11. August 2010, Neue Zürcher Zeitung
Metalle unter Strom
Wird der Ausbau der Elektromobilität von einem Rohstoffengpass ausgebremst?
Dem Elektroauto soll die Zukunft gehören. Aber wird diese Zukunft auch die Rohstoffe bieten, die das Elektroauto benötigt? Ja, sagen deutsche Forscher, aber wohl nur zu einem höheren Preis.
Leonid Leiva
Die einen geloben es, die anderen verlangen es. Doch bis das Elektroauto in grossem Stil auf die Strasse kommt, werden wohl noch ein paar Jahrzehnte vergehen. Dennoch blickt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag der deutschen Regierung schon heute mit orakelnden Augen in die Zukunft. Man möchte wissen, ob bis zum Jahr 2050 der Mangel an Reserven wichtiger Rohstoffe einem Ausbau der Elektromobilität im Wege stehen könnte. 2009 legte das ISI bereits eine Vorschau auf die Entwicklung der Lithiumbestände vor. Nun folgt eine Untersuchung zum Edelmetall Kupfer.
Steigender Bedarf
In einem Benzin- oder Dieselauto der Mittelklasse fahren schon heute rund 25 Kilogramm Kupfer mit. Bei Hybridantrieben....
11. August 2010, Neue Zürcher Zeitung
Metalle unter Strom
Wird der Ausbau der Elektromobilität von einem Rohstoffengpass ausgebremst?
Dem Elektroauto soll die Zukunft gehören. Aber wird diese Zukunft auch die Rohstoffe bieten, die das Elektroauto benötigt? Ja, sagen deutsche Forscher, aber wohl nur zu einem höheren Preis.
Leonid Leiva
Die einen geloben es, die anderen verlangen es. Doch bis das Elektroauto in grossem Stil auf die Strasse kommt, werden wohl noch ein paar Jahrzehnte vergehen. Dennoch blickt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag der deutschen Regierung schon heute mit orakelnden Augen in die Zukunft. Man möchte wissen, ob bis zum Jahr 2050 der Mangel an Reserven wichtiger Rohstoffe einem Ausbau der Elektromobilität im Wege stehen könnte. 2009 legte das ISI bereits eine Vorschau auf die Entwicklung der Lithiumbestände vor. Nun folgt eine Untersuchung zum Edelmetall Kupfer.
Steigender Bedarf
In einem Benzin- oder Dieselauto der Mittelklasse fahren schon heute rund 25 Kilogramm Kupfer mit. Bei Hybridantrieben enthält der Elektromotor mit den darin eingebauten Wickelspulen zusätzliches Kupfer. Und beim rein elektrischen Antrieb sind es volle 65 bis 68 Kilogramm Kupfer, die ein Auto mit sich führt. Werden die Kupfervorräte der Erde also für eine Massenproduktion von Elektroautos ausreichen? Bis zum Jahr 2030 sehr wohl, lautet nun die Antwort. Dann werden aber mehr Recycling oder das Anzapfen neuer Lagerstätten notwendig, sagt Martin Wietschel vom ISI. Die neue Studie unterscheidet zwei Szenarien. Im «Dominanz-Szenario» geht man davon aus, dass im Jahr 2050 90 Prozent aller Personenwagen Hybrid- und Elektroautos sind. Im moderaten «Pluralismus-Szenario» hingegen machen Hybride und Stromer 2050 die Hälfte des Marktes aus.
Das Fazit: Selbst bei einem massiven Ausbau der Elektromobilität wird das Elektroauto nicht der grösste Kupferverbraucher sein. Diese Rolle wird vielmehr der Sektor der Stromübertragung beibehalten, der im Jahr 2050 nach wie vor etwa ein Viertel der globalen Kupferproduktion verschlingen könnte. Das zukünftige Wachstum dieser Sparte führt die Studie vor allem auf zwei Entwicklungen zurück. Zum einen nennen die Forscher den zu erwartenden Ausbau der Stromnetze in Entwicklungs- und Schwellenländern. Zum anderen führe die zunehmende Marktpräsenz von Solar- und Windkraftwerken zur Dezentralisierung der Stromnetze und somit zu mehr Bedarf an Übertragungsleitungen. Das heisst also, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien, die dem Elektroauto erst die Etikette «emissionsfrei» verleihen, seinerseits zur Verknappung des für das Elektroauto vitalen Kupfers führen könnte. Damit würden zwei Technologien, die sich eigentlich gegenseitig stützen sollen, in Konkurrenz treten.
Lagerstätten in der Tiefsee
Dieser Konflikt werde sich beim Kupferpreis bemerkbar machen, sagt die Studie voraus. Um die Versorgung mit Kupfer bis 2050 sicherzustellen, wird man nämlich neue Vorkommen erschliessen müssen, die mit heutiger Technik nicht rentabel abzubauen wären. Deren grösste Quelle sieht die Studie in der Tiefsee. Vor wenigen Jahren haben sich Deutschland und andere Länder Explorationsrechte für im Pazifik liegende Manganknollen gesichert, die Kupfer sowie andere Metalle enthalten sollen. Zur Förderung ist aber noch kein Staat berechtigt. Und selbst bei der Erkundung herrscht bis heute Stillstand.
Als provisorischer Rettungsanker könnte sich das verstärkte Recycling von Industrieabfall erweisen. Aber die Studie sieht hier Nachholbedarf. Im Vergleich zu Deutschland, wo mehr als 56 Prozent des Kupferschrotts in den industriellen Kreislauf zurückfinden, liegt die weltweite Recyclingquote mit knapp 35 Prozent noch sehr tief. Besonders hoch sei das Potenzial in Entwicklungsländern, in denen nur rund ein Fünftel des industriellen Kupfers wiederverwertet wird. Aber auch reiche Länder könnten laut Wietschel deutlich zulegen. Schliesslich könnte das «Sekundärkupfer» die Erschöpfung der natürlichen Vorkommen immerhin um 5 bis 6 Jahre hinauszögern.
Auch wichtig könnte das «urban mining» werden, also die Rückgewinnung von Metallen aus elektronischen Geräten, aus Wasser- und Stromleitungen sowie aus den Deponien. Geschätzte 400 Millionen Tonnen Kupfer schlummern alleine in den Müllhalden der Welt – also mehr als 20 Mal die globale Kupferproduktion des Jahres 2009. In Deutschland wie in der Schweiz liegen die Deponien in öffentlicher Hand. Die Gemeinden hätten aber das Thema «urban mining» noch gar nicht entdeckt, bedauert Wietschel. Dabei könnte das korrosionsbeständige Kupfer selbst nach Jahren effizient rezykliert werden.
Martin Wietschel weist darauf hin, dass diese Studie ein starkes Wachstum der Weltwirtschaft und somit einen hohen Kupferbedarf zugrunde gelegt hat. Er sei zuversichtlich, dass das Elektroauto nicht an einem Kupferengpass scheitern werde. Allerdings müsse bald mit der Suche nach neuen Kupfervorkommen begonnen werden, denn Minen auszubeuten, erfordere mindestens zehn Jahre Vorlaufzeit.
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