Montag, Dezember 31, 2007

Gewaltfreie Gesellschaft? NZZ-Gespräch

31. Dezember 2007, Neue Zürcher Zeitung
«Wenn wir ehrlich sind, wollen wir keine gewaltfreie Gesellschaft»
Psychiater Kiesewetter und Kriminologe Killias über Ursachen von Gewalt


Psychiater Kiesewetter und Kriminologe Killias über Ursachen von Gewalt

Verschiedene schwere Gewalttaten haben im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit beschäftigt und politische Debatten geprägt. Gewalt gehöre zur Gesellschaft und werde von uns zum Teil geradezu verherrlicht, sagen der Gerichtspsychiater Martin Kiesewetter und der Kriminologe Martin Killias. Bestimmte Strukturen machten diese Gewalt unkontrollierbar.


Verschiedene schwere Gewalttaten haben im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit beschäftigt und politische Debatten geprägt. Gewalt gehöre zur Gesellschaft und werde von uns zum Teil geradezu verherrlicht, sagen der Gerichtspsychiater Martin Kiesewetter und der Kriminologe Martin Killias. Bestimmte Strukturen machten diese Gewalt unkontrollierbar.

Interview: fur./rib.

Herr Killias, nimmt die körperliche Gewalt in unserer Gesellschaft zu?

Martin Killias: Ja. Verschiedene Indikatoren deuten darauf hin. Bei einer Gesamtschau aller Daten zur Kriminalität zeigt sich: Bestimmte Kriminalitätsformen sind seit etwa 20 Jahren rückläufig, andere haben stark zugenommen. Laut den Polizeistatistiken stagniert die Zahl der Eigentumsdelikte oder geht zum Teil zurück, bei den Gewaltdelikten aber ist ein starker Zuwachs festzustellen. Diese Zunahme betrifft hauptsächlich Jugendliche – bei den Tätern wie auch bei den Opfern. Sogenannte Crime-Surveys, also Befragungen der Bevölkerung, bestätigen dieses Bild, ebenso die Befragungen von Jugendlichen zu begangenen Delikten. Anhand solcher Erhebungen stellen wir zudem fest, dass nicht unbedingt mehr Leute betroffen sind. Aber die Leute, die es sind, sind häufiger Opfer oder Täter als früher.

Gewalt hat in der Schweiz «Tradition»

Sind die Gewalttaten schwerer geworden?

Killias: Genau das hat sich verändert. Leute, die betroffen sind, sind es nicht nur häufiger, sondern tendenziell auch schwerer. Im Berner Inselspital haben die Einweisungen in die Notfallstation mit schweren, vorsätzlich beigebrachten Verletzungen seit 2001 sehr stark zugenommen. Das deckt sich mit anderen Daten.

Martin Kiesewetter: Die Opfer von Gewalttaten werden übrigens oft nicht als Opfer wahrgenommen, weil sie derselben kulturellen Gruppe angehören wie die Täter. Es gibt eine Subkultur, in der Gewalt zunehmend eine grosse Rolle spielt. Es geht um Auseinandersetzungen, um Machtentfaltung, um die Frage, wer sich wehren und durchsetzen kann. In dieser Subkultur sind körperliche Gewalt und Waffengewalt akzeptiert. Das sind übrigens oft Menschen, die ganz strenge Ordnungsvorstellungen haben. Ich wundere mich bei den Gewalttätern, die ich untersuche, immer wieder, mit welcher Inbrunst sie rechtsbürgerliche Positionen vertreten: Ordnung, Gesetz, Durchgreifen. Sogar in der Ausländerpolitik vertreten sie – auch wenn sie Ausländer sind – klar rechtsbürgerliche Positionen. Das birgt natürlich Gewalt.

Wie stark spielt denn die ausländische Herkunft vieler Gewalttäter eine Rolle?

Kiesewetter: Gewalt hat bei vielen Immigranten einen historischen Hintergrund. Gewalt gehört allerdings auch zum historischen Kontext der Schweizer. Wir stammen aus einer bäuerlichen Gesellschaft, in der gewalttätige Auseinandersetzung eine anerkannte Rolle spielten. Bis in die jüngste Zeit gab es zum Beispiel in verschiedenen Berner Dörfern geradezu eine entsprechende Tradition. Die Erzählungen von Jeremias Gotthelf sind voll von oft ritualisierter Gewalt. Körperliche Auseinandersetzungen, lebensgefährliche Verletzungen, Wirtshausschlägereien – das gehörte dazu. Nur haben wir heute keine gotthelfschen Wirtshäuser mehr. Die Auseinandersetzungen spielen sich in einer modernisierten Form ab. Dabei ist Gewalt nicht notwendigerweise ein Zeichen dissozialer Einstellung. Gewalt ist ein Weg, eine Haltung durchzusetzen. Wenn ich intellektuell oder wirtschaftlich etwas nicht schaffe oder nicht so privilegiert bin wie andere, ist körperliche Gewalt eine Möglichkeit.

Wo liegen die Unterschiede zwischen den früheren Wirtshausprügeleien und der heutigen Gewalt?

