Sonntag, April 29, 2007

Dienstag, April 24, 2007

Ein Nachruf der NZZ auf Boris Jelzin

24. April 2007, 05:56, NZZ Online
Eine Symbolfigur mit Reizpotenzial
Verhaltene Trauer in Moskau um Boris Jelzin

Am Montag ist unerwartet der erste Präsident des unabhängigen Russland, Boris Jelzin, in Moskau gestorben. So kontrovers seine Präsidentschaft zu beurteilen ist – er bleibt ein Symbol für das Ende der Sowjetunion und Russlands beschwerlichen Weg der Transformation.



24. April 2007, 05:56, NZZ Online
Eine Symbolfigur mit Reizpotenzial
Verhaltene Trauer in Moskau um Boris Jelzin

Am Montag ist unerwartet der erste Präsident des unabhängigen Russland, Boris Jelzin, in Moskau gestorben. So kontrovers seine Präsidentschaft zu beurteilen ist – er bleibt ein Symbol für das Ende der Sowjetunion und Russlands beschwerlichen Weg der Transformation.

mac. Moskau, 23. April

«Eine starke, breite, bedeutsame und widersprüchliche Persönlichkeit – er war so wie Russland.» Mit diesen etwas unbeholfenen, aber emotionalen Worten hat Dmitri Jakuschkin, Ende der neunziger Jahre Pressesprecher des Kremls, am Montagabend im russischen Äther wenig und doch sehr viel über Boris Jelzin gesagt, den ersten Präsidenten der Russischen Föderation nach 1991. Die Nachricht vom Hinschied Jelzins hat Russland überrascht und die Medien, die Politik und die Öffentlichkeit unvorbereitet getroffen.
Ein widersprüchliches Bild

Im pluralistischen Grundwerten verpflichteten Radiosender Echo Moskwy gab es nur noch ein Thema, es waren die Stimmen und Einschätzungen von politischen Weggefährten und Gegnern zu hören. Und mit den Bildern aus Moskaus Strassen vom Augustputsch 1991, dem Beschuss des Parlamentsgebäudes 1993 und den immer unsichereren Auftritten des Präsidenten zum Ende seiner Amtszeit brachten die Hauptnachrichtensendungen der Fernsehkanäle mehr als anderthalb Dekaden stürmischer russischer Geschichte und widersprüchlicher Interpretationen erneut in die Wohnzimmer des Landes.

Boris Nikolajewitsch Jelzin starb am Montagnachmittag in einem der angesehensten Moskauer Spitäler an einem Herzversagen im Alter von 76 Jahren. Seit Jahren hatte er an Herzproblemen gelitten. Die schweren gesundheitlichen Probleme während seiner Amtsjahre, die ihm zeitweise und zunehmend die Führung der Regierungsgeschäfte verunmöglicht und seiner berüchtigten Entourage aus Familienmitgliedern, Kreml-Beamten und einflussreichen Wirtschaftsführern die faktische Herrschaft über Russland in die Hände gegeben hatten, waren zuletzt zum Symbol eines dahinsiechenden Staates geworden. Die Macht hatte der von Amt und Bürden, von Krankheit und ungesundem Lebensstil gezeichnete Revolutionär des neuen Russland bis zu seinem überraschenden Rücktritt Ende Dezember 1999 trotzdem mit aller Gewalt auf sich zu vereinen versucht.

Fast alle, die sich zu öffentlichen Stellungnahmen am Todestag veranlasst sahen, liessen Hemmungen spüren, eine überschwängliche Würdigung des Verstorbenen auszusprechen. So erbärmlich wie der Kommunistenführer Gennadi Sjuganow, im Wahlkampf 1996 Jelzins erbittertster Gegner, der sich einzig darauf berief, nach den Bräuchen dürfe über einen Verstorbenen nichts Schlechtes gesagt werden, weshalb er gar nichts zu sagen habe, reagierten auch die einst mächtigsten Gegner Jelzins nicht – nicht Michail Gorbatschew, der letzte Präsident der Sowjetunion, und auch nicht Alexander Ruzkoi, Jelzins erster Vizepräsident und Widersacher im blutigen Konflikt mit dem Parlament 1993. Sie und viele andere – langjährige Weggefährten wie der frühere Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin und viele erste Führer der unabhängig gewordenen Sowjetrepubliken – nannten zuvorderst den Einsatz für die Freiheit als bleibendes Erbe Jelzins.

