler ist wütend. Vom UBS-Vergleich zwischen der Schweizer und der US-Regierung hält er nichts. Im jüngsten seiner regelmässig publizierten «Anlagekommentare» kritisiert er die «Schönfärberei, deren sich die involvierten Parteien nach geschlagener Schlacht befleissigten». Die Schweizer Regierung bezichtigt er, vor dem Druck aus den USA eingeknickt zu sein und damit Wortbruch begangen zu haben: «Man hatte versprochen, geduldet, Standfestigkeit gemimt – und ist nun umgefallen. Unter dem Schein des Erfolgs verbirgt sich der Misserfolg eines Treuebruchs», schreibt der Privatbankier.

USA – Reich des Bösen

Besonders hart ins Gericht geht er mit den Amerikanern. Seine Rhetorik erinnert stark an jene der Linken in den Siebziger- und Achzigerjahren. Die Banker sahen in den USA im Kalten Krieg noch die Schutzmacht gegen die Ausbreitung des Kommunismus. Im jüngsten «Anlagekommentar» beschreibt Hummler die USA jetzt als Land, «das über die letzten 60 Jahre unbestreitbar zu den weltweit aggressivsten Nationen gehört hat. Die USA haben mit Abstand am meisten kriegerische Handlungen, einmal mit, meistens ohne Uno-Mandat vom Zaun gebrochen».

Hummler zählt auf, dass die Amerikaner Kriegsvölkerrecht verletzt, geheime Gefängnisse unterhalten, einen absurden Krieg gegen Drogen geführt und fragwürdige Regimes unterstützt hätten. Die USA seien ein Land, das seine Infrastruktur verfallen lasse und «in zum Teil fragwürdigen Verfahren Verurteilte in hoffnungslos überfüllte Gefängnisse steckt». Unterschichten würden weder in den Genuss adäquater Bildung, noch eines tauglichen Gesundheitssystem kommen. Schliesslich kenne die USA nach wie vor die Todesstrafe und übe diese «extensiv» aus.

Jeder ist potenziell US-Person

Der moralisch-politischen Verurteilung folgt dann noch ausführlicher die wirtschaftliche. Das Hauptanliegen von Hummler bleibt der Kampf um die Steuern. Er beklagt ähnlich wie schon andere Banker die «geradezu atemberaubende» Doppelmoral der Amerikaner bei ihrer Jagd auf ausländische Steuerschlupflöcher: Im Inland würden sie dagegen Offshore-Oasen «riesigen Ausmasses», sowohl in Florida, Delaware und anderen Teilstaaten unterhalten. Der Banker befürchtet, dass die Versuche der Amerikaner, im Ausland Steueransprüche zu stellen, weiter zunehmen werden. Die Berater seiner Bank Wegelin würden deshalb der Kundschaft empfehlen, gänzlich auf Investitionen in US-Wertschriften zu verzichten.

Die grösste künftige Gefahr ortet Hummler in einer neuen Anwendung des amerikanisches Erbschaftsrechts. Die US-Erbschaftssteuer knüpfe nicht beim Erbenden an, sondern bei den vererbten Vermögen wie Liegenschaften oder Wertpapieren. Selbst ein Schweizer, der eine US-Wertschrift erbt, werde daher in den USA steuerpflichtig. Wer nicht voll belastet werden wolle, müsse laut Hummler den US-Steuerbehörden sämtliche Vermögensbestände offenlegen. Der Banker gibt ein sarkastisches Beispiel: «Die Kinder von Hans Rüdisühli sen. aus Melchnau müssen wegen den paar IBM-Aktien, die Hans so innigst geliebt hatte, beim IRS vorstellig werden und dabei eine Bewertung ihres Heimetli vorlegen». Die Amerikaner würden laut Hummler die Definition einer steuerpflichtigen US-Person immer weiter ausdehnen und dennoch schwammig fassen. Selbst wer sich länger in den USA aufhalte, könne unter diese Definition fallen. Für Banken sei es damit schier unmöglich, die von den USA gesetzten Regeln sauber einzuhalten.

Amerikaner liegen falsch


Das aggressive weltweite Eintreiben von Steuern durch die USA ist laut Hummler allerdings ein Schuss ins eigene Bein. Die Amerikaner würden offenbar davon ausgehen, dass ihr Land weiterhin wichtigstes Ziel von internationalen Investoren bleiben werde. Doch das hält Hummler für «kreuzfalsch».

Angesichts der gigantischen US-Staatsverschuldung sei das Land umgekehrt auf weiteres, internationales Kapital dringend angewiesen. Der US-Staatshaushalt funktioniert gemäss Hummler wie ein «Ponzi-Schema» (ein Schneeballsystem). Das Wachstum der Verschuldung liesse sich nur fortsetzen, so lange im Publikum keine Zweifel an der fortgesetzten Leistungsfähigkeit der Amerikaner aufkomme.

«It’s time to say goodbye»


Solche Zweifel aber hält er für akut. Das US-Wachstum sei seit etwa 30 Jahren nur dank einer Zunahme der Verschuldung zustande gekommen. Insbesondere in den letzten 15 Jahren hätten primär nur noch der Konsum und die Staatsausgaben zugelegt, bei den Investitionen seien die Amerikaner dagegen äusserst schwach. Für die Zukunft bleibe daher kaum Potenzial. Das aggressive Auftreten der US-Steuerbehörden drohe daher, die dringend benötigten ausländischen Investoren zu verscheuchen. Das könne sich dereinst in hohen Kosten für die Aussenschuld rächen.

Überhaupt sieht Hummler den Untergang der Amerikaner kommen: «Asien steigt auf, Brasilien vermutlich ebenfalls, Australien wird lachender Dritter sein, Europa kann sich möglicherweise noch einmal im Wiederaufschwung dieser Länder positionieren. Den USA bleiben die unbestreitbar vorhandene Militärmacht und die Schulden- und Problemberge». Seine Kunden, denen er einen Totalausstieg aus US-Anlagen empfiehlt, beruhigt Hummler mit dem Hinweis, der gesamte Markt dort sei ohnehin überbewertet. Trotz aller Abwertungen seit dem Ausbruch der Krise würden allein US-Aktien 12 Prozent über dem langfristigen «fairen Kursniveau» liegen. Die fulminante Schlussfolgerung des wütenden Bankers aus seiner Kampfschrift ist daher konsequent: «Deshalb ist man wohl gut beraten, ganz generell den Abschied von Amerika zu vollziehen». Bis auf weiteres müsse es heissen: «It’s time to say goodbye.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

Erstellt: 26.08.2009, 16:37 Uhr

Sonntag, August 23, 2009

Margo Cadias - Suguro Ito

Carmen Habanera


Tchaikovsky - Paulina's Romance



CHOPIN Ballade No.2


CHOPIN Nocturne Op.9/1

Freitag, August 21, 2009

TA: Gotteskrieger in Bosnien auf dem Vormarsch

Tagesanzeiger 19.08.09
Gotteskrieger in Bosnien auf dem Vormarsch
Von Enver Robelli, Zagreb.

In Bosnien leben seit dem Krieg Hunderte muslimische Eiferer. Liberale Muslime befürchten deshalb, dass die Fanatiker das Zusammenleben gefährden.

Architektonisch wirkt die bosnische Stadt Mostar, als könnten die Religionen hier zusammenleben. Am Ufer der Neretva stehen Moscheen und Kirchen, die im Krieg zerstörte weltberühmte Alte Brücke strahlt in neuer alter Schönheit. Doch politisch bleibt Mostar geteilt: Seit dem Bosnien-Krieg leben die Muslime im östlichen Stadtteil, die katholischen Kroaten im Westen. Nun droht in Mostar eine weitere Spaltung, diesmal in der muslimischen Religionsgemeinschaft. Die Spannungen zwischen islamistischen Fanatikern, die sich als Rechtgläubige bezeichnen, und liberalen Muslimen nehmen zu. Jüngst brach der Streit offen aus: Bei einer Massenschlägerei zwischen einer Gruppe ultrareligiöser Wahhabiten und vermutlich ehemaligen Kämpfern der bosnischen Armee wurde der 34-jährige Magdi Dizdarevic getötet.

Die islamische Gemeinschaft Bosniens bezeichnete....


Tagesanzeiger 19.08.09
Gotteskrieger in Bosnien auf dem Vormarsch
Von Enver Robelli, Zagreb.

In Bosnien leben seit dem Krieg Hunderte muslimische Eiferer. Liberale Muslime befürchten deshalb, dass die Fanatiker das Zusammenleben gefährden.

Architektonisch wirkt die bosnische Stadt Mostar, als könnten die Religionen hier zusammenleben. Am Ufer der Neretva stehen Moscheen und Kirchen, die im Krieg zerstörte weltberühmte Alte Brücke strahlt in neuer alter Schönheit. Doch politisch bleibt Mostar geteilt: Seit dem Bosnien-Krieg leben die Muslime im östlichen Stadtteil, die katholischen Kroaten im Westen. Nun droht in Mostar eine weitere Spaltung, diesmal in der muslimischen Religionsgemeinschaft. Die Spannungen zwischen islamistischen Fanatikern, die sich als Rechtgläubige bezeichnen, und liberalen Muslimen nehmen zu. Jüngst brach der Streit offen aus: Bei einer Massenschlägerei zwischen einer Gruppe ultrareligiöser Wahhabiten und vermutlich ehemaligen Kämpfern der bosnischen Armee wurde der 34-jährige Magdi Dizdarevic getötet.

Die islamische Gemeinschaft Bosniens bezeichnete den strenggläubigen Dizdarevic als Opfer der Vorurteile und des Hasses gegen die Muslime. Bei der Beerdigung ehrten ihn Glaubensbrüder als islamischen Märtyrer. Einige Wahhabiten sollen laut bosnischen Medien sogar mit Selbstjustiz gedroht haben. Inzwischen bemühen sich angesehene Bürger Mostars um die Beruhigung der Gemüter.

2000 arabische Kämpfer kamen

Der Vormarsch der strenggläubigen Muslime in Bosnien begann während des Krieges in den 90er-Jahren. Damals kamen 2000 Kämpfer aus arabischen Ländern. Unter ihnen waren Mujahedin mit Verbindungen zu Osama Bin Laden, die an der Seite der Muslime gegen die bosnischen Serben kämpften. Im Abkommen von Dayton vom Herbst 1995 wurde ein Abzug aller ausländischen Kämpfer binnen 30 Tagen festgelegt. Viele Gotteskrieger, unter ihnen der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, Khaled Sheikh Mohammed, verliessen das Land, um den heiligen Krieg anderswo fortzusetzen.

