Donnerstag, Juni 25, 2009

NZZ: Hans Vontobel - «Wir müssen uns wieder zu anderen Werten bekennen»

24. Juni 2009, Neue Zürcher Zeitung
«Wir müssen uns wieder zu anderen Werten bekennen»
Ein Gespräch mit dem 93-jährigen Doyen der Schweizer Banken, Hans Vontobel
Hans Vontobel, seit 1991 Ehrenpräsident der Vontobel Holding.

Hans Vontobel, Ehrenpräsident der Vontobel Holding, spricht im Interview mit der NZZ über Krisen, staatliche Hilfe, Regulierung und die Situation der Banken. Er hält neue Werte für nötig und sieht die freie Marktwirtschaft gefährdet, wenn diese nicht gefunden werden. Ausserdem beurteilt er die Aufweichung des Bankgeheimnisses als schmerzlich, aber nicht entscheidend.

Interview: Beat Brenner, Gerhard Schwarz



24. Juni 2009, Neue Zürcher Zeitung
«Wir müssen uns wieder zu anderen Werten bekennen»
Ein Gespräch mit dem 93-jährigen Doyen der Schweizer Banken, Hans Vontobel
Hans Vontobel, seit 1991 Ehrenpräsident der Vontobel Holding.


Hans Vontobel, Ehrenpräsident der Vontobel Holding, spricht im Interview mit der NZZ über Krisen, staatliche Hilfe, Regulierung und die Situation der Banken. Er hält neue Werte für nötig und sieht die freie Marktwirtschaft gefährdet, wenn diese nicht gefunden werden. Ausserdem beurteilt er die Aufweichung des Bankgeheimnisses als schmerzlich, aber nicht entscheidend.

Interview: Beat Brenner, Gerhard Schwarz

Herr Vontobel, alle sprechen von der grössten Krise seit der Grossen Depression der dreissiger Jahre. Wie haben Sie dieses Desaster erlebt?
Hans Vontobel: Seit ich im Geschäft bin, habe ich acht Krisen erlebt. Am meisten Befürchtungen hegte ich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch diese Krise ist nicht eingetreten. Damals rechneten wir mit einer grossen Weltwirtschaftskrise. Die Industrie hatte grosse Kassenbestände. Bei Saurer etwa entsprach die Kassenhaltung ungefähr der Börsenkapitalisierung. Doch dank Wiederaufbau, Marshall-Plan usw. ist die Krise ausgeblieben.

Wie viele dieser acht Krisen haben Sie erwartet oder ein bisschen vorausgesehen?
Erwartet wurde von mir die Krise von 1962. Ich war Präsident der damaligen Zürcher Effektenbörse. Der Börsenvorstand gab zuhanden der Öffentlichkeit eine Warnung aus. Das wurde übel aufgenommen, es sei nicht unsere Aufgabe, zu warnen, wir hätten für Geschäfte zu sorgen. Wenig später brach die Krise aus. Die Krise, in der wir uns jetzt befinden, habe ich im Herbst 2007 erahnt. Allerdings habe ich den Grundsatz, nie zu sagen, «ich habe gesagt». Das nützt gar nichts. Zwar haben alle Krisen Gemeinsamkeiten. Aber diese Krise ist in ihrer Schwere, ihrem Umfang und ihren Ursachen ganz besonders.

Inwiefern?
Wir glaubten, wir könnten die Welt beherrschen, wir seien technisch so weit fortgeschritten, dass wir die Zahlen sozusagen im Griff hätten. Aber es kommt nicht nur auf die Zahlen an, es kommt auf den Menschen an. Für mich ist eine Konklusion aus dieser Krise, dass den Menschen wieder erhöhte Bedeutung beigemessen werden muss. Wir sollten uns im Klaren sein: Wir kommen aus diesem Schlamassel langfristig nur heraus, wenn wir uns wieder zu anderen Werten bekennen.

