Geschätzte Berner Geheimdiplomatie
Die Geheimgespräche zwischen Israel und Syrien haben jüngst für Schlagzeilen gesorgt. Erstmals spricht jetzt ein in die Verhandlungen involvierter israelischer Teilnehmer über die Rolle der Schweiz - und lobt sie in höchsten Tönen.
4. Februar 2007, NZZ am Sonntag
Geschätzte Berner Geheimdiplomatie
Die Geheimgespräche zwischen Israel und Syrien haben jüngst für Schlagzeilen gesorgt. Erstmals spricht jetzt ein in die Verhandlungen involvierter israelischer Teilnehmer über die Rolle der Schweiz - und lobt sie in höchsten Tönen.
Silke Mertins, Jerusalem
Die Schweiz hat sich so gute Beziehungen im Nahen Osten erarbeitet, dass sie nach Einschätzung des israelischen Unterhändlers Alon Liel inzwischen für syrisch-israelische Friedensgespräche unverzichtbar geworden ist. «Die Schweiz nimmt eine Schlüsselrolle ein, wenn es um den Zugang zum syrischen Präsidenten Bachar al-Asad geht», sagt Liel. Die «hochprofessionellen» Berner Diplomaten hätten «das volle Vertrauen der syrischen Regierung», so der ehemalige Generaldirektor des israelischen Aussenministeriums. «Sie können Dinge tun, die andere westliche Regierungen nicht tun können. Sie haben ständigen Kontakt zu Damaskus, ein sehr enges Verhältnis.»
Liel hat diese Erkenntnisse aus erster Hand gewonnen. Er führte auf israelischer Seite die unter Vermittlung und Beteiligung der Schweiz zustande gekommenen Geheimgespräche mit Syrien, deren Bekanntwerden vor zwei Wochen international für Schlagzeilen gesorgt hat. Die Delegationen aus den beiden verfeindeten Staaten haben sich dabei auf eine Lösung geeinigt, die die Rückgabe des Golan und eine politische Kehrtwende Syriens einschliesst. Der Schönheitsfehler des sensationellen Deals: Weder von israelischer noch von syrischer Seite nahm ein offizieller Vertreter teil. Liel hat zwar 30 Jahre im Aussenministerium gedient, doch seit 2001 engagiert er sich als Privatmann für Verhandlungslösungen.
Er selbst brachte die Schweiz ins Spiel, nachdem die Gespräche unter türkischer Vermittlung - die Türkei hatte den Kontakt auf syrischen Wunsch hergestellt - neun Monate lang auf der Stelle traten. «Die Türken bestanden darauf, dass ein offizieller Vertreter Israels teilnimmt», erzählt Liel. Vergeblich. «So wendete ich mich schliesslich an die Schweizer.»
Bundesrat traumatisiert
Die Regierung in Bern, die bis heute eine Vermittlungsrolle nur vage bestätigt hat, verhielt sich zunächst skeptisch. «Sie war noch von der Genfer Friedensinitiative traumatisiert», so Liel. Denn die Schweiz hat auch die Verhandlungen zwischen israelischen Linken und moderaten Palästinensern, die sogenannte Genfer Initiative, moderiert und teilweise auch finanziert. Sie sollte Ende 2003 den damaligen Ministerpräsidenten Ariel Sharon widerlegen, der behauptete, es gebe auf palästinensischer Seite keinen Partner für den Frieden. Der Schuss ging jedoch nach hinten los. Sharon reagierte säuerlich auf die mit grossem Medienrummel veröffentlichte Einigung. Er weigerte sich zunächst sogar, Schweizer Politiker zu empfangen.
Einen solchen Konflikt wollte die Schweiz nicht erneut provozieren und bestand dieses Mal darauf, dass die israelische Regierung ständig im Bild war über das, was zwei Jahre lang im Berner «Hotel Bellevue» besprochen wurde. Unter anderem auch deshalb waren die Schweizer immer mit bis zu fünf Diplomaten dabei, wenn Syrer und Israeli sich trafen.
Offiziell lehnt Israel derartige Gespräche entschieden ab. Zwischen dem israelischen Militär- und dem Auslandsgeheimdienst ist sogar ein Streit darüber entbrannt, wie ernst zu nehmen die syrischen Verhandlungsangebote sind. Doch namhafte Politiker, darunter auch James Baker, US-Aussenminister unter George Bush senior, sehen in einem Frieden mit Syrien eine Chance für den gesamten Nahen Osten. Denn längst geht es nicht mehr nur um Israel und Syrien. Inzwischen sind mit Irak, Libanon und Iran weitere Konflikte hinzugekommen, in denen das Regime in Damaskus eine nicht unerhebliche Rolle spielt. «Wenn es uns gelingt, Syrien aus dem islamistischen Lager herauszubrechen, ist das weitaus wichtiger als nur der Frieden mit Israel», sagt Liel deshalb. Folglich ist der Schweizer Draht nach Damaskus nicht nur für Israel bedeutend. Auch die Amerikaner, die Syrien nach wie vor als Teil der «Achse des Bösen» definieren, dürften aufhorchen.
Gemeinsam picknicken
Konkret sind für Israel aber auch die Einzelheiten des Abkommens interessant. Israel würde danach die syrische Souveränität über die 1967 eroberten Golanhöhen anerkennen, aber erst abziehen, wenn über einen Zeitraum von rund 15 Jahren deutlich geworden ist, dass Damaskus sich aussenpolitisch wirklich umorientiert hat. Im Gegenzug würde Syrien die Unterstützung der Hamas und des Hizbullah beenden.
«Die Vereinbarung enthält sehr kreative Ideen, wie etwa den Naturpark», sagt Akiva Eldar, Autor der Tageszeitung «Haaretz», an die man das Geheimabkommen zwischen Israel und Syrien hat durchsickern lassen. Auf dem grössten Teil des Golans soll ein Naturpark entstehen, der für Syrer wie für Israeli zugänglich sein soll. Israeli hätten weiter Zugang zu einem Areal, das als Urlaubsgebiet für viele nicht mehr wegzudenken ist. Es wäre für alle zugänglich ohne Visum, so dass Syrer und Israeli «vielleicht sogar einmal zusammen picknicken werden».
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