13. September 2009, NZZ am Sonntag
China lässt die Muskeln spielen
Der grösste Produzent von seltenen Metallen will den Export in den Westen einschränken
Ohne ausgefallene Materialien können weder iPods noch Flachbildschirme hergestellt werden. Hersteller alternativer Energien sind von Chinas Quasimonopol am stärksten bedroht.
Daniel Puntas Bernet
Neodym, Lanthan, Terbium, Dysprosium, Scandium: Metalle, von denen man nicht jeden Tag hört, die aber bald in aller Munde sein dürften. Denn die fünf gehören zusammen mit zwölf weiteren zu den sogenannten Metallen der seltenen Erden (Rare Earth Elements/REE), allesamt Rohstoffe, die in iPods, Automotoren, Windturbinen, Stromsparlampen oder Flachbildschirmen stecken. Vor wenigen Tagen....
13. September 2009, NZZ am Sonntag
China lässt die Muskeln spielen
Der grösste Produzent von seltenen Metallen will den Export in den Westen einschränken
Ohne ausgefallene Materialien können weder iPods noch Flachbildschirme hergestellt werden. Hersteller alternativer Energien sind von Chinas Quasimonopol am stärksten bedroht.
Daniel Puntas Bernet
Neodym, Lanthan, Terbium, Dysprosium, Scandium: Metalle, von denen man nicht jeden Tag hört, die aber bald in aller Munde sein dürften. Denn die fünf gehören zusammen mit zwölf weiteren zu den sogenannten Metallen der seltenen Erden (Rare Earth Elements/REE), allesamt Rohstoffe, die in iPods, Automotoren, Windturbinen, Stromsparlampen oder Flachbildschirmen stecken. Vor wenigen Tagen hat Wang Caifeng, Rohstoff-Direktor des chinesischen Industrieministerium, einen Satz geäussert, der Firmenchefs auf der ganzen Welt in Aufregung versetzte: «Es könnte sein, dass wir künftig diese Rohstoffe nicht ausreichend liefern können.» Eine weiche Formulierung für eine gleichzeitig angekündigte massive Exportbeschränkung.
Die Aufregung ist durchaus berechtigt. China förderte letztes Jahr 124 000 Tonnen REE, 95% dessen, was weltweit verwendet wird. Auch wenn die Menge im Verhältnis zu Eisenerz, Kupfer oder Aluminium fast verschwindend klein ist: Bei keinem anderen Rohstoff ist die Abhängigkeit von einem einzigen Land grösser als bei den seltenen Metallen, die in fast allen modernen technischen Geräten vorhanden sind. «Die Welt kann ohne Mobiltelefone, Autos und Fernseher nicht mehr sein. Ausserdem spielen die Metalle eine entscheidende Rolle bei der Herstellung grüner Technologien», sagte Wang Caifeng gegenüber chinesischen Medien, für den Fall, dass die Bedeutung der angekündigten Massnahmen nicht deutlich genug zu Tage getreten wäre.
Kein Prius ohne Lanthan
Vor allem für die Herstellung der globalen Hoffnungsträger im Kampf gegen CO 2 -Emissionen sind Chinas Rohstoffe zentrale Zutaten – eine Verknappung käme einer starken Einschränkung bei der Entwicklung alternativer Energien gleich. Beschichtungen von Solarzellen enthalten ebenso seltene Substanzen wie Katalysatoren oder Elektromotoren. In jedem Hybridmotor von Toyota stecken 1 Kilogramm Neodym und 15 Kilogramm Lanthan, und sobald die nächste Generation auf den Markt kommt, gar doppelt so viel. Die Generatoren von Windturbinen wiederum enthalten mehrere hundert Kilo Dysprosium. «Diese Stoffe ermöglichen eine maximale magnetische Wirkung in Kombination mit hoher Korrosionsbeständigkeit», sagt Christoph Bolliger von der Zürcher Firma Bomatec, Zulieferer für Windturbinen-Generatoren. «Ohne die Metalle wäre die derzeitige Energieeffizienz von Wind oder Hybridmotoren nicht zu haben.» Von den Ausfuhrrestriktionen ist Bomatec nicht betroffen, die Firma bezieht die fertigen Magnete aus China – was ganz im Sinn der chinesischen Industriepolitik ist, die darauf abzielt, die Wertschöpfungskette weitgehend im eigenen Land zu behalten.
