NZZ Folio 12/93 - Thema: Diamanten
De Beers - das diamantharte Kartell
Wie der südafrikanische Konzern die Fäden zieht.
Von Neil Behrmann
WÄHREND DER GROSSEN DEPRESSION, die dem Börsenkrach von 1929 folgte, bildete Sir Ernest Oppenheimer, südafrikanischer Minenmagnat und Vorsitzender der Minengesellschaft De Beers, ein Diamantenkartell, dessen Zweck es war, mit der Steuerung der Produktion und des Absatzes von Rohdiamanten einen weltweiten Zusammenbruch des Diamantenmarktes zu verhindern. Die Nachfrage nach Diamanten war rapide zurückgegangen, dazu drohten neue Funde aus Südafrika den Markt zu überschwemmen. Als Instrument schuf Oppenheimer in London eine Verkaufsorganisation, die heute Central Selling Organisation (CSO) heisst, im Diamantenhandel schlicht «Syndikat» genannt.
Das Kartell hat bis heute Bestand, und bis heute ist die Dynastie Oppenheimer als Anteilseigner engstens mit De Beers verbunden. Unternehmenschef ist zurzeit Julian Ogilvie Thompson; der grossgewachsene, vornehm aussehende, brillante, jedoch unerbittliche Taktiker und Finanzmann mit silberweissem Haar spricht mit dem altmodischen britischen Akzent der Kolonialzeit. Vizepräsident ist der Enkel von Sir Ernest, Nicholas (Nicky) Oppenheimer, ein freundlicher, ungezwungener und bescheidener Mann von 47 Jahren, der zudem Präsident der CSO ist. Nicky wird voraussichtlich die Nachfolge Ogilvie Thompsons antreten, und somit bleibt die bestimmende Rolle der Familie Oppenheimer erhalten. Harry, der 85jährige Vater von Nicky, trat vor mehreren Jahren als Präsident von De Beers zurück, ist aber bis heute eine dominierende Figur geblieben.
De Beers kontrolliert das Diamantengeschäft von den entferntesten Minen im südafrikanischen Hinterland bis zu den Verkaufstischen der Juweliere in New York oder Zürich. Ungefähr 80 Prozent der weltweit geförderten Rohdiamanten werden über das Syndikat gehandelt. Sie kommen aus De Beers' eigenen Minen und aus jenen der Vertragspartner in Südafrika, Botswana, Namibia, Zaire, Tansania, Angola - wo es allerdings wegen des Bürgerkriegs Probleme gibt -, Russland und Australien; von dort gehen sie in die Diamanthandelszentren in Antwerpen, Tel Aviv, Bombay oder New York.
Die Funktionsweise dieses bemerkenswerten Kartells erschliesst sich dem, der die Geschichte und die vielgestaltige Geschäftstätigkeit von De Beers näher betrachtet. Der Name De Beers geht auf zwei afrikaanssprachige Farmer zurück, die ausserhalb von Kimberley, im trockenen Norden der Kapprovinz Südafrikas, 16 000 Morgen Land besassen, das einen ungeahnten Reichtum an Diamanten barg. Das Land zog massenweise Schürfer an, die dort ihre Claims absteckten. 1871 verkauften die Brüder....
ihre Farm an Schürfer für damals umgerechnet 13 600 Franken. Die beiden Brüder De Beers starben nicht reich; doch ihr Name ging als Firmenname des späteren Diamantriesen in die Geschichte ein. Aus der Mine wurde das berühmte Big Hole von Kimberley; der Firmensitz von De Beers befindet sich heute noch dort.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Kimberley ein Ort, der mit seinen Bordellen und Kneipen einer Goldgräberstadt im Wilden Westen jede Ehre gemacht hätte. Hunderte von Schürfern bearbeiteten kleine Flächen. Diebstahl und Schmuggel waren an der Tagesordnung - bis Cecil Rhodes die Szene betrat und Ordnung in das Chaos brachte. Der schwindsüchtige Engländer, Sohn eines Pfarrers, war auf Anraten der Ärzte in das warme Südafrika gekommen. Kurz nach seiner Ankunft begann Rhodes, den Schürfern dampfgetriebene Wasserpumpen zu vermieten und kaufte aus den Gewinnen Minen auf. 1888 war Rhodes so reich, dass er die Kimberleydiamantfelder aufkaufte und in einem neuen Unternehmen zusammenschloss, das er De Beers Consolidated Mines nannte.
