Mittwoch, Mai 02, 2007

Der 1. Mai in Zürich - immer wieder nett, den Kindern beim Spielen zuzuschauen...

......und nein ich bin kein Gaffer, ich wohne am Stauffacher! Aus dem Fenster gucken reicht.

Zürich
Tages-Anzeiger vom 02.05.2007
Und dann, endlich, brennt das erste Auto

Erst an der Nachdemo zur Nachdemo knallte es im Kreis vier. Protokoll einer späten Eskalation.

Zürich
Tages-Anzeiger vom 02.05.2007
Und dann, endlich, brennt das erste Auto

Erst an der Nachdemo zur Nachdemo knallte es im Kreis vier. Protokoll einer späten Eskalation.

Von Jean-Martin Büttner

Zürich. – Im Interview mit der «Wochenzeitung», vielleicht müsste man sagen: In einem von der «WOZ» in Achtungsstellung entgegengenommenen Tagesbefehl dekretiert Andrea Stauffacher vom «Revolutionären Aufbau», wie dermassen falsch alles ist, was man über den so genannten Schwarzen Block und die so genannten Nachdemos so zu wissen glaubt.

Was von der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten als rituelle Prügelei wahrgenommen wird, die nicht einmal dem Schein nach mit politischem Protest zu tun hat, beschreibt Subcommandante Stauffacher mit dem Satz, man könne «immer nach neuen Begriffen suchen – von Chaoten zu Secondos – um die Vorgänge zu entpolitisieren». Was selbst innerhalb der Linken zu wachsender Frustration führt, dass nämlich die Ausschreitungen danach den Anlass davor desavouieren, verortet sie als «die Strasse ist ein Ort, an dem Klassenanliegen und Widerstandsformen zusammenkommen».

Die Sonne arbeitet fürs Kapital
Dergestalt für die Nuancen des Klassenkampfes sensibilisiert, heftet man sich an die Turnschuhe der Unzufriedenen für eine Unterweisung in internationaler Solidarität. Zunächst will es mit der termingerechten Wut nicht richtig klappen. Die meteorologischen Bedingungen scheinen dem Kapital in die Hände zu arbeiten, scheint die Sonne doch dermassen unverschämt warm auf den Umzug herunter, dass sich keine finstere Stimmung breitmachen mag. Der offizielle Cortège wälzt sich heiter durchs Limmatquai und dann über den Paradeplatz Richtung Stauffacher. Transparente schaukeln vorbei, Flugblätter werden verteilt, es hat rote Fahnen unter blauem Himmel, und selbst die Unzufriedenen ganz am Schluss sehen relativ zufrieden aus.

Am Helvetiaplatz lassen die einen die Reden über sich ergehen, während die anderen sich Richtung Kebab absetzen. Der schwarze Kern versammelt sich auf dem Kanzleiareal, man streckt sich auf der Wiese aus und blinzelt in die Sonne. Vor den Essständen bilden sich Schlangen. Es riecht nach Bier, Mayonnaise und Marihuana. Ein Rapper rappt schlecht, dafür laut. Die Stellwände mit Informationen zu Nepal und Indien sowie zur Geschichte des Faschismus (in drei Teilen) glühen in der Maisonne. Immer noch schwebt friedliche Heiterkeit über dem Gelände und behindert den antifaschistischen Kampf.

Plötzliche Vermummung
Dann, pünktlich um zwei, wird die Garderobe dem Ernst der Lage angepasst. Wer vorher noch schlaksig und sehr jung in die Gegend schaute, trägt jetzt Kapuze mit Skibrille, womöglich noch Handschuhe, und macht einem Angst. Dafür wirken die schwarzen Trainerjacken und Kämpferhosen kleidsam - radical chic, wie Tom Wolfe wohl sagen würde. Andrea Stauffacher greift zum Megaphon und macht in ihrer atemlos gepressten Art klar, dass sich die Leute an die Route halten und auf Sachbeschädigungen verzichten sollen.

Die Nachdemo verlässt das Hauptquartier und marschiert geschlossen um den Kreis vier. «Revolutionäre Perspektive erkämpfen», heisst es auf dem vordersten Transparent, auch wenn die Perspektive verschwommen bleibt. Ab und zu lässt einer die internationale Solidarität hochleben, andere blöken es nach. «1. Mai, Strasse frei» ist als Slogan auch beliebt. Es stimmt übrigens nicht, dass die Demonstranten nur Nike-Schuhe tragen. Sie tragen auch Reebok, Adidas und Lacoste. Die meisten sind sowieso damit beschäftigt, einander abzufilmen oder mit dem Handy zu fotografieren. Wer sie jetzt fichieren wollte, würde gar nicht auffallen. Die schwarze Kolonne biegt in die Langstrasse ein. Am Strassenrand steht das arbeitende Volk und schaut zu. Als zwei Jugendliche Rauchpetarden entzünden, geraten die Fotografen in Aufregung; wenn schon kein Feuer, dann wenigstens Rauch.

Eine knappe Stunde später ist der antifaschistische Stosstrupp wieder zurück im Kanzlei. Kurz zuvor gibt es einen ersten Zwischenfall: Steine und Flaschen gegen die Justizdirektion. Andrea Stauffacher ergreift das Megaphon und deeskaliert mit einem gewissen Erfolg. Der hält nur so lange an, bis sich die Jugendlichen auf dem Gelände zu langweilen beginnen und zur Nachdemo der Nachdemo ansetzen.

Faschistische Tramstationen
Zuallererst wird der Schriftzug einer Credit-Suisse-Filiale attackiert. Warum die Unterstände zweier Tramstationen demoliert werden, lässt sich vom antifaschistischen Aspekt her nicht einordnen; haben sie zuwenig internationale Solidarität gezeigt? Und warum wird ein Handygeschäft mit Steinen beworfen, ist das Globalisierungskritik oder ein Plünderungsversuch? Kurz nach vier brennt endlich das erste Auto, schwarzer Rauch über der Kalkbreite. Beirut-Feeling! Die Kameraleute sind selig. Endlich die Bilder zur Empörung.

Ein Teil der Unzufriedenen zieht sich wieder aufs Kanzlei zurück. Kinder weinen vor Angst, ihre Mütter bringen sie in Sicherheit, die friedliche Stimmung geht jäh kaputt. Die Restvermummten lassen sich auf dem Helvetiaplatz heldenhaft von der Polizei abspritzen und ruinieren zur Sicherheit noch das dortige Fest. So hat es trotzdem noch gekracht. Ein paar Hundert haben die mehreren Tausend verdrängt. Alles in allem ein guter Arbeitstag für den Widerstand. Das internationale Kapital wird mächtig beeindruckt sein.

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