Hunderte Kämpfer konnten jedoch bleiben, weil sie muslimische Frauen geheiratet hatten. Als Gegenleistung für die Hilfe der Glaubensbrüder auf dem Balkan erhielten die Fanatiker bosnische Pässe. Darauf rekrutierten sie den religiösen Nachwuchs, bauten mit Hilfe saudischer Stiftungen Moscheen, verbreiteten Dogmatismus und bewirkten eine Radikalisierung jener Muslime, die im Krieg von der serbischen Soldateska vertrieben wurden. Als Hochburgen der Fundamentalisten gelten einige Dörfer in Ostbosnien und die pompöse König-Fahd-Moschee in Sarajevo.

Die bosnische Regierung steht seit den Anschlägen von 2001 unter dem Druck der USA, die Gotteskrieger auszuweisen. Nach inoffiziellen Angaben hat eine Kommission 400 «verdächtigen Mujahedin ausländischer Herkunft» das Bürgerrecht aberkannt, weil sie Verbindungen zum islamistischen Terrorismus haben sollen. Geschlossen wurden auch religiöse Stiftungen aus den Golfstaaten.

Vor einigen Tagen entliess das Parlament in Sarajevo den gesamtstaatlichen Innenminister Tarik Sadovic. Er soll sich geweigert haben, die verbliebenen muslimischen Extremisten auszuweisen. Diese werden von westlichen Geheimdiensten verdächtigt, im Dienste der al-Qaida zu stehen. Sadovic ist Mitglied der Partei der Demokratischen Aktion (SDA), die bei den Muslimen den Ton angibt. Er soll die Warnungen der bosnischen Polizeibehörden und westlicher Geheimdienste über die Aktivitäten von Terrorverdächtigen nicht ernst genommen haben. Abgelöst wurde er aber erst, nachdem US-Diplomaten in Sarajevo protestiert hatten.

Erstmals Weihnachtsmann verboten

Kritik wird in liberalen Kreisen in Sarajevo auch an Mustafa Ceric geübt. Das Oberhaupt der bosnischen Muslime predige in Westeuropa einen toleranten Islam, lasse die islamistischen Eiferer in Bosnien aber gewähren, heisst es. Viele proeuropäische Muslime in Bosnien vermissen klare Worte Cerics gegen die Fundamentalisten. Im Dezember 2008 etwa wurde in staatlichen Kindergärten Sarajevos erstmals der Weihnachtsmann verboten. Und vor einem Jahr wurden die Organisatoren eines schwul-lesbischen Festivals von religiösen Fanatikern angegriffen. Vor zwei Jahren gab es gar Meldungen über eine «Scharia-Polizei», die beim Küssen ertappte Paare misshandelt hätten.

Solche Vorfälle werden von serbischen und kroatischen Nationalisten oft als Beweis vorgebracht, dass Bosnien als Gesamtstaat keine Zukunft habe. Liberale Muslime verurteilen solche «Randerscheinungen», fühlen sich aber in ihrem Engagement für eine weltoffene Gesellschaft vom Westen im Stich gelassen. Die jüngste Entscheidung der EU, den bosnischen Bürgern keine Visa-Erleichterungen zu gewähren, hat bei den prowestlichen Muslimen in den grossen Städten wie Sarajevo, Mostar oder Tuzla das Gefühl verstärkt, der Westen bevorzuge die christlichen Serben und Kroaten. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 18.08.2009, 07:44 Uhr

Donnerstag, August 20, 2009

TA: Wo Afghanistan eine Traumdestination ist

Tages Anzeiger 19.08.09
Wo Afghanistan eine Traumdestination ist
Von David Nauer, Bamiyan.

Bärtige Krieger, unterdrückte Frauen: Sie prägen unser Bild von Afghanistan. Die Provinz Bamiyan aber ist anders. Hier herrscht Frieden – und der Gouverneur ist eine Frau.

Dem smaragdgrünen Talboden sind sie entlanggekommen, die Horden des Dschingis Khan. Furchterregend, laut, es dürstete sie nach Blut. Ihr Ziel: Die Festung von Bamiyan. Das Bollwerk hielt nicht lange stand. Die Mongolen knackten die Mauern – und metzelten alles nieder, was sich bewegte. Das Blutbad, schätzen Historiker, ereignete sich im Jahr 1221.

Heute steht Ali Taheri, 23, auf der Felskuppe inmitten....


Tages Anzeiger 19.08.09
Wo Afghanistan eine Traumdestination ist
Von David Nauer, Bamiyan.

Bärtige Krieger, unterdrückte Frauen: Sie prägen unser Bild von Afghanistan. Die Provinz Bamiyan aber ist anders. Hier herrscht Frieden – und der Gouverneur ist eine Frau.

Dem smaragdgrünen Talboden sind sie entlanggekommen, die Horden des Dschingis Khan. Furchterregend, laut, es dürstete sie nach Blut. Ihr Ziel: Die Festung von Bamiyan. Das Bollwerk hielt nicht lange stand. Die Mongolen knackten die Mauern – und metzelten alles nieder, was sich bewegte. Das Blutbad, schätzen Historiker, ereignete sich im Jahr 1221.

Heute steht Ali Taheri, 23, auf der Felskuppe inmitten der Ruinen. Soeben hat er die grausame Vergangenheit seiner Heimat anschaulich geschildert. Nun zeigt er mit der Hand nach Osten. Zwischen den Feldern zeichnet sich ein braunes Band ab. «Das ist die Strasse nach Kabul.»

Tourismusindustrie mitten in Afghanistan

Ali Taheri ist frisch ausgebildeter Fremdenführer für Bamiyan. Ja, man glaubt es kaum. Diese kleine Provinz im Herzen Afghanistans baut gerade eine Tourismus-Industrie auf. Einen Nationalpark gibt es schon; auch ein Informationsbüro und einige kleine Gasthäuser.

Während der Rest von Afghanistan im Krieg versinkt, herrscht in Bamiyan Frieden. Keine Anschläge, keine Überfälle – sogar Ausländer können ohne Sorge über den Basar spazieren. Das Geheimnis von Bamiyan sind seine Menschen. Hier leben fast ausschliesslich Hasara, die drittgrösste Bevölkerungsgruppe Afghanistans. Mit ihren asiatischen Gesichtern unterscheiden sie sich rein äusserlich von ihren Mitbürgern; als Schiiten heben sie sich auch religiös ab. Zudem sind sie als friedfertig und tolerant bekannt.

Verfolgt seit Urzeiten

Diese Sonderrolle hat den Hasara viel Leid gebracht. Solange sie sich erinnern können, wurden sie verfolgt. Von den Königen aus Kabul, von Kommunisten und Warlords. Zuletzt von den Taliban. Die fundamentalistischen Gotteskrieger brachten nicht nur Tausende Hasara um. Sie zerstörten auch den grössten Kulturschatz von Bamiyan: die Felsbuddhas. 1500 Jahre hatten die beiden Steinstatuen überdauert. Selbst als die Menschen in Bamiyan längst zum Islam übergetreten waren, blieben die Kunstwerke unberührt. Doch 2001 erklärte Taliban-Chef Mullah Omar die Kunstwerke für «unislamisch». Die frommen Kämpfer rückten mit Panzern und Sprengladungen an.

«Das war ein ganz trauriger Tag gewesen», erinnert sich Fremdenführer Ali. Wir stehen nun vor den Felsnischen. Das ist alles, was von den Buddhas übrig blieb. Ein müder Wächter hat uns das Tor aufgeschlossen. Wir sind die ersten Besucher des Tages, und wahrscheinlich auch die letzten. Denn der Tourismusindustrie von Bamiyan fehlt bisher vor allem eins: Die Touristen.

Die Provinz selber ist zwar sicher, aber sämtliche Zufahrtsstrassen werden von den Taliban kontrolliert. Eine Fahrt nach Kabul ist lebensgefährlich. Linienflüge gibt es keine, einzig die Uno schickt gelegentlich ein Flugzeug auf die Schotterpiste von Bamiyan. Das Gebiet, umgeben von den Gipfeln des Hindukusch, ist eine Insel, abgeschnitten, fast unerreichbar.

Und ausgerechnet in dieser Abgeschiedenheit, fern von der Welt, hat sich eine kleine afghanischen Revolution ereignet. Eine Geschlechterrevolution. Der Gouverneur von Bamiyan ist eine Gouverneurin. Habiba Sorabi, die einzige Frau im ganzen Land an der Spitze einer Provinz.

Keine Attentate wie anderswo

Vor ihrem Amtssitz geht es fast beschaulich zu. Ein einziger Polizist schiebt Wache. Vis-à-vis haben sich 150 neuseeländische Soldaten eingegraben. Sie sind die örtliche Vertretung der internationalen Streitmacht in Afghanistan; und wohl eine glückliche Truppe. Statt Selbstmordattentaten plagt sie höchstens der staubige Wind, vielleicht gelegentlich ein Durchfall.

«Gott sei Dank ist Sicherheit kein grosses Problem», sagt auch Habiba Sorabi. Nicht mal für die Wahlen von morgen Donnerstag erwartet sie grosse Schwierigkeiten. Die Gouverneurin sitzt auf einem grossen Lederstuhl, das Haar mit einem weissen Tuch bedeckt. Ihre Rolle als fast einzige Frau in der grossen afghanischen Politik? Für sie ist das kein Thema, oder nur ein kleines. «Ich bin zwar eine Frau; aber ich denke wie eine Gouverneurin», sagt sie. Das Amt sei wichtiger als das Geschlecht. Auch wenn es ihr, wie sie einräumt, die Hasara besonders einfach machen. «Unser Volk ist offener», sagt die Gouverneurin. Als sie ihren Job antrat, habe ihr ein Kollege, ein Paschtune, ungläubig gesagt: «Bei uns dürfen die Frauen nicht einmal aus dem Haus. Bei euch machen sie Politik.»

Frauenquote im Parlament

Das ist nun fünf Jahre her. Hat sich die Stellung der Frau seither verbessert? Habiba Sorabi warnt vor übertriebenen Erwartungen. Schritt für Schritt müsse sich etwas tun. Immerhin habe sie mit Gesinnungsgenossinnen auf gesetzlicher Ebene schon einiges durchgedrückt. Die afghanische Verfassung hält nun fest, dass Mann und Frau die gleichen Rechte haben. Auch eine Frauenquote gibt es im Parlament: 26 Prozent der Abgeordneten müssen Frauen sein.

Sonst aber fehlt Sorabi die Zeit, um nationale Frauenpolitik zu machen. «Ich habe genug zu tun mit meiner Provinz.» Bamiyan ist eines der ärmsten Gebiete von Afghanistan. Die Gouverneurin will das ändern – den Tourismus fördern und die Landwirtschaft, auch Eisenerz soll dereinst aus dem Boden geholt werden. Doch für einen nachhaltigen Aufschwung braucht es vor allem Bildung. Und da muss Bamiyan fast bei null anfangen. Mancherorts kann nicht einmal jeder Zehnte lesen.