Kiesewetter: Ich bin mir nicht sicher, ob die Unterschiede enorm gross sind. Eines ist aber klar: Die Gewalttäter nehmen die sie umgebende Welt als eine Welt voller Aggressionen war. Es gibt niemanden, der die Welt als so aggressiv erlebt wie der Aggressive. Ständig fühlt er sich bedroht. Alle erlebt er sich selber gegenüber als feindselig. Man will ihn fertigmachen, man will ihm etwas verweigern; er kann den Menschen nicht vertrauen. Und dagegen muss er sich wehren. Aggressive Leute sagen immer: «Ich bin doch nicht aggressiv, die anderen sind aggressiv.» Sie glauben, dass sie selbst nur auf eine feindliche und bösartige Umwelt reagieren. Da stellt sich natürlich die Frage, wie strukturell gewalttätig die Gesellschaft eigentlich ist, gegen die sie sich wehren wollen. Also: Stellen schlechte schulische und berufliche Chancen auch strukturelle Gewalt dar?

Killias: Natürlich gab es früher schon Schlägereien, aber ich wehre mich dagegen, so zu tun, als sei alles schon immer so gewesen. Manche Politiker sind ja geradezu süchtig nach Daten, die nahelegen, dass die Gewalt angeblich nicht zunimmt und alles nur eine Medienhysterie ist. Der Grund dafür ist klar: Wenn man sich sagen kann, Gewalt habe es schon immer gegeben, hat man als Politiker nichts zu hinterfragen. Wenn wir aber Trends nicht mehr leugnen, kann man der Frage nicht ausweichen, was man tun müsste.
«Manche von diesen Leute sind »

Sie sprachen von Gewalt als Reaktion auf Bedrohung. Kann jeder Mensch gewalttätig reagieren?

Kiesewetter: Natürlich gibt es lebensgeschichtliche und genetische Voraussetzungen für Aggressivität. Aber an sich kann jeder Mensch gewalttätig werden. Die Schicht, die über der Gewaltbereitschaft liegt, ist oft sehr dünn. Die Vorstellung «Den möchte ich am liebsten . . .» hatte ja jeder schon einmal. Das tut man natürlich nicht. Die Selbstkontrolle ist ja da. Doch manchmal ist die Selbstkontrolle eben doch nicht da. Das sieht man bei Gewalttaten von Leuten, die ihr Leben lang nie gewalttätig waren. Amokläufer etwa zeichnen sich oft durch zuvor fehlende Gewalttätigkeit, durch Aggressionshemmungen aus. Viele Gewalttäter, die ich untersuche, sind aggressionsgehemmt. Eine Aggression ist da. Und wenn man die Bremse loslässt, ist die Gewalt ungehemmt.

Gibt es bei uns zu wenig Möglichkeiten, Gewalt in gesellschaftlich akzeptiertem Rahmen auszuleben?

Kiesewetter: Früher haben sich Gruppen oder Vereine zum Beispiel an Schützenfesten geprügelt. Heute gehen viele Jugendliche nicht mehr in Vereine; sie bilden Gangs und gehen aufeinander los. Und das ist bei diesen Leuten weitgehend anerkannt; die Gewalt findet meist innerhalb dieser Gruppen statt. Da uns diese Gewalt über die Medien vermittelt wird, denken wir, wir seien persönlich betroffen. Die Gewalt in diesen Gruppen bedroht uns aber verhältnismässig wenig.

Killias: Die Umgebung prägt dieses Verhalten übrigens stark. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen den Quartieren, in denen die Kinder aufwachsen, und ihrem späteren Verhalten. Wenn man in einem Umfeld voll illegaler Gelegenheiten aufwächst, entstehen Motivationen, die in anderer Umgebung nie entstanden wären.

Kiesewetter: Es gibt Gruppen von Jugendlichen, deren Ausbildung nicht mehr reicht für einen qualifizierten Job. Und wer auf dem Bauch landet, sucht eine Möglichkeit, um wieder Selbstbewusstsein zu gewinnen. Wir hatten beispielsweise Einreisebestimmungen, die Gastarbeiterkinder dazu verurteilten, erst im Jugendalter in die Schweiz zu kommen. Ihre Berufschancen sind gering. Wir haben also politische Entscheidungen getroffen, die in bestimmten Bereichen einen Anstieg von Gewalt zur Folge haben. Wenn ich eine Entscheidung treffe, die eine Gruppe – Schweizer oder Ausländer – daran hindert, erfolgreich zu sein, dann muss ich wissen, dass ich eine Quelle erhöhter Gewaltbereitschaft schaffe. Manche von diesen jungen Leuten sind im Grunde «nichts». Sie scheinen uns verzichtbar. Sie sind uns egal. Und das wissen sie. Auch mein Selbstbewusstsein wäre auf dem Nullpunkt, wenn ich das Gefühl hätte, ich sei für alle ganz überflüssig.

«Wir fordern die ganze Zeit Gewalt»

Ist eine gewaltfreie Gesellschaft überhaupt möglich?

Kiesewetter: Wenn wir ehrlich sind, wollen wir keine gewaltfreie Gesellschaft. Wir fordern die ganze Zeit Gewalt. Wir fordern Durchsetzungsstärke, eine klare Haltung, die aggressive Führung eines Betriebes: Das sind lauter gewalttätige Vorstellungen über eine funktionierende Gesellschaft. Wir dürfen nur nicht körperlich gewalttätig werden. Wir können es uns auch nicht leisten, körperliche Gewalt ins Negative zu schieben, weil wir dann keinen Platz mehr hätten für unseren Körperkult. Auch die Werbung lebt ja zum Teil von aggressivem und imponierendem Auftreten. Im Grunde verherrlichen wir Gewalt.

