Sonntag, Februar 28, 2010

Russland: Der allzu frühe Abgesang auf die Magnaten

27. Februar 2010, Neue Zürcher Zeitung
Der allzu frühe Abgesang auf die Magnaten

Die Wirtschaftspolitik des Kremls behindert den Aufstieg anderer Unternehmertypen in Russland

Die russischen Tycoons haben durch die jüngste Wirtschaftskrise gelitten. Sie sind aber nicht, wie manche vermuteten, verschwunden. In der wirtschaftspolitischen Realität Russlands führt noch kein Weg an ihnen vorbei.

Gerald Hosp, Moskau

Es sind Zeugen einer vergangenen Zeit: Die Sommerresidenzen der sogenannten Räuber-Barone in Newport im amerikanischen Gliedstaat Rhode Island überbieten sich mit zur Schau gestelltem Reichtum. Im «vergoldeten Zeitalter», in der Zeit um das Jahr 1900, hatten in der Hafenstadt etliche Vertreter des neu entstandenen amerikanischen Geldadels Paläste aus Gold und Marmor errichtet. Ihr Reichtum beruhte vor allem auf Stahl, Erdöl und dem Eisenbahnbau. Heutzutage stehen die Sommerhäuser der Vanderbilts und Astors den Touristenströmen offen.

Nachschusspflicht in der Krise

Ob in einigen Jahrzehnten auch die Häuser rund um die Rubljowo-Uspenskoje-Chaussee in Moskau oder die südfranzösischen Villen reicher Russen zu Pilgerstätten neugieriger Besucher werden, sei dahingestellt. Der Tycoon Oleg Deripaska, der einstmals als reichster Russe apostrophiert worden war, soll in der Krise die Renovierung seines Hauses auf die lange Bank geschoben haben. Die Ähnlichkeiten zwischen den amerikanischen Industriellenfamilien des «vergoldeten Zeitalters» und den russischen Magnaten, denen man gerne den Titel «Oligarchen» umhängt, sind frappierend: Beider Aufstieg verdankt sich einer Mischung aus Rücksichtslosigkeit, Geschäftssinn sowie der Ausnutzung von Verbindungen zur Politik.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hätte den «bisnesmeny» beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Jahr 2008 sollen laut der russischen Zeitschrift «Finans» die 25 reichsten Geschäftsleute mehr als 220 Mrd. $, zumindest auf dem Papier, verloren haben. Bedrohlicher als der reine Kursverlust und der Niedergang der Rohwarenpreise war der Umstand, dass die Magnaten mehrheitlich .....



27. Februar 2010, Neue Zürcher Zeitung
Der allzu frühe Abgesang auf die Magnaten

Die Wirtschaftspolitik des Kremls behindert den Aufstieg anderer Unternehmertypen in Russland

Die russischen Tycoons haben durch die jüngste Wirtschaftskrise gelitten. Sie sind aber nicht, wie manche vermuteten, verschwunden. In der wirtschaftspolitischen Realität Russlands führt noch kein Weg an ihnen vorbei.

Gerald Hosp, Moskau

Es sind Zeugen einer vergangenen Zeit: Die Sommerresidenzen der sogenannten Räuber-Barone in Newport im amerikanischen Gliedstaat Rhode Island überbieten sich mit zur Schau gestelltem Reichtum. Im «vergoldeten Zeitalter», in der Zeit um das Jahr 1900, hatten in der Hafenstadt etliche Vertreter des neu entstandenen amerikanischen Geldadels Paläste aus Gold und Marmor errichtet. Ihr Reichtum beruhte vor allem auf Stahl, Erdöl und dem Eisenbahnbau. Heutzutage stehen die Sommerhäuser der Vanderbilts und Astors den Touristenströmen offen.

Nachschusspflicht in der Krise

Ob in einigen Jahrzehnten auch die Häuser rund um die Rubljowo-Uspenskoje-Chaussee in Moskau oder die südfranzösischen Villen reicher Russen zu Pilgerstätten neugieriger Besucher werden, sei dahingestellt. Der Tycoon Oleg Deripaska, der einstmals als reichster Russe apostrophiert worden war, soll in der Krise die Renovierung seines Hauses auf die lange Bank geschoben haben. Die Ähnlichkeiten zwischen den amerikanischen Industriellenfamilien des «vergoldeten Zeitalters» und den russischen Magnaten, denen man gerne den Titel «Oligarchen» umhängt, sind frappierend: Beider Aufstieg verdankt sich einer Mischung aus Rücksichtslosigkeit, Geschäftssinn sowie der Ausnutzung von Verbindungen zur Politik.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hätte den «bisnesmeny» beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Jahr 2008 sollen laut der russischen Zeitschrift «Finans» die 25 reichsten Geschäftsleute mehr als 220 Mrd. $, zumindest auf dem Papier, verloren haben. Bedrohlicher als der reine Kursverlust und der Niedergang der Rohwarenpreise war der Umstand, dass die Magnaten mehrheitlich hoch verschuldet waren. Die Kredite, die westliche und heimische Banken den russischen Tycoons nachgetragen hatten, waren oft unterlegt mit Aktien der eigenen Unternehmen. Die fallenden Aktiennotierungen hatten in vielen Fällen eine Nachschusspflicht des Kreditors ausgelöst. Es ist erstaunlich, dass, soweit dies bis jetzt absehbar ist, so viele Magnaten dem Sturm der weltweiten Finanzkrise dennoch trotzten. Der vielfach angestimmte Abgesang auf die «Oligarchen» war allzu verfrüht.

Mit Hilfe einer Melange aus gewagten Transaktionen, harten Verhandlungen, staatlicher Unterstützung und wieder steigenden Aktien- und Rohwarennotierungen ziehen sich die Tycoons aus dem Finanzmorast. Dabei hilft auch das Wissen, dass westliche Geldgeber eine Restrukturierung der Schulden einer Übernahme von Unternehmensanteilen in einem Land, in dem die Eigentumsrechte schwach ausgebildet sind, vorziehen. Einige russische Grossunternehmen drängen nun an die Börse. Im Gegensatz zum kürzlich erfolgten Börsengang (IPO) des Aluminiumkonzerns UC Rusal von Oleg Deripaska, der durchgeführt wurde, um Kapital zur Schuldenreduktion zu bekommen, stecke hinter den anderen IPO meistens das Bestreben, Kapital für die Geschäftsexpansion aufzunehmen, sagt ein hochrangiger Vertreter einer westlichen Bank in Russland. Daneben dürften die IPO durch den Wunsch nach einer Umwandlung der Kontrollrechte in privates Vermögen sowie nach Anerkennung in internationalen Wirtschaftskreisen motiviert sein.

In der vergangenen Zeit waren immer wieder Mutmassungen darüber angestellt worden, ob der Staat oder vielmehr staatliche Stellen den Einfluss auf die Wirtschaft in der Krisenzeit ausweiten würden. Bereits vor den Verwerfungen an den Finanzmärkten hatte sich jedoch der Staatskapitalismus in Russland breitgemacht. In diesem Zuge war den sogenannten Oligarchen klargemacht worden, dass sie ihre Geschäfte weiterverfolgen könnten, solange sie nicht in das politische Mahlwerk eingreifen würden. Ein weiterer Ausdruck eines staatskapitalistischen Ansatzes ist zudem die Staatsholding Rostechnologii, in der mehrere hundert Industrie- und Rüstungsbetriebe vereint sind.

Aufstieg der «Bürogarchen»


Rostechnologii wird vom Putin-Vertrauten Sergei Tschemesow geleitet. Die Staatsholding erwies sich vor der Krise als äusserst gefrässig und inkorporierte Unternehmen unterschiedlichster Branchen in einer Art Privatisierung unter staatlichem Dach. Die Oligarchen, die in den 1990er Jahren Geld und politische Macht vereint hatten, wurden von den «Bürogarchen» oder «Silowarchen» (abgeleitet vom Begriff Silowiki, der Personen aus den Machtzentren Polizei, Armee und Geheimdienst bezeichnet) abgelöst. Deshalb ist die Bezeichnung Oligarch für jeden vermögenden, russischen Geschäftsmann auch nicht mehr zutreffend. Wladimir Osakowski, Chefökonom der Bank Unicredit in Russland, sagt unmissverständlich, dass im Gegensatz zu den 1990er Jahren die Macht der Exekutive zugenommen habe und der Primat der Politik in allen Bereichen der Gesellschaft herrsche.

Die Krisenzeit wäre in diesem Sinne eine ideale Phase für eine Ausweitung des Einflusses staatsnaher Strukturen in der Wirtschaft. Zwar schüttete der Kreml tatsächlich vermehrt sein Füllhorn über mehrere Unternehmen aus, was aber vor allem als Anti-Krisen-Massnahme einzustufen ist. In den USA war es in dieser Zeit zu Verstaatlichungen gekommen. Daniel Treisman, Politologe an der University of California / Los Angeles und Russland-Spezialist, schätzt die «Raider-Tätigkeit» staatsnaher Organisationen – die Aneignung privaten Eigentums – angesichts der Möglichkeiten als gering ein. Grössere Unternehmen, die bisher in den Händen von staatlich kontrollierten Gesellschaften landeten, sind lediglich der Immobilienkonzern Sistema-Gals, der von der Staatsbank VTB übernommen wurde, sowie die Erdölgesellschaft Sibir Energy, an der nun Gazpromneft, die Erdöl-Tochter des Erdgaskonzerns Gazprom, die Mehrheit hält. Einige kleinere Finanzinstitute landeten ebenfalls im Schoss staatlicher Institutionen.

Eine Befürchtung war auch, dass über die staatlich kontrollierten Geschäftsbanken Sberbank und VTB, die zusammen für rund 50% der Kredite an Unternehmen in Russland zuständig sind, sowie die Entwicklungsbank VEB der Staatseinfluss steige. Bis jetzt gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, besonders bei Sberbank und VTB, dass die Krise genutzt werden sollte, um Industriebeteiligungen aufzubauen. German Gref, früherer russischer Wirtschaftsminister und Chef der Sberbank, sagte mehrfach, dass die Bank kein Industriekonglomerat werden wolle. Die Finanzinstitute wurden vielmehr von der Regierung als Instrumente zur Durchführung der Anti-Krisen-Massnahmen genutzt. Direkte öffentliche Interventionen wären komplizierter gewesen, bei Nationalisierungen hätte wieder ein umständlicher Privatisierungsprozess angestossen werden müssen. Trotz allen Äusserungen kann aber eine Ausweitung der Beteiligung der Staatsbanken beobachtet werden.

Die Regierung als Stütze


Statt Staatsbeteiligungen hat es denn Staatsgarantien und die Übernahme von Kreditverpflichtungen gegeben. Obwohl der Prozess noch nicht abgeschlossen ist und es beispielsweise in der Strom-, der Luftfahrt- und der Telekommunikationsbranche durchaus Tendenzen gibt, dass die Tätigkeit staatlicher Akteure über die reinen Anti-Krisen-Massnahmen hinausgeht, bot der Staat den in Not geratenen Geschäftsmännern Hilfe an, ohne aber dafür tatsächliche Kontrollrechte zu fordern. Zunächst hatte der Kreml einen Topf von rund 50 Mrd. $ für Unternehmen eingerichtet, die ihre ausländischen Kredite nicht bedienen konnten. Diese Massnahme hatte Spekulationen Auftrieb gegeben, der Kreml möchte die umstrittenen Privatisierungen der 1990er Jahre rückgängig machen.

Im Fortgang der Krise dämmerte es aber der russischen Führung, dass die Schuldenübernahme ein kostspieliges Vergnügen ist. Umso mehr wurden in der Folge aus- und inländische Banken angehalten, den Unternehmen unter die Arme zu greifen. Der anscheinend von einem Tycoon ausgearbeitete Vorschlag, private und staatliche Metall- und Bergbauunternehmen zu einem «nationalen Champion» zu verschmelzen, bei dem der Staat einen Grossteil der Schulden der Privatunternehmen und eine Sperrminorität am neuen Gebilde übernehmen sollte, wurde vom Kreml abgeschmettert. Das zentrale Motiv der Regierung für die Unterstützung der Magnaten war wohl nicht so sehr die Verdrängung der Geschäftsmänner. Vielmehr sollte verhindert werden, dass als «strategisch» erachtete Unternehmen in ausländische Hände fallen. Ausserdem spielte das Schlagwort der sozialen Stabilität für die Regierung eine grosse Rolle.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew ist auch mit den bisher gezeigten Leistungen der Staatsholdings nicht zufrieden und schob eine Überprüfung der Organisation der Korporationen an. Der Weg bis hin zur Abwendung vom staatskapitalistischen Modell ist jedoch noch sehr weit. Holdings wie Rostechnologii, die das Pech hatten, vor allem Unternehmen in Branchen zu besitzen, die stark von der Krise betroffen waren, haben aber eine Warnung erhalten. Daraus aber abzuleiten, dass die Tycoons wieder zu Oligarchen würden, wäre falsch. Für einiges Aufsehen hatte der Umstand gesorgt, dass der Verband der Industriellen und Unternehmer, in dem viele der Magnaten vertreten sind, (neben Gewerkschaften) künftig bei Kabinettssitzungen teilnehmen darf. Sergei Guriew, Ökonom und Rektor der New Economic School in Moskau, sagt, dies sei völlig bedeutungslos. Die tatsächliche Politik finde nicht an den Regierungstreffen statt.

Gesucht: Unternehmer

Der Typus des Magnaten ist durch die Krise nicht dem Untergang preisgegeben worden. Die russische Regierung hat die Grossunternehmer vielmehr gestützt. Der grösste Garant für das Weiterbestehen eines hohen Konzentrationsgrades bei der Eigentümerschaft russischer Unternehmen ist zudem die Wirtschaftspolitik des Kremls. Derzeit stehen laut der Regierung knapp 50% der russischen Wirtschaft unter Staatseinfluss, Unicredit-Ökonom Osakowski schätzt, dass bis zu 25% in den Händen grosser, privater Industrie- und Finanzgruppen liegen. Solange die Eigentumsrechte nicht gesichert sind, die Rechtsstaatlichkeit Mängel aufweist und sowohl eine Investition als auch eine Desinvestition (Stichwort: unzureichendes Konkursgesetz) oft nur erschwert möglich sind, können mächtige Geschäftsmänner als Teil einer Lösung für die Probleme in einer Transformationswirtschaft verstanden werden.