Besuch im Bergdorf Sari Sadbarg: Eineinhalb Stunden dauert die Fahrt von der Stadt Bamiyan hierher. Über eine rumpelige Piste, vorbei an goldgelben Weizenfeldern, Kartoffelacker, sprudelnden Bächen. Auf einem Plateau ducken sich zwei einfache Gebäude in die Landschaft, daneben stehen mehrere Zelte. Es ist dies die Schule von Sari Sadbarg. Rektor Rajab Ali Navit, 43, ein verstrubbelter Mann mit schiefen Zähnen, führt stolz durch sein Reich. 221 Schüler lernen hier Lesen und Schreiben, Mathe und Physik.

Auch Mädchen in die Schule

Es fehlt allerdings an vielem: Bücher und Hefte sind das eine. Doch nicht einmal Schulräume gibt es genug. Der Unterricht findet deswegen meist in den Zelten statt. Auch einen Tisch hätte Rektor Navit gerne in seinem kleinen Büro. Vorerst schreibt er halt am Boden. Und doch sind die Dörfler glücklich.

Der Ältestenrat habe 2004 beschlossen, dass Sari Sadbarg eine Schule braucht, berichten Rektor Navit. Dann kamen die ausländischen Helfer dazu: Die Aga-Khan-Stiftung, eine internationale NGO, lieferte fachlichen Support. Die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) spendete eine kleine Summe Geld. Ein Anfang war gemacht. Inzwischen gehen fast alle Kinder von Sari Sadbarg zur Schule, auch die Mädchen. Rektor Navit muss nicht einmal Überzeugungsarbeit leisten. Die Familien verstehen Bildung als Schlüssel zu einer besseren Zukunft, unabhängig vom Geschlecht. Ein Problem gibt es noch mit den Lehrern: Die meisten haben selber kaum mehr als eine Primarschulbildung. Die Aga-Khan-Stiftung führt deswegen Fortbildungskurse durch. Bereits wächst eine neue Generation von Lehrern heran - und Lehrerinnen. Mehrere junge Frauen steigen ins Berufsleben ein.

Ob Frieden, ob Frauen. Bamiyan ist anders. «Es könnte ein Modell sein für das ganze Land», sagt ein Entwicklungshelfer. Er hofft es, vorerst aber nur leise. «Denn rund um Bamiyan ist der Rest von Afghanistan.» Dort, das wissen wir, sind viele Frauen unterdrückt; und die bärtigen Krieger auf dem Vormarsch.

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 18.08.2009, 22:32 Uhr

Dienstag, August 18, 2009

Science News: Networks reveal concentrated ownership of corporations Analysis of stock markets in 48 countries finds backbones of control

Science News
Networks reveal concentrated ownership of corporations
Analysis of stock markets in 48 countries finds backbones of control
By Patrick Barry
Friday, February 13th, 2009

Researchers have made the first maps of corporate stock ownership for the stock markets of a large number of countries, 48 in all. The new network analysis technique reveals “backbones” in these ownership networks: big players that together own a controlling stake in more than 80 percent of the companies in the markets.

In these network diagrams, nodes represent either a company with publicly owned stock or a shareholder. Links between the nodes show which shareholders hold stock in which companies. Because many publicly owned companies...


Science News
Networks reveal concentrated ownership of corporations
Analysis of stock markets in 48 countries finds backbones of control
By Patrick Barry
Friday, February 13th, 2009

Researchers have made the first maps of corporate stock ownership for the stock markets of a large number of countries, 48 in all. The new network analysis technique reveals “backbones” in these ownership networks: big players that together own a controlling stake in more than 80 percent of the companies in the markets.

In these network diagrams, nodes represent either a company with publicly owned stock or a shareholder. Links between the nodes show which shareholders hold stock in which companies. Because many publicly owned companies also hold shares in other companies, many nodes have both “owner” and “ownee” links. Plotting all these connections creates a map of the ownership structure of a stock market.

Unlike the approach used in the new study, simpler network analyses can’t reveal these backbones of ownership because the market values of companies being traded aren’t taken into account. The new study, published online February 5 at arXiv.org, adds these market values. It also includes a way to account for indirect ownership, such as when a company owns stock in a second company that, in turn, owns stock in a third company.

“If you do a network analysis, you can see things that you couldn’t see otherwise,” says Stefano Battiston (Interview with St. Battiston in german), coauthor of the study and a physicist at the Swiss Federal Institute of Technology in Zurich who studies complex socioeconomic networks. “Although from an individual point of view corporations are widely held, from a global point of view ownership is more highly concentrated.”

The resulting networks, which are based on a snapshot of market data from early 2007, show that concentration of ownership in these markets varies from country to country. The United States and United Kingdom had the highest concentration of ownership, while ownership was less concentrated in European and Asian countries. Some companies held so much stock at the time that they constituted part of the backbones of many countries. The top ten such companies were:

1. The Capital Group Companies (U.S.)
2. Fidelity Management & Research (U.S.)
3. Barclays PLC (U.K.)
4. Franklin Resources (U.S.)
5. AXA (France)
6. JPMorgan Chase & Co. (U.S.)
7. Dimensional Fund Advisors (U.S.)
8. Merrill Lynch & Co. (U.S.)
9. Wellington Management Company (U.S.)
10. UBS (Switzerland)

“The results nicely show how structure emerges from an otherwise weak signal, revealing the ownership backbone within and across countries,” comments Bruce Kogut, an economist at the Columbia Business School in New York.

Most of these companies manage mutual funds, so they hold large portfolios of a wide variety of stocks on behalf of their clients. It’s not surprising then that they would top the list, but the new study confirms this intuition with hard data.

“It’s interesting that you can get these results that, if you asked an experienced economist they’d probably have a gut feeling about, but now you can show it in a quantitative way,” comments Jörg Reichardt, a physicist at the University of Wuerzburg in Germany. “They’ve done a great job of making it mathematically rigorous.”

The implications of these backbones of concentrated ownership for the current global economic crisis are unclear, Battiston says. He and his colleagues are now analyzing stock market data from after the economic downturn for comparison and working on theories for how the structure of ownership affects the overall stability of the market.

“In contrast to the mainstream economic view that a more interconnected market is always more stable, in many cases it can actually be more unstable because there are some mechanisms that have not been accounted for in the economic theory so far,” Battiston says. “If there are amplification systems and feedback, then a more connected world is more unstable.”

Montag, August 17, 2009

Freddie Aquilar - Anak

Sonntag, August 16, 2009

TA Magazin: Roger de Weck - Den Staat befreien

Den Staat befreien
Die «Generation Kasino» hatte sich des Staats bemächtigt, nun plündert sie ihn. Ein schwacher, verachteter Staat ist aber Gift für die Wirtschaft: Er reguliert schlecht.

Dritter Teil
der 2. Teil findet sich unter diesem Link

14.08.2009 von Roger de Weck
Der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus schrieb um 110 n. Chr. sein berühmtes Geschichtswerk, die «Annalen». Darin schildert er eine Finanzkrise unter Kaiser Tiberius im Jahr 33: «Plötzlich kam das gesamte Schuldenwesen in Bewegung», es entstand «eine Verknappung auf dem Geldmarkt». Fatalerweise, berichtet Tacitus, hatten «die Kapitalisten all ihr Geld zum Kauf von Grundstücken» ausgegeben und waren illiquide geworden. Als ihre Gläubiger die Kredite kündigten, musste eine Vielzahl von Grundherren Haus und Hof verschleudern:
«Das massenhafte Verkaufsangebot drückte die Preise, und...






Den Staat befreien
Die «Generation Kasino» hatte sich des Staats bemächtigt, nun plündert sie ihn. Ein schwacher, verachteter Staat ist aber Gift für die Wirtschaft: Er reguliert schlecht.

14.08.2009 von Roger de Weck
Der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus schrieb um 110 n. Chr. sein berühmtes Geschichtswerk, die «Annalen». Darin schildert er eine Finanzkrise unter Kaiser Tiberius im Jahr 33: «Plötzlich kam das gesamte Schuldenwesen in Bewegung», es entstand «eine Verknappung auf dem Geldmarkt». Fatalerweise, berichtet Tacitus, hatten «die Kapitalisten all ihr Geld zum Kauf von Grundstücken» ausgegeben und waren illiquide geworden. Als ihre Gläubiger die Kredite kündigten, musste eine Vielzahl von Grundherren Haus und Hof verschleudern:
«Das massenhafte Verkaufsangebot drückte die Preise, und je tiefer einer verschuldet war, umso schwerer war er dazu zu bringen, seinen Besitz zu veräussern. Der Zusammenbruch der wirtschaftlichen Existenz hatte den Verlust von Stellung und Ruf zur Folge. Endlich griff der Cäsar (der Kaiser) helfend ein. Er stellte den Banken hundert Millionen Sesterzen zur Verfügung, wodurch die Aufnahme von zinslosen Darlehen auf drei Jahre ermöglicht wurde, sofern der Schuldner dem Staat doppelte Sicherheit in Form von Grundstücken gebe. So wurde der Kredit wiederhergestellt, und allmählich fanden sich auch wieder private Geldgeber. Doch vollzog sich der Ankauf von Grundbesitz nicht entsprechend den Richtlinien des Senatsbeschlusses. Wie gewöhnlich in solchen Fällen, ging man anfangs mit Strenge an die Sache heran und behandelte sie zum Schluss mit Lauheit.»

Der Realist Tacitus sah die Ohnmacht des Staats: Kaiser und Senat hätten zwar Massnahmen getroffen, «um den Betrügereien entgegenzuwirken, die aber jedes Mal, wenn man dagegen eingeschritten war, durch erstaunliche Kniffe wieder auflebten». Deshalb sei es zu einer «unendlichen Menge und Mannigfaltigkeit von Gesetzen gekommen». Der Historiker konstatierte: «Je verderbter das Gemeinwesen war, umso mehr Gesetze gab es.»

