Samstag, Oktober 14, 2006

Aha, wacht man langsam auf? A wake up call.....

14. Oktober 2006, Neue Zürcher Zeitung
Britischer Heereschef gegen Blairs Irak-Politik
Gefährdung auch für Grossbritanniens Sicherheit

Der neue Chef des britischen Heeres, Dannatt, hat in ungewöhnlicher Form die Irak-Politik der Regierung Blair kritisiert, die auch die Sicherheit im eigenen Land und dessen christliche Werte gefährde. Er forderte, sich auf die Mission in Afghanistan zu konzentrieren.

Mr. London, 13. Oktober

Der erst im August als oberster Heeresführer ernannte General Richard Dannatt, der über weitreichende Erfahrung im Auslandeinsatz verfügt, hat im konservativen Massenblatt «Daily Mail» vom Freitag in ungewöhnlicher Offenheit Stellung zum britischen Einsatz im Irak und in Afghanistan und zu den Folgen für die Sicherheit in Grossbritannien genommen. Während Blair gleichzeitig in Schottland den Nordirland-Konflikt zu lösen versuchte, hat Dannatt damit die grösste aussenpolitische Schwäche Blairs ins Rampenlicht gerückt, mit Argumenten, die über die Kompetenz eines Militärs hinausgehen, aber von den konservativen und liberalen Oppositionsparteien - und letztlich auch von breiten Kreisen bei Labour - mehr oder weniger geteilt werden.

Verlegenheit der Regierung
Dannatt hat versucht, am Freitag in Radio und Fernsehen seine Haltung abzuschwächen, aber seine Kritik am Regierungskurs konnte er nicht rückgängig machen. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte einen Kommentar, in dem erklärt wurde, dass Dannatts Erklärungen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Das Premierministeramt versicherte ihm noch seine Unterstützung, aber machte klar, dass die britischen Truppen im Irak auf Wunsch der dortigen Regierung und der Uno stationiert seien.

Dannatt hat letztlich die immer wieder geäusserten Bedenken der im Irak stationierten Offiziere bestätigt, wonach sich ihre Mission seit 2003 drastisch geändert und verschlechtert habe. 7000 britische Soldaten sind im Einsatz, vor allem im Südirak. Diese für so lange Zeit nicht vorhergesehene Konzentration behindert auch einen vernünftigen Soll-Bestand in Afghanistan, wo die britischen Truppen unter extremen Situationen ausharren. Die Armee beklagt im Irak bisher 119 Tote. Die beabsichtigte Förderung eines Wiederaufbaus unter möglicherweise «naiven» prowestlichen Vorstellungen habe, erklärte Dannatt, eindeutig kontraproduktiv zu Ablehnung bei der Bevölkerung geführt, ausser in Basra. Dannatt liess offen, ob dies vor allem amerikanisches Verschulden sei, plädierte aber für «weniger Ehrgeiz». Hingegen beklagte er den negativen Einfluss dieser Politik in Grossbritannien selbst, wo man auf die eigenen «christlichen Werte» immer mehr verzichte, um sich nach dem «vorherrschenden Wind» - Rücksicht auf die islamische Minderheit - zu richten.

Vorrang für Afghanistan
Die konservative und liberale Opposition griff Dannatts Kritik sofort auf, obwohl dieser selbst am Freitag versuchte, seine pessimistische Stellungnahme abzuschwächen, um sich wieder mehr auf die offizielle Linie eines Abzugs in den nächsten zwei bis drei Jahren zurückzuziehen. Er erklärte, dass seine Äusserungen vom «Daily Mail» zerstückelt worden seien - sie wurden in der Tat mit eigenen redaktionellen Verschärfungen angereichert - und dass er sich vor allem über die Zukunft des Heeres in den nächsten fünf bis zehn Jahren Sorgen mache. Damit sprach er auch das von den Militärs als zu knapp betrachtete Budget für Verteidigung an. Priorität hat gemäss Dannatt Afghanistan, aber die Forderung der Militärs nach vorhergehender Entlastung im Irak konnte von der Regierung nicht realisiert werden. Andere Militärführer hatten vor Dannatt in diesem Zusammenhang bereits auf ungenügende Mittel hingewiesen. Blair hatte vor kurzem mehr Geld versprochen, aber nicht mehr Truppen und auch nicht mehr Helikopter.
http://www.nzz.ch/2006/10/14/al/articleEKGUL.html

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