Wenn einige Teile der Gesellschaft und der Wirtschaft dysfunktional sind, kann die Ausweitung der Wertschöpfungskette ein probates Mittel zur Effizienzsteigerung sein. Trotz dem Vorwurf, die «Oligarchen» schlachteten die Unternehmen nur aus, entwickelten sich diese meist besser als staatliche Grossbetriebe. Die Kehrseite der Medaille ist die Gefahr der Monopolisierung oder einer wettbewerbshemmenden Konzentration. Zudem haben Minderheitsaktionäre in den Gesellschaften der Grossindustriellen kein einfaches Leben. Weitere Börsengänge können aber noch mehr Bewegung in die Diversifizierung der Eigentümerstruktur russischer Unternehmen und vermehrte Transparenz bringen. Dieser Prozess betreffe auch die Unternehmen der «Silowarchen», die ihre Kontrollrechte in privates Vermögen ummünzen möchten, merkt Politologe Treisman an.

In der Modernisierungs- und Innovationsrhetorik, die derzeit in Russland en vogue ist, kommt der Figur des Unternehmers eine grosse Rolle zu. Junge, kreative Russen sollen dabei kluge Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Der stellvertretende Ministerpräsident Igor Schuwalow sagte an einer Investorenkonferenz in Moskau, dass nicht nur Technik von aussen importiert werden dürfe, die russische Bevölkerung an sich müsse sich modernisieren. Auch der Magnat Viktor Vekselberg lobte den Kleinunternehmer in einem früheren Gespräch: «Ich glaube, dass in Russland aufgrund der Krise erkannt wird, dass kleine und mittlere Unternehmen oft mobiler und effektiver als grosse sind und dass sie auf Veränderungen besser reagieren.» Anatoli Tschubais, Langzeitreformer und jetziger Chef der für Innovationen auf dem Gebiet der Nanotechnologie zuständigen Staatsholding, formulierte es drastischer: In Russland würden Dichter, Schriftsteller, Wissenschafter und Ballerinen geschätzt, nicht aber die Unternehmer.

Grossbetriebe als Lokomotive


Die Führung möchte sich aber wohl nicht nur auf den «neuen» Unternehmer stützen. Der russische Präsident Medwedew forderte vielmehr die «bisnesmeny» dazu auf, zur von ihm propagierten Modernisierung des Landes beizutragen. Und auch die jüngste harsche Kritik Putins an vier Magnaten (darunter auch Vekselberg), sie kämen ihren Investitionsverpflichtungen im Stromsektor nicht nach, zeigt die Bedeutung loyaler Grossindustrieller in der real existierenden Wirtschaft Russlands. Die Krise könnte gar, in Umkehrung der ersten Vermutungen über die Folgen, zu einer Stärkung «grosser» Geschäftsmänner gegenüber mittelständischen Unternehmern führen. Michail Potanin, der als Erfinder des umstrittenen Privatisierungsprogramms gilt, bei dem Beteiligungen gegen Kredite getauscht worden worden waren, hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, zusammen mit JP Morgan einen Investitionsfonds mit einer Summe von 1 Mrd. $ zu gründen, um russische Unternehmen im Dienstleistungs- und Konsumsektor zu kaufen.

Die grossen Industriebetriebe könnten aber noch eine andere Rolle zur Modernisierung leisten. Alfred Chandler, der Doyen der modernen Unternehmensgeschichte, beschreibt den Aufstieg der Grossbetriebe in den Vereinigten Staaten nicht als moralische Auseinandersetzung, sondern als historischen Prozess, in dem sich Konglomerate herausbildeten, die von angestellten Managern geführt wurden. Grossbetriebe können insofern eine Rolle für das Wirtschaftswachstum spielen, als sie ein Anziehungspunkt für Kapital und Arbeit sind, eine gewisse Vorbildrolle bei Managementtechniken und der Übernahme von Technologien entwickeln sowie als Auftraggeber für Klein- und Mittelbetriebe auftreten. Wenn die Unternehmen der Magnaten eine Rolle in diesem Sinne für die russische Wirtschaft spielen würden, wäre dies sicherlich eine grössere Hinterlassenschaft als jede pompöse Villa.

Montag, Februar 22, 2010

Oil may be there, but bringing it to market is another matter

The Times
February 18, 2010
Oil may be there, but bringing it to market is another matter
Robin Pagnamenta: analysis

Billions of barrels of oil may lie trapped in the rocks deep beneath the ocean floor of the South Atlantic, but finding them and bringing them to market is likely to be a big struggle — vastly expensive and fraught with political complications.

A study by the British Geological Society suggested that the region could contain up to 60 billion barrels of oil — a similar-sized deposit to the North Sea. But such figures may give little sense of how much is recoverable using existing technology.

No drilling has been carried out in the Falklands since 1998, when Shell and Lasmo drilled six wells in an area to the north of the islands, not far from where the current drilling programme is set to start next week. Traces of crude were discovered in all but one of the wells — where gas was found instead — but the following year the global price of oil fell to $10 per barrel, ending the commercial logic of further exploration.

Since then there has been much speculation about the prospects of oil in the Falklands but little real activity on the ground — that is until last year when Desire Petroleum, a small, independent oil explorer, announced that it had contracted a rig and planned to tow it to the Falklands from the North Sea for a drilling campaign this year. Three other similar-sized companies are planning to share the £250 million costs of the campaign, which is due to start in a few day’s time.

The drilling site lies in relatively shallow waters about 400 metres (1,300ft) deep and between 30 and 60 miles north of the islands.

Two of the other companies, Falkland Oil and Gas and Borders & Southern, are prospecting in another region that lies to the south of the islands in deeper and more challenging waters up to 1,200m (3,900ft) deep. There is a reasonable chance that at least one of....


The Times
February 18, 2010
Oil may be there, but bringing it to market is another matter
Robin Pagnamenta: analysis

Billions of barrels of oil may lie trapped in the rocks deep beneath the ocean floor of the South Atlantic, but finding them and bringing them to market is likely to be a big struggle — vastly expensive and fraught with political complications.

A study by the British Geological Society suggested that the region could contain up to 60 billion barrels of oil — a similar-sized deposit to the North Sea. But such figures may give little sense of how much is recoverable using existing technology.

No drilling has been carried out in the Falklands since 1998, when Shell and Lasmo drilled six wells in an area to the north of the islands, not far from where the current drilling programme is set to start next week. Traces of crude were discovered in all but one of the wells — where gas was found instead — but the following year the global price of oil fell to $10 per barrel, ending the commercial logic of further exploration.

Since then there has been much speculation about the prospects of oil in the Falklands but little real activity on the ground — that is until last year when Desire Petroleum, a small, independent oil explorer, announced that it had contracted a rig and planned to tow it to the Falklands from the North Sea for a drilling campaign this year. Three other similar-sized companies are planning to share the £250 million costs of the campaign, which is due to start in a few day’s time.

The drilling site lies in relatively shallow waters about 400 metres (1,300ft) deep and between 30 and 60 miles north of the islands.

Two of the other companies, Falkland Oil and Gas and Borders & Southern, are prospecting in another region that lies to the south of the islands in deeper and more challenging waters up to 1,200m (3,900ft) deep. There is a reasonable chance that at least one of the companies will find oil — but whether it is found in commercial quantities is less clear.

The Falklands are so remote that any oil discovery would need to be large to justify the multibillion- pound costs of building pipelines, export terminals and other infrastructure. Then there are the political obstacles with Argentina, which are likely to deter industry giants such as BP, Shell and Exxon. Until a resolution with Argentina can be reached over who owns the oil, they are likely to remain sceptical.

In the meantime, Desire claims to have been unaffected by Argentina’s sabre-rattling. It shipped a full set of spares and replacement parts to the Falklands before drilling begins to minimise any delays in the event of technical or political problems.

Samstag, Februar 20, 2010

Music: Shakira

Hay Amores


La Tortura


Ojos Asi

Freitag, Februar 19, 2010

«Der Wille, die IT-Welt zu beherrschen, hat etwas Religiöses»

Tages-Anzeiger Online
«Der Wille, die IT-Welt zu beherrschen, hat etwas Religiöses»
Interview: Reto Knobel

Google verwöhnt, verführt und umgarnt seine Mitarbeiter wie kein anderes Unternehmen. Experte Hugo Stamm weiss, für wen der Konzern ein Religionsersatz ist.

Wer bei Google arbeiten darf, hat es geschafft: Diesen Eindruck bekommt, wer die Bilder des Innenlebens der Niederlassung in Zürich betrachtet. Googler können gratis essen und trinken, Sport treiben, gamen, flippern und sogar schlafen – alles während der Arbeitszeit (siehe Bildstrecke oben).

Vielen Kommentatoren kommt diese Wohlfühlkultur allerdings komisch vor. Von «Hundezwinger» ist die Rede, oder sogar von «sektiererischen Verhältnissen». Der erste Kritiker, der den Milliardenkonzern mit einer IT-Sekte verglich, war der streitbare Google-Kritiker und Buchautor Gerard Reischl («Die Google-Falle»). Google, ein sektenmässig organisiertes Unternehmen mitten in Zürich? «Tages-Anzeiger»-Redaktor und Sektenexperte Hugo Stamm (60) will den Ball flach halten: «So lang es lediglich darum geht, ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen, ist nichts dagegen einzuwenden. Bedenklich wird es erst, wenn die Geschäftsleitung dabei einen Hintergedanken verfolgt, der nicht transparent ist.»

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie die Bilder der Google-Büros in Zürich sehen?
Toll, wenn ich auch in einem solchen Ambiente arbeiten könnte! Es erinnert mich an eine Kreuzfahrt auf einem Luxusschiff. (Ich würde zwar nie solche Ferien machen.) Die Bilder machen uns aber skeptisch. Was will der Arbeitgeber von mir, wenn er mich mit solchen Wellnessangeboten ködert? Will er mich verführen? Mit Haut und Haaren ans Unternehmen binden? Die Grenze zwischen Privatleben und Arbeitswelt aufheben? Klare Antworten gibt es nicht.

Eine Kommentatorin fühlt sich an das «Umfeld einer Sekte» erinnert. Dieser Vergleich fällt im Internet immer wieder.
Die Arbeitswelt wirkt paradiesisch, riecht förmlich nach Verführung. Da denken wir an Sekten. Ich sehe allerdings keine Vereinnahmung der Mitarbeiter: Es ist nicht bekannt, dass bei Google religiöse Doktrinen herrschen, Zwänge bestehen, Mobbing betrieben wird oder Repression ausgeübt. Deshalb....



Tages-Anzeiger Online
«Der Wille, die IT-Welt zu beherrschen, hat etwas Religiöses»
Interview: Reto Knobel

Google verwöhnt, verführt und umgarnt seine Mitarbeiter wie kein anderes Unternehmen. Experte Hugo Stamm weiss, für wen der Konzern ein Religionsersatz ist.

Wer bei Google arbeiten darf, hat es geschafft: Diesen Eindruck bekommt, wer die Bilder des Innenlebens der Niederlassung in Zürich betrachtet. Googler können gratis essen und trinken, Sport treiben, gamen, flippern und sogar schlafen – alles während der Arbeitszeit (siehe Bildstrecke oben).

Vielen Kommentatoren kommt diese Wohlfühlkultur allerdings komisch vor. Von «Hundezwinger» ist die Rede, oder sogar von «sektiererischen Verhältnissen». Der erste Kritiker, der den Milliardenkonzern mit einer IT-Sekte verglich, war der streitbare Google-Kritiker und Buchautor Gerard Reischl («Die Google-Falle»). Google, ein sektenmässig organisiertes Unternehmen mitten in Zürich? «Tages-Anzeiger»-Redaktor und Sektenexperte Hugo Stamm (60) will den Ball flach halten: «So lang es lediglich darum geht, ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen, ist nichts dagegen einzuwenden. Bedenklich wird es erst, wenn die Geschäftsleitung dabei einen Hintergedanken verfolgt, der nicht transparent ist.»

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie die Bilder der Google-Büros in Zürich sehen?
Toll, wenn ich auch in einem solchen Ambiente arbeiten könnte! Es erinnert mich an eine Kreuzfahrt auf einem Luxusschiff. (Ich würde zwar nie solche Ferien machen.) Die Bilder machen uns aber skeptisch. Was will der Arbeitgeber von mir, wenn er mich mit solchen Wellnessangeboten ködert? Will er mich verführen? Mit Haut und Haaren ans Unternehmen binden? Die Grenze zwischen Privatleben und Arbeitswelt aufheben? Klare Antworten gibt es nicht.

Eine Kommentatorin fühlt sich an das «Umfeld einer Sekte» erinnert. Dieser Vergleich fällt im Internet immer wieder.
Die Arbeitswelt wirkt paradiesisch, riecht förmlich nach Verführung. Da denken wir an Sekten. Ich sehe allerdings keine Vereinnahmung der Mitarbeiter: Es ist nicht bekannt, dass bei Google religiöse Doktrinen herrschen, Zwänge bestehen, Mobbing betrieben wird oder Repression ausgeübt. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Unternehmen die Mitarbeiter mit dem tollen Ambiente zu Höchstleistungen verführen will. Nach dem Motto: Wer glücklich und relaxed ist, wird kreativer.

Wann trägt ein Unternehmen sektiererische Züge?
Wenn es Einfluss auf die ideologischen, spirituellen oder religiösen Neigungen seiner Mitarbeiter nimmt. Wenn zum Beispiel an der Arbeit gebetet werden muss oder sich die Mitarbeiter genötigt fühlen, an Ritualen oder religiösen Veranstaltungen teilzunehmen. Sektenhaft wird es auch, wenn die Vorgesetzten das Verhalten der Mitarbeiter im Privatleben beeinflussen. Indoktrination in Betrieben ist vor allem dort zu beobachten, wo der Inhaber selbst Anhänger einer Sekte ist. Scientologische Chefs neigen dazu. Beispiele sind aber auch aus dem Bereich der Freikirchen bekannt.