Vor einer «Versumpfung des Kapitalismus» warnte Jahrhunderte später, nämlich 1932, der deutsche Ökonom Walter Eucken, einer der Gründerväter des Neoliberalismus. Begehe der Staat den verhängnisvollen Fehler, ins Wirtschaftsgeschehen einzugreifen, werde er sofort von Lobbygruppen gekapert, die opportunistisch auf ihren Vorteil aus seien und Druck ausübten: Sobald sie von der freigebigen öffentlichen Hand «Privilegien erhalten, macht sich ein Teufelskreis geltend. Die verliehenen Privilegien werden dazu benutzt, weitere Rechte und Privilegien zu erkämpfen». Die rasche «Zunahme der Staatstätigkeit nach Umfang und Intensität verschleiert den Verlust der Autorität des Staates, der mächtig scheint, aber abhängig ist».
Walter Eucken sah die Gefahr einer Art «Übernahme» des Staats durch Interessenverbände und Konzerne. Doch der Lauf der Dinge widerlegte seine Auffassung, wonach der Verzicht auf staatliche Intervention dieses Risiko mindere. Im Gegenteil, nie war die Vorherrschaft der (Finanz-)Wirtschaft über den Staat so gross wie in den vergangenen drei Jahrzehnten, als die Regierenden, durchaus im Sinne Euckens, privatisierten, deregulierten, liberalisierten. Nirgends sind Lobbyisten so mächtig wie in den Vereinigten Staaten, wo der Staat — bis zum Krach — eine kleinere Rolle spielte als in Europa.

«Fünfte Gewalt»
Die amerikanische Hochfinanz, die mehr Freiheiten genoss denn je seit der Depression von 1929, bemächtigte sich des Staats: kraft ihrer Geltung, ihres Reichtums und dank Wahlkampfspenden. Durch den guten alten «Korridor Wallstreet–Washington» entsandte der Geldadel seine Statthalter in die amerikanische Hauptstadt. Bill Clintons Finanzminister Robert Rubin, George W. Bushs Finanzminister Henry Paulson, sein Stabschef Joshua B. Bolten und der Verwalter des 700-Milliarden-Rettungsfonds Neel Kashkari kamen alle von der Investmentbank Goldman Sachs. Was Banker und Fonds-Manager sagten, galt als die Wahrheit — auch in Europa.

An der Schwelle zum neuen Jahrtausend, im April 2000, erhob der damalige Chef der Deutschen Bank, Rolf E. Breuer, die Finanzwelt zur ‹fünften Gewalt› und im Grunde sogar zur ersten Macht im Staat, denn sie könne viel besser als das Volk die Politiker auf die richtigen Ziele verpflichten: «Wenn man so will, haben die Finanzmärkte quasi als ‹fünfte Gewalt› neben den Medien eine wichtige Wächterrolle übernommen. Wenn die Politik im 21. Jahrhundert in diesem Sinn im Schlepptau der Finanzmärkte stünde, wäre dies vielleicht so schlecht nicht.» Sieben Jahre vor dem Crash befand der Bankier, es herrsche ohnehin «weitgehende Interessenkongruenz zwischen Politik und Finanzmärkten».

In diesem Klima verstand sich der verachtete, verunsicherte Staat nicht länger als Ordnungskraft, die dem Markt einen Rahmen und der Finanzmacht Schranken setzt. Fortan galten Staatsdiener als Diener des «Standorts». Ihr Auftrag: an vorderster Front mitzukämpfen im Steuer- und Standortwettbewerb, dem globalen Buhlen um die Gunst von Konzernchefs und Anlegern. Die Politik war Dienstleisterin der Marktmächtigen. 2003 frohlockte der UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel, als sein Freund Christoph Blocher Justizminister wurde und gleichzeitig der Wirtschaftsberater Hans-Rudolf Merz zum Finanzminister avancierte. Jetzt sei die Bank in mehreren Departementen «mit Vertretern unserer Interessen abgestützt». Dies läute «zum Wohle des Landes eine weitere erfolgreiche Phase für den Finanzplatz ein», so der Mann, der bald die UBS ruinierte und die Eidgenossenschaft ernster Gefahr aussetzte.

«Alle Finanzkrisen der jüngeren Zeit wurden dadurch ausgelöst, dass eine Wirtschaftselite zu viel Macht bekam», sagt Simon Johnson, bis August 2008 Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und jetzt «Professor für Unternehmertum» am MIT (Massachusetts Institute of Technology): «Wichtigste Lehre der Krise ist, dass wir Banken keinen grossen politischen Einfluss mehr billigen dürfen. Die Macht der Wallstreet müssen wir brechen.»

Sie zocken wieder
Doch die «Generation Kasino» möchte noch nicht abdanken. Viele zocken wieder, süchtig und provokativ. «Dass der Schlamassel, den sie anrichteten, über Steuergelder und Inflation abgegolten wird, ficht sie nicht an — sie wettern schon wieder gegen staatliche Eingriffe», ärgert sich die liberalkonservative «Frankfurter Allgemeine». Dieselben Finanzoligarchen, die sich den Staat gefügig machten, schreiben ihm nun die Hauptverantwortung für die Krise zu. Etliche Banker gingen auf dem Höhepunkt der Krise soweit, ihre Boni mittelbar (oder sogar direkt) vom Staat begleichen zu lassen: von jenem Staat, dem sie den Grossteil ihrer Verluste aufgebürdet hatten. Das Gemeinwesen verkam zur Giftmülldeponie für «toxische» Papiere, während die Kasinospieler werthaltigere Wertschriften behielten.

Als die Firmenkasse leer war, schöpften sie die Staatskasse ab. Darin zeigte sich die Macht der Finanz, die Schwäche der Regierungen. Der gesunde Teil notleidender Banken verbleibt meist in privater, der morsche Teil wechselt zur rettenden öffentlichen Hand. Verkehrte Welt: Der Aktionär eines abgewirtschafteten Instituts, der sein Geld verloren hat, bleibt Miteigentümer. Der Staat, der das Institut rettet und dafür Milliarden einsetzt, wird in der Mehrzahl der Fälle nicht einmal Aktionär, er erwirbt keine Rechte und hat wenig zu sagen. Wer zahlt, befiehlt nicht. Der Finanzkapitalismus verwischt seine Grundlage: Statt des Eigentumsrechts gilt das Recht des Stärkeren. Oligarchen zwingen den Staat, ihr in der Krise verwirktes Eigentum zu schützen — koste es, was es wolle.

In den guten Jahren verdienten US-Banker fast die Hälfte mehr als die Beschäftigten in der Industrie mit vergleichbarer Ausbildung. Europäische Bankmanager werden, nach wie vor, besser bezahlt als alle ihre Vorgänger in der Weltgeschichte: weil sie «die Besten» sind. Diese Besten verantworten die grösste Finanzkrise der Weltgeschichte — doch dem Staat misslingt es, sie zu bändigen. Der Staatsgewalt fehlt es an Kraft, Kompetenz und Unabhängigkeit, Eigenverantwortung von denen einzufordern, die diese Eigenverantwortung vor der Krise zum obersten Prinzip einer freien Gesellschaft erklärt haben. Die meisten westlichen Regierungen verharren im Banne der Ultraliberalen, die den Staat erst einschüchterten und nun ausbeuten. Letzteres gelingt ihnen umso leichter, als sie in vielen Ländern die Verwaltung allmählich ausgezehrt haben. Wenn wichtige Ämter und Aufsichtsbehörden bewusst unterdotiert und Beamte unterbezahlt werden, resignieren oder gehen die Fähigsten. Den Staat hat man solange schlechtgemacht, bis begabte Nachwuchskräfte den Staatsdienst mieden und in der Tat der Leerlauf, das Unvermögen und die Bürokratie zunahmen: eine selbsterfüllende Prophezeiung. Im zurückliegenden Vierteljahrhundert erlitten Politik und Verwaltung einen herben Verlust an Kompetenz. Das war Absicht, der Erfolg systematischer Diffamierung demokratischer Institutionen.

Die gute Regulierung
Die ewige Frage der Politik, die nie eine ideale Antwort findet, lautet: Welche ist die jetzt notwendige, zweckmässige, verhältnismässige, wirksame, durchsetzungsfähige, später abschaffbare, möglichst allgemeine Regel, die in die Systematik der Gesetze passt und nach menschlichem Ermessen wenig unerwünschte Nebenwirkungen hat? Diese Frage zu klären, fordert Staatsdienern und Gesetzgebern hohe Kompetenz ab. Doch die fehlt dem «schlanken Staat» im Schlepptau einer Wirtschaft, die kraft ihrer bestbezahlten Fachleute den Verwaltungsapparat überfährt und sich wichtige Gesetze massschneidern lässt.

Am Geldhahn und Gängelband grosser Banken war die Politik nicht mehr willens oder fähig, eine vernünftige Ordnung der Finanzmärkte durchzusetzen und für Stabilität zu sorgen. Schon 1950 mahnte selbst Walter Eucken: Ein sich selbst überlassener Markt, dem der Staat keinen straffen Rahmen setzt, sei krisenanfällig. Die oft beschworene Staatsquote — den Anteil der öffentlichen Hand am Volkseinkommen wollten die Antietatisten unbedingt drücken — war für Walter Eucken nachrangig: «Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit, die Frage geht am Wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um eine qualitatives Problem.»

Es kam, wie es kommen musste und schon bei Tacitus vorkommt (in dieser Hinsicht sind 2000 Jahre eine kurze Zeit): Wie einst Kaiser Tiberius und sein Senat neigten Minister und Volksvertreter dazu, ihre Schwäche durch Aktivismus wettzumachen; im Jahrzehnt vor dem Krach stellten sie viele statt gute Regeln auf. Und die Wirtschaftswissenschaft vernachlässigte ihrerseits das Thema der «besseren Regulierung» — weil Regulierung an sich verdächtig schien. Neokonservative und Neoliberale, die wie die 68er-Ideologen Begriffe besetzten, nährten den Hass auf Gesetze aller Art. Das Recht schnüre die Freiheit ein, sagten diese Überzeugungstäter. Ein Übermass an Regulierung kann in der Tat die Menschen hemmen. Doch ist das Recht eine elementare Voraussetzung der Freiheit aller. Ohne Gesetze gilt das Recht des Stärkeren, das diese Freiheit erstickt. Der allgegenwärtige Wettbewerb, in dem sich die Stärksten durchsetzen, ist indessen das Ideal des Ultraliberalismus. Die Freiheit, die er meint, ist die des Gewinners, «the winner takes it all». Ein demokratischer Rechtsstaat hütet ebenso sehr die Freiheit des Verlierers. Ultraliberale befehden den Staat, weil er dem Recht des Stärkeren entgegensteht.

«Mehr Freiheit, weniger Staat», lautete das Kampfwort. Mehr Marktfreiheit und weniger Bürgerfreiheit — darauf lief ultraliberale Politik hinaus. Hinter Freiheitsparolen lauert ein autoritärer Kapitalismus. Manager, die ihren Konzern autokratisch führen, verzweifeln am Schneckengang der Demokratie. Sie loben das riesige und trotzdem entscheidungsfreudige China. Sie bewundern das kleine Singapur, dessen Regierung den Stadtstaat wie ein Unternehmen leitet, die Bürger wie Mitarbeiter lenkt, und wo die Wirtschaft freier ist als der Mensch. Diese Marktradikalen beseelt der Wille zur Macht: zur Wirtschaftsmacht, die der Demokratie Befugnisse entzieht. Im Zeichen der Privatisierung zog sich der demokratische Staat aus vielen Bereichen zurück, die er dem Gestaltungswillen einer Handvoll Marktführer überliess (mancherorts sollte selbst die Wasserversorgung, eine Lebensader, privater Kontrolle anheimfallen).