Das ist Ihr Credo, seit wir Sie kennen: Werte sind wichtig. Hat diese Krise bei Ihnen aber auch dazu geführt, dass Sie Ihr Weltbild korrigieren mussten?
Ich fühle mich in dieser Welt als Teil des Ganzen. Ich fühle mich sozial eingebunden, so war es vorher, so ist es jetzt, so wird es in Zukunft sein. Ich versuche, zu verstehen, wo wir wertemässig stehen und ob es ein Herauskommen aus Irr-Werten gibt. Wir befinden uns in einem ständigen Wertewandel; oft realisieren wir das erst später.
Wir sind doch in die Krise geraten, weil wir, auch die Jungen, gegen Werte wie Bescheidenheit, Masshalten und langfristiges Denken verstossen haben.
Man kann, wenn man gute Werte verliert, dafür neue gute Werte finden. Das ist eine Hoffnung. Wenn wir nicht zu neuen Werten kommen, werden wir unsere freie Marktwirtschaft, an die ich immer noch glaube, verlieren. Dann können wir zusammenpacken. Ich befürchte, dass wir in fünf Jahren wieder da sein werden, wo wir heute sind, wenn wir aus der Krise nicht wenigstens einige grundlegende Konsequenzen ziehen. Ich zweifle nicht, dass wir in den nächsten Monaten auf verschiedensten Gebieten der Wirtschaft, auch im Banksektor, eine Belebung haben werden. Aber werden wir Konsequenzen ziehen? Werden wir versuchen, uns zu neuen Werten zu bekennen? Das ist ein Prozess, der sich über Jahre hinzieht, und ich muss zuversichtlich sein.

Fanden Sie es richtig, dass man in der Schweiz die UBS mit staatlicher Hilfe gerettet hat? Oder wären Sie eher für eine schmerzhafte Strukturbereinigung gewesen?
Die grundsätzliche Frage lautet: Kann ein Staat, der sich der Allgemeinheit verpflichtet fühlt, in einer gigantischen Krise tolerieren, dass das grösste Unternehmen des Finanzsektors in Konkurs geht. Wir haben in der Schweiz die Antwort darauf bereits gegeben. Es gibt aber eine zweite, davon abhängige Frage. Sollen wir die Grösse der Dienstleistungsunternehmen irgendwie beschränken? Die grossen Industriekonzerne werden weiterbestehen. Sie wollen Gesprächspartner haben, mit denen sie auf Augenhöhe verkehren können. Vielleicht könnte dieses Problem gelöst werden, wenn im Kreditwesen vermehrt Konsortialgeschäfte zum Zug kämen.

Was halten Sie davon, Banken nicht nur in ihrem Wachstum, sondern auch mit Blick auf ihre Tätigkeit zu beschränken? Das Trenn-Banken-System hat in den USA ja nicht so schlecht funktioniert.
Da muss ich dazu sagen: Das ist nicht machbar. Am Schluss hat es eben nicht mehr funktioniert, was zu einem erheblichen Teil mit menschlichem Versagen zusammenhing. Ohne Universalbanken ist das Problem nicht lösbar. Ich spreche aus vieljähriger Praxis. Es gibt keine andere Lösung. Aber lassen Sie mich kurz auf einen anderen Punkt eingehen: Ich versuche den Überlegungen immer etwas von meiner Lebensphilosophie beizumischen. Was suchen wir in der kurzen Zeit, in der wir auf Erden sind? Wir suchen ein bisschen Glück! Was ist Glück? Glück ist sicher nicht Geld. Mehr zu haben als das, was man braucht, wenn man krank oder alt ist, ist doch nicht Glück. Und wenn man immer mehr Geld hat, ist man sicher nicht glücklicher. Ist es nicht möglich, dass der westliche Mensch zu dieser Einsicht kommt, dass Glück etwas anderes ist? Ich bin vor Jahren in einer Fernsehsendung gefragt worden: «Macht Geld glücklich?» – «Nein», habe ich gesagt. «Was ist denn Glück für Sie?» – «Wenn ich auf einer Wanderung irgendwo am Waldrand sitze, alleine, es ist ruhig, ich blicke ins Tal, es ist neblig, man hört von Weitem eine Glocke. Das ist für mich Glück!»

Man kann einwenden, es sei für Sie leicht zu behaupten, Geld mache nicht glücklich. Doch der Arbeiter, der die gleiche Wanderung macht, schlägt sich vielleicht mit Sorgen über die nächste Leasing-Rate herum. Geld macht nicht glücklich, aber das Fehlen von Geld kann unglücklich machen.
Völlig einverstanden. Doch viele haben mehr als genügend Geld. Ihnen sollte es erleichtert werden, das Geld sinnvoll auszugeben. Das führt mich zum Stiftungsrecht. Vor Jahren habe ich Anstrengungen unternommen, es zu modernisieren. Nach einigen Jahren wurde das Ziel auf Bundesebene erreicht. Allerdings ist das Stiftungsrecht noch nicht dort, wo ich es haben möchte. Man sollte es noch liberaler gestalten. So soll ein Stifter unter gewissen Voraussetzungen, während einer Anzahl von Jahren das Geld zurückrufen können – mit allen steuerlichen Nachteilen. Das wäre viel besser als die derzeitige Situation, in der das nicht möglich ist und daher der typische Schweizer gar nicht erst eine Stiftung gründet. Man muss lernen, im Wohlstand sinnvoll zu leben.

