Sonntag, Juli 10, 2011

«Unsere unzerstörbare ländliche Seele zerstört das Land»

Tages Anzeiger 09.07.2011
«Unsere unzerstörbare ländliche Seele zerstört das Land»
Von Res Strehle und Caspar Schärer.

Die Architekten Jacques Herzog und Marcel Meili sind besorgt über die planlose Zersiedelung der Landschaft. Im Sekundenrhythmus wird ein Quadratmeter neu überbaut, das Land verliert seinen Reiz.


Vor fünf Jahren haben Sie den Mahnfinger gereckt und gesagt, es drohe der Schweiz ein unförmiger Siedlungsbrei zwischen Boden- und Genfersee. Hat sich seither etwas bewegt?
Jacques Herzog: Das Thema steht jetzt wenigstens auf der Agenda, und einige unserer Begriffe, wie etwa «Alpine Brachen» oder «Metropolitanregionen», sind in den Schweizer Medien wie der nationalen Raumordnungspolitik Allgemeingut geworden. Aber in der Sache selber sind wir noch keinen Schritt weiter: Wir schaffen es nicht, die Agglomerationen städtischer und dichter zu gestalten, damit sie nicht weiter in die Landschaft ausufern und die Qualität des Ländlichen zerstören.
Marcel Meili: Es ist paradox: Es ist gerade die unzerstörbare ländliche Seele der Schweizer, die das Land zerstört. Auch unter grossem Druck wollen wir keine Städter werden. Wir wollen nicht zusammenrücken.

Der wachsende Graben zwischen Stadt und Land, wie er sich in den jüngsten Abstimmungsergebnissen zeigte, könnte da eine Chance sein: Es scheint sich auch in der Schweiz eine Seele des Städters zu bilden, global orientiert, daneben bleibt die Bevölkerung in der Agglomeration davon unberührt.
Herzog: Das halten wir für einen Trugschluss. Alle reden von Stadt und Land als einem Gegensatzpaar. Die SVP und die Grünen unterstützen diese Sichtweise, weil sie ihr konservatives Weltbild bestätigt. Das ist aber ein falsches Bild aus vergangenen Zeiten. Es ist vor allem ein gefährliches Bild, weil es die Schweiz, die ja von allen Parteien so geliebt wird, zunehmend zerstört. Wieso wird diese Tatsache nicht von den anderen
Parteien, allen voran der SP, als Thema aufgegriffen? Wie die Nachhaltigkeit und die Energie ist es ein Thema, das die Zukunft der Schweiz wesentlich bestimmt und deshalb populär werden könnte. Es braucht eine breit angelegte politische Debatte darüber, warum es in der Schweiz heute weder Stadt noch Land gibt. Es gibt nur eine Mischform davon. 

Immerhin wächst eine Stadt wie Zürich seit einigen Jahren wieder und scheint sich auch zu verdichten.
Herzog: Das Wachstum ist nicht urban, sondern wie eine unförmige, agglomerative Lawine. Die sogenannten Landgemeinden oder Landkantone sind mittlerweile ebenso davon betroffen, dass von «Land», als Natur, als Gegenpol zur Stadt, keine Rede mehr sein kann. Leute, die auf dem «Land» wohnen, arbeiten meistens in der «Stadt». Sie benutzen das Land als Kulisse, aber nicht als Arbeitsort, sie bearbeiten den Boden nicht, halten keine Nutztiere, pflegen keine Wiesen und Hecken. Ihre Häuser und Siedlungen versiegeln fruchtbaren Boden. So wird die Fläche bis weit in einst entlegene Gebiete hinein ausgedehnt und die Landschaft wie durch eine Plage von Schmarotzern zerstört.