Die Bilder, die Jelzin auf einem Panzer vor dem Weissen Haus in Moskau zeigen, als im August 1991 eine Gruppe ewiggestriger Sowjetfunktionäre das Ende der Sowjetunion zu verhindern versuchte und dadurch ihr Zerbrechen beschleunigte, sind das stärkste Symbol für den Kampf um Freiheit und für die Hoffnung, die mit der Person des damals 60-jährigen systeminternen Oppositionellen verbunden waren. Ein paar Monate vorher war er überlegen und als erster Politiker überhaupt zum Präsidenten Russlands (damals noch eine Sowjetrepublik) gewählt worden. Er sprach als Demokrat, auch wenn er vom Funktionieren einer Demokratie kaum eine Ahnung hatte. Er trat als Populist in den Ring einer verkrusteten Politik, die diesem kraftvollen, charismatischen Machtmenschen nicht gewachsen war.

Jelzin war ein sowjetischer Kadermann – aus einer Bauernfamilie hinter dem Ural, bei Swerdlowsk (heute Jekaterinburg), stammend, der nach dem Bauingenieur-Studium die Parteileiter erklommen hatte und vom westsibirischen Provinzstatthalter zum Parteichef der Hauptstadt aufgestiegen war. Im Zentrum der Macht legte er sich alsbald mit den etablierten Grössen an – auch mit Gorbatschew, dessen Reformkurs er guthiess, jedoch für zu wenig radikal hielt. Er hatte zwar selbst die Freiheit der Bürger im Sinn, erkannte den unbedingten und kompromisslosen Veränderungsbedarf der sowjetischen Wirtschaft und besiegelte, als er Ende 1991 den Rahmen der Sowjetunion dafür für nicht mehr tragfähig hielt, die Auflösung der Sowjetunion.

Sein äusserst rudimentäres Verständnis von Marktwirtschaft und Demokratie wendete sich später jedoch gegen ihn, als er vom erklärten Demokraten zum skrupellosen Machtpolitiker wurde. Zunächst liess er das offenkundig destruktiv widerborstige Parlament beschiessen. Später regierte er oft nur noch am Rande im Rahmen der von ihm selbst eingeführten Verfassung – oder liess regieren, weil er angesichts seiner Krankheit häufiger dazu selbst gar nicht mehr in der Lage war. Damit hatte er wesentlich seinen einstigen Bonus als Hoffnungsträger verspielt.
Transformation mit Verlierern

Russlands beeindruckende Transformation, die trotz allen inneren Wirren, die heute als Gegenbild für die Stabilität unter Präsident Putin herhalten müssen, weitgehend friedlich war, ist ohne Zweifel Jelzins Verdienst. Er holte junge liberale Wirtschaftsreformer in die Regierung, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit verordneten und das Land zunächst in einen Schock führten. Freiheit wurde zuweilen als Anarchie verstanden. Sicherheit war in allen Lebenslagen und -bereichen ein Wort der Vergangenheit. Die Verteilung des oft maroden und daher billig bewerteten Staatseigentums unter einige wenige, die davon reich und mächtig geworden sind, hat die breite Bevölkerung zunehmend abgestossen.

Das fatale an dem auch vom Westen unterstützten Umbau war der fehlende institutionelle Rahmen, in dem das neue Russland gebaut wurde. Die deutsche Politologin Margareta Mommsen hat dies, auf die Politik bezogen, eine «Demokratie ohne Demokraten» genannt. In gewisser Weise mangelt es Russland daran bis heute. Als gefallener Hoffnungsträger bleibt Jelzin dennoch eine markante Symbolfigur für das neue Russland. Ähnlich wie Gorbatschew im Westen mehr geschätzt als im eigenen Land, wo ihm der Zusammenbruch des sowjetischen Vaterlands und die wirren Zeiten der neunziger Jahre zum Vorwurf gemacht werden, ist der schillernde Demokrat Jelzin derjenige, der in gewissem Sinn den Grundstein für den Aufbruch neuer Generationen gelegt hat.
R.M.