Das Ende der Demokratie
Das lief auf «Demokratieentleerung» (so der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer) hinaus: Die Politiker spielten zwar unverdrossen ihr Spiel, aber der Spielraum wurde enger. Kein Marxist, sondern der liberalkonservative Lord Ralf Dahrendorf beobachtete: «Was die globale Klasse als schlimme, anachronistische Behinderung ansieht, sind nationale Regierungen und ihre Gesetze. Es verwundert nicht — denn das ist eine historische Konstante —, dass eine neue Klasse die traditionellen Institutionen als hinderlich für ihre Entfaltung betrachtet und der Meinung ist, sie müssten entweder zerschlagen oder ignoriert werden. Wir sind bereits in eine Phase eingetreten, die wir als ‹Post-Demokratie› bezeichnen könnten», so der jüngst verstorbene Lord.

Athen, die Urdemokratie, hatte ihre Agora, auf der die Bürger debattierten und die Händler feilschten. Auch im republikanischen alten Rom, lange vor der Willkürherrschaft von Cäsaren wie Tiberius, war das Forum Treffpunkt von Demokratie und Marktwirtschaft, und dieses Paar galt bis vor Kurzem als unzertrennlich. Im postdemokratischen Kapitalismus jedoch ist das erfolgreichste Land eine Diktatur, die Volksrepublik China.

Manche Ultraliberale beklagen den Niedergang des bequemen Westens. Sie schelten den Sozialstaat, der die Menschen entmündige und ihren Antrieb schwäche. Sie übersehen, dass gerade der Kapitalismus viele aktive Bürger zu passiven Konsumenten verkümmern lässt (und dass sogar die Politik zum Konsumprodukt wird, das Populisten am besten vermarkten können, weil sie Emotionen bewirtschaften). Die von Ultraliberalen angestrebte Vormacht der Ökonomie über die Demokratie forciert den viel beklagten Verlust an Bürgersinn. Noch toxischer als manches «strukturierte Produkt» ist der strukturelle Primat der Wirtschaft über die Politik.

Nur eine lebendige Demokratie kann die Forderung erfüllen, die der Schöpfer des Worts «Neoliberalismus», Alexander Rüstow, 1932 am Ende eines Vortrags vor einigen der besten Ökonomen seiner Zeit erhob: «Der neue Liberalismus, der heute vertretbar ist und den ich mit meinen Freunden vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört. Und mit diesem Bekenntnis zum starken Staat im Interesse liberaler Wirtschaftspolitik und zu liberaler Wirtschaftspolitik im Interesse eines starken Staates — denn das bedingt sich gegenseitig —, mit diesem Bekenntnis lassen Sie mich schliessen.»


Zwischenergebnis 3
Ein zukunftsfähiger Kapitalismus beachtet den Vorrang der Demokratie vor der Ökonomie und bricht die Übermacht der Finanzwelt; sorgt für viel Unabhängigkeit der Politik von Wirtschaftsinteressen; achtet den Staat und seine Institutionen; hat zugunsten vernünftiger und nach Möglichkeit wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen ein hohes Interesse an einer kompetenten, leistungsfähigen Verwaltung.

Nächste Folge im September: Das Diktat der kurzen Frist
Roger De Weck ist Publizist und schreibt regelmässig für «Das Magazin». Dieser Text ist Teil eines Buchprojekts, das im November unter dem Titel «Nach der Krise – Gibt es einen anderen Kapitalismus?» im Verlag Nagel & Kimche, Zürich und München, erscheinen wird. «Das Magazin» publiziert in loser Folge Auszüge.

Samstag, August 15, 2009

Financial Times: Do not discount the threat of peak oil

Do not discount the threat of peak oil
Financial Times
By Will Whitehorn and Jeremy Leggett

Published: August 9 2009 19:47 | Last updated: August 9 2009 19:47

Last week, the government published a review of the UK’s energy security situation. In a report commissioned by the prime minister, Malcolm Wicks, the former energy minister, pronounced that “there is no crisis”.

His findings were in marked contrast to those of the UK Industry Taskforce on Peak Oil and Energy Security, which concluded last year that the economy faces a clear and present energy-security threat. The taskforce, a group that includes Virgin, Scottish and Southern Energy, Arup, Stagecoach and Solarcentury, was set up in 2007 on the basis of our shared opinion that peak oil merited serious study as a business risk. Some began with the assumption that the issue was low-risk but high-consequence. Sadly, we are now of the collective view that peak oil is a high-risk, high-consequence issue.



Do not discount the threat of peak oil
Financial Times
By Will Whitehorn and Jeremy Leggett

Published: August 9 2009 19:47 | Last updated: August 9 2009 19:47

Last week, the government published a review of the UK’s energy security situation. In a report commissioned by the prime minister, Malcolm Wicks, the former energy minister, pronounced that “there is no crisis”.

His findings were in marked contrast to those of the UK Industry Taskforce on Peak Oil and Energy Security, which concluded last year that the economy faces a clear and present energy-security threat. The taskforce, a group that includes Virgin, Scottish and Southern Energy, Arup, Stagecoach and Solarcentury, was set up in 2007 on the basis of our shared opinion that peak oil merited serious study as a business risk. Some began with the assumption that the issue was low-risk but high-consequence. Sadly, we are now of the collective view that peak oil is a high-risk, high-consequence issue.

How can government be so out of tune with such a wide spectrum of companies? The core of the disagreement is the point at which the world pumps as much oil in a day as it is ever going to pump. Beyond the peak, or plateau perhaps, lies a descent that would pose huge challenges for oil-dependent economies. There is a grave danger, in the view of the taskforce, that this will happen earlier than widely expected. In the words of its report: “The risks to UK society from peak oil are far greater than those that tend to occupy the government’s risk-thinking, including terrorism.”

We fear this is because of over-estimation of reserves by the global oil industry, underinvestment in exploration and production, or a combination of the two. Once the descent begins, the realisation would sweep the world that another leading industry has its asset assessment systemically wrong. The danger is that producing nations then start cutting exports. At that point, for some oil-consuming nations, energy crisis becomes energy famine.

The taskforce will produce a second report this November, studying among other topics the impact of the recession on oil production, which we concluded (www.peakoiltaskforce.net) last November was most likely to peak in 2013. Early indications are that the recession has moved the peak a little further into the next decade, but steepened the descent in production thereafter. Most leaders in the oil industry put the peak well beyond the next decade, a view that we know senior civil servants share.

The Wicks review mentions peak oil only once. The relevant passage concludes: “Few authors advocating an imminent peak take account of factors such as the role of prices in stimulating exploration, investment, technological development and changes in consumer behaviour.”

The UK industry taskforce report ignored none of these things. Prices do stimulate exploration but – we argue – not enough. We discuss the intervals between oil discoveries and bringing capacity to the market. We discuss investment, and conclude that there have been dangerous shortfalls even when prices have been high. We discuss technological developments such as enhanced oil recovery and conclude that they tend only to slow depletion rates. We discuss changes in consumer behaviour and worry that they will not be sufficient, especially in India and China, to shrink global demand in parallel with supply.

If we imagine a review of financial security in 2006, the equivalent of the cursory dismissal of peak oil in the Wicks review might have read as follows: “Few authors advocating the toxicity of derivatives take into account factors such as the investment banking industry’s sophisticated treatment of risk, and the extent of the due diligence involved in awarding triple-A investment grading.”

We believe there are profound cultural problems in this debate. The FT’s Gillian Tett has argued that the banking elite cocooned itself in a “social silence” over the true worth of its assets in the run-up to the financial crunch. We worry that the oil industry is wrapped in a social silence on the depletion of its own assets. If we are right, a dire energy crunch awaits us and we need to act now.

The most perplexing thing about this fundamental difference of opinion is this. The UK taskforce held two meetings with Department of Energy and Climate Change officials, one of which Mr Wicks attended himself. Yet his review ignores not just our conclusions, but our very existence.

Will Whitehorn, president of Virgin Galactic, is chairman of ITPOES. Jeremy Leggett, chairman of Solarcentury, is convenor of ITPOES

Freitag, August 14, 2009

Mercedes Sosa - Vientos del Alma

Mittwoch, August 12, 2009

Shell takes to high seas to escape oil gloom

From The Sunday Times
August 2, 2009
Shell takes to high seas to escape oil gloom
Turbulent times are forcing energy giants into uncharted waters
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Danny Fortson

It was a week of unrelenting gloom for the oil industry. As one boss after another revealed unprecedented plunges in profits, tens of billions of dollars were wiped off company values. They warned of savage jobs cuts to come and none ventured a guess as to when the recession might end. All is not well in oil-land.

Yet it was a largely ignored announcement by Shell that illustrates the depth of the probems facing the industry. The company approved a plan to build a fleet of floating natural gas plants. Each will be twice the length....



From The Sunday Times
August 2, 2009
Shell takes to high seas to escape oil gloom
Turbulent times are forcing energy giants into uncharted waters
undefined

Danny Fortson

It was a week of unrelenting gloom for the oil industry. As one boss after another revealed unprecedented plunges in profits, tens of billions of dollars were wiped off company values. They warned of savage jobs cuts to come and none ventured a guess as to when the recession might end. All is not well in oil-land.

Yet it was a largely ignored announcement by Shell that illustrates the depth of the probems facing the industry. The company approved a plan to build a fleet of floating natural gas plants. Each will be twice the length of a Royal Navy aircraft carrier and weigh 200,000 tons. They will sail to gas fields located either so far out to sea or in such environmentally sensitive areas that the pipelines and surface infrastructure required make them unviable. Until recently, the idea was dismissed.

“We’ve been looking at this for more than a decade,” said Jon Chadwick, executive vice-president of Shell’s Upstream division. “But in the last couple of years, things have changed.”

Liquefied natural gas (LNG) plants, which extract gas from deep underground and purify, compress and superchill it to liquid form, are expensive and technologically complex. One can easily cost $4 billion (£2.4 billion). Chadwick declined to say how much it will cost to make LNG plants seaworthy, but shipping sources say the price could top $6 billion.

“This way we can drain one field and move on to the next. Nobody has ever built anything like this,” Chadwick said. It seems an extraordinary effort to reach fields that recently were deemed unviable.