Google macht alles für die Mitarbeiter: Kann man sich auch zu stark um das Wohl der Angestellten kümmern?
So lang es lediglich darum geht, ein angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen, ist nichts dagegen einzuwenden. Bedenklich wird es erst, wenn die Geschäftsleitung dabei einen Hintergedanken verfolgt, der nicht transparent ist.

Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten rund um die Uhr, Gratisverpflegung, Erholungsräume: Besteht nicht die Gefahr, dass Mitarbeiter (vielleicht unbewusst) von der Firma total vereinnahmt werden und ihr soziales Umfeld vernachlässigen?
Man kann die Politik vielleicht als Verführung zur Arbeit bezeichnen. Auf der anderen Seite: Weshalb soll ich 1000 Franken für ein Fitnessabo zahlen, wenn ich die Geräte gratis im Betrieb habe und nach der Arbeit gleich dort trainiere? Weshalb soll ich in eine Sauna gehen, wenn ich den Schwitzraum neben dem Büro habe? Wer nicht auch noch mit den Arbeitskollegen schwitzen will, kann immer noch auswärts gehen.

Google sieht sich als Unternehmen mit einer Mission - ist das nicht schon sektiererisch?
Ich habe den Eindruck, dass der Machtanspruch des Kaders einen leicht sektiererischen Anstrich hat. Der Wille, die IT-Welt zu beherrschen und die Mission auf der ganzen Welt voranzutreiben, hat schon fast etwas Religiöses. Google als Religionsersatz: Das betrifft aber die Manager und nicht die Mitarbeiter.

Mein Eindruck: Google-Manager können es nicht nachvollziehen, wenn man ihre Firma nicht gut findet. Indirekt wird einem vorgeworfen: «Was hast du eigentlich gegen uns, wir tun doch nur Gutes.»
Wenn Google bei der Verwöhnung der Mitarbeiter keine schlechten Absichten hat, verstehe ich die Reaktion der Google-Leute. Sie bieten hervorragende Arbeitsbedingungen und werden dafür kritisiert. Das wäre tatsächlich unfair und sieht nach Neid der Kritiker aus. Denn in den meisten Betrieben werden die Arbeitsbedingungen immer härter: Arbeitsplätze werden zusammengepfercht, der Arbeitsdruck erhöht, die Sozialleistungen abgebaut. Ein herber Kontrast zur Google-Welt.

Das Firmenmotto lautet «Don't be evil». Kritiker finden: Nur Unternehmen, die etwas zu verbergen haben, brauchen so ein Mantra.
Für mich ein seltsames Motto. Doch man sollte ein Unternehmen an seinen Taten messen. In vielen Firmen werden die Mitarbeiter zu Nummern und Kostenfaktoren degradiert. Bei Google erfahren sie Wertschätzung. Bei allem Machtstreben sollte man die positiven Aspekte nicht vergessen. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

Erstellt: 17.02.2010, 10:33 Uhr

Donnerstag, Februar 18, 2010

Die Google-Verschwörungstheorie

Die Google-Verschwörungstheorie
www.Heise.de
Stefan Weber 18.03.2008
Sitzt im Googleplex eine Sekte?
Jüngste Berichte über skurrile Details in der neuen Google-Niederlassung in Zürich und das soeben erschienene Sachbuch [extern] Die Google Falle eines österreichischen Multimedia-Journalisten haben der Google-Verschwörungstheorie erneut Aufwind gegeben: Sind wir, die ahnungslosen, mit Google recherchierenden Netzsurfer Opfer eines in der (Medien-)Geschichte einmaligen Gehirnwäsche- und Überwachungssystems? Oder ist das Geheimnis von Google doch, dass es keines gibt? Telepolis sprach mit Gerald Reischl, der neun Monate – teils Undercover – über Google (und sicherlich auch mit Google) recherchiert und das erste kritische Sachbuch über Google veröffentlicht hat.

Herr Reischl, Sie warnen vor der Weltmacht Google und bezeichnen Google in einem Interview sogar als IT-Sekte. Die Frage wird nicht ausbleiben: Sie wollten nicht selbst bei Google arbeiten und sind am beinharten Auswahlverfahren gescheitert?

Gerald Reischl: Nein, ich wollte nie bei Google arbeiten, habe mich nie beworben und passe so überhaupt nicht in diese Flowerpower-alle-sind-so-gut-und-nett-und-elitär-Welt, abgesehen davon, dass ich kein Ja-Sager-Typ bin, sondern ständig alles hinterfrage. Bei Google müssen Alphamännchen draußen bleiben, wie auch der "Spiegel" geschrieben hat. Widerspruch, Skepsis und Kritik sind da nicht willkommen.

Zu Jahresende 2007 machte ein [extern] Report on dangers and opportunities posed by large search engines, particularly Google im Netz die Runde, der von der Blogosphäre ziemlich heftig abgelehnt wurde. Erstellt wurde er von einem Team rund um den Grazer Informatikprofessor Hermann Maurer....



Die Google-Verschwörungstheorie
www.Heise.de
Stefan Weber 18.03.2008
Sitzt im Googleplex eine Sekte?
Jüngste Berichte über skurrile Details in der neuen Google-Niederlassung in Zürich und das soeben erschienene Sachbuch [extern] Die Google Falle eines österreichischen Multimedia-Journalisten haben der Google-Verschwörungstheorie erneut Aufwind gegeben: Sind wir, die ahnungslosen, mit Google recherchierenden Netzsurfer Opfer eines in der (Medien-)Geschichte einmaligen Gehirnwäsche- und Überwachungssystems? Oder ist das Geheimnis von Google doch, dass es keines gibt? Telepolis sprach mit Gerald Reischl, der neun Monate – teils Undercover – über Google (und sicherlich auch mit Google) recherchiert und das erste kritische Sachbuch über Google veröffentlicht hat.

Herr Reischl, Sie warnen vor der Weltmacht Google und bezeichnen Google in einem Interview sogar als IT-Sekte. Die Frage wird nicht ausbleiben: Sie wollten nicht selbst bei Google arbeiten und sind am beinharten Auswahlverfahren gescheitert?

Gerald Reischl: Nein, ich wollte nie bei Google arbeiten, habe mich nie beworben und passe so überhaupt nicht in diese Flowerpower-alle-sind-so-gut-und-nett-und-elitär-Welt, abgesehen davon, dass ich kein Ja-Sager-Typ bin, sondern ständig alles hinterfrage. Bei Google müssen Alphamännchen draußen bleiben, wie auch der "Spiegel" geschrieben hat. Widerspruch, Skepsis und Kritik sind da nicht willkommen.

Zu Jahresende 2007 machte ein [extern] Report on dangers and opportunities posed by large search engines, particularly Google im Netz die Runde, der von der Blogosphäre ziemlich heftig abgelehnt wurde. Erstellt wurde er von einem Team rund um den Grazer Informatikprofessor Hermann Maurer (und auch der Interviewer arbeitete mit, Anmerkung der Redaktion). Nun kommt schon wieder geballte Google-Kritik aus Österreich, während es im Rest der Welt bislang noch kein einziges Google-kritisches Sachbuch gibt. Ein Zufall?

Gerald Reischl: Ich habe das Buch nicht als Österreicher geschrieben, sondern als deutschsprachiger Europäer. Die "Maurer-Studie" und mein Buch kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Ich habe in der "Google Falle" in monatelanger Recherche, die ich lange vor der Maurer-Studie begonnen habe, und mit Hilfe dutzender Gesprächspartner in den USA und Europa Fakten und Hintergründe zusammengetragen. Der Report, den ich an einigen Stellen erwähnt habe, dreht sich vor allem um das Thema Plagiarismus. Dem habe ich relativ kurz Beachtung geschenkt. Zudem bin ich nicht mit allem, was im Report geschrieben wird, einverstanden.

Zum Beispiel?

Gerald Reischl: Man kann die Google-Problematik nicht auf Plagiarismus reduzieren und vom "Google-Copy-Paste-Syndrom" sprechen. Auf jeder Webseite kann man die Copy&Paste-Funktion nutzen. Auch bin ich nicht mit der Forderung einverstanden, dass Europa mit eigenen, universitären Suchmaschinen kontern müsste. Das käme ja einer staatlichen Kontrolle gleich, weil Unis meist staatlich sind. Europa muss mit etwas Neuem kontern, nicht mit einer Suchmaschine, dafür ist es zu spät!

Sie schreiben, nahezu alle lieben Google und finden Google furchtbar trendy und cool. Befürchten Sie, dass man auch Sie im Web als Google-Kritiker hassen oder – oft noch schlimmer – lächerlich machen wird? Oder kommt die große Trendwende?

Gerald Reischl: Ja, ich rechne mit untergriffigen Postings, Reischl-Bashing und heftigem – teils auch gesteuertem – Gegenwind. Viele werden sich zum Buch äußern, noch lange bevor sie wissen, was drinnen steht. Ich habe ja auch im Vorwort geschrieben: "Wehe dem, der sich etwas gegen das derzeit beliebteste Internet-Unternehmen der Welt zu sagen bzw. zu schreiben traut. Der bekommt den Ärger in den Foren des Web zu spüren." Ich selbst war zu Beginn der Recherche skeptisch. Vor allem Esther Dyson, die renommierte IT-Beraterin, hat mich einmal verunsichert, weil sie gemeint hat, dass Facebook viel gefährlicher sei. Aber wenn man all die Fakten kombiniert, muss man zwangsläufig zum Ergebnis kommen, dass Google gefährlich sein kann. Ich wünsche mir, dass eine Trendwende kommt und dass die Nutzer die im Buch zusammen getragenen Informationen objektiv beurteilen. Dann werden sie automatisch darüber nachdenken. Es wäre im Sinne Europas.

Sie haben eine eigene [extern] Webseite eingerichtet, auf der "Das geheime Google Video" zu sehen ist. Sie haben das Filmchen vor ein paar Tagen auch auf YouTube gestellt. Offenbar sieht man hier nur, wie Sie mit Ihrer Handy-Kamera Außenaufnahmen vom Googleplex machen. Ist das nicht ein bisschen peinlich bzw. was soll da genau "geheim" sein?

Freilich zeige ich da keine "Geheimnisse", keinen Larry Page oder Sergey Brin in einer peinlichen Situation. "Geheim" ist das Video insofern, als auf dem Google-Campus strengstes Fotografier- und Video-Verbot herrscht. Fotografieren darf man nur unter Begleitung eines Google-Mitarbeiters. So ist dieses "geheim" zu verstehen. Außerdem wollte ich – und das ist auch ein bisschen ironisch gemeint – den Google-Dienst YouTube einbauen. Daher gibt's daneben auch das Smiley-Symbol. Oder hätte ich mich zu AdWords anmelden und mit eingeblendeten Wortanzeigen Geld verdienen sollen?

Sie haben für Ihr Buch eine eigene Umfrage in Auftrag gegeben: 90 Prozent finden Google sympathisch, aber 75 Prozent wollen nicht, dass ihre eigene IP-Adresse in Kombination mit ihren Suchanfragen gespeichert wird. Drückt sich da das Unwissen der Google-User aus?

Gerald Reischl: Genau so ist es, die meisten Google-Nutzer wissen nicht, welche Daten Google sammelt und welche Bedeutung IP-Adressen haben. Freilich werden jetzt viele aufschreien und meinen, dass IP-Adressen keine personenbezogenen Daten sind, aber ich bin, so wie Bundesdatenschützer Peter Schaar, anderer Meinung. Fragen Sie die Polizei, wie hilfreich ihnen eine IP-Adresse sein kann. Genau deshalb habe ich auch mein Buch geschrieben, um Nutzer aufzuklären und ihnen zu sagen, was bei einer Suchanfrage passiert. Es soll ein Problembewusstsein entstehen und eine Diskussion in Schwung kommen.

Haben Sie eigentlich auch konkrete Beweise dafür, dass Google das Ranking bei Suchanfragen willentlich – d. h. über den jeweils aktuellen Suchalgorithmus hinaus – beeinflusst?

Gerald Reischl: Es gibt zwei Vorfälle, die mich stutzig gemacht haben. In einem Interview mit Googles Forschungschef Peter Norvig hat mir dieser erklärt, dass sie das Suchsystem so adaptiert haben, dass bei einer Produktsuche nicht immer gleich eBay-Seiten an die ersten Stellen gereiht werden. Diese Adaptierung wurde zu einem Zeitpunkt aktiv, als es wegen Checkout-Paypal einen kräftigen Streit zwischen eBay und Google gegeben hat. Zufall, oder? Kein Zufall ist wohl, dass man beim Begriff "turkey" zehn Monate Seiten über die Türkei angezeigt bekommt und zwei Monate Truthahnrezepte nach vorne gereiht werden. Google ist sich der Verantwortung offensichtlich nicht bewusst. Eindeutiger Beweis ist der Doubleclick-Kauf, der von der EU vergangene Woche abgesegnet wurde. Eine Tochterfirma von Doubleclick, die jetzt auch Google gehört, ist Performics, ein SEO, ein Suchmaschinen-Optimierer, der Kunden Tricks liefert, wie man eine Suchmaschine überlisten kann, um weit nach oben gereiht zu werden. Das bedeutet, Google gibt Tipps, wie man Google überlistet. Dass darf wohl nicht sein, oder?

Sie schreiben ja auch über "23andme", jene doch etwas ominöse Firma, die Genanalysen über das Internet mit Speichelproben ihrer Kunden anbietet – Telepolis hat darüber [local] berichtet. Anne Wojcicki, die Frau von Google-Mitbegründer Sergey Brin, hat diese Firma mitgegründet. Wenn man das alles zusammendenkt: Speichelproben, die Speicherung unserer Suchabfragen – freilich auch unserer intimsten –, Google Street View, das Einscannen der Mails bei Gmail: Google und Co. wissen zusammen genommen tatsächlich viel mehr über mich als ich selbst. Wie könnte aber Google diese komplexen Daten wirtschaftlich oder politisch zum eigenen Vorteil einsetzen? Haben Sie Beweise dafür, dass Google dies bereits tut?