Quo vadis Putin und Russland?

23. April 2007, Neue Zürcher Zeitung
Wohin steuert Putin?
Ein starker Mann schafft neue Freiheiten - Russland zwischen Ambition und Korruption, Aufbruch und Erstarrung
Nach einer längeren Phase der Schwäche im Anschluss an den Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt Russland derzeit eine Rückkehr zur Grossmachtpolitik. Das Selbstbewusstsein der Regierung Putin verdankt sich wesentlich dem Reichtum, der sich aus Öl- und Gaseinnahmen speist. Ob die neue Konsumgesellschaft auch politische Lockerungen nach sich zieht, ist ungewiss. Der Weg zur Zivilgesellschaft dürfte lang werden.


23. April 2007, Neue Zürcher Zeitung
Wohin steuert Putin?
Ein starker Mann schafft neue Freiheiten - Russland zwischen Ambition und Korruption, Aufbruch und Erstarrung

Nach einer längeren Phase der Schwäche im Anschluss an den Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt Russland derzeit eine Rückkehr zur Grossmachtpolitik. Das Selbstbewusstsein der Regierung Putin verdankt sich wesentlich dem Reichtum, der sich aus Öl- und Gaseinnahmen speist. Ob die neue Konsumgesellschaft auch politische Lockerungen nach sich zieht, ist ungewiss. Der Weg zur Zivilgesellschaft dürfte lang werden.

Von Ulrich Schmid

Ein Kinobesuch in Moskau, den ich nie vergessen werde: «Doktor Schiwago». Sie erinnern sich: Omar Sharif, der schöne Ägypter, liebt Julie Christie, die in Indien geborene Britin, die noch viel schöner ist, aber nicht seine Frau. Schon ab der ersten Minute bringen Schiwago und Lara, bringt das grotesk saubere revolutionäre Russland des Regisseurs David Lean die Menschen zum Schmunzeln. Aber als sich Schiwago durch Schnee und Eis in die Wohnung der alleinstehenden Frau durchkämpft, in eine Wohnung, so geräumig und arvenhell wie die Wohnungen, in denen die Models von Laura Ashley ihre Blumen giessen, da brechen regelrechte Lachstürme los. Nie habe ich ein russisches Publikum so ausgelassen gesehen.

Lachen und Russland: Nicht eben die Begriffe, die man als untrennbar bezeichnen würde. Russland gilt nicht als das Mutterland des Humors. Ich habe das stets anders erlebt. Russen lachen oft und gern, in der Verzweiflung ebenso wie im Glück, manchmal sogar im Zorn, und sie verfügen über einen hintergründigen Humor, geschult in den langen Jahren kommunistischer Herrschaft. Man lacht ebenso gerne über sich selber wie über das westliche Russlandbild, und nie hat man das entspannter getan als heute, wo die reflexartige Ehrfurcht vor allem Westlichen längst passé ist.

Vor ein paar Wochen, bei meinem letzten Besuch, habe ich festgestellt: Die Moskauer sind freundlicher geworden. Sie lächeln wieder, selbst in der Öffentlichkeit. Griesgrämig schleppte sich einst die Kellnerin an den Tisch - heute bringt man mir strahlend meinen Kaffee und wünscht mir einen guten Tag, wenn ich gehe.

Ein neues Moskau
Der Wirtschaftsaufschwung, den Russland erlebt, macht fröhlich - zumindest die, die von ihm profitieren. Und das sind, bei allen Mängeln, nicht wenige. Welch unerhörte Entwicklung! Kommertscheskie strukturi! Russlands Wirtschaft floriert, in manchen Teilen boomt sie. Moskau ist nicht wiederzuerkennen. Einkaufszentren schiessen aus dem Boden, das Kleingewerbe blüht. Eine Schicht mit Kaufkraft ist herangewachsen - und bei Gott, sie kauft. Ein roher Kapitalismus ist es, ein wirtschaftlicher Goldrausch mit all den Schattenseiten derartiger Erscheinungen. Aber er funktioniert, tausendmal besser jedenfalls als die unsägliche Planwirtschaft von einst.