Shell, like its rivals, is facing a harsh reality. A combination of the recession, last year’s drop in the oil price, weak gas prices in America, high costs and dwindling natural resources could lead, say insiders, to a reshaping of the sector as profound as the 1990s merger frenzy in which several big names disappeared.

Jeremy Wilson, vice-chairman of energy at JP Morgan, the investment bank, said: “The bottom line is that oil is a challenging industry. Growth of more than 1%-2% a year outside of Opec will be difficult to deliver. Oil companies aren’t like Coca-Cola or Microsoft, which have differentiated products and sustainable competitive advantage. The industry is full of similar companies with similar capabilities, delivering the same products.”

Executives are already tackling the most pressing problems: high costs and unpredictable cashflow. The oil price has more than halved from its record $147 a barrel last summer, while costs that rocketed in the boom have been slow to fall. The result is that oil firms’ cashflow is being eaten up by dividends and exploration, so many are having to borrow to meet payments.

Bosses are having to wield the axe. BP has shed 5,000 staff and Tony Hayward, chief executive, said last week he expected to shave another $1 billion from costs, mostly by squeezing suppliers. Peter Voser, who took over at Shell a month ago, could cut 10,000 staff. Exxon Mobil, which last week posted a two-thirds drop in quarterly profits, may freeze spending levels.

Solving the fundamental problem of replacing falling reserves is more difficult. Consider Shell. Last year it spent $30 billion on exploration and production, one of the largest investment programmes of any company in the world, while its production fell 5%.

Gordon Gray, an analyst at the broker Collins Stewart, said: “The decline of mature assets is relentless. They are all fighting hard against it but they are approaching it in different ways.” Analysts say, however, that cuts now will only lead to a new oil price spike when the developed economies come out of recession.

Anthony Lobo, head of oil and gas at KPMG, said that in the short term small mergers of, say, £20 billion, and joint ventures with national oil companies (NOCs) are more likely than huge mergers. “The deals of £40 billion or more seen in the last decade are unlikely to happen because one international oil company [IOC] buying another arguably compounds the problem,” he said.

“The magic formula is the combination of cash and reserves. The IOCs have cash and access to debt but the NOCs hold the keys to many of the reserves. As NOCs are not up for sale, we are likely to see international oil companies proposing joint ventures.”

This is because the “easy” oil — on land and in politically friendly regions — is drying up. NOCs own 80% of the world’s reserves, leaving the industry to fight over a shrinking number of fields in hard-to-reach places. Manouchehr Takin of the Centre for Global Energy Studies said: “The IOCs need the NOCs a lot more than the NOCs need them.”

This is why companies such as Shell and Exxon have been increasingly aggressive in marketing their technological know-how. “If you can prove to the Iraqis, for example, that you can get another 10% out of a field, that could give you the edge,” said an industry source.

Companies may also shed older assets or quit entire regions to focus their spending on big-ticket projects that will bring long-lasting production on to the books. Afren, an independent producer in Nigeria, said oil giants were looking at selling 250 fields in the country, which is riven by conflict.

A month ago, Iraq auctioned rights to develop six huge oil fields and two gas fields. It was the first time in three decades that the owner of the world’s third-largest reserves had invited foreign companies into the industry. More than 30 companies expressed an interest but in the end only one bidding group, BP and China National Petroleum, won a concession on one field. The others baulked at the harsh terms.

One source said: “BP is going to make $2 a barrel on that. Unfortunately, that is a sign of things to come.”

Dienstag, August 11, 2009

Berge / Mountains

Donnerstag, August 06, 2009

Faith Birol: We should leave oil before it leaves us

The Independent 02.08.09
Outside View: We can't cling to crude: we should leave oil before it leaves us

Faith Birol

We are on the brink of a new energy order. Over the next few decades, our reserves of oil will start to run out and it is imperative that governments in both producing and consuming nations prepare now for that time. We should not cling to crude down to the last drop – we should leave oil before it leaves us. That means new approaches must be found soon.

Even now, we are seeing a shift in the balance of power away from publicly listed international oil companies. In areas such as the North Sea....


The Independent 02.08.09
Outside View: We can't cling to crude: we should leave oil before it leaves us

Faith Birol

We are on the brink of a new energy order. Over the next few decades, our reserves of oil will start to run out and it is imperative that governments in both producing and consuming nations prepare now for that time. We should not cling to crude down to the last drop – we should leave oil before it leaves us. That means new approaches must be found soon.

Even now, we are seeing a shift in the balance of power away from publicly listed international oil companies. In areas such as the North Sea and the Gulf of Mexico, production is in decline. Mergers and acquisitions will allow "big oil" to replenish reserves for a while,and new technologies will let them stretch the lives of existing fields and dip into marginal and hard-to-reach pools. But this will not change the underlying problem. Oil production by public companies is reaching its peak. They will have to find new ways to conduct business.

Increasingly, output levels will be set by a very few countries in the Middle East. This does not necessarily mean an immediate return to the price shocks of the 1970s, because producing countries have learnt that stability is in their interests. Even so, it is not certain that they are ready to increase production to meet growing world demand. Building new capacity takes time.

On the demand side, we see two big transformations. Wherever possible, people have already switched from oil, particularly for industrial use, home heating and electricity generation. In future, oil will mainly be used in the transport sector, where we have no readily available alternatives.

The other transformation is that the bulk of demand growth is coming, and will come in the future, from China and India. Here again, car ownership is the main driver. By 2020, India will be the world's third-largest oil importer, and we expect China will be importing 13 million barrels in 2030, which means another US in the market. In terms of car sales, we estimate that by 2015 at the latest, more cars will be sold in China than in the US.

What will all this mean for the price of petrol? The indications are that if the producers don't bring a lot of oil to the markets, we may see very high prices – perhaps oil at $150 a barrel by 2030. If the governments do not act quickly, the wheels may fall off even sooner.

The developed, oil-consuming countries can do several things to ease the transition to the new energy order. One would be to boost vehicle efficiency. Another would be to make better use of biofuels, although to be helpful, these need to be produced cheaply in developing countries like Brazil, not by heavily subsidised farmers in the developed world.

High prices also make it profitable to produce fuel from unconventional sources such as tar sands. But to do this requires plenty of energy, mostly from natural gas, and the process emits lots of CO2. Tar sands are attractive, but like biofuels, they will never replace Middle East oil.

In the long term, we must come up with an alternative form of transport, possibly electric cars, with the electricity being provided by nuclear power stations. The really important thing is that even though we are not yet running out of oil, we are running out of time.

Dr Fatih Birol is chief economist at the International Energy Agency

Mittwoch, August 05, 2009

TA: Faith Birol - Ölquellen versiegen in Rekordtempo

Tages Anzeiger Online 03.08.2009
Wirtschaft

Ölquellen versiegen in Rekordtempo

Die viel gefürchtete Ölklemme komme doppelt so schnell wie bisher erwartet, warnt ein renommierter Experte. Das könnte der Weltwirtschaft eine substanzielle Krise bescheren.

Die wichtigsten Ölfelder der Welt hätten bereits jetzt ihren Zenit überschritten. Und es dürfte weniger als fünf Jahre dauern, bis eine Ölklemme die Wirtschaft fundamental erschüttert. Davor warnt nicht ein notorischer Schwarzmaler, sondern Fatih Birol. Er ist Chefökonom der...


Tages Anzeiger Online 03.08.2009
Wirtschaft

Ölquellen versiegen in Rekordtempo

Die viel gefürchtete Ölklemme komme doppelt so schnell wie bisher erwartet, warnt ein renommierter Experte. Das könnte der Weltwirtschaft eine substanzielle Krise bescheren.

Die wichtigsten Ölfelder der Welt hätten bereits jetzt ihren Zenit überschritten. Und es dürfte weniger als fünf Jahre dauern, bis eine Ölklemme die Wirtschaft fundamental erschüttert. Davor warnt nicht ein notorischer Schwarzmaler, sondern Fatih Birol. Er ist Chefökonom der International Energy Agency IEA in Paris.

Versiegende Ölquellen in Kombination mit einer steigenden Nachfrage werde die Preise in die Höhe treiben – was eine Erholung der Wirtschaft von der aktuellen Krise verhindern könnte, sagt Birol in einem Interview mit dem britischen «Independent».

«Marktmacht des Nahen Ostens steigt»

Bislang hatten Experten gewarnt, das Erdöl werde erst in zehn Jahren zu versiegen beginnen und damit eine Wirtschaftskrise auslösen. Laut Birols Prognose versiegt das Erdöl also doppelt so schnell wie bisher befürchtet. Seine Warnung ist eindringlich: «Wir müssen das Öl verlassen, bevor das Öl uns verlässt, wir müssen uns auf diesen Tag vorbereiten.» Die Umstellung müsse sehr früh beginnen, denn sie werde Zeit und Geld in Anspruch nehmen.

Die Ölklemme gefährde nicht nur die Wirtschaft, sondern verändere auch die Kräfteverhältnisse in der Welt. «Die Marktmacht der wenigen ölproduzierenden Länder, vor allem des Nahen Ostens, wird sich in den nächsten Jahren markant vergrössern», so Birol. Im Moment beträgt der Marktanteil der Länder des Nahen Ostens 40 Prozent, in Zukunft werde er sich noch «massiv ausweiten».

Die IEA ist die auf Energiefragen spezialisierte Abteilung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. (oku)

Erstellt: 03.08.2009, 07:48 Uhr

Montag, August 03, 2009

Some coffein induced idea: Gore-Tex Transalpine Run 2010

Homepage des Transalpine Runs

Die Vorbereitungen - sofern sie dann mal beginnen - können hier nachverfolgt werden:
http://a-bar-transalpine.blogspot.com/

Die spinnen, die Römer....... oder was Espresso und Tee aus Menschen machen können!

Impressionen....

Sonntag, August 02, 2009

Spiegel-Online: Wie nah ist zeitnah?

Wie nah ist zeitnah?
Spiegel-Online
Von Bastian Sick

Nichts ist so rätselhaft wie die Zeit. Darum passt sie so gut zu unserer Sprache, denn auch die steckt voller Rätsel: Wie nah ist zeitnah? Wer putzt die Zeitfenster? Wie lang dauert ein Sekündchen? Ein Zwiebelfisch über zeitlose Probleme mit kleinen Wörtern der Zeit.

Was ist Zeit? Was ist Zeit?
Ein Augenblick, ein Stundenschlag
Tausend Jahre sind ein Tag!
(Siegfried Rabe/Udo Jürgens)

Das Mysterium der Zeit hat mich beschäftigt, seit ich ein kleiner Junge war. Spätestens, seit ich "Peter Pan" gesehen hatte, wo ein Krokodil eine Rolle spielt, das einen Wecker verschluckt hatte und infolgedessen ständig tickte. Seitdem tickte es auch bei mir. Die Zeit faszinierte mich, weil sie sich nicht beherrschen ließ. Nie verging sie so, wie man es wollte. Beim Spielen viel zu schnell, und bis Weihnachten viel zu langsam.