Killias: Eine Gesellschaft ohne Kriminalität und Gewalt wird es nie geben. Das heisst aber nicht, dass es immer gleich viel Gewalt gegeben hat oder geben muss. Gewalttaten haben zudem auch Folgen für die Täter. Gerät jemand auf die schiefe Bahn, führt das meist zu massiver Beeinträchtigung von Lebenschancen. Wenn jemand zum Problem wird für die Kameraden, die Lehrer und schliesslich für die weitere Öffentlichkeit, dann sind Berufs- und Ausbildungschancen stark beschnitten. Es droht eine lebenslange Abhängigkeit vom Staat. Prävention liegt deshalb nicht nur im Interesse der Opfer und der Öffentlichkeit.

Welche Rolle spielt Gewalt in Medien und Videospielen als Ursache von Gewalttaten?

Killias: Es gibt viele Studien, die einen engen Zusammenhang zwischen Gewalt in Medien und Computerspielen und tatsächlichen Gewalttaten nahelegen. Offen bleibt die Frage nach dem Kausalzusammenhang. Um diesen Beweis zu erbringen, müsste man etwa einer Gruppe zehnjähriger Kinder regelmässig Gewaltfilme oder solche Videospiele vorsetzen, wogegen eine andere Gruppe Harmloses zu sehen bekäme. Nach ein paar Jahren würde man messen, ob sich das Verhalten der beiden Gruppen unterscheidet. Ein solches Experiment wäre theoretisch sauber, ethisch aber nicht machbar, weil eine Gruppe womöglich geschädigt würde. Man muss sich daher mit Plausibilitäten begnügen. So setzt etwa der Anstieg von Gewalt in Europa Ende der achtziger Jahre ein, als die Videogeräte und Computer in die Haushalte kamen. Ab dann verloren die Eltern die Kontrolle über den Medienkonsum ihrer Kinder.
Gewalt in Medien verschwinden lassen

Kann man den Konsum von Gewalt in den Medien überhaupt verhindern?

Killias: Das wäre wünschbar. Ich sehe nicht ein, weshalb es nicht möglich sein sollte, die Gewalt in den Medien zum Verschwinden zu bringen. Ich bin überzeugt, dass es in ein paar Jahren eine technische Lösung gibt, um den Zugang zu Gewalt in den Medien effizient zu verhindern.

Wie die Armeewaffe, die Sie im Zeughaus lagern wollen. Verhindern wir damit auch Gewalttaten?

Killias: Ich bin kein Pazifist. Die Armeewaffe zu Hause hatte einmal die Funktion, eine rasche Mobilmachung zu ermöglichen. Wenn es eine grosse Bedrohung von aussen gäbe, dann müsste man wohl ein paar Tote durch den Missbrauch der Waffe in Kauf nehmen. Heute aber bringt dieses System nur noch Nachteile.

Kiesewetter: Die Lagerung der Armeewaffe im Zeughaus würde eine Gruppe von Gewalttätern betreffen, über die wir noch nicht gesprochen haben: die Angepassten und Anständigen, die zu Hause in einer Streitsituation zur Waffe greifen. Taten mit der Armeewaffe sind affektiv geprägte Handlungen im engsten sozialen Raum. Es sind Situationen momentaner Ausweglosigkeit oder überschäumender Wut. Deshalb ist es töricht zu sagen, die Täter nähmen eine andere Waffe, wenn die Armeewaffe nicht greifbar wäre. Oft nähmen sie nichts anderes, nicht einmal ein Küchenmesser: Es ist ein riesiger Unterschied, ob man mit einem Messer auf jemanden einsticht oder ihn mit der Schusswaffe hinrichtet.

Ist es sinnvoll, mehr Repression im Sinne von härteren Strafen gegen Gewalttäter auszusprechen?

Killias: Es wird immer gesagt, es sei wissenschaftlich bewiesen, dass schärfere Strafen nichts brächten. Das stimmt so nicht. Natürlich: Wenn man fünf Jahre statt zwei Jahre Gefängnis aussprechen kann, bringt das nicht viel. Wenn aber eine Tat vorher keine Sanktionen nach sich zog und dann plötzlich doch, macht das einen Unterschied. Wir haben im Jugendstrafrecht ein Problem, nämlich dass es für Jugendliche unter 15 Jahren bei schweren Verbrechen keine glaubwürdige Sanktion vorsieht. Freiheitsentzug ist grundsätzlich nur in ganz bescheidenem Rahmen erst ab 15 und im eigentlichen Sinne erst ab 16 Jahren möglich. Dieser Nulltarif bei Sanktionen bis zum Alter von 15 Jahren ist das Problem.