Gerald Reischl: Beweisen kann man es nicht. Leider, aber wenn selbst Experten, die Google gut gesonnen sind wie etwa Esther Dyson (sie ist ja an "23andme" beteiligt), Angst davor haben, dass Google die Arbeit – nämlich das Datensammeln – für eine Regierung bzw. US-Behörde erledigen könnte, macht es mir Angst. Vor allem wenn ich an die Situation in China denke, wo Google erwiesenermaßen mit der dortigen kommunistischen Regierung zusammen arbeitet. Mit wem würde Google unter Druck noch kooperieren?

Wenn man heute auf google.cn den Begriff "Tiananmen Massacre" eingibt, kommt auf Platz 1 der englischsprachige Wikipedia-Eintrag samt Schätzungen der Todesopfer. Unter den ersten zehn ist allerdings auch ein Video, bei dem zu lesen ist: "Popular Western myth on June 4, 1989 was that Tiananmen Square was forcefully cleared by the Chinese government." Das kommt bei Google.com nicht. Hat man das jetzt wieder zum Teil re-gesäubert, und sieht China ein anderes google.cn als ich in Deutschland?

Gerald Reischl: Was auf google.cn angezeigt wird, kann man tatsächlich nur in China testen, weil das System ja erkennt, dass sie in Deutschland oder sonst wo sitzen und nicht in China. Ich kann als Europäer ja auch keinen Film aus einer US-Onlinevideothek downloaden.

Sie schreiben, die Google-Suche von morgen könnte nach dem Prinzip einer "Programmable Search Engine" ablaufen, die bereits weiß, was ich alles bislang mit ihr gesucht habe und dementsprechend eine personalisierte Ergebnisliste erstellt.

Gerald Reischl: Die PSE (Programmierbare Suchmaschine) basiert auf einem Patent des Google-Ingenieurs Ramanathan V. Guha, er war früher Wissenschaftler bei Apple und Netscape. Die PSE könnte einmal PageRank ersetzen und soll das möglich machen, was für viele heute unmöglich erscheint – auf die in eine Suchmaske eingetippte Frage die richtige Antwort zu erhalten, weil unterschiedliche Datenbanken im Web in Echtzeit abgefragt werden.

Und noch ein Detail zum Schluss: Sie kritisieren im Buch Werbung in Gmail. Ich nutze dieses Service wegen Datenschutzbedenken nicht, bin aber davon ausgegangen, Google hätte die wortbasierte Werbung beim Schreiben von Mails in Gmail nach Nutzerprotesten wieder ganz zurückgenommen – irre ich mich da?

Gerald Reischl: Wenn dem so ist, dann muss mir Google erklären, warum ich vor einigen Tagen bei einer (fingierten) E-Mail, in der ich den Verlust meines Arbeitsplatzes beklagt habe, bei Gmail eine [extern] Job-Angebot-Werbung eingeblendet bekommen habe...

Mittwoch, Februar 17, 2010

BBC: Oil Crunch just five years away

BBC Online
By Shanaz Musafer
Business reporter, BBC News

Business leaders, including Sir Richard Branson, have criticised ministers for not doing enough to avoid a potential oil crunch and are calling on the next government to take action.

"Governments need to urgently, urgently wake up," insists Sir Richard in an interview with the BBC News website.

His Virgin Group is one of six companies that have formed a coalition called the UK Industry Taskforce on Peak Oil and Energy Security.

The taskforce - made up of engineering group Arup, architects Foster and Partners, Scottish and Southern Energy, Solar Century and Stagecoach, as well as Virgin - has launched its second report looking at the oil crunch, just months before the next general election.

It warns that Britain is unprepared for the oil shortages and price volatility that it predicts will become a reality in the next five years.

As a result, British businesses and consumers will face higher travel costs, increased food prices and higher utility bills.

Targets

The taskforce hopes that the new government will heed its warnings and seek to reduce the UK's dependence on oil.

"If somebody had been able to warn the world.....


Oil crunch 'just five years away'
BBC Online
By Shanaz Musafer
Business reporter, BBC News

Business leaders, including Sir Richard Branson, have criticised ministers for not doing enough to avoid a potential oil crunch and are calling on the next government to take action.

"Governments need to urgently, urgently wake up," insists Sir Richard in an interview with the BBC News website.

His Virgin Group is one of six companies that have formed a coalition called the UK Industry Taskforce on Peak Oil and Energy Security.

The taskforce - made up of engineering group Arup, architects Foster and Partners, Scottish and Southern Energy, Solar Century and Stagecoach, as well as Virgin - has launched its second report looking at the oil crunch, just months before the next general election.

It warns that Britain is unprepared for the oil shortages and price volatility that it predicts will become a reality in the next five years.

As a result, British businesses and consumers will face higher travel costs, increased food prices and higher utility bills.

Targets

The taskforce hopes that the new government will heed its warnings and seek to reduce the UK's dependence on oil.

"If somebody had been able to warn the world five years before the credit crunch, the credit crunch could have been avoided. The same thing could be said for the oil crunch," says Sir Richard, whose airline and train companies are affected by volatility in the oil price.

"We suggest there should be a workforce for government and industry to work [together] on addressing this problem.

"We have to move from coal and oil to gas and nuclear. We need to move our cars from oil-consuming cars to electric cars and clean-fuel cars."

He even suggests that targets should be set for the car industry: "The government should say, 'For 2020 there should be no more oil cars running in this country and for 2015 no new cars can be sold using oil,' just to force people to move over to clean energy."

'Peak oil'

The group believes that "peak oil" - the point where global oil production reaches its highest practicable rate - will occur in the next decade, potentially by 2015, with production levels of 95 million barrels per day. In 2008, 85 million barrels per day were produced.

Once peak oil is reached, experts are divided as to whether oil production will then plateau or decline. The taskforce believes it will decline and with demand for oil in developing countries increasing, that would lead to potential shortages in supply and thus rising prices.

Oil is currently trading at about $75 a barrel but is predicted to rise above $100 by 2014-15.

"The days of cheap and easy oil in the quantities that the world needs it are over," warns Ian Marchant, chief executive of Scottish and Southern Energy.

But how much sway does the group have? Mr Marchant admits that the response it got to its first report, released in October 2008, was "lukewarm at best".

That was largely because its release coincided with the credit crunch, says Arup chairman Philip Dilley. "I think because of that [the report] got lost a little bit," he says.

'Breathing space'

But the drop in demand for oil, in the West at least, brought on by the credit crunch, pushed back the group's forecast for when peak oil will occur.

"The recession bought us two years of time. So it bought us a little breathing space," Mr Dilley says.

However, even if demand in the West falls, the real concern is about increased demand in developing countries.

If the economies of emerging countries continue to grow at the rate they are, demand for oil will far outstrip supply.

Mitigating risks

The government has denied that it is ignoring the issue but said it was unsure as to when peak oil may occur.

"We don't have a firm view on what the future holds for oil supply and demand but we do recognise the risks," Chris Barton from the Department of Energy and Climate Change (DECC) responded.

"We are taking action to mitigate those risks and we plan to do more."

But one member of the taskforce at least would like to see more.

One of the things highlighted in the report is the fact that a rising oil price would lead to higher transport costs, food prices and energy bills, and the poorest in society would be the ones who feel it the most.

Brian Souter, chief executive of Stagecoach, says: "I think we could do with a more radical approach to this from all the political parties. I think we should take the poor out of the lower rate of [income] tax altogether and move to a carbon tax."

The report was welcomed by Friends of the Earth.

"Ministers must take this warning seriously and wean the UK off its addiction to oil - because ordinary people will experience the withdrawal symptoms when the wells run dry," the organisation's executive director Andy Atkins said.

"The government has been dithering for too long. We need bold political action to rapidly build a safe, clean and prosperous future for us all."

One thing is for sure - whoever emerges triumphant from this year's general election will be under pressure to address the issue of oil supply.
Story from BBC NEWS:

Published: 2010/02/11 00:02:00 GMT

© BBC MMX

Montag, Februar 15, 2010

Armstrong and Miller - RAF Pilots and more

RAF Pilots


What about a drink?

Sonntag, Februar 14, 2010

James Bond ? - Mozart ? - Rachmaninov? - Riverdance?

James Mozart Bond


(only) Big Hands!


Riverdance

Freitag, Februar 12, 2010

Tages Anzeiger Magazin: Die heimliche Macht des Geldes

Die heimliche Macht des Geldes
Firmen und Verbände bezahlen ausgewählte Politiker. Was tun diese Politiker dafür, und um welche Summen geht es? Das soll der Bürger nie erfahren.
06.02.2010 von Mathias Ninck ,

Vielleicht denkst du, die Schweiz ist eine normale Demokratie. Das Volk wählt regelmässig seine Vertreter, die dann vier- bis fünfmal im Jahr nach Bern reisen und dort ein Hotelzimmer beziehen, jeden Morgen hinüberlaufen ins Bundeshaus und Gesetze erlassen oder abändern und Vorstösse einreichen. Abgesehen davon, sind sie Bauern und Lehrer und Anwälte und bringen ihr berufliches Fachwissen in die politische Arbeit ein. Der Sitz im Parlament ist für sie eine Nebentätigkeit, mehr als eine Vergütung bekommen sie dafür nicht. Sie gehören einer Partei an, weshalb jeder Bürger weiss, welche programmatischen Interessen sie vertreten. Sieht das nicht ganz nach dem perfekten System aus? Vielleicht denkst du sogar, wir haben die beste aller Demokratien.

Und dann hörst du die folgende Geschichte.
Es ist die Geschichte von Felix Gutzwiller. Er ist Ständerat der FDP, Vertreter des Kantons Zürich, seit gut zehn Jahren im Parlament, ein aus den Medien bekannter Politiker und Universitätsprofessor, dem der Ruf anhaftet, äusserst kompetent zu sein, und der beim Zuschauer Vertrauen erweckt, wenn er ihm in «10vor10» etwas erklärt. Dieser einnehmende Herr, so erfährst du, sass......



Die heimliche Macht des Geldes
Firmen und Verbände bezahlen ausgewählte Politiker. Was tun diese Politiker dafür, und um welche Summen geht es? Das soll der Bürger nie erfahren.
06.02.2010 von Mathias Ninck,

Vielleicht denkst du, die Schweiz ist eine normale Demokratie. Das Volk wählt regelmässig seine Vertreter, die dann vier- bis fünfmal im Jahr nach Bern reisen und dort ein Hotelzimmer beziehen, jeden Morgen hinüberlaufen ins Bundeshaus und Gesetze erlassen oder abändern und Vorstösse einreichen. Abgesehen davon, sind sie Bauern und Lehrer und Anwälte und bringen ihr berufliches Fachwissen in die politische Arbeit ein. Der Sitz im Parlament ist für sie eine Nebentätigkeit, mehr als eine Vergütung bekommen sie dafür nicht. Sie gehören einer Partei an, weshalb jeder Bürger weiss, welche programmatischen Interessen sie vertreten. Sieht das nicht ganz nach dem perfekten System aus? Vielleicht denkst du sogar, wir haben die beste aller Demokratien.

Und dann hörst du die folgende Geschichte.
Es ist die Geschichte von Felix Gutzwiller. Er ist Ständerat der FDP, Vertreter des Kantons Zürich, seit gut zehn Jahren im Parlament, ein aus den Medien bekannter Politiker und Universitätsprofessor, dem der Ruf anhaftet, äusserst kompetent zu sein, und der beim Zuschauer Vertrauen erweckt, wenn er ihm in «10vor10» etwas erklärt. Dieser einnehmende Herr, so erfährst du, sass bis Herbst 2007 im Beirat der Credit Suisse. Dieser Beirat, inzwischen aufgelöst, wurde zweimal im Jahr einberufen. An den Sitzungen wurden «Einschätzungen zu Themen und Entwicklungen gemacht», wie der Pressesprecher der Bank sagt. Die Entschädigung dafür: 100 000 Franken. Viel Geld für zwei Sitzungen. Aber was aussieht wie ein wundersames Geschenk, ist ein gut kalkuliertes Geschäft: Wenn im Parlament zum Beispiel ein neues Aktienrecht geschaffen wird, darf die Credit Suisse damit rechnen, dass ihre Geschäftsinteressen angemessen berücksichtigt werden. Wenn sich viele Leute aufregen über den Bankgeheimnis-Deal mit der amerikanischen Steuerbehörde vom letzten August, geht Felix Gutzwiller in die «Arena» und verteidigt gleichmütig die Interessen der Grossbanken. Und während du dich fragst, ob du diese Verstrickung schon Korruption nennen sollst, hörst du, wie Felix Gutzwiller, der von dieser Recherche erfahren hat und von sich aus anruft, am Telefon sagt: «Es war mir nicht wohl dabei.»

Das Unwohlsein vermehrt sich. Gerade erst, vor zwei Wochen, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass der zur Beilegung des Steuerstreits abgeschlossene Staatsvertrag mit den USA illegal war. Die Schweiz verpflichtete sich im letzten August, 4450 UBS-Kundendaten den US-Steuerbehörden auszuhändigen — sie tat dies in der Absicht, die Bank damit vor einer Strafklage und also vor dem Untergang zu bewahren. Nun kommt das Abkommen womöglich vors Parlament: Es soll dort nachträglich gutgeheissen werden.

Bisher konnte sich die UBS auf das Parlament verlassen. So hat etwa die FDP mit den «Freunden der FDP» einen potenten Gönnerverein — es ist ein Klub der Finanzwelt mit Peter Wuffli, dem früheren UBS-Chef als Präsidenten; mit dabei war auch Walter Kielholz, ehemaliger Präsident der Credit Suisse, oder Kaspar Villiger, heutiger Präsident der UBS. Bei der CVP heisst der entsprechende Finanzierungsklub «Verein zur Unterstützung des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Wirkens». Doch jetzt rebellieren die ersten bürgerlichen Politiker gegen die Umklammerung der Grossbanken. Der freisinnige Nationalrat Philipp Müller verlangt von seiner Partei, sie müsse den Bruch mit dem spendablen Verein wagen: «Der bisherige Weg war falsch.»

