Sonntag, September 14, 2008

«Die Schweiz wäre später behandelt worden»

13. September 2008, Neue Zürcher Zeitung
«Die Schweiz wäre später behandelt worden»
Keine Rücksicht auf die Neutralität bei einem Vorstoss nach Westen

hr./mr. Welche Bedeutung haben die Erkenntnisse über die Kriegsplanung des Warschaupakts für die Schweiz? Zunächst ist festzustellen, dass die bisher zugänglichen Dokumente keinen Angriff auf das Territorium der Schweiz enthalten. Dies hatte ausschliesslich operative Gründe. Einerseits galt die Schweizer Armee als ernsthafter Gegner, der zumindest eine Verzögerung des konventionellen Vormarsches des Warschaupakts in Richtung Westen bedeutet hätte. Anderseits war das Schweizer Territorium für die östlichen Angriffsoperationen ohne Bedeutung.



13. September 2008, Neue Zürcher Zeitung
«Die Schweiz wäre später behandelt worden»
Keine Rücksicht auf die Neutralität bei einem Vorstoss nach Westen

hr./mr. Welche Bedeutung haben die Erkenntnisse über die Kriegsplanung des Warschaupakts für die Schweiz? Zunächst ist festzustellen, dass die bisher zugänglichen Dokumente keinen Angriff auf das Territorium der Schweiz enthalten. Dies hatte ausschliesslich operative Gründe. Einerseits galt die Schweizer Armee als ernsthafter Gegner, der zumindest eine Verzögerung des konventionellen Vormarsches des Warschaupakts in Richtung Westen bedeutet hätte. Anderseits war das Schweizer Territorium für die östlichen Angriffsoperationen ohne Bedeutung.

Österreich als Beispiel

Die Neutralität der Schweiz spielte in diesem Kontext keine Rolle. Das zeigt sich am Schicksal, das Österreich zugedacht war. Schon in den sechziger Jahren sah die sowjetische Planung vor, die Neutralität Österreichs sofort nach Kriegsbeginn durch eine schnelle Besetzung «zu sichern». Daran hat sich nie etwas geändert. Alle verfügbaren Unterlagen – aus der echten Kriegsplanung, aus Übungen, aus vielfältigem Kartenmaterial – zeigen, dass die Stossgruppe Österreich/Bayern von Ungarn aus durch Österreich nach Bayern hätte vorrücken und sich dann entlang der Schweizer Grenze nach Frankreich bewegen sollen. Ein Teil der Truppen hätte, über Oberitalien angreifend, die Schweiz im Süden passiert.

Die Schweiz also kein Angriffsziel des Warschaupakts? Formal ist diese Feststellung des einschlägigen Schweizer Buchautors Peter Veleff richtig. Und doch ist diese Aussage weitgehend irrelevant. Nach der Kriegsplanung des Warschaupakts wären allein auf dem Territorium der Bundesrepublik etwa 1000 Nuklearwaffen detoniert. Danach wäre Westeuropa konventionell überrannt worden. Die Vorstellung, dass man sich angesichts totaler sowjetischer Herrschaft in Europa und unter dem grenzüberschreitenden nuklearen Fallout – das Zitat Jaruzelskis auf die Schweiz übertragend – in der Zürcher Bahnhofstrasse in Ruhe ein Cüpli hätte gönnen können, ist nicht mehr nachvollziehbar. Die richtige und auch folgenschwere Antwort auf die Frage, was mit der Schweiz im geplanten Krieg geschehen wäre, hat Petr Lunak jüngst gegeben: «Mit der Schweiz hätte man sich später beschäftigt.» Die Schweiz war zwar kein direktes Angriffsziel, ihre spätere Vereinnahmung aber sehr wohl ein Kriegsziel. Nach einer nuklear vorbereiteten Besetzung Westeuropas durch den Warschaupakt wäre der Schweiz kaum etwas anderes übrig geblieben, als bedingungslos zu kapitulieren.

Verteidigung wäre aussichtslos gewesen

Eine aktive Verteidigung der Schweiz wäre aussichtslos gewesen – und wäre vermutlich mit einem nuklearen «Demonstrationsschlag» beantwortet worden. Der Warschaupakt hätte in diesem Krieg auf nichts und niemanden Rücksicht genommen, nicht einmal auf seine eigenen Soldaten, gingen die sowjetischen Planungen doch davon aus, dass bei Erreichen des Rheins nach spätestens einer Woche fast alle Soldaten der ersten Welle durch Verstrahlung kampfunfähig wären.

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