Kiesewetter: Das Jugendstrafrecht ist vor allem ein Massnahmenstrafrecht. Es ist von der Idee getragen, dem jungen Täter in seiner Bedürftigkeit gerecht zu werden. Im Mittelpunkt stehen Erziehung, Förderung, Hilfe und auch Beratung für die Eltern. Dafür leuchtet man sein Umfeld aus. Das ist ein sehr guter Ansatz, nur braucht das Zeit. Und das Problem ist, dass bei jugendlichen Straftätern meistens lange keine Entscheidungen gefällt werden. Die Tat hat keine sofortigen Konsequenzen. Ein Fehlverhalten muss aber sofort sanktioniert werden. Die Jugendlichen müssen spüren, dass ihr Verhalten missbilligt wird.

Zur Person

Martin Kiesewetter ist Leitender Arzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Leiter des Forensisch-Psychiatrischen Dienstes und ist als Gutachter – u. a. von Gewalttätern – tätig.

Martin Killias ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie am rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich und Co-Direktor des Kriminologischen Instituts.

Gespräch mit Tim Guldimann (Früherer CH-Botschafter im Iran)

Tages Anzeiger
Schweiz
31. Dezember 2007, 10:07
«Man kann nicht verlangen, dass alle Coca-Cola trinken und Krawatte tragen»

Ob in Tschetschenien, im Iran oder in Kosovo: Der Schweizer Spitzendiplomat Tim Guldimann bemüht sich um Verständigung zwischen den Kulturen und fragt nach universellen Werten.


Mit Tim Guldimann sprachen Enver Robelli und Res Strehle in Pristina

Tim Guldimann: Wir sollten einen roten Faden in diesem Gespräch haben.

Gerne. Was schlagen Sie vor?

Ich möchte generell über die Frage der Gültigkeit universeller Werte reden. Nehmen wir Kosovo und Iran und vielleicht noch etwas Drittes...

Nahost?

Ja, zum Beispiel. Wie verhält sich der Westen zu diesen Konflikten und woher nehmen wir die Legitimation für unseren Standpunkt? Das interessiert mich. Oder genauer: Wie definieren wir den Anspruch auf die Universalität unserer Werte bei gleichzeitigem Respekt vor kultureller Vielfalt? Man kann ja nicht verlangen, dass alle Coca-Cola trinken und Krawatte tragen. Man kann aber nach Auschwitz verlangen, dass Völkermord weltweit geahndet wird. Wo liegt damit die Grenze zwischen Multi-Kulti und universell Gültigem?

Das Verbot des Völkermords, die Anerkennung der Menschenrechte, die Wahrung der körperlichen und psychischen Integrität - das scheinen universelle Werte. Aber wie steht es mit Demokratie? Da wird es heikler und interpretationsbedürftig. Schwierig wird es vor allem deswegen, weil die USA, die weltweit ihre Demokratie exportieren wollen, nie frei sind vom Verdacht, eigene Machtinteressen zu verfolgen.

Entscheidend sind für mich die Grundsätze der Aufklärung: Man muss sich über das, was gilt, verständigen. Das heisst in der Wissenschaft Wahrheit, in der Wirtschaft Vertrag, in der Politik «Contrat social». Im Völkerrecht gibt es die Verständigung zwischen den Staaten über gemeinsame Regeln, an die man sich halten muss. Deshalb ist der Begriff der internationalen Gemeinschaft so wichtig, auch wenn sie oft keine polizeiliche Gewalt zur Durchsetzung dieser Regeln hat. Unser zentrales Problem ist, dass der Westen, der ja die Aufklärung erfunden hat, im Innern seiner Gesellschaften diesen Grundsätzen nachlebt, aber im Verhältnis zum Rest der Welt oft die eigenen Grundsätze verletzt. Das gilt vor allem für die USA in den letzten Jahren.

Vorher müsste man klären, welche Werte universell gültig sein müssen.

Ja, man könnte eine Liste machen, aber das geht nicht. Der Theologe Hans Küng hat das versucht mit seinem Weltethos. Das funktioniert nicht, weil viel zu abstrakt, zu statisch. Nein, man muss auf die konkreten Probleme kommen. Und dort geht es dann um die Frage, wie man sich mit anderen Kulturen über die Grenzen des universell Gültigen verständigen kann. Das ist ein kontinuierlicher Prozess.

Seit wann interessieren sich Schweizer Diplomaten für philosophische Fragen?

Das hat mich immer fasziniert. Ich habe mich kürzlich mit dieser Frage an meinen alten Lehrmeister, den Frankfurter Philosophen Jürgen Habermas, gewandt. Er sagte Folgendes: Alle Kulturen sitzen im Modernisierungszug. Alle sind auf dem Übergang von der Tradition zur Moderne oder sind dort angekommen. Damit werden in allen Gesellschaften Rechte und Pflichten zunehmend individuell definiert. Eine wirkliche Verständigung innerhalb von Gesellschaften und zwischen ihnen ist nur möglich, wenn sich alle am demokratischen Prozess beteiligen können. Es geht deshalb nicht darum, universelle Werte zu definieren. Man kann sich leichter über das Verfahren einigen, das universell gültig sein soll. Konkret darüber, dass sich alle an der Festlegung der eigenen Werte beteiligen dürfen.

Schön, aber was heisst das in Bezug auf eine islamische Gesellschaft, in der Frauen diskriminiert werden?

Wenn sich dort Frauen demokratisch am politischen Leben beteiligen können, würde ich ihre Benachteiligung im Erbrecht nicht verdammen, weil ich glaube, dass dieses Erbrecht bald geändert wird.