Parteikollege Otto Ineichen fügt an: «In meiner Zeit als Parlamentarier habe ich noch nie so starke und konzertierte Lobby-Anstrengungen erlebt wie die derzeitige Kampagne der Grossbanken. Sie wollen dafür sorgen, dass bei der Bankenregulierung alles so läuft, wie sie es sich vorstellen.»

Du beginnst jetzt Fragen zu stellen. Es sind alte Fragen, die Fragen, die sich wie Mehltau über unser System gelegt haben. Immer wieder einmal werden die Fragen laut erhoben, immer wieder verklingen sie unbeantwortet.

Wer alles erhält solche Zahlungen?

Wer leistet sie?

Wie viel Geld muss für wie viel Einfluss auf den Tisch gelegt werden?

Niemand will etwas dazu sagen. Es wird abgewiegelt. Neinein, in der Schweiz ist alles in bester Ordnung.

Immerhin gibt es einen Politikerschlag, der redet, Konkretes liefert. Es sind jene, die nichts zu verlieren haben: die Alten. Sie sind längst von der Bühne abgetreten, gehören nicht mehr der Öffentlichkeit, brauchen sich nicht um ihr Image zu sorgen. Sie sagen, was sie denken. Abhängigkeiten? «Natürlich gibt es die.»
Und sie erzählen Geschichten.

Zum Beispiel: die Geschichte von Flavio Cotti. Die Geschichte handelt von einem Mann, der als Gemeindepolitiker anfängt und es ganz hinauf in den Bundesrat schafft. Sie handelt von Kampf, Planung, Glück, Intrigen, von Verbündeten, die im richtigen Moment nachhelfen. Sie handelt von Geld. Und davon, wie man es einsetzt. Cotti macht 1959 im Benediktiner-Gymnasium in Sarnen die Matur, studiert in den Sechzigerjahren in Freiburg die Rechte, ist Mitglied in einer katholischen Studentenverbindung. Dort lernt er Franz Lusser kennen, Sohn des langjährigen Zuger CVP-Ständerats Augustin Lusser. Später wird Franz Lusser Generalsekretär bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (die heute UBS heisst).

Flavio Cotti ist 25 Jahre alt, als er in den Gemeinderat von Locarno einzieht, drei Jahre später schafft er es in den Tessiner Grossen Rat, 1975 in die Kantonsregierung. Acht Jahre später tritt Cotti ab mit einer Rente von 100 000 Franken. Er ist 44 Jahre alt und hat Grösseres im Sinn. Freunden sagt er, er wolle in den Bundesrat.

Im Herbst 1983 erkämpft Flavio Cotti einen Sitz im Nationalrat. Kaum ist er im Parlament, wird er Präsident der CVP Schweiz und löst den Walliser Hans Wyer ab. Auf einmal ist der Neuling die Nummer eins in der Partei, der kaum bekannte Tessiner taucht ständig in den Medien auf. Jetzt hat er Chancen auf das höchste Amt. Wie ging das so schnell? In der Kasse der Partei gähnte ein Loch. Gleichzeitig mit der Wahl Cottis zum CVP-Präsidenten spendierte die Schweizerische Bankgesellschaft, auf Antrag ihres Generalsekretärs Franz Lusser, eine Sonderzahlung an die Partei von 350 000 Franken. Sowohl Lusser wie auch Philippe de Weck, Verwaltungsrat der Bank, waren Mitglieder der CVP. Dies alles sagt ein Zeuge, der nah an dem Vorgang dran war — und anonym bleiben will.

Der Zeuge sagt, die SBG-Zahlung sei an die Bedingung geknüpft gewesen, Cotti zum Parteipräsidenten zu machen. «Für die Banken war Hans Wyer nicht der richtige Mann. Zu sozial. Zu stark mit Familienthemen befasst. Zu weit weg von der Wirtschaft.» Die Banken wollten den machthungrigen Tessiner.

Eine Information ist das, mehr nicht. Aus einer glaubwürdigen, aber anonymen Quelle. Ist sie auch wahr? Eine Schweizer Grossbank soll einer Partei 350 000 Franken bezahlt haben, damit sie ihren Präsidenten auswechselt? Beweise gibt es nicht. Aber es gibt Beteiligte und das, was sie nach der langen Zeit noch erzählen.
Hans Wyer, der ehemalige Parteipräsident, sagt: «Ich bin jetzt fast 84 Jahre alt, da hat man nicht mehr alles präsent. Ich kann das nicht mehr rekonstruieren. Kennen Sie eine Partei, die sich gewissen Einflüssen nicht unterziehen muss?»
Arnold Koller, damals Präsident der CVP-Fraktion und später Bundesrat: «Ich muss leider sagen, dass ich nicht viel in Erinnerung habe. Was meine Rolle genau war bei der Ablösung von Wyer durch Cotti — nicht einmal daran kann ich mich mehr sicher erinnern. Es ist schon lange her. Eine Einflussnahme durch die SBG ist mir nicht bekannt. Aber natürlich, in der Politik ist vieles möglich.» Er lacht plötzlich schallend. Dann, wieder ernst, fügt er an: «Ich kann nur sagen, ich habe es nicht gewusst.»

Flavio Cotti, der in der Nähe von Locarno wohnt, hoch über dem Lago Maggiore, ist telefonisch nicht erreichbar.
Und derjenige, der alles weiss über die Spenden und Zahlungen der SBG jener Zeit, der langjährige Generalsekretär Franz Lusser, sagt im Gespräch, ja, die Bank habe schon damals Mittel geleistet an die CVP, aber nein, nie sei das an Bedingungen geknüpft gewesen. Nie? Würde er die Hand ins Feuer legen dafür, dass das Geld, das damals von der SBG zur CVP geflossen ist, nicht mit der Forderung verbunden war, die Partei solle Cotti als Präsidenten installieren?

Lusser sagt weder Ja noch Nein.

Er antwortet im Konjunktiv: «Ich könnte mir das nicht vorstellen. Ich sähe auch nicht, warum. Wyer hat ausgewogen politisiert, hatte Verständnis für die Wirtschaftsfragen. Wyer wollte, Irrtum vorbehalten, von sich aus zurücktreten. Dass Cotti spezifische Beziehungen hatte in die SBG, das ist mir neu.»

2 — Die Miliz am Ende

Die vom Volk gewählten Politiker nennen wir Volksvertreter. Dass sie das sind, das ist zumindest die Wunschvorstellung. Das heisst, der Parlamentarier bemüht sich in seinem politischen Denken immer auch darum, das Volk zu sehen oder das, was du dir unter diesem schönen, windigen Wort vorstellst. Das, was uns zusammenhält. Natürlich weisst du, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Viele Politiker in Bern sind nicht nur Volksvertreter, sondern auch Interessenvertreter. Sie spielen eine Doppelrolle, die von unserem System gefördert wird.

«Das Schwerste in Bern ist, sich selber treu zu bleiben.»


Diesen Satz hat ein Basler Politiker gesagt, nach zwanzig Jahren im Nationalrat. Der freisinnige Felix Auer, früherer Vizedirektor bei Ciba-Geigy, ist kein Träumer, sondern ein pragmatisch veranlagter Mann; er weiss, was es heisst, den Spagat zu machen zwischen den gesellschaftlichen Interessen und den Eigeninteressen. Der Grossbrand bei Sandoz in Schweizerhalle am frühen Morgen des 1. November 1986 schreckte die ganze Schweiz auf, rückte der Bevölkerung die Verletzlichkeit der Natur vor Augen. Für Auer ein Dilemma. Sollte er nun im Parlament für die Bevölkerung reden oder für die chemische Industrie? «Es war ein heikler Moment», erinnert sich Felix Auer, der heute 84 Jahre alt ist. Er, der Ciba-Geigy-Mann, hat im Nationalrat dann kompromisslos Sandoz verteidigt. Es war, wie er sagt, eine einmalige Situation. Die Versuchungen hingegen waren vielfältig. «Als ich in den Nationalrat gewählt wurde, habe ich mehrere Berufungen in Verwaltungsräte bekommen. Ich habe alle abgelehnt. Ich wollte mich frei fühlen. Es ist eine Charakterfrage, wie stark einen solche Interessenbindungen beeinflussen beim Aushandeln von politischen Entscheiden — aber natürlich, sie tun es immer.»

So reden die Alten. Die, die nichts zu verlieren haben.

Und dann sprichst du mit den Jungen, die noch eine Karriere vor sich haben. Die sagen dann zum Beispiel: «Nicht jede Abhängigkeit schränkt die Entscheidungsfreiheit ein.» Das ist ein richtig schöner Politikersatz.
Ein Satz, der zu Beat Walti passen würde; der Politiker hält die Abhängigkeit von Spendern für eine Konstruktion. Walti ist Präsident der FDP des Kantons Zürich und hat 2007 um einen Sitz im Nationalrat gekämpft. Er soll sich, wie ein FDP-Gefährte sagt, seinen Wahlkampf von einer Zürcher Grossbank bezahlt haben lassen. Dazu sagt er nur: «Ich habe den Wahlkampf mit eigenen Mitteln, aber auch durch eine grosse Anzahl von Spenden bestritten. Ich mache keine Angaben zu einzelnen Beiträgen.»
Wieder und wieder heisst es: Gerade weil sie keine Berufspolitiker sind, sind unsere Volksvertreter gegen ungehörige Einflussnahme geschützt. Sie üben das politische Mandat ja nur als Nebenamt aus. Es herrscht das Milizprinzip.
Aber wie weit ist es heute eigentlich noch her mit der Nebenamtlichkeit?
Eine unverdächtige Auskunftsperson in dieser Sache ist Gerhard Pfister, ein Bürgerlicher, der in der Wirtschaft gut verankert ist, die CVP seit 2003 im Nationalrat vertritt und als langjähriges Mitglied der staatspolitischen Kommission schon ein paar Debatten mitverfolgt hat über Geld und Politik. «Man spricht vom Milizcharakter unseres Systems und meint damit, dass eine Trennung von Politik und Wirtschaft nicht möglich ist.» Das Argument sei nun aber tatsächlich etwas fragwürdig geworden, meint Pfister. «Es gibt fast keine Miliz-Parlamentarier mehr. Da ist kaum noch einer, der einem bürgerlichen Beruf nachgeht und dann ein paar Wochen pro Jahr im Parlament sitzt. Die meisten sind Vollzeit-Politiker, was man ihrem Einkommen ansieht. Es besteht, nebst dem Parlamentarier-Salär von rund 100 000 Franken, zu einem grossen Teil aus Vergütungen für den Einsatz, den sie für Interessengruppierungen leisten. Und für Verwaltungsratsmandate. Man sieht ja auch, wie die Politiker zu diesen Mandaten kommen. Sie werden nicht interessant, weil sie gut sind, sondern weil sie Parlamentarier sind. Firmen, Verbände, NGOs und Gewerkschaften haben durch sie den direkten Zugang zur gesetzgebenden Gewalt.»
Otto Ineichen ist vom Schweizer Fernsehen vor Kurzem zum Politiker des Jahres gewählt worden. Der FDP-Nationalrat hat sich über die Parteigrenzen hinweg für ein günstigeres Gesundheitswesen eingesetzt und für mehr Lehrstellen für Jugendliche. Er sagt: «Der Einfluss der Vertreter von Partikularinteressen hat im Parlament stark zugenommen in den letzten Jahren. Wir verlieren die Gesamtinteressen der Gesellschaft zunehmend aus den Augen.»

Auch Marianne Kleiner gehört zu den Parlamentariern, die sich nicht freuen können an politischem Ränkespiel. «Die Tricks hintenherum, das Lügen und Taktieren — das will ich nicht lernen, nie», sagte sie einmal. Die Freisinnige, die in einer angesehenen bürgerlichen Familie im Appenzeller Hinterland aufgewachsen ist, mag die verdeckten Manöver nicht. Sie erzählt, wie es im Parlament zum Kontakt mit Lobbyisten kommt. «Als ich in die Gesundheitskommission kam, wurde ich angegangen», sagt sie. «Das geht so vor sich: In der Wandelhalle wird man angesprochen, jemand fragt, ob er einen zum Mittagessen einladen dürfe. Man fragt, worum es gehe, und dann erfährt man es meistens schon. Wenn man zusagt, wird das so gemacht, dass man Mitglied wird in einem Beirat oder Verwaltungsrat, wo man vielleicht 50 000 oder 80 000 Franken bekommt im Jahr, also eine Menge Geld.»

Ob sie Namen nennen könne von solchen Anwerbern?

«Das mache ich nicht. So loyal bin ich dann schon», sagt Kleiner. Sie respektiert das Schweigegebot. Die Angebote aber hat sie alle abgelehnt. «Ich will unabhängig politisieren.»

Hilmar Gernet, der frühere Generalsekretär der CVP Schweiz, sagt: «Jeder, der in einen Verwaltungsrat oder einen Beirat kommt, weiss, was von ihm verlangt wird — nämlich Interessenvertretung im Parlament.» Gernet wird im Frühling ein Buch über Politikfinanzierung veröffentlichen. Heute arbeitet er als Direktor Politik & Gesellschaft bei der Raiffeisenbank, das heisst, er ist ihr Cheflobbyist.
Das Schulbeispiel eines Interessenvertreters ist Eugen David. Der CVP-Politiker sitzt seit zweiundzwanzig Jahren im Parlament. Nachdem er gewählt worden war, zog er in Verwaltungsräte ein, in Beiräte, Stiftungsräte; derzeit sind es sechzehn solche Mandate. Für das Verwaltungsratspräsidium der Krankenkasse Helsana allein bezog er letztes Jahr 126 000 Franken (laut Geschäftsbericht). Eugen David, auf seine multiplen und hoch dotierten Bindungen angesprochen, sagt etwas, das er dann später nicht gedruckt sehen will. Gedruckt sehen will er etwas, das er nicht gesagt hat. «Andernfalls ersuche ich Sie, auf die Zitate zu verzichten», schreibt er in einem Mail. Vorher hat er verlangt, alle Zitate kontrollieren zu dürfen (was ein übliches Vorgehen ist). Wir verzichten.