Seine Finanzkraft erlaubte ihm, die Idee eines Monopols zu entwickeln. Durch Aufkauf von Rohdiamanten und den kontrollierten Weiterverkauf sollten stets genau so viele Diamanten auf den Markt gebracht werden, wie weltweit gefragt waren. Überangebote würden nur die Preise drücken, während ein zu geringes Angebot Einkommenseinbussen zur Folge hätte. So schuf Rhodes das Modell zum Kartell, wie es Ernest Oppenheimer 1930 offiziell gründen sollte. Rhodes arbeitete mit einer Gruppe ausgewählter Diamantenhändler und Broker in London zusammen, bekannt geworden unter der Bezeichnung London Diamond Syndicate. Produzent und Syndikat steuerten gemeinsam Angebot und Vertrieb der Edelsteine. Später gründete Cecil Rhodes das nach ihm benannte Rhodesien, das heutige Simbabwe, und wurde im britischen Weltreich zur historischen Figur.
1902 tauchte Ernest Oppenheimer, ein junger südafrikanischer Diamantenhändler, der in Deutschland geboren worden war, in Kimberley auf. Als hervorragender Geschäftsmann und Verhandlungsstratege gründete er 1917 mit Unterstützung der USA die Anglo-American Corporation of South Africa, deren Geschäft vor allem das Betreiben südafrikanischer Goldminen wurde und die heute zu den weltgrössten Minenunternehmen mit weitverzweigten Unternehmensaktivitäten gehört. Anglo erwarb auch das Recht, Diamantvorkommen in Südwestafrika, dem heutigen Namibia, abzubauen. Zusammen mit Oppenheimer übernahm die Anglo-Gruppe die Kontrolle über De Beers. 1929 wurde Oppenheimer zum Vorsitzenden von De Beers gewählt.
Mit der Gründung der CSO 1930 setzte Oppenheimer Rhodes' Politik fort. Ihr Ziel blieb es, den Verkauf von Rohdiamanten weltweit zu steuern. De Beers selber wirkt als Mittler beziehungsweise als Puffer zwischen den Diamantförderländern und einem schwankenden Markt. Das kann die finanzstarke Firma, indem sie in schlechten Zeiten Lager von Rohsteinen anlegt, die sie direkt von den Produzenten und auf dem Markt kauft. Steigt die Nachfrage wieder, lässt sie die Lager abfliessen. Der Buchwert des Diamantenlagers von De Beers beträgt zurzeit umgerechnet 5,3 Milliarden Franken. Analysten sind der Meinung, dass der Marktwert doppelt so hoch ist.
Doch haben in den vergangenen sechs Jahrzehnten immer wieder auch Flauten auf dem Luxusgütermarkt und neue Diamantvorkommen De Beers zu schaffen gemacht. - So hat die jüngste Rezession die wichtigsten Märkte für Diamantschmuck - die USA, Japan und Europa empfindlich getroffen. Die Verkäufe konnten nicht mehr Schritt halten mit der Produktion, die sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt und gegen 103 Millionen Karat, annähernd 20 Tonnen, erreicht hat. Davon sind weniger als 20 Prozent Edelsteine von erstklassiger Qualität, der Rest setzt sich aus Kleinware mit geringer Edelsteinqualität und aus Steinen für die industrielle Verarbeitung zusammen.
Zudem tauchten letztes Jahr plötzlich Schmuggelware aus dem bürgerkriegszerrissenen Angola und grosse Mengen von Qualitätssteinen aus Russland auf dem freien Markt auf. Sowohl Angola als auch Russland sind zwar mit der CSO vertraglich verbunden, doch setzte Russland mehr als die vertraglich erlaubten Mengen auf dem freien Markt ab, und in Angola spielte (und spielt) die Kontrolle über Diamantförderung und -verkauf wegen des Kriegs nicht mehr. Russland hatte, als sich die Sowjetunion aufzulösen begann und dringend ausländische Finanzhilfe brauchte, mit De Beers einen Vertrag ausgehandelt, wonach das Kartell den allergrössten Teil der russischen Produktion übernehme. Im Gegenzug gewährte De Beers den Russen einen Kredit von umgerechnet fast eineinhalb Milliarden Franken, rückzahlbar in fünf Jahren - mit Diamanten als Sicherheit. De Beers mass den angolanischen Diamanten eine nach Meinung von Kennern unverhältnismässige Bedeutung bei, während die illegal auf den freien Markt geratenen russischen Diamanten merkwürdig heruntergespielt wurden - so wie man auch heute den Eindruck hat, dass das De-Beers-Syndikat neue Diamantfunde, wie man sie etwa kürzlich in Kanada gemacht hat, am liebsten nicht wahrhaben möchte.