Und was, wenn diese Gesellschaften autoritäre Demokratien sind, die mit unserem westlichen Verständnis von Demokratie nur wenig gemeinsam haben? Die Demokratur hatte 2007 ja durchaus Hochkonjunktur, wenn man an Länder wie Pakistan, Russland oder Venezuela denkt.

Das sind gute Beispiele, gegenüber denen der Westen zu lasch ist, demokratische Freiheiten einzufordern. Aber das müsste unabhängig vom Ergebnis des demokratischen Prozesses erfolgen.

Das heisst, dass es keine ultimativen Forderungen gibt, auch nicht jene nach Einhaltung der Menschenrechte? Was, wenn ein Staat demokratisch die Wiedereinführung der Todesstrafe beschliesst?

Erstaunlich ist, dass die Resultate überall ähnlich sind. Es zeigt sich nämlich, dass im Zuge der weltweiten Demokratisierung der letzten 30 Jahre die Zahl der Staaten ohne Todesstrafe zugenommen hat. Ein Freund aus einem islamischen Land hat mir kürzlich gesagt, er hätte ein hohes religiöses Amt aufgegeben, weil er Todesurteile hätte unterschreiben müssen. Es war für mich schön, wie er, der sonst wenig Kontakt zum Westen hatte, zum selben Schluss kam wie wir. Ich bin überzeugt, dass westliche und nicht-westliche Kulturen im Zuge der Modernisierung in wichtigen Fragen zu denselben Schlüssen kommen werden.

Und wenn die Steinigung von Ehebrecherinnen demokratisch beschlossen würde?

Dagegen muss man Stellung nehmen, klar. Aber ändern wird sich das erst, wenn die Modernisierung demokratisch abgestützt wird. Dann werden die Frauen selbst dafür schauen, dass solche Gesetze geändert werden.

China?

Die Frage ist noch offen, wie lange und ob überhaupt die Modernisierung auf Demokratie verzichten kann.

Die westlichen Gesellschaften sind in der Regel demokratisch. Trotzdem scheint der Westen moralisch nicht viel besser als der Rest der Welt.

Besser ist er allenfalls im Innern seiner Gesellschaften, nicht aber in einer Haltung gegenüber dem Rest der Welt, wenn er von der Arroganz geprägt ist, eine Verständigung zu verweigern und sich über das Völkerrecht hinwegzusetzen.

Es soll auch Schweizer Politiker geben, die sich ganz gerne übers Völkerrecht hinwegsetzen würden.

Ja, aber einer von ihnen wurde ja kürzlich abgewählt.

Die Arroganz des Westens scheint Ihr grosses Thema zu sein. Wann hatten Sie eigentlich die Erkenntnis, dass dieses Thema so wichtig ist? Im Iran?

Schon vor 35 Jahren in Lateinamerika. Iran erlebte ich auch als Beispiel dieser Konfrontation. Der Umsturz von 1979 war vor allem auch eine antikoloniale Revolution gegen die von den Amerikanern unterstützte Schah-Herrschaft. Bill Clinton hat während seiner Präsidentschaft versucht, den Dialog wieder aufzunehmen, aber die Iraner waren damals noch nicht bereit. Als die Iraner bereit waren, verweigerte George W. Bush das Gesprächs. Die Eskalation des Nuklearkonflikts ist eine Folge des verweigerten Dialogs. Die neue Einschätzung der US-Geheimdienste ist für mich eine Bestätigung meiner Behauptung: Der Iran will die nukleare Kapazität, aber er will nicht die Bombe.

Er will die Möglichkeit der Bombe.

Ja, darauf werden sie wohl nicht verzichten. Zumindest waren die Iraner aber bereit, im Gegensatz zu den Atommächten Israel, Indien und Pakistan ihr Atomprogramm offen zu legen. Die positive Wende kam 2003, nicht nur wegen des Endes von Saddam Hussein, von dem sie sich bedroht fühlten, sondern auch wegen der Haltung der Europäer. Die EU brachte ihnen für die Aufnahme von Verhandlungen den notwendigen Respekt entgegen.

Sie haben im Iran schon früh einen Vorschlag zur Deeskalation gemacht, der vernünftig schien, aber nichts gebracht hat.

Sie bringen da zwei Geschichten durcheinander. Es gab 2003 einen iranischen Vorschlag für einen umfassenden Dialog mit den USA, zu dem ich aber nicht Stellung nehmen darf, weil ich damals mit der Wahrung amerikanischer Interessen im Iran beauftragt war. Und 2005 nahm ich während meines Urlaubs an einer Arbeitsgruppe mit amerikanischen Atomphysikern teil. Wir entwickelten mit einem hohen iranischen Vertreter einen Lösungsansatz zur Nuklearfrage. Damit regte ich ein Papier der in Brüssel ansässigen Denkfabrik International Crisis Group an, das ich später mitverfasst habe. Es ging darum, den Iranern eine beschränkte, international überwachte Urananreicherung zuzugestehen, wenn sie mit der Internationalen Atomenergie-Agentur zusammenarbeiten würden.

Das hat wenig bewirkt.