Christoph Blocher, der einst im Verwaltungsrat der Schweizerischen Bankgesellschaft sass, sagte einmal (1993 in der Zeitung «Cash»): «Heute sind Parlamentarier, die in Verwaltungsräten grosser Konzerne sitzen, viel stärker unter Druck als früher. Die müssen heute Instruktionen entgegennehmen, als ob sie Marionetten wären. Früher war der Respekt gegenüber der Unabhängigkeit von National- und Ständeräten viel grösser.»

Gilt dies auch für Caspar Baader, den Präsidenten der SVP-Bundeshausfraktion? Baader ist Mitglied der Verwaltung von Fenaco und des Vorstandes von Swissoil. Erstere ist ein milliardenschwerer Landwirtschaftskonzern, der vom politisch festgelegten Schutz der Bauern finanziell profitiert; er hat also starke Interessen gegen die derzeit angestrebte Marktöffnung. Swissoil, der Dachverband der Heizölhändler, ist selbstredend ein Akteur im hart umkämpften Feld der Energiepolitik. Baader, der mit diesen beiden Mandaten einen Teil seiner Einkünfte erzielt, sagt: «Die Entschädigungen bei Fenaco und Swissoil sind im Vergleich zu andern Unternehmen und Verbänden relativ bescheiden. Eine Zahl nenne ich nicht. Die meisten Parlamentarier sind Interessenvertreter, sei es von der Wirtschaft, sei es von NGOs und anderen Organisationen. Diese Interessen sind im Parlamentsregister deklariert, jeder sieht, wer welche Beziehungen hat. Bei korrekter Interessendeklaration sind solche Einkünfte kein Problem für unsere Demokratie. Eine Bekanntgabe der Entschädigungen dient nur dem Voyeurismus.»

3 — Omertà

Es ist eine besondere Erfahrung, wenn du in der Schweiz zum Thema Politikfinanzierung recherchierst: Überall wird geschwiegen. Es ist, als wäre es anstössig, in unserem Land von den finanziellen Eigeninteressen in der Politik zu reden.

Wortreich wird nur die Diskretion gelobt.

Stefan Brupbacher, Generalsekretär der FDP Schweiz, sagt: «Wir geben keine Auskunft über unsere Spender, denn Vertraulichkeit ist ein zentrales Element unseres politischen Systems. Da nur der Parteipräsident und ich die Finanzen kennen, ist damit auch das zweite wichtige Element sichergestellt, die Unabhängigkeit der Fraktion. Wer welche Politiker — beispielsweise — im Wahlkampf unterstützt, wissen wir nicht. Wer hier Transparenz verlangt, versucht, Politiker in die Nähe dubioser Machenschaften zu rücken. Niemand will sie diesem Generalverdacht aussetzen. Als Folge werden sich noch weniger Unternehmer im Milizsystem engagieren. So züchten wir aber Hors-sol-Politiker.»

Tim Frey, Generalsekretär der CVP Schweiz, sagt: «Im Milizsystem wird ein Kandidat ja gerade auch wegen seiner Tätigkeiten und Interessenbindungen gewählt. Nachträglich kaufen kann man einen Politiker nicht oder nur selten. Ich kenne jedenfalls niemanden, der sein Entscheidungsverhalten im Parlament anpasst, nur weil er in Lohn und Brot einer politischen Organisation steht. Das ist völlig abstrus. Er hat seine politische Meinung vor der Wahl gemacht.»

Abstrus? Ist es nicht im Gegenteil plausibel? Hätten diese Bezahlungen keine Wirkung, würden die Firmen und Verbände sie wohl nicht leisten. Und wäre die Höhe der Vergütung unproblematisch, könnte man sie transparent machen.

Transparent machen? Nein, sagt Tim Frey. «Wir haben praktisch keine Berufspolitiker in der Schweiz, und unsere Parlamentarier sind in erster Linie Bürger mit einem zivilen Beruf. Bürger mit dem Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre — dazu gehören auch ihre Einkommensverhältnisse.»

Informiert wählen zu können: Das ist die Grundlage jeder Demokratie. Das hast du in der Schule gelernt. Und das sagst du jetzt auch.

«Der informierte Wähler war ein Konzept der Politikwissenschaft der Siebzigerjahre», antwortet Tim Frey. «Viele empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten Wählentscheide aufgrund von symbolischer Kommunikation und von Gefühlen gefällt werden und nicht aufgrund rationaler Überlegungen.»
Die CVP findet also nicht, dass die Wähler wissen sollten, in welchen Abhängigkeiten sich Politiker befinden?

«Die Abhängigkeiten sind sichtbar. Alle Beiräte, Verwaltungsräte, Stiftungsräte sind im Parlamentsregister aufgeführt. Das genügt. Wie viel die Politiker mit den Mandaten verdienen, das interessiert doch niemanden. Wenn der Wähler das Gefühl hat, einer ist gekauft, dann schiesst er ihn ab. Er wählt ihn nicht mehr. Punkt.»
Das ist doch genau das Problem. Die Gefühle. Denken nicht viele Bürger, es laufe in Bern oben etwas schief, es gebe diesen wie auch immer gearteten Filz? Dieses schattenhafte Gefühl beschädigt das Vertrauen in die Politik.

«Wir haben das Vertrauen unserer Wähler», antwortet Tim Frey von der CVP. «Sonst würden sie uns nicht wählen. Ich kenne unsere Wähler. Wie die Politiker finanziert werden, ist einfach kein Thema, es wird von zwei, drei Journalisten aufgebauscht.»
Und dann sagt Tim Frey, ein Parteiengesetz wäre für ihn schon denkbar und also ein professionelles Parlament und das damit verbundene Verbot für die Politiker, Geld anzunehmen. Gleichzeitig sagt er: «Aber das brächte keinen Gewinn an Demokratie. Diese Erfahrung habe ich zum Beispiel als Wahlbeobachter in Mali gemacht: Solche Regelungen werden oft umgangen. In der Schweiz wäre das mit dem liberalen Vereinsrecht auch sehr einfach. Unser System erscheint vielleicht diffus, es hat etwas Gebasteltes, Amateurhaftes an sich. Aber mir ist das sympathischer, weil man nicht eine Transparenz suggeriert, die es nicht gibt.»

Die Schweiz ist also anders als Mali. Aber wie läuft es denn nun in der Schweiz?
Es gibt einen Bericht des Bundesrates mit dem Titel «Moneypulation…?» Der Bericht war die Reaktion auf ein Postulat des Sozialdemokraten Andreas Gross, der 1995 verlangt hatte, dass endlich einmal geklärt werde, wie der Einsatz von Geldmitteln die Politik beeinflusse, sprich: ob «die Demokratie käuflich» sei. «Es ist für unser Staatswesen existenziell wichtig zu wissen, ob diese These zutrifft», schrieb Gross. Es war nicht der erste linke Vorstoss in dieser Sache, und es wird, wie die SP schreibt, nicht der letzte sein. Der Bundesrat beauftragte also die Bundeskanzlei, eine Studie auszuarbeiten; drei Jahre später lag der «Bericht zur Rolle des Geldes in der direkten Demokratie» vor. Er war 126 Seiten stark und enthielt — nichts.

Die Bundeskanzlei hatte eine eigene Umfrage organisiert, und zwar bei sechzehn Parteien und acht Verbänden und einundzwanzig weiteren politischen Organisationen. Mit dem Fragebogen sollten die politischen Ereignisse der Jahre 1994 und 1995 wie auch die Nationalratswahlen im Herbst 1995 auf den Einsatz von Geld hin untersucht werden. Den Adressaten wurde eine streng vertrauliche Behandlung zugesichert und versprochen, die Ergebnisse würden anonymisiert. Das Resultat: Von den fünfundvierzig angeschriebenen Organisationen antworteten nur zwölf (zu der schweigenden Mehrheit gehörte auch die SP Schweiz). Der Bericht schliesst mit der Bemerkung: «Angesichts der Vielzahl zitierter Geldbeträge, Budgets und Werbemittel schiene es vermessen zu behaupten, Geld spiele in der direkten Demokratie keine Rolle. Allerdings bleibt unklar, welcher Stellenwert den finanziellen Anstrengungen (…) zukommt.»

Als im Jahr 2001 der damalige SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard mit einer Interpellation nachfasste und die «gefährlichen Verstrickungen von Geld und Demokratie» geklärt haben wollte, antwortete der Bundesrat, indem er Bezug nahm auf den ernüchternden Bericht der Bundeskanzlei: «Der Bundesrat bezweifelt, dass eine weitere Untersuchung etwas bringt, wenn offensichtlich allenthalben die Bereitschaft zur Transparenz fehlt.»

Das ist also die Lage der Nation: Die höchste Autorität, die Landesregierung, möchte wissen, wer bei uns die Politik bezahlt. Aber sie ist chancenlos. Die Omertà ist nicht zu durchbrechen.

Die politische Debatte um die Offenlegung der Geldflüsse folgt heute dem Muster Linke gegen Bürgerliche. Die Linke ist für Transparenz, die Bürgerlichen sind dagegen. Das war nicht immer so. In der Vor-Blocher-Ära kämpfte die SVP in dieser Frage an der Seite der Sozialdemokraten und argumentierte absolut deckungsgleich: Wenn man ständig Geld auftreiben müsse, sagte die Partei, binde man sich an die Geldgeber und werde unfrei. Deshalb müsse der Staat die Politik finanzieren. Heute hält gerade die SVP ihre Geldquellen streng geheim. Die Haltung einer Partei bezüglich Transparenz scheint also immer nur von einem abzuhängen: wie sehr sie selber im Verborgenen von Spenden profitiert.

4 — Zahlen und Schätzungen

Die Frage, woher das Geld kommt, ist unbeantwortet. Du versuchst also, die Sache von der anderen Seite anzupacken: Wo geht es hin?

Ein Teil geht direkt auf die Konten von Politikern.

Ein Teil geht in die Parteizentralen (Parteifinanzierung).

Ein Teil geht in Abstimmungskämpfe.

Ein Teil geht in den Wahlkampf.

Dazu gibt es Schätzungen.

Fangen wir mit den Wahlen an, nehmen wir den Nationalratswahlkampf 2007, den bisher teuersten. Hilmar Gernet beschreibt ihn in seinem Buch. Die Parteien haben für Plakate, Inserate und Broschüren rund 50 Millionen Franken ausgegeben. Die Wahlkampfbudgets der Bundesratsparteien (plus Grüne) betrugen zusammen 16,6 Millionen Franken. Das heisst, es gibt einen Fehlbetrag von etwa 34 Millionen Franken. Diese Millionen haben die Kandidaten offensichtlich selber beschafft.

Bei wem? Wir wissen es nicht.

Die Parteienfinanzierung lässt sich ebenfalls abschätzen. Gemäss den Angaben der Generalsekretariate ergibt sich folgendes Bild: Umsatz der SVP Schweiz im Jahr 2009:
rund 2,5 Millionen Franken (Christoph Blocher zahlt nichts in die Parteikasse, sein Geld geht direkt in Abstimmungs- und Wahlkampagnen). Die SP Schweiz hat im letzten Jahr 4,83 Millionen Franken verbraucht, darin eingerechnet sind 1,2 Millionen Franken für Abstimmungskampagnen. Umsatz der FDP Schweiz im Jahr 2009: etwa 3 Millionen Franken. Die CVP Schweiz hat ein Jahresbudget von 2,5 Millionen Franken, das in den Wahljahren jeweils um eine Million erhöht wird.

Rund 12 Millionen Franken also kostet die immer aufwendiger werdende Arbeit in den Zentralen der Bundesratsparteien, wenn du sie zusammenrechnest. Während die SP mehrheitlich von Mitgliederbeiträgen lebt, finanzieren sich die bürgerlichen Parteien vor allem über Spenden. Die sechs wichtigsten Spender sind laut Hilmar Gernet: Credit Suisse, Novartis, Roche, Nestlé, ein grosser Baukonzern und bis vor einem Jahr auch die UBS.

Diese 12 Millionen sind wenig Geld — verglichen mit den Summen, die im Wettbewerb um politische Macht sonst ausgegeben werden. Die Firma Media Focus wertet jedes Jahr aus, wie viel Werbung die Politik in den Medien schaltet und was die kostet. Im Jahr 2007 hat die Politik demnach für 58 Millionen Franken Inserate geschaltet, im Jahr 2008 für 53 Millionen, letztes Jahr etwa gleich viel. Dieser hohe Betrag von 50 bis 60 Millionen Franken jährlich beinhaltet allerdings auch die kantonalen und städtischen Abstimmungskämpfe und Wahlen. Betrachtest du allein die nationalen Vorlagen, sind jährlich etwa 25 Millionen Franken im Spiel.

Wer bezahlt diese ganzen Abstimmungs- und Wahlkampfmillionen?
«Die interessierten Kreise», heisst es.

Du denkst vielleicht an Christoph Blocher und Walter Frey von der SVP, was nicht falsch ist, ausser, dass Walter Frey «seit acht Jahren ein bisschen weniger macht», wie er sagt. Früher hätten er und Christoph Blocher denselben Anteil an den Ausgaben getragen, heute sei Blocher stärker beteiligt. Blocher selber sagt, er wolle nichts zum Thema sagen.

Dann fällt dir Economiesuisse ein, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Economiesuisse ist die professionellste politische Kampagnen-Agentur der Schweiz.
Und weiter in der Rangliste der mächtigsten Interessengruppen folgen hinter Economiesuisse — ein gutes Stück abgeschlagen — die Gewerkschaften und die vielen anderen Verbände: Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Bauernverband, Umweltverbände. Sie haben weniger Geld, verfügen aber dank ihren vielen Mitgliedern auch über Schlagkraft.

