Samstag, August 13, 2011

Was hat Blocher gegen seine Klasse?

Was hat Blocher gegen seine Klasse?

Von Peter Schneider. Aktualisiert am 18.05.2011
Können Sie mir bitte erklären, wie ein Mensch dazu kommt, seine eigene Klassenzugehörigkeit fortlaufend zu verunglimpfen? Ich spreche von Herrn Blocher, der doch permanent über die «Classe politique» und die «Elite» herzieht. Meines Erachtens gehört er doch zu beiden. Oder irre ich mich? G.H.

Liebe Frau H.
Sie irren sich nicht. Aber Sie liegen falsch, wenn Sie meinen, dieser Selbstwiderspruch könnte sich als Argument gegen die SVP verwerten lassen. Er ist vielmehr das Erfolgsgeheimnis von Blocher und seiner SVP: Logische Konsistenz ist etwas für Verlierer. Man muss diese Inkonsistenz allerdings auch souverän zelebrieren. Einfach nur in CVPManier die Positionen wechseln wie ein aufgescheuchtes Huhn macht den Wählern keinen Eindruck. Die UBS zerschlagen und dann als Holding wieder zusammenbauen? So wächst zusammen, was zusammengehört. Protektionistische Landwirtschaftssubventionen und neoliberale Wirtschaftspolitik – was dagegen? Ein Milliardär als Anwalt des kleinen Mannes – wer sonst? Bildung ist die wichtigste Ressource unserer rohstoffarmen Schweiz: Ergo brauchen wir mehr Leute wie Paul Accola im Nationalrat. Minarette sind gefährlicher als Atomkraftwerke – warum eigentlich nicht? Ist doch mal ein origineller Ansatz. Aber weniger Atomkraft durch weniger Zuwanderung ist auch lustig. Schluss mit der Abzockerei einheimischer KMU durch polnische und rumänische Billigarbeiter!

Unlogisch? Ach ja? Dann heul doch! Souverän ist, wer sich um sein Geschwätz von gestern nicht kümmern muss. Und um Argumente erst recht nicht. Was kümmert mich der «zwanglose Zwang des besseren Arguments» ( Jürgen Habermas), wenn ich mir richtige Propaganda leisten kann?
Die Kaderpartei SVP hat das erreicht, wovon die kulturrevolutionäre Fraktion der Achtundsechziger nur träumen konnte: die Massen. Was aus dem Munde linksradikaler Studenten, die vor den Werkstoren langfädige Flugblätter verteilten, nicht sehr überzeugend klang, wird zur faszinierenden Heilsbotschaft, wenn es der Fabrikbesitzer selbst verkündet: die Abschaffung des Staates. Jetzt sind es die linke Elite, die «Classe politique», die Intellektuellen, kurz: die alten Staatsfeinde, die den Staat gegen seinen Verächter verteidigen. Kein Wunder, denn die hängen ja alle an seinem Tropf. Diese Rhetorik gehört zum eisernen Bestand des Rechtspopulismus. Offenkundig ist das Volk der Meinung, dass die Anarchie in den Händen der Mächtigen am besten aufgehoben ist.

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