Der Vorschlag hat immerhin dazu beigetragen, dass die USA ihre Haltung gegenüber dem Iran modifiziert haben und bloss noch eine Suspendierung der iranischen Urananreicherung verlangten - aber da war es schon zu spät, weil sich mit Mahmoud Ahmadinejad die iranische Haltung verhärtet hatte. Eigentlich gehts immer um dasselbe: Eine Verständigung ist nur im gegenseitigen Respekt aller Beteiligten möglich. So lange die USA militärische Gewalt androhen, wird es nicht zu einer Verständigung kommen.

Warum eigentlich ist Ihnen die Frage des Respekts in den internationalen Verhandlungen so wichtig? Weil die Schweiz international auch kaum mehr ernst genommen wird?

Das habe ich nie so erlebt. Da müssten Sie mir erst sagen in welchem Zusammenhang.

Die Schweiz spielt aussenpolitisch heute kaum eine Rolle mehr.

Ich weiss nicht, ob das nach Marignano je anders war.

Immerhin spielte Genf nach Gründung des Völkerbunds und während der Phase des Kalten Kriegs eine wichtige Rolle.

Das ist ein grosser Mythos. Genf wurde zur Konferenzstadt, weil dank dem Calvinismus damals gute private Beziehungen zum amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson bestanden, aber faktisch hat die Schweiz international nie eine wichtige Rolle gespielt. Die Grossmächte haben nichts gegen uns, wir sind nicht relevant. Die Europäische Union bemüht sich aktuell in der Kosovo-Frage um die Meinungen von Zypern und Malta, die Schweiz ist da weniger wichtig. Wenn wir in der EU wären, wäre unsere aussenpolitische Bedeutung ungleich grösser.

Sie persönlich haben heute schon eine wichtige Rolle.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa suchte für ihre Mission in Kosovo einen Nachfolger für meinen deutschen Vorgänger. Die Deutschen stellten niemanden, und da schaute man halt, ob sonst einer da ist, dem man das zutraute. Voilà, das hatte aber nichts zu tun mit der Rolle der Schweiz.

Könnte die Schweiz aussenpolitisch wieder eine spezielle Rolle spielen?

In Ihrer Frage schwingt mit, dass die Schweiz etwas Spezielles ist. Hören wir doch auf mit solchen Illusionen! Das heisst nicht, dass die Schweiz international nicht aktiv sein kann, wie heute in der Uno. Aber so lange wir nicht Mitglied der Europäischen Union sind, wird unser Einfluss absolut gering bleiben, besonders in Europa. Die Meinung, weil wir nicht EU-Mitglied sind, hätten wir spezifische Einflussmöglichkeiten, halte ich jedenfalls für gänzlich unbegründet.

Ist die EU mit 27 Mitgliedern aussenpolitisch überhaupt noch handlungsfähig?

Ja, sicher. Die Rolle, die sie jetzt etwa in Kosovo spielt, ist sehr substanziell. Die Europäische Union wird in dieser Region die Rolle übernehmen, die die Uno bisher spielte. Das ist eine der wichtigsten aussenpolitischen Aktionen in der Geschichte der EU überhaupt.

Anfänglich lag die politische und militärische Initiative in Kosovo bei den USA. Was hat dazu geführt, dass die EU das Heft in die Hand nahm?

Das Bewusstsein der EU-Staaten, besonders der vier Grossen in der internationalen Balkan-Kontaktgruppe, dass es sich in Kosovo um einen Konflikt in Europa handelt, für den sich Europa engagieren muss. Gleichzeitig bestand der Druck der Uno, dass die Europäer selber für Konflikte in Europa zuständig sind.

Es war geplant, dass Sie Botschafter in Tel Aviv würden. Hätte Sie dieser Posten interessiert?

Ja.

Warum haben Sie ihn nicht bekommen?

Dazu will ich mich nicht äussern. Ihre Zeitung hat darüber geschrieben, ich habe schon damals keine Stellung genommen.

Wie könnte aus Ihrer Sicht eine mögliche Lösung für Nahost aussehen? Sehen Sie den Friedensprozess von Annapolis als tauglichen Versuch, ein Bündnis zu schmieden zwischen Israel, dem Westen und gemässigten Sunniten gegen die Schiiten?

Nein, es ist gefährlich. Iran und die Schiiten isolieren zu wollen. Vergessen Sie nicht, dass der islamische Terrorismus in erster Linie sunnitisch geprägt ist und nicht schiitisch. Bei der Hierarchie im schiitischen Klerus kann nicht jeder kommen und sagen, wie der Koran interpretiert werden muss. Die Gewalt auf Seiten von Hizbollah oder Hamas lässt sich in keiner Weise vergleichen mit dem Terror von al-Qaida, der sich von den regionalen Konflikten und der betroffenen Bevölkerung vollkommen losgelöst hat. Hizbollah entstand im Kampf gegen die widerrechtliche Besetzung Libanons Süden durch Israel. Mich interessiert in Nahost die Frage, wie überhaupt noch eine Verständigung gefunden werden kann. Die einseitige Parteinahme des Westens, vor allem der USA, für Israel hat dem Ansehen unserer Werte seitens der islamischen Eliten sehr geschadet.

Kann der Friedensprozess von Annapolis zum Ziel führen?