Wenn wir zurückkommen zu den jüngsten Staatsinterventionen: Wohin führen sie? Befürchten Sie nicht auch Steuererhöhungen und Inflation?
Ich befürchte vor allem, dass das, was sich an neuen Regulierungen und Gesetzen abzeichnet, uns auf Dauer erhalten bleibt. Als überzeugter Marktwirtschafter finde ich, wir sollten uns bemühen, die staatlichen Krücken möglichst rasch wieder abzugeben. Wir sollten den Unternehmen weiterhin ein Maximum an Freiheiten geben. Wir sollten aber auch zugeben, dass Exzesse vorgekommen sind, die in Zukunft vermieden werden sollten. Ich denke an Risiko- und Lohnexzesse.

Man könnte umgekehrt argumentieren, die Wirtschaft habe bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, Exzesse zu vermeiden. Daher brauche es den Staat.
Wir müssen versuchen, aus dem, was passiert ist, die Lehren zu ziehen. Es sind Exzesse vorgekommen. Was können wir tun, um solche künftig zu verhindern? Ich glaube, es wird in den nächsten Jahren ein ständiges Seilziehen zwischen den Unternehmen und dem Staat geben, der möglichst viel auf Dauer regulieren möchte. Wir müssen bereit sein, diesen Kampf mit viel Subtilität und grosser Hartnäckigkeit zu führen. Allerdings hilft es wenig, wenn sich die Banken kaum einsichtig zeigen. Und es braucht den Willen, aus der zusätzlichen staatlichen Überwachung so bald wie möglich wieder auszusteigen. Ganz zurückdrehen kann man das Rad gewiss nicht, gewisse Konsequenzen müssen gezogen werden, im Bewusstsein, dass es immer Lücken geben wird.

Es kommt auf den Menschen an, und da sind wir in den letzten Jahrzehnten bei der Auswahl der Spitzenkräfte offener geworden. Gleichzeitig haben wir vielleicht zu wenig auf den Charakter geschaut. Bis in die achtziger Jahre hinein mussten die obersten Kader der Schweizerischen Kreditanstalt Zürcher und Protestanten sein. Dazu kam ein hoher militärischer Rang. Das Militär, wie wir es früher kannten, gibt es nicht mehr. Man kannte sich, es war eine gewisse Kameraderie vorhanden. Es war ein Netzwerk, das, wie alle Netzwerke, Vor- und Nachteile hatte. Heute arbeitet jeder für sich. Und was man sieht, ist nur das Ergebnis per Ende Jahr oder Quartal. Wir müssen von diesem kurzfristigen Denken wegkommen. Da kann die Presse helfen. Ich bin vor einiger Zeit gefragt worden, was ich noch mache. Ich habe gesagt: «Unter anderem versuche ich mit unseren leitenden Mitarbeitern langfristige Überlegungen anzustellen.»

Sie müssen die treibenden Kräfte für kurzfristiges Denken aber in den eigenen Reihen suchen, unter den Finanzanalytikern.
Ich bin ganz Ihrer Ansicht, es läuft nicht zufriedenstellend. Wenn ich Zeit habe, schaue ich mir die Finanzanalysen vorher an, und zum Teil treffe ich auch die betreffenden Verfasser und stelle ihnen Fragen. Bei der Beurteilung eines Unternehmens kommt es vor allem auf das Management an. Das können viele Analytiker zu wenig beurteilen. Diese Leute werden gedrängt, Produkte zu schaffen, die verkauft werden können. Zu fragen wäre eigentlich: Ist dieses Management langfristig in der Lage, die Firma auch in schwierigen Zeiten zu führen?