Anders bei der Firma Vacuumschmelze aus Hanau bei Frankfurt, dem einzigen Hersteller von Magneten in Europa und Importeur von REE. «Die chinesische Ankündigung könnten auch marketingtechnische Gründe haben. Weil der Absatz dieses Jahr wegen der Krise ins Stocken kam, versuchen einige der Minengesellschaften, dadurch die Nachfrage zu forcieren», sagt Geschäftsleitungsmitglied Bernd Schleede. Ein Versiegen der Metalleinfuhren aus China hätte für das Frankfurter Unternehmen existenzbedrohende Folgen. Das sieht auch Japan so, wo Wang Caifengs Statement die höchsten Wellen warf. Spitzenreiter im Verbrauch der Metalle ist der Toyota Prius. Angesichts der Pläne von Toyota, ab 2010 den hybrid betriebenen Prius weltweit jährlich eine Million Mal zu verkaufen, hat die Sicherstellung der Metalle strategische Bedeutung erlangt.
Mitsubishi und Toyota schlossen kürzlich Joint Ventures mit brasilianischen und kanadischen Firmen ab, und ein nationales Forschungsteam lässt Satelliten über Botswana kreisen, wo nach Vorkommen Ausschau gehalten wird. Denn im Gegensatz zum Namen kommen die Metalle der seltenen Erden auf der ganzen Welt häufig vor, nur haben es andere Länder unterlassen, in ihre Förderung zu investieren, was der hauptsächliche Grund für Chinas Quasimonopol ist.
Alles andere als grün
Erst seit die Chinesen nämlich mit viel billigeren Fördermethoden die Preise für REE in den Keller drückten (Neodym notierte beispielsweise Anfang der neunziger Jahre noch bei 50 $ pro Kilogramm, bevor es auf 5 $ einbrach), mussten weltweit andere Minengesellschaften den Betrieb einstellen, weil die Produktion unprofitabel wurde. Die Fördermethoden des unentberlichen Metalls grüner Technologien sind zudem alles andere als grün: Um 1 Tonne der Metalle zu gewinnen, kann es vorkommen, dass 2000 Tonnen Erde bewegt werden müssen. Und anders denn als Umweltverschmutzung kann laut vielen Experten die chinesische Billigförderung nicht bezeichnet werden: «Chemie auf den Berg schütten und unten die herausgeschwemmten Metalle auffangen», fasst ein Branchenkenner die ökologisch bedenkliche Methode zusammen. Es könnte sein, dass gerade höhere Umweltstandards in China zum Rückgang der Produktion in diesem Jahr geführt haben.
Der Preis für Neodym liegt wieder bei knapp 20 $, doch die Aussichten auf eine steigende Nachfrage in Verbindung mit den Ausfuhrrestriktionen Chinas lassen die Minen in Kanada und Australien ihre Bagger wieder auffahren. Das US-Unternehmen Molycorp Minerals will in Kalifornien die stillgelegte Mountain Pass Mine wieder in Betrieb nehmen, das grösste bekannte Vorkommen an REE ausserhalb Chinas.
Zu den Gewinnern der Umstände gehört die kanadische Explorationsfirma Avalon. Die Firma besitzt Schürfrechte am Thor Lake im Nordwesten Kanadas – laut Avalon-Geschäftsführer Don Bubar «eine wahre Goldgrube». Ab 2013 werden dort Tantal, Lithium und Niobium gefördert. «Die meisten unterschätzen REE noch – aber das wird sich schnell ändern», warb Bubar im Sommer 2008 auf der Suche nach neuen Investoren. Avalons Aktienkurs hat sich seit letztem Juni und nach Wang Caifengs Rede verfünffacht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen