«Vermögen werden sich in Luft auflösen»
Laut Ex-UBS-Chefökonom Klaus Wellershoff werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise unterschätzt. Viele Sparer würden in Zukunft Geld verlieren. Besonders ältere Menschen treffe es hart.
«Die Inflation würde genau jene treffen, die heute schon unter der Krise leiden: Pensionäre, Mieter und Lohnabhängige», sagt Klaus Wellershoff.
Bild: Christian Grund (13 Photo)
Klaus Wellershoff
Der 47-Jährige ist Honorarprofessor für angewandte Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und Partner einer auf Makroökonomie und Finanzmärkte spezialisierten Beratungsfirma in Zürich. Davor war er zwölf Jahre Chefökonom der UBS. Das Gespräch fand im Rahmen des 15. Zermatter Symposiums von Avenir Suisse statt. (rs)
Sie sind Ökonom, Ihr Bruder Psychoanalytiker. Legen wir für einmal die Wirtschaft auf die Couch. Was ist die Diagnose?
Es wird wahnsinnig viel verdrängt. Man glaubt, alles gehe so weiter wie bisher. Dabei stehen mit der EU, den USA und Japan die Nummern 1, 2 und 4 der Weltwirtschaft vor Problemen, die zu einem massiven Umbau ihrer Gesellschaft führen werden. Es geht längst nicht mehr darum, ob diese Länder ein halbes Prozent mehr oder weniger Wachstum haben.
Geben Sie uns einen Einblick in das Unbewusste.
Niemand weiss, wie die Sozialversicherungen und Krankensysteme in Zukunft finanziert werden können. Die USA und einige EU-Staaten sind faktisch zahlungsunfähig. Viele Vermögen werden sich in Luft auflösen. Reicht das fürs Erste?
Was sind die Folgen?
Wenn Staatsschulden nicht mehr bedient werden können, wird auf Gläubigerseite Vermögen vernichtet. Zudem stehen die grossen Banken vor Herausforderungen, die nochmals zu einem grossen Umbau führen werden. Die
UBSetwa hat heute rund 24'000 Beschäftigte in der Schweiz. Durchaus möglich, dass sich diese Zahl drastisch weiter reduzieren wird. Ich bin überzeugt: Diese Krise wird zu einem grundsätzlichen Umdenken führen.
Inwiefern?
Man wird neu definieren, was wir für den Staat tun und was der Staat für uns tut: innere und äussere Sicherheit, Strassen, soziale Sicherung, Schulen. Es stellt sich die Frage, was der hoch verschuldete Staat künftig noch wird leisten können.
Der Staat soll bei höheren Kosten weniger tun – das wird wenig Begeisterung auslösen.
So kann man es sagen. Gleichzeitig wissen wir, dass viele, die sich heute für vermögend halten, das in wenigen Jahren nicht mehr sein werden. Das betrifft alle, die für ihre Pension gespart haben. Viele, die jetzt vorschlagen, dass Griechenland ein Teil der Schulden gestrichen werden, bedenken nicht, dass damit per Definition auch Vermögen gestrichen wird. Jeder Schuld steht schliesslich eine Forderung gegenüber. Den Staatsschulden stehen Vermögensansprüche der Pensionskassen und Lebensversicherungen gegenüber, zu einem weniger grossen Teil der Banken. Wenn die gestrichen werden, wird es viele Ältere hart treffen, weil die nichts mehr dazuverdienen können.
Erklärt das die Tendenz der älteren Generation, Bewegungen wie die Tea Party oder die SVP zu unterstützen? Und die hohe Zeit des sogenannten Wutbürgers?
Wieweit ein Zusammenhang besteht, wäre ein spannendes Forschungsprojekt.
Bleiben wir bei Ihren Themen. Sie stellen als Ökonom ein paar vermeintliche Gewissheiten infrage: etwa jene, dass die Stärke oder Schwäche einer Währung von der Staatsverschuldung abhängt.
Allein schon ein Blick auf Japan widerlegt das: Dieser Staat ist immens verschuldet und hat trotzdem eine starke Währung. Es gibt so gesehen auch keine Eurokrise. Viele Eurostaaten sind zwar hoch verschuldet, aber der Euro hat seit seiner Einführung 1999 gegenüber den Währungen der Handelspartner nicht an Wert verloren. Das meinen wir nur in der Schweiz. Was wir erleben, ist.........