Tages Anzeiger Online
Wirtschaft
Agrarland als Machtfaktor
Von Robert Mayer.
Vor allem Chinesen und Araber sind darauf aus, Ländereien in Entwicklungsländern zu erwerben. Und das hat Folgen – allerdings nicht nur negative.
Auf grossen Flächen lassen sich grosse Erträge erwirtschaften: Agrarland wird weltweit zum begehrten Gut.
Die Bilder sind noch in Erinnerung: Wut und Verzweiflung vieler Menschen wegen der rasant gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis, Weizen, Hirse und Mais entluden sich im Sommer letzten Jahres von Ägypten bis Haiti in Revolten. Die damalige Nahrungsmittelkrise hat jedoch auch andernorts aufgerüttelt: Saudiarabien, die Golfstaaten, China oder Südkorea, die ihre Bevölkerung nicht mit eigener Agrarproduktion versorgen können, mussten unvermittelt erkennen, wie trügerisch ihre Ernährungssicherheit ist. Ihnen machten weniger die Preissteigerungen zu schaffen, verfügen sie doch allesamt über komfortable Devisenreserven. Aufgeschreckt wurden sie vielmehr durch einseitig verhängte Handelsrestriktionen von wichtigen Agrarexporteuren, wie Indien (im Fall von Reis), der Ukraine (Weizen) oder Argentinien (Soja).
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Agrarland als Machtfaktor
Von Robert Mayer.
Vor allem Chinesen und Araber sind darauf aus, Ländereien in Entwicklungsländern zu erwerben. Und das hat Folgen – allerdings nicht nur negative.
Auf grossen Flächen lassen sich grosse Erträge erwirtschaften: Agrarland wird weltweit zum begehrten Gut.
Die Bilder sind noch in Erinnerung: Wut und Verzweiflung vieler Menschen wegen der rasant gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis, Weizen, Hirse und Mais entluden sich im Sommer letzten Jahres von Ägypten bis Haiti in Revolten. Die damalige Nahrungsmittelkrise hat jedoch auch andernorts aufgerüttelt: Saudiarabien, die Golfstaaten, China oder Südkorea, die ihre Bevölkerung nicht mit eigener Agrarproduktion versorgen können, mussten unvermittelt erkennen, wie trügerisch ihre Ernährungssicherheit ist. Ihnen machten weniger die Preissteigerungen zu schaffen, verfügen sie doch allesamt über komfortable Devisenreserven. Aufgeschreckt wurden sie vielmehr durch einseitig verhängte Handelsrestriktionen von wichtigen Agrarexporteuren, wie Indien (im Fall von Reis), der Ukraine (Weizen) oder Argentinien (Soja).
Transaktionen mit politischer Brisanz
Um ihre Ernährungsbasis zu erweitern und die Abhängigkeit von schwankungsanfälligen Weltmarktpreisen und Importen zu verringern, haben Araber und Asiaten begonnen, fruchtbares Agrarland in der Dritten Welt in grossem Stil zu kaufen oder zu pachten. Dies in der Absicht, die Ländereien zu kultivieren und die dabei erzielten Erträge (grösstenteils) zur Versorgung ihrer eigenen Bevölkerung zu exportieren. Die politische Brisanz solcher Landabtretungen wurde einer breiteren Weltöffentlichkeit spätestens im vergangenen März auf Madagaskar vor Augen geführt: Die dortige Regierung stürzte nicht zuletzt wegen ihres Vorhabens, 1,3 Millionen Hektar fruchtbares Agrarland – was etwa der Hälfte der Fläche Belgiens entspricht – an die südkoreanische Daewoo Logistics zu verpachten.
Ein am Montag veröffentlichter Bericht unter dem Titel «Land Grab or Development Opportunity», an dem unter anderem die Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) und das britische International Institute for Environment and Development mitgewirkt haben, beschäftigt sich erstmals vertieft mit diesem neueren Phänomen.
Im Fokus stehen dabei die fünf afrikanischen Länder Äthiopien, Ghana, Mali, Madagaskar und Sudan – und dort sind laut dem Report in den vergangenen fünf Jahren nicht weniger als 2,5 Millionen Hektar Land an ausländische Investoren abgetreten worden – eine Fläche, die beinahe dem Neunfachen der Schweiz entspricht. Die Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu geniessen, wie der Bericht einräumt, weil sich die Erhebungen ziemlich schwierig gestalten. Der in den letzten Jahren zu verzeichnende deutliche Anstieg der Auslandsinvestitionen in den besagten Ländern mag aber als Fingerzeig für die rasant zunehmenen Engagements in Landbesitz dienen.
Der Landverkauf bringt auch Vorteile
Der Report äussert sich keineswegs nur negativ zu den Landübereignungen. Tatsächlich können auf diesem Weg in Entwicklungsländern dringend benötigte Investitionen in den Agrarsektor und in die Infrastruktur von ländlichen Räumen angeschoben werden, die auch neue Arbeitsplätze schaffen. Entscheidend sind jedoch die im Einzelfall ausgehandelten Vertragsbedingungen. Sie sollen beispielsweise gewährleisten, dass Kosten und Gewinne zwischen Landgebern und -nehmern fair aufgeteilt werden, dass insbesondere die unmittelbar betroffene Landbevölkerung ihre Rechte wahrnehmen kann und nötigenfalls auch entschädigt wird.
Da sind indes Zweifel angebracht: Zum einen weil die vertraglichen Konditionen bei Landabtretungen kaum je offengelegt werden, zum andern weil die Bauern oft kein verbrieftes Eigentum an ihrem Land haben. Im Fall der fünf afrikanischen Länder bemängelt der Bericht, dass die meisten der darin dokumentierten Landtransaktionen, wenn überhaupt, nur mit geringen Kosten für die neuen Besitzer verbunden gewesen seien.
Studienautoren bestätigt
Umgekehrt seien die Afrikaner mit höchst vagen Versprechungen hinsichtlich der Schaffung neuer Jobs und der Entwicklung ihrer lokalen Infrastruktur abgespeist worden. Die Studienautoren sehen sich durch diese Missstände bestätigt in ihrer Forderung nach einem international akzeptierten Kodex zur Durchführung von Landabtretungen. (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 25.05.2009, 22:27 Uhr
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