Keine Frage: Der Übergang zum Markt schreitet voran. Die Einführung der Flat Tax, der Einheitssteuer, war ein riesiger Erfolg - ein Erfolg, den man auch in Westeuropa etwas genauer studieren könnte. Eine ganz neue Unternehmerkultur ist entstanden. Banken haben begonnen, Kredite auszugeben, die Devisenreserven haben Rekordniveau erreicht. Im Privaten ist man dagegen weniger sparsam. Was man hat, wird mit vollen Händen ausgegeben. Immer mehr Russen tauchen an warmen Stränden auf. Die Türkei und Ägypten werden überschwemmt von russischen Sonnenhungrigen - der beste Beweis dafür, dass langsam eine Mittelschicht heranwächst.

Der wirtschaftlichen Vielfalt entspricht die kulturelle. Nicht von der etablierten Kultur spreche ich - die geht durch ihre von den Feuilletons ausgeloteten Höhen und Tiefen wie überall. Nein, mich faszinieren die kleinen Theater, die Musikklubs, Kabaretts, Kinos und Discos, die Strassentheater und U-Bahn-Musikanten, die privaten Museen und die inoffiziellen Stadtführungen. Was in dieser Hinsicht in Moskau entsteht, ist unerhört. Die Szene blüht und verzweigt sich in munterer Vielfalt. Moskau ist eine der vitalsten Städte, die ich kenne. Nachts, auf der Heimfahrt in der Metro, lächeln sich die Nachtschwärmer manchmal an wie die Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft.

Fehlende Rechtsstaatlichkeit
Die aber, die die Zeitung «Komersant» lesen oder den exzellenten Sender Radio Moskwy hören, lächeln dann wohl eher grimmig. Was sie zur Kenntnis nehmen müssen, ist dies: Dass der Kreml wieder ein Stück Demokratie vernichtet hat. Dass schreiendes Unrecht nicht geahndet wird. Dass Beamte über Jahre ungestraft Menschen terrorisieren. Dass wieder eine Demonstration niedergeknüppelt wurde. Dass wieder ein kritischer Journalist ums Leben gekommen ist. Es ist das Lachen, das einem im Halse stecken- bleibt, und es steht für das grösste Versagen des neuen Russland, die fehlende Rechtsstaatlichkeit. Noch immer, wie in den neunziger Jahren, wie in der Sowjetzeit, bestimmt das Gesetz wenig. Wer siegt und wer verliert, entscheidet die Macht. Kritiker des Kremls leben gefährlicher als zur Zeit Breschnews. 214 Journalisten seien seit 1993 bei der Ausübung ihres Berufs ums Leben gekommen, sagt die russische Journalisten-Gewerkschaft. Und nicht ein Fall wurde aufgeklärt.

Hier der wirtschaftliche Aufbruch - da die politische Erstarrung. Seit seinem Amtsantritt hat Putin die Macht des Kremls konsequent ausgebaut. Er ernennt die Gouverneure. Er setzt seine KGB-Freunde in Schlüsselpositionen. Seine Bürokraten bestimmen, wer zu den Wahlen zugelassen wird. Der Staat ist ein Moloch: Beamte gibt es mehr als zur Sowjetzeit. Die wichtigen Medien sind fast alle unter staatlicher Kontrolle. Oppositionelle werden inzwischen niedergeknüppelt wie in Weissrussland. Etwa 20 Sekunden lang habe er sein Plakat in Nischni Nowgorod in die Höhe recken können, bevor sich ein Polizist auf ihn geworfen habe, hat mir ein Bekannter erzählt. Die Szenen, die er beschrieb, erinnerten mich an die Hetzjagden der chinesischen Polizei gegen Demonstranten auf dem Tiananmen-Platz in Peking. Putin scheint von Deng Xiaoping zu lernen: Gebt der Opposition keinen Raum zum Wachsen, rottet sie mit der Wurzel aus.