Die Menge jener am Kartell vorbei auf den Markt gelangten Rohsteine war 1992 so gross, dass die Verkäufe der CSO um 13 Prozent auf 3,4 Milliarden Dollar zurückgingen und fast ein Fünftel unter den 1989 und 1990 erreichten Werten lagen. Das Unternehmen war zum zweitenmal in seiner Geschichte gezwungen, zur Sicherung der Finanzkraft die Dividende zu kürzen. Das De-Beers-Kartell beschloss ferner, nur noch 75 Prozent der Produktion seiner Mitglieder aufzukaufen, und verschob die restlichen Bestellungen auf unbestimmte Zeit. Dies zwang den Produzenten einen Teil der Last auf, die sonst das Kartell, De Beers, trägt. Es blieb ihnen freigestellt, ob sie die unverkauften Diamanten an Lager nehmen oder die Produktion kürzen wollten. Zahlreiche afrikanische Minenarbeiter verloren vergangenes Jahr ihren Arbeitsplatz.
Inzwischen scheint De Beers die Krise überwunden zu haben. Die Skeptiker, die das Ende des Kartells prophezeit hatten, mussten sich eines besseren belehren lassen. Das Kartell verblüffte den Markt im vergangenen Februar gar mit einer durchschnittlichen Preiserhöhung von 1,5 Prozent, wies danach eine Zunahme der Verkäufe um 56 Prozent auf 2,54 Milliarden Dollar in der ersten Jahreshälfte aus und signalisierte so, dass sich der Markt stabilisiert hatte. Gleichzeitig nahm De Beers den Produzenten wieder mehr Steine ab.
Dennoch sind nicht alle kritischen Stimmen verstummt. Das gigantische Milliardenunternehmen stehe auf schwachen Füssen, heisst es etwa. Die Diamantschmuckumsätze stagnieren wegen der schlechten Weltwirtschaftslage, und Analysten wie Händler glauben nicht, dass sich der Luxusgütermarkt rasch erholt. Bleibt die Erholung aus, wird De Beers es nicht leicht haben, den Rohdiamantenmarkt mit seinem Jahresumsatz von rund 7 Milliarden Franken im Gleichgewicht zu bewahren. Doch immer wieder hat das Kartell Skeptiker und potentielle Konkurrenten, die sein Ableben vorausgesagt hatten, überrascht. Die Beweglichkeit und die Macht von De Beers sind beeindruckend im Vergleich zur misslichen Lage anderer Kartelle. Die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) etwa stolpert von Krise zu Krise und hat nicht verhindern können, dass die Ölpreise sanken. Andere Warenkartelle, ob für Zinn, Kakao oder Kaffee, haben kläglich versagt. De Beers hat seine offiziellen Preise für Rohdiamanten nie gesenkt, sondern, im Gegenteil, jahrzehntelang stetig erhöht, selbst dann, wenn die Preise für geschliffene Diamanten zerfielen.
Diesen Erfolg verdankt das De-Beers-Kartell seiner einzigartigen Struktur und seiner Vermittlerrolle zwischen Diamantförderländern, Händlern und Schleifern: Allein De Beers kauft von Produzenten, verkauft an Händler, setzt die Preise auf beiden Seiten fest. Anders als die OPEC etwa oder das gegenwärtige Kaffeekartell diktiert De Beers also allein, wie das Monopol zu funktionieren hat, und schliesst somit interne Meinungsverschiedenheiten, die andere Kartelle geschwächt haben, weitgehend aus. Zwar beklagen sich die Produzenten dann und wann über die Preise, die De Beers bezahlt, und über die Gewinnmargen des Kartells. Im grossen und ganzen aber stützen sie es, gerade in Zeiten der Rezession, weil es auf lange Sicht den Minenbetreibern nützt. Reale Gefahr besteht, falls überhaupt, schon eher, wenn bei guter Marktlage Verträge auslaufen. 1981 zum Beispiel wollte Zaire seine Diamanten direkt auf den Markt bringen. De Beers gelang es aber, Zaire mit einem besseren Angebot unter Vertrag zu behalten.