Wenn das Ziel ist, die Chancen der Republikaner bei den kommenden Präsidentschaftswahlen zu erhöhen, vielleicht. Ich glaube nicht an einen Erfolg, der die Bilanz von Präsident George W. Bush im Verhältnis zur islamischen Welt verbessern würde. Er hätte es zwar nötig, denn er ist mit verantwortlich dafür, dass zwischen dem Mittelmeer und Afghanistan eine grosse Konfliktregion entstanden ist, in der heute alles miteinander zusammenhängt. Aber die USA sind nach wie vor nicht bereit, eine Verständigung mit den eigentlichen Konfliktparteien zu suchen. Hizbollah, Hamas, Iran und die Taliban sind von den Gesprächen ausgeschlossen. Mit dieser Seite redet man nicht, weil sie böse Terroristen sind. Und hofft gleichzeitig, dass Gespräche etwas bringen mit anderen, die nicht beteiligt sind. Bin Laden ist ein anderes Kapitel, dort bringen Gespräche nichts.

Wird ein Präsidentenwechsel in den USA aussenpolitisch viel verändern?

Barack Obama hat angekündigt, dass er mit den Iranern bedingungslos reden will. Das wäre sicher etwas Neues, umgekehrt wird die Hürde der Zustimmung des Kongresses aber bestehen bleiben.

Wie ist das eigentlich, lebenslang als Diplomat tätig zu sein? Gibts da Berufskrankheiten?

Meinen Sie Alkohol? Dieses Problem habe ich nicht, ich habe andere.

Sie müssen stets versuchen, Unvereinbarkeiten zwischen Parteien aufzuweichen - das wird wohl auch abfärben auf das private Verhalten.

Nein, ich bin privat nicht sehr diplomatisch. Viel prägender fürs Privatleben ist die Tatsache, dass einem als Diplomat mit den ständigen Ortswechseln die Biografie wie in einem Film geschnitten wird. Diese Schnitte sind schmerzhaft, weil sie soziale Beziehungen zerstören. Ist der nächste Posten nun Hanoi, Stockholm oder Dakar? In letzter Konsequenz droht grosse Beliebigkeit. Das wäre für mich inakzeptabel, darum wäre ich gerne nach Israel gegangen. Von dieser Region verstehe ich etwas. Auf einem Posten wie Paris sind hingegen andere besser.

Der rote Faden Ihrer Biografie scheint eine Art Gegenprogramm zu Samuel Huntington zu sein - nicht Kampf, sondern Versöhnung der Kulturen?

Nicht Versöhnung, sondern Verständigung, das ist nicht dasselbe. Was passiert an den Kulturgrenzen, wo ja die meisten Konflikte entstehen? Wie kommt man zu universalen Regeln der Verständigung? Ich habe selber keine Lösung, sondern nur Hinweise, in welche Richtung ein solcher Austausch führen sollte.

Sie scheinen Ihren Optimismus noch nicht verloren zu haben. Dabei führte Sie eine Ihrer ersten Missionen an einen der hoffnungslosesten Konfliktherde dieser Welt: nach Tschetschenien. Wie prägend war eigentlich dieser Einsatz für Ihre spätere diplomatische Laufbahn?

Das war das Schlüsselerlebnis meiner professionellen Biografie. Es war damals geradezu eine ideal effiziente diplomatischen Aktion: Ein Minimum an Aufwand, der uns mit viel Glück ein Maximum an Wirkung erlaubte. Wir haben heute in Kosovo fast 1000 Leute bei der OSZE-Mission und einen Jahresetat von 100 Millionen. Damit wird zwar viel geholfen, aber wir müssen schauen, dass dieser riesige Apparat punkto Administration überschaubar und rational bleibt. In Tschetschenien waren wir acht Leute, und es hat gereicht, um Wahlen zu organisieren.

Haben Sie Mühe mit grossen diplomatischen Missionen?

Ich habe dann Mühe, wenn eine grosse Bürokratie entsteht. Das kostet viel Geld, und die Erfolgskriterien sind weit weniger klar messbar als bei einem Unternehmen, das am Markt bestehen muss. Wer nicht am Markt bestehen muss, kann lange weiterwursteln, Probleme beschreiben, da und dort ein bisschen helfen, eine Dienstreise organisieren, ein Seminar veranstalten, vielleicht brauchts dann noch ein paar Assistenten mehr, ein paar Autos mehr - wenn das Budget mal bewilligt ist, schaut niemand mehr genau hin. Ich setze mich dafür ein, dass der Aufwand stets in einem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag steht.

Was war der gefährlichste Ort, an dem Sie je waren?

Auf irgendeiner Autostrasse - Autofahren ist das gefährlichste im Leben.

Tschetschenien?

Auch das war zeitweise sehr gefährlich.

In jener Zeit, als Sie dort waren, wurde eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes entführt und umgebracht. Hatten Sie Angst?

Nein, wir waren im Gegensatz zum IKRK bewacht. Der politische Zweck des Anschlags bestand wohl darin, die Präsidentschaftswahlen zu verhindern. Die Tschetschenen haben immer gesagt, dass freie Wahlen erst möglich sind, wenn der letzte russische Soldat abgezogen wäre. Als die Russen dann tatsächlich abzogen, war dieses Argument vom Tisch.