Einzelne Kantonsbaumeister versuchen sich dagegenzustemmen.
Herzog: Das sind die Ausnahmen. Regel ist die Zerstörung von unglaublich schönen Landschaften wie etwa im Waadtland oberhalb des Genfersees. Dabei wären sie ein Hauptgrund dafür, warum so viele Leute hierherkommen. Als wir vor dreissig Jahren in die Architektur einstiegen, taten wir dies mit einer Haltung, welche das Bestehende – das Edle ebenso wie das Hässliche – akzeptierte. Das war eine neue Haltung, die sich gegen die Doktrin der Moderne wendete. Es entstand daraus im Lauf der Jahre eine Art schweizerischer Pragmatismus, der die Haltung der heutigen Architektengeneration kennzeichnet. So entsteht eine Architektur, die weder gut noch schlecht ist. Sie ist korrekt und oft mittelmässig, weil sie den Bezug verloren hat zu einer Vision, wie die ganze Stadt, die Schweiz, die Welt sein sollte. Heute sind wir aber an einem Punkt, wo es wieder radikale Visionen braucht.
Meili: Warum sollte ausgerechnet in der Schweiz ein radikaler Bruch möglich sein? Ich vermute eher, dass unsere Radikalität am Misstrauen der Schweiz gegen die Stadt abperlen wird. Eine echte Metropole wird es hier nie geben – vielleicht ist das auch in Ordnung so. Ich glaube aber, dass das oft beschworene neue «urbane Bewusstsein» in Wirklichkeit gar keine Stadt als körperliches Bauwerk meint. «Urbanität» meint hier eine meist unsichtbare metropolitane Alltagsweltlichkeit, in beschaulichen «organischen Städten» sozusagen: Mobilität, Vielfalt und Auswahl, Internationalität, Kultur und Spitzenbildung, Sicherheit und so weiter. Gebaut wird diese Stadt so formlos wie Wollerau: Dort wird metropolitan gelebt und dabei «Natur» geschaut, indem man diese vernichtet. «Bestätigung» erfuhr das «städtebauliche Porträt» eigentlich nur da, wo sich die Thesen von selbst erfüllen, bei der Entleerung der Alpen etwa oder bei den bandförmigen Städtenetzen, allerdings auch da ohne beschreibbare Absicht.

In der Stadt Zürich ist der Bau von Hochhäusern neuerdings möglich – geht wenigstens das in die Richtung, die Sie sich vorstellen?
Herzog: Hochhäuser lösen das Wohnproblem in der Schweiz nicht. Sie sind aber interessant, um in einer Stadt eine Art künstliche Topografie zu schaffen, Akzente und Orientierungspunkte zu setzen. So ist etwa der Tour Montparnasse in Paris zwar nicht schön, aber für die Orientierung sehr hilfreich. Eine neue Generation solcher Gebäude entsteht zurzeit in der Schweiz. Sie ergänzen und verdichten den begrenzten Perimeter einer Firma oder eines Quartiers, verdichten aber die Besiedlung der Schweiz nicht insgesamt.
Meili: Der Begriff «Verdichtung» ist inzwischen selber zu einer Leerformel verkommen. Heute ist jeder SVP-Gemeindepräsident für «Verdichtung», vorausgesetzt, sie findet nicht vor seiner Haustüre statt. Das geplante Zürcher Fussballstadion ist auch daran gescheitert, dass es verschiedene Anwohner als Skandal empfanden, dass sie nach dem Bau den Uetliberg nicht mehr gesehen hätten. Wirkliche Verdichtung würde eine Stadtvorstellung bedingen, die Enge und Wucht oft aufregender findet als Luft und Weite. Man würde dann vielleicht Wohnungen, die gegen Norden in einen lichtbestrahlten Hang schauen, schöner finden als Südwohnungen. Und es gäbe Leute, die selbst Schatten von mehr als zwei Stunden auf Wohnungen nicht als Verbrechen betrachten, die auch nicht reflexartig jedes Grünzeug mehr lieben werden als den Stein der Strasse.

Man hält den Blick auf den Uetliberg hier für ein garantiertes Recht?
Meili: Es scheint so. In Wien etwa gab es einst einen Bürgeraufstand gegen die neue Kunsthalle, weil diese den «Blick auf die Karlskirche verstelle». Der Architekturhistoriker Friedrich Achleitner hat darauf lakonisch festgehalten, dass in Wien im Prinzip jedes Gebäude den Blick auf die Karlskirche verstelle. Es gibt bei uns für eine architektonisch kräftige Stadt keine gelebte emotionale Grundlage. Vielleicht bedeutet das, dass sich die Stadt unausweichlich in eine andere Richtung entwickeln wird - eher Japan verwandt, vielleicht.