Den Absatz steuert das Kartell über die CSO. Im Londoner Hauptsitz werden die Rohdiamanten zunächst in über 5000 Kategorien klassiert, danach in einzelne Lots aufgeteilt und in schlichte braune Kartonschachteln verpackt. Diese Schachteln sind für die weltweit zurzeit 160 Sightholders bestimmt. Sightholders - «Sichtnehmer» - sind sorgfältig ausgewählte Schleifer und Händler aus Antwerpen, New York, Tel Aviv und Bombay. Zehnmal pro Jahr kommen sie nach London, wenn sie grössere Steine brauchen, oder nach Luzern für kleinere Ware, die in die Schleifereien in Israel und Indien geht, oder nach Kimberley, wo die Sights für südafrikanische Sightholders stattfinden.
Nachdem sich die Sightholders im streng bewachten Londoner Gebäude eingefunden haben, werden sie durch ein Labyrinth von Gängen geführt, vorbei an einer wunderschönen Sammlung zeitgenössischer Kunst. In separaten Räumen können sie eine Auswahl der in jene Kartonschachteln abgepackten neuesten Diamantenlieferung des Syndikates besichtigen. Sie können wohl die Farbe oder die Reinheit eines Edelsteines beanstanden, jedoch nicht um den Preis einer Box feilschen, die im Durchschnitt - manche sind Millionen wert - einen Wert von 500 000 Franken hat; über aussergewöhnliche Steine wird verhandelt. Einzelne Sightholders kaufen bei jeder Sicht für zwei bis drei Millionen Dollar. Innerhalb von zwei Wochen muss bar bezahlt werden. Ein längerfristiger Kredit wird nicht gewährt. Viel Einfluss auf die Rohware, die sie bekommen, haben die Sightholders nicht. Sie nennen die Summe, für die sie diesmal Steine beziehen möchten, und können Wünsche anbringen, doch die Mischung von Grössen, Farben und Qualität in der Schachtel bestimmt allein die CSO auf Grund von Marktanalysen.
Wer das Glück hat, in den Kreis der Sightholders aufgenommen zu werden, bekommt in guten Zeiten eine erlesene Auswahl von Steinen. Ist die Marktlage schlecht - wie das zurzeit etwa der Fall ist -, müssen die Sightholders bereit sein, auch einmal wenig gefragte Ware zu kaufen. Die haben sie dann eben an Lager zu nehmen oder mit Verlust zu verkaufen. Die Verkaufszahlen der CSO sind dieses Jahr stark gestiegen, obwohl die Nachfrage nach geschliffenen Diamanten schwach geblieben ist, die Lagerbestände der Sightholders sind grösser geworden. In Israel und Japan sind einige Schleifer und Händler bereits Konkurs gegangen.
Zahlreiche Sightholders beklagen sich im Stillen über dieses System. Tun sie es lautstark und öffentlich, riskieren sie, vom Syndikat ausgeschlossen zu werden. Letztes Jahr wurden einige aus Antwerpen suspendiert; man warf ihnen vor, dass sie hinter dem Rücken des Kartells erstklassige Rohdiamanten aus Sibirien gekauft hätten. Trotz gelegentlichem Aufmucken aber anerkennen die Händler und Schleifer, dass das Wohlergehen des internationalen Diamantenmarktes vom Syndikat abhängt.
Nicht zu übersehen ist, dass das Kartell auch eine äusserst effiziente Verkaufsorganisation ist. Das Jahresbudget für Werbung, PR und Imagekampagnen hat sich seit 1980 vervierfacht und ist mittlerweile bei 234 Millionen Franken angelangt. Weitere 36 Millionen Franken hat der Diamantenhandel selbst ausgegeben. Zusammen hat man erreicht, die Schmuckdiamantenverkäufe im letzten Jahr weltweit auf 54 Millionen Stück im Wert von 58 Milliarden Franken zu steigern; 1980 waren es noch 35 Millionen Stück. Rund 200 Werbe- und PR-Fachleute sind weltweit für De Beers tätig, Werbekampagnen werden in 29 Ländern durchgeführt. Die Führungskräfte von De Beers sind überaus empfindlich, wo es um das Erscheinungsbild des Unternehmens geht; sie fallen über ihre Presse- und Informationsstellen her, wenn Journalisten oder Börsenmakler sich kritisch über das Unternehmen oder über den Diamantenmarkt äussern.