Die demokratischen Institutionen des Russlands der neunziger Jahre sind heute potemkinsche Fassade. Jedinaja Rossija, Einiges Russland, ist keine Partei mit Ideologie, sondern eine Organisation zur Machterhaltung. Sprawedliwaja Rossija, Gerechtes Russland, ist eine Pseudo- Opposition, aufgebaut nicht aus Liebe zum Pluralismus, sondern aus dem Bedürfnis heraus, sich für alle Eventualitäten zu wappnen. Die Parteien gehorchen Persönlichkeiten, nicht Programmen; sie zu kaufen, ist leicht. Wahlen dürfen vieles bringen, aber nichts Unerwartetes, auf gar keinen Fall einen Machtwechsel. Also werden sie organisiert. Die Elite muss die Gewissheit haben, nicht ins Gefängnis geworfen zu werden und ihre Beute behalten zu dürfen: Darum geht es.

Überwundene Anarchie
Warum aber erfreut sich dieser Präsident dennoch so grosser Beliebtheit? Primär wohl deshalb, weil für die meisten Russen die Ära Jelzin eine sehr, sehr düstere Periode war. Was heute Rechtlosigkeit ist, war damals Anarchie. Auf der Strasse herrschte die Mafia. Pensionäre konnten sich kaum über Wasser halten. Kleine Beamte verloren mehr als die Hälfte ihres verspätet ausbezahlten Lohns an die wütende Inflation. Die neue Elite, personell mit der alten identisch, plünderte mit dem Instrument der Privatisierung den Staat - ein Raubzug, wie er in der Geschichte einmalig sein dürfte. Und dann verloren im Rubel- Crash von 1998 auch noch Millionen von Menschen ihr Erspartes. Gleichzeitig sass im Kreml der Mann, dem ich bis heute so etwas wie eine demokratische Gesinnung attestiere. Jelzin erwies sich in entscheidenden Momenten zwar stets als Zauderer. Doch er wollte ein besseres, demokratischeres und, wie er selber sagte, westlicheres Russland. All das, was Russland an Demokratie geblieben ist, stammt aus dieser Ära.

Mit Putin ist es genau umgekehrt. Er ist ein autoritärer Führer, ein KGB-Mann, dem Demokratie wenig bedeutet: hart, skrupellos, nüchtern. Aber er hat Russland vorwärts- gebracht, zumindest sehen das die meisten Menschen so. Man fragt sich nicht mehr jeden Tag, was das Morgen bringt. Russland hat international wieder Gewicht, Putin liest dem Westen die Leviten. Die Welt braucht Energie, Russland hat sie, und die Welt frisst dem Kreml aus der Hand. Im Bereich der ehemaligen Sowjetunion tritt Putin immer arroganter auf, und das nehmen ihm wohl die wenigsten Russen übel. Mit einem Wort: Die demokratische Periode ist desavouiert, die autoritäre hat sich bei vielen Menschen einen guten Ruf erworben.

Nicht, dass dieser Ruf in jedem Fall gerechtfertigt wäre. Unter Putin gibt es mehr, nicht weniger Korruption als unter Jelzin. Die Mafia schiesst weniger, aber sie herrscht noch immer, und Putin lässt sie gewähren. Und die Wirtschaft ist nicht halb so gesund, wie sie erscheint: Sie lebt vom Rohstoffexport. Brechen die Ölpreise ein, stürzt Russland in eine ernste Krise: Eine Industrieproduktion, die den Wert schöpfen könnte, mit dem die gewaltigen Importe zu bezahlen wären, gibt es nicht. Russland ist eine Grossmacht mit der Wirtschaft eines Entwicklungslandes. Von einem Willen zur Produktion, wie man ihn beispielsweise in China findet, ist wenig zu spüren. Wettbewerb und Markt haben sich nur an der Basis durchgesetzt. Im Energiebereich aber und überall dort, wo sich die Oligarchen etabliert haben, herrscht schamloser Protektionismus.

Apathische Jugend
Und wahrhaftig: Russland überschäumt nicht vor Revolutionsgeist. Die russische Studentenjugend ist etwas vom Apathischsten, was ich je gesehen habe. Von kritischem Geist keine Spur. Durch die Strassen zieht die allrussische, nationalistische Putin-Jugend, terrorisiert Andersdenkende und fordert lautstark ihre eigene Entmündigung. Drei Viertel aller Russen empfinden sich nicht als Europäer. Und wo wäre die systematische Aufarbeitung der Verbrechen des Kommunismus? Kommunisten sind hochgeachtete Leute. Für den Westen ist das ein ernstes Problem: Wie kann man einem Land vertrauen, das eine derart monströse Vergangenheit nicht nur negiert, sondern oft sogar glorifiziert?