Kommen wir auf ein ganz anderes Thema: Gibt es Kulturunterschiede zwischen grossen, mittleren und kleinen Banken?
Ich glaube, eine grosse Bank war zumindest in der Vergangenheit immer eine Welt für sich. Mit ihrem eigenen Stil. Ein Detail: Früher haben sich die Damen des Direktionskaders der Schweizerischen Kreditanstalt regelmässig getroffen. Es war eine gesellschaftliche Lebensweise, gepaart mit dem Bewusstsein der eigenen Sicherheit oder Überlegenheit, das mittleren Banken zwangsläufig abging. Oder eine andere Episode: Vontobel hat viele Jahre für die NZZ die Börsenberichte geschrieben, und in jungen Jahren hatte auch ich diese Aufgabe. An einem Nachmittag, die Abendausgabe der NZZ mit dem Börsenbericht war eben erschienen, erhielt ich ein Telefon. Anrufer war der Verwaltungsratspräsident einer Grossbank, der sagte: «Ich habe in der NZZ Ihren Kommentar gelesen, wonach die Aktien unseres Instituts abgebröckelt seien. Ich sage Ihnen ein für alle Mal, unsere Aktien bröckeln nicht ab.» Das war diese Selbstherrlichkeit der Grossen. Die mittleren Banken waren eher geformt von Persönlichkeiten. Sie waren nicht so gross, dass sie sich Arroganz erlauben konnten.

Welche Folgen hat die Krise für reiche Leute und deren Anlage- bzw. Beratungsbedürfnisse?
Was wir entwickeln sollten, auch auf diesen Stufen, ist eine gewisse Demut. Es gibt Rückschläge, daher ist die Risikoverteilung so wichtig. Wenn man diese pflegt, kommt man längerfristig zwar nicht zu brillanten Resultaten, man liegt immer schlecht und recht zwischen den Extremen, aber es gibt auch keinen Kollaps. Das bedingt eine gute Verteilung zwischen Aktien und Obligationen. Das bedeutet ferner, dass man nur erstklassige Papiere kauft, im Bewusstsein, dass deren Güte über Nacht ändern kann. Es bedeutet, dass man den Mut hat, zu verzichten auf das, was Mode ist. Dass man nur empfiehlt, was Kunden verstehen können. Der Kunde darf nicht an uns glauben. Der Kunde muss sich eine eigene Meinung bilden können.

Der mündige Kunde?
Ich besuche ab und zu Witwen von Freunden. Eine von ihnen sagte mir, sie verstehe zwar nicht mehr, was bei den von uns geführten Depots alles passiere, aber zum Glück sei ihr Sohn da, der mache das sehr gut. Er sei pensioniert und habe jetzt Zeit. Ich habe mir die Unterlagen vorlegen lassen, habe gesehen, dass es im Portefeuille Papiere gibt, die ich selbst nicht beurteilen kann. Ich habe den betreffenden Anlageberater kommen lassen, der sagte, dass er auch meiner Ansicht sei, aber der Bevollmächtigte, der Sohn, sei gekommen und habe gesagt, es müsse Pfeffer in diese Suppe. Das sei zu wenig sportlich. Das Abwägen zwischen Kundenerhalt und Eingehen von Risiken ist ein ewiges Thema. Schon vor dem Crash habe ich für eine Erhöhung des Obligationenanteils auf 45% bis 50% plädiert. Und in der heutigen, ungewissen Zeit erachte ich auch eine Barreserve von mindestens 10% als angebracht.

Es gibt ja viele, die jetzt sagen, mit der Krise werde der Anteil des Finanzsektors an der Volkswirtschaft sinken, das gelte auch für die Bankmargen. Verschärft werde das Ganze durch die Attacken auf das Bankgeheimnis. Teilen Sie diese Auffassung?
Wenn man weiss, wie gross der Anteil der Banken am Bruttoinlandprodukt der Schweiz ist, muss man sich schon fragen, ob das auf Dauer haltbar ist. Sollte nicht ein ausgewogeneres Verhältnis angestrebt werden – sofern wir nicht ohnehin durch die Umstände dazu gezwungen werden? Ich bin aber, was die Entwicklung des Finanzplatzes Schweiz betrifft, insgesamt nicht pessimistisch. Man spricht jetzt viel über das Bankgeheimnis, aber das befand sich schon lange auf dem Rückzug. Die Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer Schachtel Goldvreneli, die sie vor den Russen versteckt hatte, zu uns kam und ein Nummernkonto eröffnete, ist gestorben. Damals herrschte eine andere Einstellung: Man muss das Geld quasi vor dem Feind schützen; dieses Verbergen hat sich lange Zeit erhalten. Die junge Generation denkt anders, zumindest in der Schweiz. Das Nummernkonto, das nicht versteuerte Konto, weicht je länger, je mehr einer neuen Haltung. Die jungen Anleger gehen zu drei, vier Banken, geben ihnen einen bestimmten Betrag, lassen sie arbeiten und schauen auf die Performance. Das ist je länger, je mehr die Haltung der jungen Generation. Die unversteuerten Konti gehen zwangsläufig zurück. – Da ich noch sehr viel reise, stelle ich zudem fest, dass der Ruf der Schweizer Banken insgesamt weiterhin intakt ist.