Das psychologisch wichtigste Ziel ist es, das Vertrauen in das Kartell und die Diamantindustrie zu bewahren. Vor allem bringt De Beers immer wieder die Botschaft unter die Leute, dass der Diamant «The ultimate expression of love» sei. Der Drang, die Welt davon zu überzeugen, dass ein Diamant unvergänglich sei, geht noch auf Harry Oppenheimer zurück, der 1938 eine Werbeagentur beauftragte, in Amerika diamantbesetzte Verlobungsringe in Mode zu bringen. Heute sind die USA mit einem Anteil von 30 Prozent weltweit der grösste Abnehmermarkt, obwohl das amerikanische Kartellgesetz De Beers daran hindert, direkt dort tätig zu sein. Die Werbekampagnen, die De Beers nach jenem Vorbild regelmässig lanciert, sind nicht ohne Wirkung geblieben. In Japan kaufte vor dreissig Jahren nur jedes siebzehnte Paar Verlobungsringe mit Diamanten, heute sind es ungefähr Dreiviertel aller Paare. Japan ist vor Deutschland der zweitgrösste Markt geworden. Inzwischen hat De Beers China ins Visier genommen; allerdings glauben Diamanthändler, dass die Eroberung dieses Marktes noch einige Zeit beanspruchen wird.
Händler und Analysten sind aber der Auffassung, dass die Schmuckmärkte in den nächsten Jahren rasch wachsen müssen, damit das Syndikat das Gleichgewicht des Marktes halten kann. Es wird äusserst schwierig sein, die Preise für Rohdiamanten im gleichen Schrittmass zu erhöhen wie in der Vergangenheit, vor allem da Händler mit guten Kontakten zur russischen Diamantenindustrie der Ansicht sind, dass Russlands Potential für erstklassige Diamanten die von De Beers veröffentlichten Schätzungen bei weitem übersteigt. Luc Rombouts, in Antwerpen Kenner der neuen Diamantvorkommen in Kanada, ist überzeugt, dass Kanada bis Ende des Jahrhunderts ein potenter Diamantenproduzent sein wird. Da die Kanadier enge Kontakte zu den Russen haben, glaubt er, dass eine kanadisch-russische Verkaufsorganisation die CSO ernsthaft konkurrenzieren könnte. Es ist anzunehmen, dass De Beers nichts unversucht lassen wird, auch Kanada vertraglich an das Kartell zu binden. Im Moment sei es, lässt De Beers indessen verlauten, noch «zu früh», das Potential der kanadischen Diamantvorkommen abzuschätzen.
Zu schaffen machen könnten De Beers auch zukünftige schwarze Regierungen in Südafrika. Der African National Congress (ANC) ist vehement gegen Kartelle, und die Minenindustrie fürchtet, dass sie von einer künftigen schwarzen Regierung verstaatlicht werden könnte. Doch De Beers hat sich bereits abgesichert und die De Beers Centenary mit Sitz in Luzern gegründet, dementiert allerdings, dass es ihr dabei darum geht, bei einer Verstaatlichung der Minenindustrie in Südafrika auch die zuvor von Südafrika aus geleiteten internationalen Beteiligungen vor staatlichem Zugriff zu bewahren. Dazu gehören die CSO und die Beteiligungen an den Diamantminen in Namibia und Botswana. Die Kontrolle über die südafrikanischen Minen und die Beteiligung an Anglo-American liegt nach wie vor bei De Beers Consolidated Mines, dem südafrikanischen Teil des Kartells. Wie auch immer: De Beers vertraut offenbar unerschütterlich darauf, dass sich die Bedingungen im Diamantenmarkt verbessern, wenn nur die Weltwirtschaft bald wieder anzieht.
Neil Behrmann, London, ist Fachjournalist für Rohwaren- und Finanzmärkte und Korrespondent des «Wall Street Journal».
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