5 — Der Verband


Eines Tages sitzt du einem Mann gegenüber, der ein rundes, freundliches Gesicht hat und eine modische Krawatte trägt und in gelassenem Konversationston deine Fragen beantwortet. Urs Rellstab heisst er. Er ist stellvertretender Direktor von Economiesuisse. Bei einem Budget von 15 Millionen Franken beschäftigt der Verband mehr als fünfzig Mitarbeiter. Damit weist Economiesuisse ein grösseres Budget auf als alle politischen Parteien zusammen — das allein zeigt, wie die Machtverhältnisse liegen.

Aber das eigentliche Instrument für den politischen Kampf ist der Kampagnen-Fonds von Economiesuisse. Über seine Grösse schweigt sich Rellstab aus, der Fonds ist aber gross genug, damit Economiesuisse bei allen wichtigen Fragen in die Schlacht ziehen kann. Bei kleinen Kampagnen setzt Economiesuisse 1 bis 2 Millionen Franken ein, bei mittleren 2 bis 5 Millionen Franken und bei den ganz grossen wie jener um die Personenfreizügigkeit bis 10 Millionen Franken. Economiesuisse stehen jedes Jahr schätzungsweise 15 Millionen Franken zur Verfügung für politische Kampagnen. Seit dem Votum über das Steuerpaket vor knapp sechs Jahren hat der Wirtschaftsverband keine Abstimmung mehr verloren, in der er mitgekämpft hat. Daraus lässt sich ableiten: Geld ist wichtig. Sehr wichtig. Urs Rellstab bestreitet das nicht: «Wenn es in einem Abstimmungskampf knapp wird, kann das Geld in den letzten Wochen zum relevanten Faktor werden. In dieser Phase ist es wichtig, die Botschaft mit Anzeigen in den Zeitungen zu wiederholen.>>

Du bittest den Mann, dir eine Liste auszuhändigen aller Volksabstimmungen und der jeweiligen Summe, mit der Economiesuisse in den Kampf eingegriffen hat. Urs Rellstab lächelt verbindlich und sagt: «Wie viel Geld wir bei einem bestimmten Abstimmungskampf einsetzen, geben wir nicht bekannt. Als Dachverband der Wirtschaft können wir nicht lügen. Oft spielen unsere Gegner das David-Goliath-Spiel und setzen zu Beginn einer Kampagne Zahlen in die Luft, die im Nachhinein nichts mit der Realität zu tun haben.»

Der Politologe Hans-Peter Kriesi von der Universität Zürich hat vor mehr als zwanzig Jahren die Rolle der Wirtschaftsverbände in der Schweiz untersucht. In dem Buch, das heute noch über weite Strecken Gültigkeit hat, bestätigt Kriesi die starke Stellung der Wirtschaftsverbände: Die Schweiz könnte gut eine Zeit lang ohne Parteien funktionieren, nicht aber ohne die Interessengruppen. «Die faktische Einbindung der Verbände in die Politik geht in der Schweiz weit über ihre rechtliche Anerkennung hinaus.» Gemäss Bundesverfassung sollten die Verbände bei der Gesetzgebung nämlich nur «anzuhören» sein, beim Vollzug allenfalls «herangezogen» werden. Sie operieren aber wie Parteien, als seien sie Organe der Willensbildung und hätten Anspruch auf Mitwirkung. «Es zeigt sich, dass die Verbände in der Schweiz nicht nur in der Lage sind, Interessen zu artikulieren, sondern dass sie diese auch in bindende Entscheide umsetzen können.» Natürlich musst du die grossen internationalen Firmen hier mitdenken. Denn die brauchen heute die Verbände nicht mehr und gelangen mit ihren Forderungen direkt an die Regierung, wie der Fall UBS gezeigt hat.

6 — In der Kommission

Viel Geld wird also in Abstimmungskämpfe gesteckt. Sie sind aber bloss das letzte Glied in einer langen Kette von politischen Entscheidungen. Eine Kampagne im Abstimmungskampf, ist für Interessengruppen die allerletzte Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Wirkungsvoller ist es, die Operation früher anzusetzen. Am Anfang der Gesetzgebung, in den Kommissionen.

Die Kommissionen sind die Werkstätten des Parlaments, die Scharniere zwischen Gesellschaft und Staat. Hier geschieht das Wesentliche. Hier werden die Gesetzesvorlagen formu-liert und also vorentschieden. Das Parlament wird zwar über die Vorschläge der Kommissionen abstimmen, aber die Weichen sind gestellt. Gleichzeitig entzieht sich der Meinungsbildungsprozess der Kontrolle, denn die Verhandlungen sind geheim und die Protokolle vertraulich. Mit anderen Worten: Die Kommissionen sind das perfekte Terrain für die Interessenvertreter.

Nicht nur bürgerliche Kommissionsmitglieder stehen im Dienst von Firmen und Verbänden, auch linke Parlamentarier haben bezahlte Mandate, zum Beispiel die sozialdemokratische Ständerätin Simonetta Sommaruga. Sommaruga präsidierte bis im Juni 2008 den Stiftungsrat des Hilfswerks Swissaid, und im Parlament war sie gleichzeitig Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. In dieser Kommission hat sie mitentschieden darüber, dass die Gelder des Bundes für die Entwicklungshilfe von 0,4 auf 0,5 Prozent angehoben wurden — wovon das Hilfswerk unmittelbar profitierte. Und vom Hilfswerk wiederum bezog sie einen Teil ihrer Einkünfte.
Sommaruga sagt: «In einem Milizparlament ist es legitim, weitere Einkünfte aus dem politischen Umfeld zu haben. Dank einem solchen Mandat kann man auch Fachkenntnisse einbringen. Allerdings sollte man die Höhe all dieser Einnahmen offenlegen. Ob Sie ein Hilfswerk präsidieren oder in einem Verwaltungsrat sitzen und dort das Zehn- oder gar Fünfzigfache bekommen, ist ein Unterschied.» Von Swissaid hat Sommaruga 4800 Franken im Jahr erhalten.

Das ist der wesentliche Unterschied zwischen Linken und Bürgerlichen: Linke Politiker legen offen, wie viel Geld bei ihnen im Spiel ist. Auf Anfrage nennt der Generalsekretär der SP Schweiz «alle SP-Parlamentarier, die bei einem Verband angestellt sind» und liefert später auch deren Einkommen nach. Es sind fünf Parlamentarier, ihre Einnahmen aus der Verbandsarbeit reichen von 5000 Franken jährlich (Evi Allemann) bis zu 50 000 Franken (Paul Rechsteiner).

Spielt die Höhe der Vergütungen überhaupt eine Rolle? Wahrscheinlich denkst du: Ja, schon. Denn je mehr Geld ein Politiker aus seinen Interessenbindungen einnimmt, je grösser der Anteil seines Einkommens ist, der aus solchen Mandaten gedeckt wird, desto stärker dürfte seine Abhängigkeit vom politisch interessierten Geldgeber sein. Oder nicht?

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums triffst du auf Roland Borer, den Nationalrat der SVP, der seit Jahren in der Sicherheitspolitischen Kommission politisiert. In dieser Kommission kämpfte er gegen ein nationales Waffenregister, er kämpfte für die Privatisierung des bundeseigenen Rüstungsbetriebes Ruag — gleichzeitig sass er im Verwaltungsrat einer Konkurrenzfirma, der Micro Technology Hérémence SA, in der Borer auch eigenes Geld hatte (bis sie im Jahr 2008 nach Norwegen verkauft wurde).

Roland Borer sagt: «Ich habe es immer offengelegt, als ich im Verwaltungsrat der MTH SA sass. Und in den entscheidenden Momenten habe ich mich in der Kommission der Stimme enthalten. Es war für mich aus diesem Grund auch klar, dass ich nicht Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission wurde.»

Es gibt für dich keine Möglichkeit, selber zu besichtigen, wie die Einflussnahme in den Kommissionen vonstatten geht, denn wie gesagt: Alles ist streng geheim. Einmal aber hat ein Journalist, der welsche Reporter Titus Plattner, eine schöne Episode ans Tageslicht befördert. Sie zeigt, was Interessenvertretung konkret bedeutet.
Am 10. Februar 2004 tagte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats, um die Totalrevision des Zollgesetzes vorzubereiten. Gregor Kündig, damals Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse, hatte ausgewählten Parlamentariern ein Bündel Papier mitgegeben, dreissig Punkte der Gesetzesvorlage, teilweise neu formuliert nach den Wünschen von Economiesuisse und für jeden erkennbar nach Wichtigkeit klassiert. Mit einem Stern versehen, bedeutete «wichtig» für die Wirtschaft, zwei Sterne standen für «sehr wichtig» und drei Sterne hiessen «absolut vital».

In der Beratung der Vorlage nun macht Eugen David, der Kommissionspräsident, bei jedem von Economiesuisse markierten Artikel eine lange Pause. Jede Änderung des Gesetzesentwurfs muss nämlich von einem Kommissionsmitglied beantragt werden. Jedes Mal meldet sich einer. Aber auf einmal gerät die Maschine ins Stocken.

«Hat jemand etwas anzufügen?», fragt Eugen David.

Stille.

«Niemand?»

Anhaltende Stille.

«Also hört mal, das ist ein Drei-Sterne-Vorschlag. Jemand sollte den Economiesuisse-Antrag stellen.»

Schliesslich folgt ein Ständerat der Aufforderung des Kommissionspräsidenten.
Es ist eine bezeichnende Episode, deren Darstellung von Economiesusisse als «absolut korrekt» bezeichnet wird. Urs Rellstab erklärt: «Wenn man den Parlamentariern, die einem nahestehen, vorher nicht gesagt hätte, was zentral ist, hätte man etwas Grundlegendes falsch gemacht. Interessen müssen sich im politischen Prozess artikulieren. Dafür sorgen wir.»

Rudolf Strahm, Sozialdemokrat, der dreizehn Jahre lang Nationalrat und dort auch zeitweilig Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben war, hat fest-
gestellt, dass die bürgerlichen Kommissionsmitglieder häufig mit vorgefertigten Positionspapieren erscheinen, wie er sagt. Er hat ein amüsantes Katz-und-Maus-Spiel beobachtet zwischen der Bundesverwaltung und den Interessengruppen. Bevor neue Gesetze in der Kommission vorberaten werden können, müssen ja eine Botschaft und ein Entwurf vorliegen. Das machen die Fachleute der Verwaltung.

Strahm erzählt: «Wenn verschiedene Anträge aus der Kommission vorliegen, die eine Chance haben, kommt die Verwaltung gelegentlich im letzten Moment mit Änderungsvorschlägen. Die parlamentarischen Interessenvertreter in der Kommission werden von solchen Last-minute-Vorstössen manchmal kalt erwischt und sind dann nicht in der Lage zu entscheiden, ob die Änderung auch im Sinne der Wirtschaftsinteressen ist, die sie vertreten. Wir haben erlebt, dass nach einem Überraschungsvorstoss der Verwaltung eine dringliche Pause der Kommissionssitzung beantragt wurde. WAK-Mitglieder flitzten dann auf den Gang, griffen zum Handy und holten zu den vorgebrachten Änderungen bei einem Lobbyisten des betreffenden Wirtschaftsverbandes oder Konzerns die Beurteilung ein.»

Das Parlament ist in gewisser Hinsicht schwach. Und wer schwach ist, lässt sich gern an der Hand nehmen von Starken. Das sagt sinngemäss Xavier Comtesse, der welsche Direktor von Avenir Suisse, der Denkfabrik der Schweizer Grossunternehmen. «Das Hauptproblem der Parlamentarier ist nicht, dass sie käuflich wären oder dem einen oder anderen Wirtschaftsverband auf Gedeih und Verderb ausgeliefert», meint Comtesse. «Das Hauptproblem ist: Sie sind häufig sachlich überfordert. Es ist fast unmöglich, über die ganze Bandbreite der meist komplexen Geschäfte einigermassen den Überblick zu haben. Auch die fleissigsten und klügsten Politiker stossen irgendwann an eine Grenze. Das eröffnet eine Chance für Lobbyisten — einfach, weil der Parlamentarier froh ist, dass jemand Hilfestellung bietet.» Seiner Meinung nach profitiert aber am stärksten die Verwaltung von dieser Schwäche: «Sie hat die personellen Ressourcen, um die Sachgeschäfte zu beherrschen. Sie kann relativ ungestört die Strippen ziehen.»

7 — Allein in Europa

Vielleicht denkst du, die Schweizer Demokratie ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Aber du weisst ja, dass perfekte Demokratien nicht existieren. Politikfinanzierung ist kein spezifisch schweizerisches Problem. Auch in anderen Ländern nimmt Geld im öffentlichen Leben einen wichtigen Platz ein. Und häufig einen ungebührlichen. Haben sich nicht in vielen Ländern gewaltige Skandale ereignet? Die Schwarzgeld-Affäre in Deutschland, die ein politisches Erdbeben auslöste und Helmut Kohl den Ehrenvorsitz der CDU kostete?

Gab es nicht die Elf-Aquitaine-Affäre in Frankreich, wo einer unerschrockenen Untersuchungsrichterin der Beweis gelang, dass ein Ölkonzern 300 Millionen Euro für politische Begünstigungen investiert hatte, unter anderem, um dem damaligen Aussenminister Roland Dumas eine kostspielige Geliebte zu finanzieren?
Ist nicht die erste Amtszeit von Tony Blair beinahe daran gescheitert, dass die Labour-Partei von Motorsport-Veranstaltern eine Million Pfund an Spenden erhielt — und dann dafür sorgte, dass bei Formel-1-Rennen Zigarettenwerbung erlaubt blieb?
Nur in der Schweiz gab es noch nie einen richtigen Parteispendenskandal. Gelegentlich hörst du das Argument, darin zeige sich die Überlegenheit des helvetischen Systems.

Ist das nicht Zynismus? In der Schweiz gibt es keine Spendenskandale, weil das Kaufen politischer Entscheide nicht verboten ist. Kein Untersuchungsrichter kann Untersuchungen anstellen. Keine Partei muss sich in die Bücher schauen lassen. Was im Ausland zu politischen Verwerfungen führt, wird von unserem Rechtssystem geschützt.