Die Welt bekommt das neue Selbstbewusstsein Russlands zu spüren, das sogenannte nahe Ausland ganz besonders. In Tschetschenien geschehen nach wie vor ungeheuerliche Kriegsverbrechen. Der Kreml mischt sich ein, stört und intrigiert, in der Ukraine ebenso wie in Georgien, in der Moldau und in Weissrussland. Aussenposten wie Südossetien, Abchasien und die Transnistrische Republik in der Moldau werden hartnäckig verteidigt; die schwachen Proteste der betroffenen Staaten und des Westens werden souverän ignoriert.

Natürlich gründet das neue Selbstbewusstsein auf dem alten. Weltmacht war Russland schon immer - man besitzt eines der grössten atomaren Arsenale. Heute aber will Russland mehr als Weltmacht sein: Grossmacht. Ein Land also, das in der Region respektiert wird, das erfolgreich intervenieren kann, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch. Das war lange Zeit unmöglich. Die Streitkräfte befanden sich nach dem Sturz der Sowjetunion in einem verheerenden Zustand, an Interventionen im Stil der Amerikaner war nicht zu denken. Heute aber wird wieder aufgerüstet, und der Kreml studiert sehr aufmerksam die Erfahrungen Washingtons.

Dennoch möchte ich die russische Aussenpolitik nicht dämonisieren. Sie ist rhetorisch aggressiver geworden, sicher, aber grundsätzlich erscheint sie mir noch immer erratisch und undurchdacht - so, als würden bei ihrer Formulierung zu viele Interessen berücksichtigt. Strategische Überlegungen kollidieren ganz offensichtlich mit Finanzinteressen. Bei Lichte betrachtet, bleibt es oft genug beim alten, sowjetischen Poltern. Man poltert, wenn die Balten zur Nato stossen. Man poltert, wenn die Ukrainer eine korrupte Elite stürzen. Man poltert, wenn die Georgier den intriganten Schewardnadse entfernen. Man poltert, wenn die Amerikaner in Polen zehn Raketen stationieren wollen, die die atomare Übermacht Russlands nicht in Frage stellen. Doch dann, und das übersieht man im Westen manchmal, gibt der Kreml oft auch stillschweigend nach. Wirklich entschlossen treten die Russen nur im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion auf. Ausflüge in die Welt - in den Nahen Osten zum Beispiel - erfolgen zögerlich und vermeiden die offene Kollision mit Washington.

Ähnliches gilt für das derzeit wichtigste aussenpolitische Instrument des Kremls, die Energiepolitik. Nein, es ist nicht schön anzusehen, wie Moskau mit seinen Nachbarn umspringt. Aber ist es ein Verbrechen? Dass Gazprom in Kiew, Minsk und Vilnius höhere Preise fordert - ich kann es nicht als «Erpressung» empfinden. Russland ist nicht verpflichtet, fremde Volkswirtschaften zu subventionieren. Der Westen predigt den Markt - was hat er Russland vorzuwerfen, wenn es Marktpreise erhebt? Eine ganz andere Frage ist, ob es klug ist, sich derart auf den Energieexport zu verlassen, wie Moskau das tut. Die Elite ist berauscht von der neuen Macht, von der Flut der Petrodollars. Moskau ruht sich auf seinen Ressourcen aus: Das behindert das Entstehen einer Arbeitsmentalität und macht das Land von den Schwankungen des Ölpreises abhängig und damit verwundbar.