Zwei- bis dreistöckige Gebäude auf kleinen Parzellen, eins neben dem anderen?
Meili: Sogar ineinander verkeilt. In solchen Strukturen glaubt niemand mehr, er fahre «aufs Land», wenn er vom Stadelhofen nach Wetzikon fährt. Vielleicht sind die hyperverdichteten niedrigen, aber relativ engen Stadgeflechte mit Bodenhaftung auf weitem, fast endlosem Raum unsere Zukunft. Die enorme Infrastruktur, die das bedingt, ist uns ja kein Problem. Zugegeben: Wir stellen uns das lieber etwas anders vor.
Herzog: Japan und auch Holland funktionieren eher wie zusammenhängende metropolitane Landschaften. Weil dies auch in den Köpfen der Menschen so ist, gibt es weniger Lokalpatriotismus und gegenseitige Abgrenzung. Das funktioniert aber nur, wenn eine Stadtregion vom Staat nicht einseitig mehr gefördert wird als andere. In der Schweiz sind wir längst nicht so weit, obwohl mittlerweile Basel, Zürich und Genf/Lausanne als Metropolitanregionen mit den Funktionen von «Global Cities» akzeptiert und etabliert sind, ebenso wie Bern als Hauptstadt. Die Verteilkämpfe betreffen Unistandorte, Kliniken, Flugplätze und Bahnverbindungen. Ihr Ausgang ist abhängig vom politischen Lobbying, zu oft gewinnt das politische Schwergewicht Zürich, was dann andernorts Gegenreaktionen provoziert. Der einzige Weg, das Wachstum der Schweiz vernünftig zu lenken, ohne die Landschaft zu zerstören, bestünde darin, die Metropolitanregionen gleichwertig zu fördern und zu verdichten und auch die Städtenetze einzubeziehen. Der heutige Gemeindeföderalismus würde abgelöst durch einen urbanen Föderalismus.

Stellen Sie sich verschiedene grosse urbane Zonen ähnlich wie im Ruhrgebiet vor?
Meili: Ich glaube, dass sich die Schweiz auf viel kleinerem Raum viel komplexer unterscheidet: Was für eine Chance! In diesem Land sind nicht die wichtigen städtebaulichen Fragen, ob Luzern an den TGV angeschlossen wird oder wie hoch die höchsten Häuser sind. Eine epochale kulturelle und wirtschaftliche Leistung wäre es, das ganze Land endlich als eine grosse, differenzierte, hoch leistungsfähige urbane Struktur mit vielen Zentren zu begreifen. Diesen Unterschieden städtebaulich Gestalt zu verleihen, das wäre eine aufregende Jahrhundertaufgabe.

Es gab immerhin den Tabubruch, als Bundesrätin Doris Leuthard sagte, Pendeln müsse künftig teurer werden. Notfalls könnten die Leute wieder dort wohnen, wo sie arbeiten.
Herzog: Das ist der falsche Weg. Die Distanzen zwischen den Zentren in der Schweiz sind so gering, dass Pendeln zur urbanen Schweiz gehört. Man kann Wohnen und Arbeiten nicht immer am gleichen Ort anbieten. Aber die urbanen Funktionen Arbeiten, Wohnen, Erholung/Gesundheit, Einkaufen und Bildung/Kultur sollen sich mischen. Es gehört zu einer urbanen Kultur, dass sich Menschen nicht aus dem Weg gehen. Dass sie während ihrer Arbeit anderen begegnen, die sich erholen, Sport treiben, einkaufen oder ein Kunstwerk bestaunen. Und dass dort auch gewohnt wird. Bei diesem Nebeneinander von unterschiedlichen Aktivitäten und verschiedenen Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters tun wir uns in der Schweiz schwer.