In der Schule wollte man mir weismachen, Zeit...


Wie nah ist zeitnah?
Spiegel-Online
Von Bastian Sick

Nichts ist so rätselhaft wie die Zeit. Darum passt sie so gut zu unserer Sprache, denn auch die steckt voller Rätsel: Wie nah ist zeitnah? Wer putzt die Zeitfenster? Wie lang dauert ein Sekündchen? Ein Zwiebelfisch über zeitlose Probleme mit kleinen Wörtern der Zeit.

Was ist Zeit? Was ist Zeit?
Ein Augenblick, ein Stundenschlag
Tausend Jahre sind ein Tag!
(Siegfried Rabe/Udo Jürgens)

Das Mysterium der Zeit hat mich beschäftigt, seit ich ein kleiner Junge war. Spätestens, seit ich "Peter Pan" gesehen hatte, wo ein Krokodil eine Rolle spielt, das einen Wecker verschluckt hatte und infolgedessen ständig tickte. Seitdem tickte es auch bei mir. Die Zeit faszinierte mich, weil sie sich nicht beherrschen ließ. Nie verging sie so, wie man es wollte. Beim Spielen viel zu schnell, und bis Weihnachten viel zu langsam.

In der Schule wollte man mir weismachen, Zeit sei eine exakt messbare Komponente unseres Universums; doch ich wusste es besser: Nichts ist so relativ wie die Zeit. Für unser Leben spielen Nanosekunden und Gigajahre keine Rolle, da geht es allein um gefühlte Zeit: 20 objektive Minuten beim Zahnarzt sind in gefühlter Zeit mindestens zwei Stunden. Dass eine Minute längst nicht immer aus 60 Sekunden besteht, weiß jeder, der schon mal die Ansage gehört hat: "Gib mir eine Minute, Schatz! Ich zieh mir nur eben ein anderes Kleid an!" Oder man klingelt unten an der Tür, und eine Stimme flötet vom Balkon herab: "Sekündchen, ich komme!" Während dieses "Sekündchens" kann man meistens problemlos noch ein bis zwei Telefonate führen.

Wie schwer es uns fällt, die Zeit zu bestimmen, zeigt sich an Wörtern wie "sofort", "gleich" oder "später". Ein guter Bekannter klärte mich einmal über die in seiner Abteilung übliche Unterscheidung auf. "Das erledige ich sofort" bedeute so viel wie "im Anschluss an meine Kaffeepause", während "das erledige ich gleich" so viel wie "nachher, am späteren Nachmittag, wenn alle meine Ebay-Auktionen abgelaufen sind" bedeute. Die Aussage "das erledige ich später" stelle klar, dass mit einer Erledigung keinesfalls mehr am selben Tag zu rechnen sei.

In einigen Kulturen gibt es angeblich gar kein Wort für Zeit. Im Deutschen gibt es dafür umso mehr Wörter mit "Zeit", man denke nur an Zusammensetzungen wie Zeitalter, Zeitbombe, Zeitdruck, Zeitlupe, Zeitpunkt, Zeitreise und Zeitzeuge. Und nicht zu vergessen: Zeitfenster. Das ist aus unserer Sprache heute nicht mehr wegzudenken. Früher betrat man einen Zeitraum oder hängte einen Zeitrahmen auf, heute öffnet man ein Zeitfenster. Die Moden wandeln sich eben - das ist der Lauf der Zeit. Mir soll's recht sein - solange ich dieses Fenster nicht putzen muss ...

Ebenfalls zurzeit sehr in Mode ist der Superlativ-Nachsatz "aller Zeiten": Da ist vom "teuersten Film aller Zeiten" die Rede, von der "meistverkauften Platte aller Zeiten", vom "kultigsten Auto aller Zeiten" und vom "jüngsten Formel-1-Sieger aller Zeiten". Ich halte dies für den größten Unfug aller Zeiten. Denn wer wirklich alle Zeiten meint, der kann doch dabei die Zukunft nicht ausschließen, und wer könnte sicher sagen, dass es morgen nicht einen noch teureren Film und einen noch jüngeren Formel-1-Sieger geben wird?

Zugegeben: "Der teuerste Film aller bisherigen Zeiten" klingt nicht so beeindruckend. Aber in Zeiten allzu schneller Ausreizung von Rekordvokabeln kann es nicht schaden, sich beizeiten etwas Neues einfallen zu lassen. Den "aller Zeiten"-Nachsatz verwendete man übrigens schon zu früheren Zeiten: Adolf Hitler wurde spöttisch auch als Gröfaz bezeichnet, als "größter Feldherr aller Zeiten". Allein aus diesem Grunde sollte man mit dem "größten Superlativ aller Zeiten" weniger leichtfertig und verschwenderisch umgehen.

Politiker lieben das Wort "zeitnah", weil es gebildet klingt, auch wenn es in Wahrheit genauso unpräzise ist wie "bald" oder "demnächst". Noch im letzten Jahrhundert führte "zeitnah" ein eher unscheinbares Dasein im Wirtschafts- und Bankenjargon. Der Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen verhalf ihm im Jahre 2001 zum gesellschaftlichen Durchbruch. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Rücktritts des CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky beantwortete Diepgen mit den Worten: "Die Entscheidung wird zeitnah folgen."

Seitdem hat die Verwendung des Wortes "zeitnah" bei Politikern und in den Medien sprunghaft zugenommen. Immer wieder hört und liest man von "zeitnahen Lösungen" und "zeitnahen Umsetzungen", und die Bahn verspricht "zeitnahe Auskünfte über Verspätungen und Anschlussmöglichkeiten". Ob Politiker ihren ungeduldig wartenden Kindern wohl auch erklären, Weihnachten sei zeitnah? Dabei ist die Definition von "zeitnah" offenbar sehr dehnbar; sie reicht von "jüngst" bis "bald". Gerade im Feuilleton wird "zeitnah" gern anstelle von "aktuell" gebraucht. Da ist von "zeitnahen Themen" die Rede oder von "zeitnaher Literatur". Damit sind nicht die Themen und Bücher der nahen Zukunft gemeint, sondern die der Gegenwart.

Manchen ist dieses Wort schon so lieb geworden, dass sie ihm eigene Regeln andichten, zum Beispiel bei der Steigerung: "Der zeitnaheste Termin, den ich Ihnen anbieten kann, ist in vier Wochen", erfuhr ich von der Sprechstundenhilfe meines Zahnarztes. Warum nicht einfach "der nächste" oder "der früheste"?

Ein gravierendes Missverständnis besteht auch hinsichtlich des unscheinbaren Wortes "zunächst". Wie oft liest man in Zeitungsartikeln "Über die Brandursache war zunächst nichts bekannt" oder "Vom Täter fehlte zunächst jede Spur". Ich wundere mich dann immer darüber, dass der Artikel die Auflösung schuldig bleibt. Denn wenn ich ein "zunächst" lese, erwarte ich ein "dann". So wie hier zum Beispiel: "Zunächst sagte keiner ein Wort, dann fing sie leise an zu sprechen." Entsprechend also: "Vom Täter fehlte zunächst jede Spur, nach intensiver Suche fand ihn die Polizei dann im Nebenzimmer."

Das Wort "zunächst" ist gleichbedeutend mit "vorerst", "fürs Erste". Wenn man schreiben will, dass irgendetwas noch nicht bekannt ist, dann ist "bislang" oder "bisher" die richtige Wahl: "Über die Ursache ist bislang nichts bekannt." Sprache und Zeit haben eines gemein: Sie sind schwer zu begreifen, und sie geben uns immer wieder neue Rätsel auf.

Samstag, August 01, 2009

NZZ: Alt werden in einem gesunden Körper

29. Juli 2009, Neue Zürcher Zeitung

Alt werden in einem gesunden Körper
Hungerkuren oder Wirkstoffe sollen ein gesundes, langes Leben ermöglichen

Eine drastische Kalorienrestriktion verlängert das Leben von Tieren. Es gibt Hinweise, dass die Methode auch das Einsetzen altersbedingter Krankheiten beim Menschen verzögert. Forscher suchen mit einigem Erfolg nach Substanzen, die diesen Effekt simulieren.

Lena Stallmach

Die Unsterblichkeit ist etwas, das die Menschheit schon seit Urzeiten fasziniert. Und mittlerweile präsentiert die moderne Wissenschaft Techniken, die zumindest eine Verlängerung des Lebens möglich erscheinen lassen. So predigen einige Visionäre wie etwa der Altersforscher Aubrey de Grey, dass ein....


29. Juli 2009, Neue Zürcher Zeitung

Alt werden in einem gesunden Körper
Hungerkuren oder Wirkstoffe sollen ein gesundes, langes Leben ermöglichen

Eine drastische Kalorienrestriktion verlängert das Leben von Tieren. Es gibt Hinweise, dass die Methode auch das Einsetzen altersbedingter Krankheiten beim Menschen verzögert. Forscher suchen mit einigem Erfolg nach Substanzen, die diesen Effekt simulieren.

Lena Stallmach

Die Unsterblichkeit ist etwas, das die Menschheit schon seit Urzeiten fasziniert. Und mittlerweile präsentiert die moderne Wissenschaft Techniken, die zumindest eine Verlängerung des Lebens möglich erscheinen lassen. So predigen einige Visionäre wie etwa der Altersforscher Aubrey de Grey, dass ein 1000-jähriges Leben schon bald möglich sein wird. Von solchen umstrittenen Prophezeiungen einmal abgesehen, ist das Ziel der Mehrheit der Anti-Aging-Forscher nicht unbedingt ein längeres, sondern vielmehr ein möglichst langes gesundes Leben. Die bisher vielversprechendste Methode, die durchschnittliche und maximale Lebenszeit bei guter Gesundheit zu verlängern, ist die Kalorienreduktion. Seit mehr als 70 Jahren erforschen Wissenschafter dieses Phänomen bei verschiedenen Tierarten. Die Relevanz der Ergebnisse für den Menschen bleibt umstritten. Eine neue Studie an Rhesusaffen und Selbstversuche von Menschen scheinen den Effekt aber zu bestätigen.