Wie also sieht die Zukunft der russischen Demokratie aus? Viele Russen werden laut lachen, wenn Sie ihnen sagen, dass Sie trotz allem an die Demokratie in ihrem Land glauben. Man kann sie gut verstehen. Die Opposition ist schwach und zerstritten, nicht nur wegen der Medienzensur und der Repression. Der Gedanke, dass westorientierte Demokraten vom Schlage eines Gaidar, eines Jawlinksi, eines Kasparow oder eines Kasjanow an die Macht kommen könnten, erscheint absurd. Aber würden Sie einem der Millionen von Russen, die sich mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erhoffen, ins Gesicht lachen? Sie, als überzeugte Demokratin, als überzeugter Demokrat?

Raum für Hoffnung
Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Russen den Traum von der Demokratie aufgegeben haben. Es gibt keine Liebe zum Autoritarismus. Putin wird respektiert, nicht geliebt. Noch immer misstraut das Volk der Macht grundsätzlich. Das Verhältnis zur Obrigkeit ist ein zynisches. 80 Prozent aller Russen glauben, dass die nächste Präsidentenwahl gefälscht werden wird. Sicher, auch der Begriff Demokratie ist diskreditiert. Sehr viele Menschen setzen ihn mit Parteiengezänk und Instabilität gleich. Doch die meisten wissen, dass Demokratie auch funktionieren kann. Länder, die aus zivilisiertem Parteienstreit einen demokratischen Konsens entwickeln, werden bewundert. Die Skepsis, die ich oft konstatiere, bezieht sich fast nie auf die Demokratie an sich, sondern auf die angebliche Unfähigkeit Russlands, sie zu übernehmen. Man sei noch nicht reif, noch nicht bereit dafür, höre ich. «Noch nicht bereit»: Das lässt Raum für Hoffnung.

Und schliesslich gilt es zu bedenken, dass es ja auch ganz anders hätte kommen können. Im Grunde ist der Zusammenbruch der Sowjetunion sehr glimpflich verlaufen. Wer hätte damals Kriege, Tyrannei und Elend kategorisch ausschliessen wollen? Man kann die vielen demokratischen Mängel Russlands beklagen. Aber gleichzeitig sollte man sich auch immer wieder vor Augen halten, dass es kaum demokratische Traditionen gibt, auf die sich bauen liesse. Bei aller Kritik: Ich vermute, dass die gelenkte Demokratie Putins letztlich recht nahe am Optimum dessen liegt, was man sich im Westen mit einigem Realitätssinn erhoffen konnte. Das ist vielleicht kein Grund zur Zufriedenheit. Aber es ist so etwas wie ein Trost für all die, die im neuen Russland noch nicht zu einem entspannten Lachen finden können.

Ulrich Schmid ist Osteuropa-Korrespondent der NZZ mit Sitz in Prag. Beim vorliegenden Text handelt es sich um das leicht gekürzte Eingangsreferat, das er vergangene Woche beim NZZ- Podium Russland an der Falkenstrasse gehalten hat.

Freitag, April 13, 2007

Mirage III Swiss Alps

something else for a change..

Donnerstag, April 12, 2007

Warm relations between China and the Gulf Arab countries

04/11/2007 / Associated Press Newswires
Jim Krane and Christopher Bodeen

Warm relations between China and the Gulf Arab countries
DOHA, Qatar - Look closely at some of the major development projects in China, and what you see behind them is Middle East oil

Warm relations between China and the Gulf Arab countries
DOHA, Qatar - Look closely at some of the major development projects in China, and what you see behind them is Middle East oil.

A $500 million port development in Tianjin is funded by Dubai-based DP World. A $5 billion refinery in Guangdong province will be built by Kuwait. A huge crude oil tank farm on Hainan Island is planned by Saudi Arabia.

These projects and others have come out of the Middle East's growing economic relationship with China, which has become a major buyer of energy from the countries doing the investing. In turn, China -- the world's second-largest oil consumer after the U.S. -- is boosting its investments in the Middle East to lock in a steady stream of oil and gas.

"This is the beginning of a long-term trend of investors from the Gulf region investing in the Far East," said Michael Philipp, chief executive of Credit Suisse Europe, Middle East and Africa, during a CEO conference in Doha in February. "The flows are tremendous. The interest is tremendous. This will continue to grow."

The strengthening Middle East-China bond comes amid a strain in U.S.-Arab relations since the Sept. 11 attacks. When Saudi King Abdullah made his first overseas trip in January 2006 after taking the throne, he skipped America and flew to China. Chinese President Hu Jintao soon returned the honor and later visited neighboring Dubai.

