Donnerstag, März 04, 2010

Wer zu spät kommt, dem fehlt es an Stil

Tages Anzeiger 02.03.2010

Wer zu spät kommt, dem fehlt es an Stil
Von Bettina Weber.

Die wichtigste Frau der Mode ist nie zu spät. Anna Wintour, Chefredaktorin der US-«Vogue», sitzt jeweils pünktlich auf ihrem Platz in der ersten Reihe und wartet mit unbeweglicher Miene auf den Beginn der Fashion-Show. Der verzögert sich in der Regel um mindestens eine halbe Stunde, hauptsächlich deswegen, weil die vom Designer extra zu diesem Zweck eingeflogene Prominenz zu spät kommt. Meist handelt es sich dabei um Schauspielerinnen und Popstars von Weltformat, oft aber auch um Starlets der mittleren bis unteren Chargen. Beiden gemeinsam ist, dass sie zu spät kommen, weil sie sich für wichtig halten. Beziehungsweise: Sie denken, dass ihr Zuspätkommen ihre Wichtigkeit unterstreichen würde. Sie speziell mache. Extraordinär. Man ist schliesslich jemand und kann sich da nicht um solche Nebensächlichkeiten wie Pünktlichkeit kümmern.

Dieses Denken ist salonfähig geworden. Und Unpünktlichkeit zu einer Art Tugend. Es gilt als chic, überall mit Verspätung zu erscheinen, denn pünktlich sind ja nur die Biedermänner, die Buchhalter und Kleinkrämer. Der hippe Mensch hingegen, der ist da toleranter. Der sagt geradeheraus, ich bin immer zu spät, und hält das für total bohémien und sich selbst für wahnsinnig locker und lässig. Dies ist nun aber ein schwerer Irrtum. Zu spät zu kommen, zeugt nicht von Wichtigkeit. Und schon gar nicht von Coolness oder von Weltgewandtheit. Sondern bloss von fehlendem Stil. Von fehlender Höflichkeit. Von fehlendem Respekt. Und von einer schlechten Erziehung. Solche Menschen halten sich beim Gähnen die Hand nicht vor den Mund. Und sind eben gerade das, was sie so gar nicht sein wollen: provinziell. .........



Tages Anzeiger 02.03.2010
Wer zu spät kommt, dem fehlt es an Stil
Von Bettina Weber.

Die wichtigste Frau der Mode ist nie zu spät. Anna Wintour, Chefredaktorin der US-«Vogue», sitzt jeweils pünktlich auf ihrem Platz in der ersten Reihe und wartet mit unbeweglicher Miene auf den Beginn der Fashion-Show. Der verzögert sich in der Regel um mindestens eine halbe Stunde, hauptsächlich deswegen, weil die vom Designer extra zu diesem Zweck eingeflogene Prominenz zu spät kommt. Meist handelt es sich dabei um Schauspielerinnen und Popstars von Weltformat, oft aber auch um Starlets der mittleren bis unteren Chargen. Beiden gemeinsam ist, dass sie zu spät kommen, weil sie sich für wichtig halten. Beziehungsweise: Sie denken, dass ihr Zuspätkommen ihre Wichtigkeit unterstreichen würde. Sie speziell mache. Extraordinär. Man ist schliesslich jemand und kann sich da nicht um solche Nebensächlichkeiten wie Pünktlichkeit kümmern.

Dieses Denken ist salonfähig geworden. Und Unpünktlichkeit zu einer Art Tugend. Es gilt als chic, überall mit Verspätung zu erscheinen, denn pünktlich sind ja nur die Biedermänner, die Buchhalter und Kleinkrämer. Der hippe Mensch hingegen, der ist da toleranter. Der sagt geradeheraus, ich bin immer zu spät, und hält das für total bohémien und sich selbst für wahnsinnig locker und lässig. Dies ist nun aber ein schwerer Irrtum. Zu spät zu kommen, zeugt nicht von Wichtigkeit. Und schon gar nicht von Coolness oder von Weltgewandtheit. Sondern bloss von fehlendem Stil. Von fehlender Höflichkeit. Von fehlendem Respekt. Und von einer schlechten Erziehung. Solche Menschen halten sich beim Gähnen die Hand nicht vor den Mund. Und sind eben gerade das, was sie so gar nicht sein wollen: provinziell.

Banale Entschuldigungen

Das Handy hat die Situation drastisch verschlimmert. Nichts ist mehr verbindlich, sondern alles fliessend, ewig provisorisch, auch eine genaue Zeitangabe wird so zur Manövriermasse, zu einem Zirka. Und so piept dann zur verabredeten Zeit verlässlich das Handy mit dem gewohnten SMS «13 min!», wobei mich besonders die Zahlenangabe irritiert, denn wie kann jemand, der ganz offenbar Mühe hat mit dem Lesen der Uhr, seine Ankunft auf dreizehn Minuten genau angeben?

Wobei es ja die leichteren Fälle unter den notorisch Verspäteten sind, die sich per SMS dafür entschuldigen. Weitaus schlimmer sind Fall 2 und Fall 3: Fall 2 erscheint gestikulierend und schildert wortreich, weshalb es zur halbstündigen Verspätung gekommen ist. Meist ist die Geschichte sehr banal (das Tram ist mir vor der Nase abgefahren) oder sehr bizarr (mir fiel ein Bundesordner auf den Kopf). Fall 3 hingegen erscheint und tut, wie wenn nichts wäre. Fall 3 hat es nicht nötig, sich zu entschuldigen, und nicht einmal, sein Zuspätkommen mit einer amüsanten Anekdote wiedergutzumachen. Fall 3 ist überzeugt, dass allein seine Präsenz das Gegenüber vor Ergriffenheit erstarren und ihm seine Nachlässigkeit verzeihen lässt.

Bei Fall 3 handelt es sich interessanterweise oft um Frauen. Das scheint daran zu liegen, dass Frauen noch immer denken, es mache sich irgendwie gut, einen Mann warten zu lassen, weil sich dessen Begehren dann quasi ins Unermessliche steigere. Abgesehen davon, dass ich das als Mann für durchschaubares KleinmädchenDenken und die Frau damit für komplett uninteressant halten würde: Geschlechtsgenossinnen aus dieser Haltung heraus warten zu lassen, funktioniert erst recht nicht. Die «plangen» da mitnichten glühend vor Verlangen, sondern bekommen irgendwann einfach schlechte Laune.

An den Modeschauen ist es so, dass die Show irgendwann doch beginnt, selbst wenn die Prominenz noch nicht vollzählig eingetrudelt ist. Das musste Janet Jackson vor ein paar Jahren bei einer Dior-Show erfahren, als sie mitsamt Entourage derart zu spät kam, dass ihr der Zutritt verwehrt wurde. Es war ziemlich uncool, wie sie dann dastand und nicht hineindurfte und die Wirkung des vermeintlich grossen Auftritts einfach so verpuffte, weil ihr stattdessen vor aller Augen demonstriert wurde, wie kolossal unwichtig sie letzten Endes ist. (Tages-Anzeiger)

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