Im Raum Zürich gilt die S-Bahn als Erfolgsmodell. Mit ihr hat sich der Lebensraum rund um Zürich stärker durchmischt. Ist das nun ein Erfolg in Ihrem Sinne?
Herzog: Dass dort gebaut wird, ist vernünftig, ja. Wie gebaut wird, ist eine andere Frage. Wenn Rapperswil-Jona und Affoltern an der gleichen Linie liegen, dann verbindet dies nicht nur physisch, sondern auch mental: Im Kopf der Leute entsteht so die Vorstellung einer zusammenhängenden Stadt. So etwas fehlt uns in Basel. Da wird es noch zehn Jahre dauern, bis die Durchmesserlinie unter dem Rhein hindurch realisiert sein wird. Danach würden auch hier deutschsprachige und französischsprachige Quartiere verbunden. Die S-Bahn war in Zürich der wichtigste planerische Akt seit dem 2. Weltkrieg. Die Schweizer Städte haben sich nach dem Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert übrigens auch entlang einer Art nationaler S-Bahn entwickelt. Das war eine radikale Vision für die Einheit und das Selbstverständnis dieses Landes. Eine ähnlich bahnbrechende Vision brauchen wir heute, um das Energieproblem in einem gemeinsamen flächendeckenden Konzept zu lösen.
Meili: Zürich, oder auch Basel, haben auf ihrem eigenen Stadtboden im Grunde keine unlösbaren Probleme mehr. Trotz ihrer Ressourcen und ihres Know-hows werden diese Kernstädte in der Agglomeration aber zur Lösung grossräumiger städtebaulicher Fragen gar nicht zugelassen. Die S-Bahn begründet allein keine Stadt, sondern bestenfalls eine Lebensweise. So stellt sich die Frage, wer dem Territorium denn eigentlich Form geben soll. Wer darf unter gemeindeföderalistischen Gesichtspunkten eigentlich die Führung im Entwurf übernehmen? Es geht darum, wer Autor für die «Form der Metropolitanregion» sein kann. Im Moment sehe ich diese Kompetenz nicht einmal bei den meisten Kantonen und definitiv nicht bei Gemeindeverbünden.
Herzog: Ich sehe das Problem für Zürich nicht. Die Stadt hat ausser dem fehlenden Fussballstadion kein einziges Problem. Sie hat eine schöne Lage, eine perfekte S-Bahn, es geht wirtschaftlich gut. Zürich nimmt sich als Stadt wahr, ob da jetzt eine oder zwei Millionen Menschen wohnen, etwas mehr oder eher weniger verdichtet wird, ist egal.
Meili: Diese Einschätzung teile ich nicht. Alle Schweizer Städte haben ausserhalb der Kernstadt ein Problem der Form. Zürich etwa stellt sich überproportional gross als Wirtschaftsstruktur, Kulturplattform und Lebensraum auf. Mit Erfolg zwar, aber nun werden diese Bilder projiziert auf geradezu grotesk kleine architektonische Gefüge, die sich «i de Stadt» nennen: biedermeierliche Städtchen in amorphen, aber hoch versorgten Agglomerationslachen, die nach Ziergrün riechen.
Herzog: Die Räume Basel und Lausanne/Genf haben im Vergleich zu Zürich mit der Landesgrenze noch ein Problem mehr. Wir haben früher das Verhältnis der Schweiz zur EU viel entspannter gesehen und gedacht, die Grenzen würden im positiven Sinne durchlässiger. Durch die Abschottung wird das Problem heute grösser. Die negativen Faktoren einer Öffnung stehen eher im Vordergrund, was sich auf die grenznahen Quartiere auswirkt. Wir müssen uns folglich wieder verstärkt darauf konzentrieren, den Binnenraum Schweiz zu entwickeln.
Meili: Im Grunde müssen wir zugeben, dass die Hauptprobleme der Schweiz nicht in den Metropolen selbst liegen, wie wir ursprünglich gedacht haben. Bedrohlich ist, dass alle urbanen Zonen zur Konvergenz neigen und deshalb die verschiedenen Orte in der urbanen Topografie Schweiz auch nicht aus individuellen Stärken heraus zugunsten des Gesamten zusammenwirken. Dazu bräuchte es zunächst gar keine Metropolen im landläufigen Sinn, nur hoch internationale Städte.