Die Schweiz ist tatsächlich ein Sonderfall. Nur bei uns ist Politikfinanzierung praktisch unreguliert. Zwar müssen Parlamentarier ihre Interessenbindungen deklarieren, aber die Höhe der Bezüge bleibt geheim. Völlig im Dunkeln bleiben zudem alle Anwaltsmandate, Beratungsverträge und sonstigen Formen der indirekten Bezahlung von guten Diensten.

In den meisten Demokratien sind in den letzten Jahrzehnten Massnahmen ergriffen worden, damit finanzstarke Gruppierungen es schwerer haben, politische Entscheide zu beeinflussen. Das zentrale Kriterium ist überall die Transparenz. Zu den letzten europäischen Ländern, welche die Offenlegung zur Pflicht machten, gehören die Niederlande und Grossbritannien. So müssen seit dem Jahr 2000 alle britischen Parteispenden offengelegt werden. Trotzdem kommen die Briten, die auf eine stolze liberale Tradition zurückblicken, mit geringer staatlicher Politikfinanzierung aus. Pro Kopf liegt sie wesentlich tiefer als der Betrag, den jeder Schweizer Steuerzahler für die Fraktionsbeiträge zu berappen hat. Transparenz und eine minimale staatliche Parteienfinanzierung lassen sich also durchaus verbinden.
Die Schweizer Politikfinanzierung wird im Ausland heute als Relikt angesehen. Die OSZE, deren Mitglied die Schweiz bekanntlich ist, hält in ihrem Bericht zu den Parlamentswahlen 2007 fest, dass die hiesigen Offenlegungspflichten ungenügend seien. Der Global Corruption Report der Uno von 2004 vermerkt trocken, dass die Schweiz bezüglich der Transparenzregeln für die Politikfinanzierung auf einer Stufe stehe mit Albanien, den Bahamas und Sri Lanka.

Schweizer Politiker sind weder bessere noch schlechtere Menschen als die Politiker anderer Länder. Das weisst du natürlich, und du bist auch gerne bereit zu glauben, dass sich viele nach bestem Wissen und Gewissen darum bemühen, den Wählerauftrag umzusetzen. Trotzdem nimmt das Ansehen unserer Volksvertreter ab. Trotzdem leiden die Politiker an einem Autoritätsverlust. Der Korruptionsverdacht zersetzt die Glaubwürdigkeit unseres Systems.

Mittwoch, Februar 10, 2010

Funny Clips

Pet Hospital...


Vegetarianism


Message in a Fruit

Dienstag, Februar 09, 2010

Kommunikation unter Kriminellen - Auftragskiller inserieren nicht

Kommunikation unter Kriminellen
Auftragskiller inserieren nicht

Von Jürgen Kaube

06. Februar 2010 Manche sind Verbrecher von Beruf. Sie bewerben sich, durchlaufen eine Art Ausbildung, machen Karrieren, besitzen Klienten, deren Problem sie lösen, etwa durch Beschaffung von Rauschgift, oder sie machen ihnen ein Dienstleistungsangebot, das seine eigene Nachfrage schafft, weil es nicht abgelehnt werden kann. Sie haben allgemeine Geschäftsbedingungen, eigene Betriebswirte und eine Rechtsabteilung, sie pflegen ein Berufsethos, Beziehungen zu anderen Firmen derselben Branche und eine Unternehmenskultur. Dennoch fehlt seit Edwin Sutherlands Reportage mit dem schönen Titel „The Professional Thief. By a Professional Thief“ von 1937 eine gute Berufssoziologie der Kriminellen.

Das Buch des Oxforder Soziologen Diego Gambetta über Kommunikation unter Gangstern ist ein brillanter Beitrag zu einer solchen Soziologie. Gambetta hat Dutzende von Autobiographien, ethnologischen Studien und Berichten der Ermittlungsorgane über das organisierte Verbrechen, vor allem in Nordamerika, Italien und Japan, studiert. Das Standardwerk über die sizilianische Mafia stammt von ihm, und.....


FAZ Online 06.02.2010
Kommunikation unter Kriminellen
Auftragskiller inserieren nicht


Von Jürgen Kaube

06. Februar 2010 Manche sind Verbrecher von Beruf. Sie bewerben sich, durchlaufen eine Art Ausbildung, machen Karrieren, besitzen Klienten, deren Problem sie lösen, etwa durch Beschaffung von Rauschgift, oder sie machen ihnen ein Dienstleistungsangebot, das seine eigene Nachfrage schafft, weil es nicht abgelehnt werden kann. Sie haben allgemeine Geschäftsbedingungen, eigene Betriebswirte und eine Rechtsabteilung, sie pflegen ein Berufsethos, Beziehungen zu anderen Firmen derselben Branche und eine Unternehmenskultur. Dennoch fehlt seit Edwin Sutherlands Reportage mit dem schönen Titel „The Professional Thief. By a Professional Thief“ von 1937 eine gute Berufssoziologie der Kriminellen.

Das Buch des Oxforder Soziologen Diego Gambetta über Kommunikation unter Gangstern ist ein brillanter Beitrag zu einer solchen Soziologie. Gambetta hat Dutzende von Autobiographien, ethnologischen Studien und Berichten der Ermittlungsorgane über das organisierte Verbrechen, vor allem in Nordamerika, Italien und Japan, studiert. Das Standardwerk über die sizilianische Mafia stammt von ihm, und auf seiner Website findet man eine umfassende Datenbank mit den Aussagen ehemaliger Mafiosi. Aus all diesen Materialien geht für ihn das Grundproblem des kriminellen Geschäftslebens hervor: dass es auf riskanter Kommunikation beruht, auf Mitteilung, die mit Geheimhaltung, also dem Gegenteil von Kommunikation, kombiniert werden muss. Kriminelle sind Geschäftsleute, die ein besonderes Marketingproblem haben, ein Kundenfindungsproblem, ein Personalrekrutierungsproblem.

Theorie krimineller Signale

Wie findet man etwa Kunden, die sich für gestohlenes Uran interessieren? Als 1991 eine Kanadierin aus den „Gelben Seiten“ die Adresse der Firma „Guns for Hire“ gefunden hatte und anrief, ob man nicht ihren Mann beseitigen könne, musste sie erfahren, dass der Laden auf Western Shows spezialisiert war, und wurde verhaftet. Auftragsmörder inserieren nicht. Aber was machen sie stattdessen? Gambetta entwickelt eine Theorie krimineller Signale, die zwei Kriterien erfüllen müssen: Sie sollten nur von denen verstanden werden, für die sie gemeint sind, und sie sollten nur von echten Kriminellen gesendet werden können.

Das fängt bei den Geschäftsräumen an. Schon sie wirken selektiv und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, unter sich zu sein. Verbrecher pflegen sich an Orten aufzuhalten, die andere Leute eher meiden: heruntergekommene Gegenden, ethnisch homogene Milieus, bestimmte Bars, Boxstudios, Klubs, die voll sind, während die normale Bevölkerung arbeitet oder schläft. Die Gang in den „Sopranos“, der Fernsehserie, die wie eine Verfilmung von Gambettas Buch wirkt, sitzt etwa ständig vor einer Metzgerei und in einem Strip-Lokal herum und macht nicht den Eindruck, als könne man sich dazusetzen.

Aufbau einer kriminellen Organisation

Doch wie erkennen Mafiosi, dass unter denen, die sich trotzdem dazusetzen, keine verdeckten Polizisten sind? Dabei hilft ihnen, so Gambetta, der Staat. Denn die Gefängnisse sorgen nicht nur dafür, dass sie einander kennenlernen. Eine Gefängnisbiographie zu haben, ist auch eines der verlässlichsten Signale dafür, es mit dem Verbrechen als Beruf ernst zu nehmen. Die Kosten eines längeren Aufenthaltes im Knast dürften für die meisten verdeckten Ermittler zu hoch sein. Nur für jemanden, der länger einsaß, so ein schwedischer Berufsdieb, sei es problemlos, einen Hehler zu finden. Und ob jemand länger einsaß, ist im Verbrechernetzwerk schnell überprüft. Das Verurteiltwerden stellt insofern für Gangster auch einen Karrieresprung dar.

Allerdings ist die Identifikation anderer Verbrecher nur die halbe Miete beim Aufbau einer kriminellen Organisation. Das zweite große Kommunikationsproblem der Gangster ist, wie sie einander trauen sollen. Und sie können, wenn einer ihrer Mitverbrecher sie hintergeht, ja auch schlecht die Polizei rufen. Gewaltandrohung allein, so Gambetta, ist zu wenig, weil sie das Vertrauensproblem nur einseitig löst: Wer glaubhaft drohen kann, dass er Betrug sanktionieren wird, von dem steht zu befürchten, dass er Gewalt auch einsetzt, um andere betrügen zu können. Stabile Kooperation kommt auf diese Weise nicht zustande.

Dummheit hilft


Was also kann ein Verbrecher tun, um anderen Verbrechern glaubwürdig zu erscheinen? Er kann signalisieren, dass sein Vertrauensbruch ganz unwahrscheinlich ist. Aus südafrikanischen Gefängnissen ist die Praxis der Gesichtstätowierung bekannt: Verbrecher zeichnen sich selbst und zeigen anderen dadurch, dass sie auf die Welt des Verbrechens angewiesen sind, weil sie als Gezeichnete eine andere Karriere gar nicht machen können. Die abgeschnittenen Finger der japanischen Yakuza sind eine analoge Praxis der Selbstbindung. Sie allerdings hat den Nachteil, dass nun die ganze Welt sehen kann, um wen es sich handelt. Besser ist da schon die Selbstbindung durch den Austausch kompromittierender Informationen. Korruption funktioniert, weil beide voneinander wissen, dass sie es sind. Als Antonino Cassarà, die rechte Hand von Richter Giovanni Falcone, 1985 ermordet wurde, waren daran neun Abgesandte fast aller Mafiafamilien beteiligt.

Ein genauso gutes Signal, meint Gambetta, ist Dummheit. Wer glaubhaft unfähig ist, andere als die verbrecherischen Tätigkeiten auszuüben, zeigt seine Verlässlichkeit. Gambetta ist auf diesen Gedanken beim Studium des italienischen Universitätssystems gekommen, aber er gelte auch für das Aufstellen von politischen Wahllisten: Inkompetenz signalisiert Loyalität, nach dem Motto: „Ich werde nicht weglaufen, denn, schau, ich habe gar keine Beine.“ So sei es für Mitglieder der Mafia typisch, dass sie sich ganz auf das Erpressen spezialisiert haben, aber die Geschäfte, von denen sie leben, selbst nie betreiben. Joseph Pistone, der unter dem Decknamen „Donnie Brasco“ Ermittlungsgeschichte geschrieben hat, gab zu Protokoll, dass manche der Mafiosi nicht einmal in der Lage waren, sich selbst einen Flug zu buchen. Von 114 sizilianischen Bossen konnte in den großen Mafiaprozessen der achtziger Jahre nur für vierzig ein offizieller Beruf ermittelt werden. Hinzu kommt, dass Mafiosi sich selbst nicht als Geschäftsleute darstellen. Respekt, nicht Geld, sagen sie, sei das, worum es ihnen gehe. Sie pflegen keinen aufwendigen Lebensstil, Ahnungslose, so Gambetta, würden sie für Bauern halten: wortkarg, schlicht, emotionsarm. Zu viel Interesse an irgendetwas würde nur als Schwäche und eventuelles Motiv für illoyales Verhalten ausgelegt.

Reputation und Vertrauenssicherung

Was hingegen Stärke signalisiert, geht aus Gambettas Kapiteln über Gefängnisse hervor. Hier beobachtet er einen ständigen, scheinbar anlasslosen Einsatz von Gewalt, die aber dazu dient, in einer Art Turnier Hierarchien zu etablieren. Am schlimmsten geht es darum in Gefängnissen zu, in denen die Insassen sich noch nicht kennen, etwa unter jungen Gefangenen und unter Frauen, die typischerweise eine kürzere kriminelle Vorgeschichte haben als Männer. Doch auch Selbstverstümmelung ist eine Praxis, Härte und auch jene Unberechenbarkeit zu signalisieren, die zum Geschäftsmodell von Gewaltberufen gehört. In Robert Altmans Film „Der Tod kennt keine Wiederkehr“ schlägt ein Gangster seine Freundin mit einer Sodaflasche, um den Detektiv anzuschnauzen: „Wenn ich das jemandem antue, den ich liebe, was mache ich dann wohl mit dir?“

Man kann die Beispiele dafür, wie Gambetta die ökonomische Theorie der Signale, des Aufbaus von Reputation und der Vertrauenssicherung nutzt, um kriminelles Verhalten zu deuten, beliebig mehren. Weshalb so viele, aber nicht alle Gangster Spitznamen haben, woher der Name „Mafia“ selber kommt (aus einem Theaterstück) und warum er in „Der Pate“ nicht ein einziges Mal fällt, erklärt das Buch ebenso wie die Markenzeichen auf Herointütchen in New York. Das letzte Kapitel schließlich handelt vom Beitrag des Kinos zur Selbstfindung der Mafia, davon also, wie das Unterweltleben die Kunst nachahmt. Gambettas These ist hier, dass Mafiafilme die Mafia mit einem ganzen Vokabular leicht verstehbarer Symbole versorgt haben. Als er selbst 1987 in Palermo forschte, war eines Tages ein Pikbube unter seiner Hoteltür hindurchgeschoben worden. Gambetta verstand nicht, was das bedeutete, und hielt für einen Kinderstreich, was sich als Drohung der Mafia erwies. Mafiafilme, so sein Schluss, hätten ein unmissverständliches Zeichensystem verbreitet. Als Carmelo di Caro, ein Hafenarbeiter in Palermo, im Mai 2001 einen Pferdekopf in seinem Auto fand, hatte er kein Deutungsproblem.

Diego Gambetta: „Codes of the Underworld. How Criminals Communicate“. Princeton University Press 2009, 336 Seiten, 35 Dollar

Text: F.A.Z.