07. Juli 2010, Neue Zürcher Zeitung
Sport gegen geistigen Abbau
Körperliche Bewegung im Teenageralter zahlt sich im Alter aus
Wer regelmässig Sport treibt, bleibt im Alter länger geistig frisch. Der Effekt scheint umso grösser, je früher mit dem Training begonnen wird, wie eine Studie bei Frauen zeigt.
Nicola von Lutterotti
Wer sich in jungen Jahren viel bewegt, bleibt im Alter geistig länger fit. Zu diesem Ergebnis kommt eine kanadisch-amerikanische Erhebung, an der 9344 durchschnittlich 70-jährige Frauen beteiligt waren.¹ Dass körperliche Aktivität den altersbedingten Verfall der kognitiven Fähigkeiten verlangsamt und die Ausbildung einer Demenz hinauszögert oder sogar abwendet, haben viele Beobachtungen nahegelegt. Zweifelsfreie Belege für eine kausale Beziehung standen bisher aber noch aus. Ungewiss war auch, von welchem Alter an man sich körperlich betätigen sollte, um dem schleichenden Abbau des Denkvermögens möglichst lange zu trotzen.
Auch Gartenarbeit ist Sport
Einen wichtigen Mosaikstein in diesem Puzzle könnten nun Laura Middleton vom Zentrum für Gesundheitswissenschaften in Toronto, Kanada, und ihre amerikanischen Kollegen gefunden haben. Wie aus den Untersuchungen der Forscher hervorgeht, wirkt sich Bewegungsfreude immer positiv auf die geistige....
7. Juli 2010, Neue Zürcher Zeitung
Sport gegen geistigen Abbau
Körperliche Bewegung im Teenageralter zahlt sich im Alter aus
Wer regelmässig Sport treibt, bleibt im Alter länger geistig frisch. Der Effekt scheint umso grösser, je früher mit dem Training begonnen wird, wie eine Studie bei Frauen zeigt.
Nicola von Lutterotti
Wer sich in jungen Jahren viel bewegt, bleibt im Alter geistig länger fit. Zu diesem Ergebnis kommt eine kanadisch-amerikanische Erhebung, an der 9344 durchschnittlich 70-jährige Frauen beteiligt waren.¹ Dass körperliche Aktivität den altersbedingten Verfall der kognitiven Fähigkeiten verlangsamt und die Ausbildung einer Demenz hinauszögert oder sogar abwendet, haben viele Beobachtungen nahegelegt. Zweifelsfreie Belege für eine kausale Beziehung standen bisher aber noch aus. Ungewiss war auch, von welchem Alter an man sich körperlich betätigen sollte, um dem schleichenden Abbau des Denkvermögens möglichst lange zu trotzen.
Auch Gartenarbeit ist Sport
Einen wichtigen Mosaikstein in diesem Puzzle könnten nun Laura Middleton vom Zentrum für Gesundheitswissenschaften in Toronto, Kanada, und ihre amerikanischen Kollegen gefunden haben. Wie aus den Untersuchungen der Forscher hervorgeht, wirkt sich Bewegungsfreude immer positiv auf die geistige Rüstigkeit im Alter aus – unabhängig davon, in welchem Lebensabschnitt sie aufkommt. Am besten aufhalten lässt sich der altersbedingte Rückgang der geistigen Fähigkeiten aber offenbar, wenn man schon in der Jugend Sport treibt. Hinweise auf einen solchen Zusammenhang fanden die Forscher jedenfalls bei den Teilnehmerinnen ihrer Studie. In einer Umfrage hatten diese Auskunft darüber erteilt, ob und wie intensiv sie als Teenager, Dreissigjährige, Fünfzigjährige und in der Zeit danach körperlich aktiv waren. Unter körperlich aktiv verstanden die Studienautoren jede Art von Bewegung, auch Gartenarbeit und Spazierengehen.
Das Ergebnis: Laut eigenen Angaben hatten sich 16 Prozent der Frauen im Teenageralter nie sportlich betätigt; im Alter von 30 Jahren lag der Anteil der Bewegungsmuffel bei knapp 30 Prozent, im Alter von 50 bei 28 Prozent und danach bei 21 Prozent. Wie die Analysen der Forscher ferner ergaben, waren alle jemals körperlich aktiven Probandinnen deutlich gesünder als die dauerhaften Couch-Potatoes. So litten sie seltener an Diabetes und Depressionen und waren auch schlanker.
Auch erzielten die sportlicheren Frauen bessere Ergebnisse in Tests, mit denen man das Orientierungsvermögen, das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und andere kognitive Leistungen erfassen kann. In Abhängigkeit vom Alter, in dem sie körperlich aktiv waren, hatten sie ein bis zu 50 Prozent geringeres Risiko, im späteren Leben kognitive Einbussen zu erleiden, als die Stubenhockerinnen. Den nachhaltigsten Schutz vor einem altersbedingten Verfall des Denkvermögens gewährte dabei Sport in der Jugend, doch blieben auch jene Frauen geistig länger fit, die sich erst später sportlich betätigt hatten. Welchen Einfluss dabei die Intensität der Bewegung ausübte, geht aus der Studie nicht hervor.
Indirekter Nutzen
Warum körperliche Tätigkeit den Geist jung hält, lässt sich allerdings erst teilweise beantworten. Indirekt gelingt ihr dies, indem sie den Organismus vor Krankheiten bewahrt, die die Hirnfunktion beeinträchtigen können. Hierzu zählen ein Typ-2-Diabetes, aber auch die Arteriosklerose und ihre Folgen, etwa Schlaganfälle und Herzinfarkte.
Ob Sport das Denkvermögen darüber hinaus auch direkt zu fördern vermag, ist noch kaum erforscht. Im Tierversuch konnte zwar gezeigt werden, dass körperliche Aktivität das Auswachsen neuer Nervenzellen im Gehirn begünstigt und auch dessen Plastizität – die Fähigkeit zur Anpassung an veränderte Bedingungen – erhöht. Inwieweit solche Prozesse auch beim Menschen ablaufen, ist indes noch offen. Eine Klärung dieser Fragen wäre wichtig. Denn angesichts der wachsenden Zahl betagter Menschen werden zunehmend Verfahren benötigt, mit denen sich die Entstehung einer Demenz verhindern oder wenigstens aufhalten lässt.
¹ Journal of the American Geriatric Society, Online-Publikation vom 30. Juni 2010.
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