Woher kommt das?
Das hat nicht nur mit dem Bankgeheimnis zu tun, sondern auch damit, dass wir, gemessen an unserer Tätigkeit, wahrscheinlich erfahrener, zuverlässiger und vielsprachiger sind als die anderen. In den Qualifikationen, die wir im Ausland bekommen, kommt das Bankgeheimnis erst an zweiter oder dritter Stelle. Die Aufweichung des Bankgeheimnisses ist sicher schmerzlich, aber nicht entscheidend. Wir müssen uns von Emotionen lösen. Die Haltung «Wir haben für alles Verträge und daher muss darüber gar nicht mehr diskutiert werden» funktioniert nicht. Wir müssen bereit sein, zu sagen, das Bankgeheimnis werde nicht nur bei Steuerbetrug aufgehoben, sondern auch bei Steuerhinterziehung. Das versehentliche Unterlassen des Einsendens eines Formulars gehört sicher nicht dazu. Da muss eine Grenze gezogen werden.

Und sonst?
Wir sollten vermehrt in die Diskussionen einfliessen lassen, dass wir und andere auch wieder einmal froh um das Bankgeheimnis sein könnten. In der nationalsozialistischen Ära haben wir vielen Menschen das Leben retten können. Auf Devisenvergehen stand damals die Todesstrafe, und wir konnten laut Gesetz keine Auskünfte erteilen. Eine solche Situation ist wieder möglich. Ich war vor einiger Zeit in Nairobi, am Flughafen. Es waren Hunderte von indischen Familien dort, mit Kindern, Familiengepäck, die wurden über Nacht ausgewiesen. Es waren jene, die Geld hatten, das hat man ihnen abgenommen. Wäre das so verwerflich gewesen, wenn diese Geschäftsleute ein Konto in der Schweiz unterhalten hätten, hätten wir dann den Behörden in Nairobi gegebenenfalls Auskunft geben müssen? Man muss doch diesen Sachverhalt vorsehen. Wir sehen immer nur diesen Sachverhalt bezogen auf Schweiz - Deutschland oder die USA.

Werfen wir noch einen Blick auf die USA und die dortigen Probleme der UBS, die jetzt mit der Forderung konfrontiert ist, Daten von 52 000 Kunden offenzulegen. Wenn es zu einem Urteil kommt, dann steht die UBS im Clinch. Was raten Sie?
Ich bin zum Glück ein Mensch, der hier nicht entscheiden muss, aber ich weise auf Folgendes hin: Wenn eine Bank in den USA eine führende Position erreichen will, ist dies nur mit amerikanischem Management möglich. Das kann ich nicht mit schweizerischem Management tun. Die amerikanischen Manager sind anders geprägt, sie haben andere Werte auch bezüglich Risiko. Es gibt die Möglichkeit, dass ich mich zurückziehe oder dass ich das Geschäft wieder neu aufbaue. Das kann ich aber nur mit amerikanischen Managern, und dann bin ich den gleichen Konfrontationen ausgeliefert wie heute. Das ganz schwierige Problem für die UBS ist natürlich auch das. Es sind, so glaube ich, im Ausland rund 75 000. Es sind in der Schweiz rund 25 000 Mitarbeiter. Da fällt es natürlich schwer, ein geografisches Gebiet, wo sich viele Mitarbeiter und viele Tätigkeiten befinden, aufzugeben. Das muss man auch sehen. Ich kann das nicht mit Sicherheit beurteilen.

Lassen Sie uns nochmals auf Ihre Bemerkung zur Grösse des Finanzplatzes zurückkommen. Erstmals hat Otto Stich 1990 mit seinem «Mokkatassen-Vergleich» solche Überlegungen geäussert und die Ansicht vertreten, der Finanzplatz sei zu gross.
Warum soll ein Sozialdemokrat nicht recht haben?

Einverstanden, aber damals hat es niemand gesagt.
Sie haben recht. Aber wir haben alle das Privilegium, unsere Meinung zu ändern.

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