1934 wurde erstmals berichtet, dass eine stark reduzierte Kalorienaufnahme bei genügender Zufuhr aller lebenswichtigen Nährstoffe die durchschnittliche und maximale Lebensdauer von Mäusen verlängert und das Auftreten von altersbedingten Krankheiten verzögert. Seitdem haben Hunderte von Studien eine Verlangsamung der Alterung bei Hefezellen, Fruchtfliegen, Würmern, Fischen und Ratten aufgezeigt. 1989 begann im Nationalen Primatenforschungszentrum in Wisconsin eine Langzeitstudie an Affen. Dabei wurde die Kalorienaufnahme von 30 erwachsenen, männlichen Rhesusaffen langsam reduziert, und zwar um 30 Prozent der vorher individuell bestimmten Basisversorgung der Tiere. 1994 wurden 30 Weibchen und nochmals 16 Männchen zusätzlich in das Programm aufgenommen. Nun haben Ricki Colman und Richard Weindruch von der Wisconsin-Universität im Wissenschaftsmagazin «Science» über die bisherigen Ergebnisse dieses Versuchs berichtet.

Die Affen auf Diät wirkten laut den Forschern äusserlich deutlich jünger als die Kontrolltiere, die eine normale Futtermenge erhielten. Sie verloren an Fettmasse, und der altersbedingte Abbau von Muskelmasse wurde verlangsamt. Ihr Blutzuckerspiegel war deutlich besser, und es trat kein einziger Fall von Diabetes auf, während bei den Kontrolltieren 5 daran erkrankten und 11 als prädiabetisch diagnostiziert wurden. Die Anzahl der Krebserkrankungen war von 8 in der Kontroll- auf 4 in der Diätgruppe reduziert und der altersbedingte Abbau der grauen Hirnmasse in einigen Arealen verlangsamt. Insgesamt traten zwei Drittel weniger altersbedingte Krankheiten in der Diätgruppe auf. Die Forscher untersuchten auch die Todesursache der verstorbenen Affen. Während von den ursprünglich 76 Tieren 14 aus der Kontrollgruppe an altersbedingten Erkrankungen verstarben, waren es in der kalorienreduzierten Gruppe nur 5.

Da ein Grossteil der Tiere noch lebt, kann kein Schluss über die Auswirkung der Diät auf die maximale Lebensdauer gezogen werden. Jedoch zeigen die Ergebnisse, dass eine Kalorienreduktion im Erwachsenenalter die Gesundheit und Überlebensrate von Affen verbessert. Zwei andere in den USA durchgeführte Primatenstudien kamen vor einigen Jahren zu ähnlichen, wenn auch weniger deutlichen Ergebnissen.

100-Jährige auf Okinawa

Auch wenn Affen dem Menschen in vielen physiologischen Abläufen sehr ähnlich sind, so heisst das nicht, dass eine Kalorienreduktion beim Menschen auch eine solch positive Auswirkung auf die Gesundheit hat. Dies könnte nur durch sehr aufwendige Langzeitstudien bestätigt werden. Dennoch gibt es Hinweise, dass eine solche Diät beim Menschen ähnliche Effekte zeigt. Ein Beispiel sind die vielen 100-Jährigen auf der japanischen Insel Okinawa, wo die Menschen laut einer Studie im Beobachtungszeitraum von 1949 bis Ende der 1960er Jahre 11 Prozent weniger Kalorien einnahmen als normalerweise empfohlen. Dies lag nicht nur an der okinawesischen Maxime «Iss, bis der Magen zu 80 Prozent gefüllt ist», sondern vor allem an der schwierigen Wirtschaftslage auf der Insel. Zucker- und fetthaltige Nahrungsmittel konnten sich nur wenige leisten; die Ernährung bestand hauptsächlich aus Süsskartoffeln und grünem oder wurzelartigem Gemüse.

Auf Okinawa leben nicht nur viele 100-Jährige, diese erfreuen sich auch einer sehr guten Gesundheit. Ihr Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes zu leiden, ist deutlich geringer als bei den Durchschnitts-Japanern. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass die Menschen dies anderen Einflüssen wie der Genetik, speziellen Nährstoffen oder der traditionellen Lebensweise zu verdanken haben. Um andere Faktoren möglichst auszuschliessen, läuft in den USA zurzeit ein Projekt, in dem Forscher die Auswirkung einer zweijährigen Kalorienreduktion bei gesunden, normal bis leicht übergewichtigen Probanden untersuchen. Die Ergebnisse werden 2011 erwartet.

Die an dem Projekt beteiligten Forscher Leanne Redman und Eric Ravussin hatten bereits früher die Auswirkung einer 25-prozentigen Kalorienreduktion während sechs Monaten bei übergewichtigen Personen untersucht. Die Probanden verloren durchschnittlich 10 Prozent ihres Körpergewichts. Auch zeigte sich ein positiver Effekt auf Diabetes- oder kardiovaskuläre Risikofaktoren und auf zwei Biomarker für Langlebigkeit. Die Diät wirkte sich nicht negativ auf die Stimmung oder körperliche Leistungsfähigkeit der Probanden aus, und sie hatten nicht mehr Hunger als die Kontrollgruppe, die sich ohne Kalorienreduktion gesund ernährte. Dafür waren Energieverbrauch und Stoffwechselrate während des Schlafs verringert, und zwar um 6 Prozent mehr, als man wegen der Kalorienreduktion erwarten würde. Die Forscher schliessen daraus, dass der Körper auf einen Sparmodus schaltet. Dies ist im Einklang mit einer Hypothese, die den positiven Effekt der Kalorienrestriktion auf ein «Herunterfahren» des Stoffwechsels zurückführt. Dadurch entstünden im Körper weniger schädigende Sauerstoffradikale, die massgeblich zur Zellalterung beitragen.

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse bei Tieren wurde in den 1990er Jahren in den USA die Gesellschaft für Kalorienrestriktion gegründet. Die Mitglieder befolgen freiwillig eine Diät mit 20 bis 40 Prozent weniger Kalorien bei ausreichender Nährstoffversorgung. Sie werden auch als CRONies bezeichnet (Calorie Restriction with Optimal Nutrition). Die Forscher John Holloszy und Luigi Fontana untersuchten vor wenigen Jahren 18 Personen, die seit mehreren Jahren eine solche Diät befolgen, und verglichen sie mit 18 gesunden Personen, die sich nach amerikanischem Standard ernähren. Dabei zeigte sich, dass die Risikofaktoren für Arteriosklerose und Diabetes bei den CRONies deutlich verringert waren. Allerdings weist die Studie methodische Mängel auf, denn die Kontrollgruppe hatte einen durchschnittlichen Body-Mass-Index von 25,9, was an der Grenze zum Übergewicht liegt, hingegen waren die CRONies normalgewichtig. Möglicherweise führte allein der Gewichtsunterschied zu den verbesserten Werten.

Ein Jungbrunnen für Mäuse

Trotz einigen positiven Effekten auf die Gesundheit scheint es wenig erstrebenswert, ein Leben lang eine strenge Diät einzuhalten, auf Süssigkeiten, Rahmsaucen oder Alkohol zu verzichten, nur um am Schluss ein paar Jahre länger gesund zu bleiben – zumal die strenge Diät laut einigen Berichten zu einer verminderten Libido und häufigem Frieren führen kann. Deshalb ist das Ziel von einigen Altersforschern, den Wirkmechanismus der Kalorienrestriktion zu entschlüsseln und Substanzen zu finden, die an diesen ansetzen. Kürzlich berichteten Randy Strong, David Harrison und Richard Miller im Wissenschaftsmagazin «Nature», dass ein bekanntes Medikament namens Rapamycin die maximale Lebensspanne von männlichen Mäusen um 9 Prozent und die von weiblichen um 14 Prozent verlängert. Das Bemerkenswerte daran ist, dass den Mäusen der Wirkstoff erst in einem Alter von 600 Tagen verabreicht wurde, was einem Menschenalter von 60 Jahren entspricht. Hingegen wirkte die Kalorienrestriktion bei Mäusen nur dann, wenn sie früh im Leben begonnen wurde.

Die Obduktion der verstorbenen Tiere zeigte, dass sie an den gleichen Krankheiten starben, ob sie mit dem Medikament behandelt wurden oder nicht. Die Forscher nehmen deshalb an, dass die Substanz die Entstehung von Krankheiten nicht verhindert, sie aber nach hinten verschiebt. Rapamycin wird viel in der Transplantationsmedizin zur Unterdrückung der Immunfunktion eingesetzt und verhindert, dass die Spenderorgane abgestossen werden. Die Forscher warnen deshalb vor einer Einnahme des Wirkstoffs, denn die Nebenwirkungen sind nicht unerheblich.

Die Substanz wirkt über ein TOR genanntes Protein, welches viele verschiedene molekulare Signalwege reguliert. Wie einige Studien an Tieren gezeigt haben, wird die Aktivität des Proteins auch durch eine Kalorienrestriktion reduziert. Und genetische Untersuchungen haben ergeben, dass allein die Hemmung von TOR den Alterungsprozess in verschiedenen Tierarten verlangsamt. Deshalb wird vermutet, dass das Protein eine Schlüsselrolle bei der Auswirkung der Kalorienrestriktion auf das Altern spielt.

Verjüngende Medikamente im Test

Eine weitere solche Schlüsselfunktion scheinen die Sirtuine zu haben. David Sinclair von der Harvard Medical School in Boston konnte zeigen, dass das SIRT1-Gen in Säugetieren durch Kalorienrestriktion aktiviert wird. Andere Gruppen berichteten, dass sich diese Diät nur dann positiv auf die Lebensdauer auswirkt, wenn das Gen vorhanden ist. Sinclairs Forschungsgruppe zeigte ausserdem, dass Moleküle – unter anderem das in Rotwein vorhandene Resveratrol – Sirtuin-Gene aktivieren und das Leben von Hefe, Fruchtfliegen, Würmern und übergewichtigen Mäusen verlängern. Allerdings waren dafür Dosen nötig, die sich ein Mensch durch das Trinken von Rotwein oder die Einnahme von Resveratroltabletten niemals zuführen könnte. Auch blieb eine Wirkung bei normalgewichtigen Mäusen aus. Und einige Ergebnisse sind umstritten, weil sie nicht von anderen Forschern reproduziert werden konnten.

Sinclair hat 2004 aber eine Firma gegründet, welche Resveratrol-ähnliche Substanzen zur Behandlung von Diabetes entwickelt, die weitaus effizienter sein sollen als der Naturstoff. Erste kommerziell erhältliche Produkte werden in drei bis fünf Jahren erwartet. Gleichzeitig werden diese Substanzen zurzeit in normalgewichtigen Mäusen getestet, um zu untersuchen, ob die maximale Lebensdauer dadurch verlängert werden kann. Ein längeres Leben sei aber nicht das Ziel, sondern Medikamente zu entwickeln, die ein gesünderes Leben ermöglichten, sagt Sinclair. Er will, wie es viele Altersforscher formulieren, 80-Jährigen die Gesundheit und das Lebensgefühl von 50-Jährigen ermöglichen.