Sehen Sie die Schweiz als einen grossen urbanen Raum?
Herzog: Das ist keine neue Idee, aber sie ist heute drängender denn je. Es geht nicht mehr um die Vision in den Köpfen von ein paar Spinnern, angesichts der schieren Masse des Siedlungsbreis ist dies rein physisch betrachtet eine Tatsache. Nun muss daraus aber ein Thema werden, damit die Menschen das auch mittragen wollen. Das ist der einzige Weg in einer Demokratie, und es ist der einzige Weg, wie wir die Natur, oder was davon übrig bleibt, erhalten können.
Wie soll man sich in einer Region, die von hoher Abwanderung betroffen ist, als Teil des urbanen Raums verstehen?
Meili: Eine Region entleert sich, wenn die Stadt hohe Anziehungskraft hat. Die «Alpine Brache» war übrigens nie ein Projekt von uns, wir haben das Phänomen bloss beschrieben. Nun zeichnen sich im Alpenraum neue Erkenntnisse ab wie auch erste Schritte in Richtung des von uns vorgeschlagenen «Leopardenfells»: kalkulierter Rückzug, Konzentration. Die Energien zur Entwicklung konzentrieren sich auf Kerne einer neuen Vitalität, anstatt Besiedlungsreste flächendeckend zu beatmen.

Sie sagten damals, man könne ein paar Täler ruhig verganden lassen. Anstatt überall ein bisschen zu subventionieren, solle man das Geld dort ausgeben, wo man langfristig etwas bewirken könne.
Meili: Wir haben uns zu behaupten getraut, dass es hinter den wirtschaftlichen Infusionen keine wirkliche Kontrolle darüber gab, was mit den Subventionen bezweckt werden sollte. Da geriet zwischenzeitlich sehr viel in Bewegung. Es muss aber auch in Zukunft möglich sein, für ein Tal mit 500 Einwohnern Geld auszugeben, wenn dahinter eine Vorstellung steht, welche Bedeutung dieses beatmete Tal innerhalb der gesamten urbanen Topografie der Schweiz haben soll. Umgekehrt muss es nach ausführlicher Diagnose auch möglich sein, Räume an die Natur zurückzugeben, zumindest für eine Weile.
Herzog: Das war bis jetzt nicht so, und deshalb ist selbst im entlegensten Winkel der Schweiz etwas, das vom Menschen definiert und kontrolliert wird. Eine gemähte Wiese oder ein markierter Weg. Die Frage ist, wie lange wir uns das noch leisten können. Die Landwirtschaftsbetriebe in den entlegenen Tälern werden nach heutigen Überlegungen nur dank starker Subventionierung überleben. Die Bauernhöfe in der Nähe der Städte hingegen werden immer populärer. Was einst aus der grün-alternativen Ecke kam, ist heute Mainstream und wird weiter an Popularität gewinnen. Internationale Bewegungen wie Slow Food, die Terra-Madre-Bewegung und Urban Farming gewinnen in der städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ausrichtung an Bedeutung. Solche Bewegungen werden künftig auch wichtiger, um die Städte mit Lebensmitteln zu versorgen.

Braucht der von Ihnen geforderte radikale Wechsel in der Siedlungspolitik eine zentrale Planung?
Herzog: Wir sind weder für mehr Staat noch für mehr Zentralismus und weniger Demokratie. Es ist unsere Aufgabe, die urbanistische und landschaftliche Entwicklung der Schweiz zu beobachten, zu kommentieren und Vorschläge vorzubringen. Wenn wir sagen, es ist Zeit für eine neue Radikalität, ist das nicht der Aufruf zu einem Staatsstreich, sondern der Aufruf, das Hirn einzuschalten. Wir sollten nicht die ewig gleichen ideologischen Parteiparolen runterbeten. Die Schweiz ist zwar nicht revolutionär, aber zumindest pragmatisch. Dieser Pragmatismus reicht nun offensichtlich nicht aus, um die anstehenden Probleme von Besiedlung/Urbanität/Landschaft über die Grenzen von Gemeinden, Kantonen und des ganzen Landes anzugehen. Das wäre aber nötig, um die Schönheit des Lebensraums Schweiz zu erhalten. (Tages-Anzeiger)

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