Trade between the six Gulf states and Asia doubled between 2000 and 2005, reaching $240 billion, according to figures released at the CEO conference.

Gulf investments in China totaled around $20 billion last year, bankers handling the deals said. Those investments look set to grow dramatically, especially if high oil prices continue to fill Gulf treasuries.

The six Gulf Arab countries -- Saudi Arabia, Kuwait, United Arab Emirates, Qatar, Oman and Bahrain -- will invest nearly $250 billion in Asian markets including China over the next five years, according to a January speech by Omar bin Sulaiman, governor of the Dubai International Financial Center.

Cash-flush Gulf investors are drawn to China's red-hot markets, where returns have outpaced those in the United States and Europe. They are also more reluctant to invest in the United States after the U.S. Congress voted to force a Dubai-based company to sell its ownership of American port operations a year ago.

"If you can't go to the United States, you have to go somewhere else," said Beshr Bakheet, a Saudi investment adviser. "People want to do business and (U.S. authorities) are making their lives difficult."

Within a decade, China and India are likely to surpass the United States and Europe as the largest Gulf investment destinations, said N. Janardhan of the Gulf Research Center in Dubai, a private think-tank.

Economists say deepening Gulf preferences for Asia could eventually affect the U.S. economy or the value of the dollar, but have not yet. Nor is there much concrete evidence that Gulf investors have yet slowed their purchases of the U.S. assets they traditionally favored.

A survey last year by consultancy McKinsey says Gulf investors will shift their portfolio allocations toward Asian assets by 10 to 30 percent, which "represents an important change in the pattern of global capital flow."

The surge in funds can be seen in several areas:

-- United Nations statistics show the six Gulf countries had no major investments in new company facilities in China in 2002. By 2006 they had 13, seven of which were bankrolled in the United Arab Emirates.

-- When the Industrial & Commercial Bank of China launched its $22 billion public offering in October, Gulf investors snapped up as much as 20 percent of the shares, Philipp of Credit Suisse said. Saudi Prince Alwaleed bin Talal, the world's fifth-richest man, bought $2 billion in shares.

-- Kuwait and Saudi companies are building refineries in China. Saudi Arabia is helping build a huge storage facility in China to hold a 30-day emergency oil supply. Dubai firms operate Chinese ports and are developing residential and commercial complexes in Beijing and Shanghai.

-- Chinese firms are building an extension of the Tehran metro in Iran, putting up a shipbuilding complex and negotiating three enormous oil and natural gas production deals, one valued at $16 billion.

-- State-owned Kuwait Investment Authority decided in 2005 to boost the Asian assets in its $100 billion portfolio from 10 to 20 percent.

-- Dubai's enormous Dragon Mart shopping mall and residential complex is the largest trading hub for Chinese wholesalers outside mainland China.

-- China's builders, engineers, labor suppliers and equipment companies have begun winning shares in the $1 trillion in projects planned or under way in the Gulf.

The economic ties have political implications.

For now, Gulf countries show no signs of wanting to get rid of the U.S. security that protects them, but they do want to diversify. Leaders here are angered by the invasion of Iraq, and they worry that the hard-line U.S. policy toward Tehran could provoke an unwanted war. They want China to take a role maintaining stability in the region.

Saudi Foreign Minister Prince Saud Al-Faisal said in 2004 that Saudi Arabia would reduce its dependence on U.S.-dominated security arrangements. And in January, a delegation from a Shanghai political think tank was told in Dubai that a bigger Chinese role in the Gulf would be welcomed, especially if Beijing backed Arab positions in the U.N. Security Council.

China appointed a special envoy for Mideast affairs in 2002 and hosted visits from Palestinian foreign minister and Hamas member Mahmoud Zahar last year.

"China's envoy hasn't been too effective so far," said Shen Dingli, dean of the Institute of International Studies at Fudan University in Shanghai. "But it's a sign that China is getting more involved."

Mittwoch, April 11, 2007

Fleetwood Mac - Everywhere (Live) 1987

Fleetwood Mac Albatross 1969