Tim Guldimann

Tim Guldimann, 56, ist der bekannteste Schweizer Diplomat. Nach OSZE-Missionen in Tschetschenien (bis 1996) und Kroatien 1997-99 sowie als Botschafter in Iran (1999-2004), wo er auch die US-Interessen vertrat, leitet der Schweizer aktuell die OSZE-Mission in Kosovo. Er steht in dieser Funktion einer Mission von rund 900 internationalen und lokalen Mitarbeitern vor, die Wahlen organisiert, Polizisten und Journalisten ausbildet und demokratische Institutionen aufbauen hilft. Zwischendurch lehrte er als Dozent für Politologie an der Universität Frankfurt.

Das Gespräch fand in der Vorweihnachtszeit während eines Nachtessens in einem Hotel in Pristina statt. Den periodischen Stromausfall nahm der Krisendiplomat routiniert, unterbrach das Gespräch deswegen nicht. Das Aufnahmegerät funktionierte schliesslich mit Batterien, das Cheminée nebenan gab das Notlicht. Guldimann war eben zurückgekehrt aus Belgrad, wo er die serbische Regierung vom Veto gegen eine Verlängerung der OSZE-Mission in Kosovo abzubringen versucht hatte. (rs)

Donnerstag, September 27, 2007

Der Rand der Welt - Stephan Eicher

Donnerstag, August 23, 2007

Dienstag, August 21, 2007

Wafa Sultan-Terrorism and Islam (New)



This was shown on Al Jazeera television. Quite a hard debate.
The lady is Wafa Sultan a syrian-born psychiatrist now living in the US.

Very interesting!

Freitag, Juli 06, 2007

Recently at the barber shop......



Type rest of the post here

Montag, Juli 02, 2007

Business is tough!

Sonntag, Juli 01, 2007

Safe Sex

Samstag, Juni 30, 2007

A Bit of Fry and Laurie...SVP Propaganda Sketch

SVP Propaganda sketch!
:-)

Rowan Atkinson With Friends Like These



no comment!
:-) :-)

Shakespeare sketch

To be or not to be.... now we know!
:-)

Sonntag, Juni 10, 2007

Tear Down That Myth

It would be interesting to see documents or accounts of the acutal reaction of Gorbachev and the inner circle of his governement. So the op-ed piece below reads like a very one sided interpretation of events.

The New York Times
June 10, 2007
Op-Ed Contributor
Tear Down That Myth
By JAMES MANN


DURING the spring of 1987, American conservatives were becoming disenchanted with Ronald Reagan’s increasingly conciliatory approach to Mikhail Gorbachev. Inside the White House, Mr. Reagan’s aides began to bicker over a speech the president was planning to give on a trip overseas. That June, the president would travel to Venice for the annual summit meeting of the seven largest industrialized nations. From there, plans called for him to stop briefly in Berlin, which was still divided between East and West. The question was what he should say while there.


Washington

DURING the spring of 1987, American conservatives were becoming disenchanted with Ronald Reagan’s increasingly conciliatory approach to Mikhail Gorbachev. Inside the White House, Mr. Reagan’s aides began to bicker over a speech the president was planning to give on a trip overseas. That June, the president would travel to Venice for the annual summit meeting of the seven largest industrialized nations. From there, plans called for him to stop briefly in Berlin, which was still divided between East and West. The question was what he should say while there.

The speech Mr. Reagan delivered 20 years ago this week is now remembered as one of the highlights of his presidency. The video images of that speech have been played and replayed. On June 12, 1987, Mr. Reagan, standing in front of the Brandenburg Gate and the Berlin Wall, issued his famous exhortation to Mikhail Gorbachev: “Mr. Gorbachev, tear down this wall.”

In the historical disputes over Ronald Reagan and his presidency, the Berlin Wall speech lies at the center. In the ensuing years, two fundamentally different perspectives have emerged. In one, the speech was the event that led to the end of the cold war. In the other, the speech was mere showmanship, without substance.

Both perspectives are wrong. Neither deals adequately with the underlying significance of the speech, which encapsulated Mr. Reagan’s successful but complex approach to dealing with the Soviet Union.

For many American conservatives, the Berlin Wall speech has taken on iconic status. This was Mr. Reagan’s ultimate challenge to the Soviet Union — and, so they believe, Mikhail Gorbachev simply capitulated when, in November 1989, he failed to respond with force as Germans suddenly began tearing down the wall.

Among Mr. Reagan’s most devoted followers, an entire mythology has developed. Theirs is what might be called the triumphal school of interpretation: the president spoke, the Soviets quaked, the wall came down.

Representative Dana Rohrabacher, a California Republican and former Reagan speechwriter, told me that American intelligence had reported that the day after the Berlin Wall speech, Mr. Gorbachev confided in his aides that Mr. Reagan wasn’t going to give up. “If he’s talking about this wall, he’s never going to let go unless we do something,” Mr. Rohrabacher quoted Mr. Gorbachev as saying. “So what we have to do is find a way to bring down the wall and save face at the same time.”

Though no evidence has turned up to corroborate the Rohrabacher account, the triumphal storyline has endured. What’s more, it has done so even though it runs counter to Mr. Reagan’s actual policies toward the Soviet Union at the time. From the autumn of 1986 through the end of his presidency in January 1989, Mr. Reagan was in fact moving steadily closer to a working accommodation with Mr. Gorbachev, conducting a series of summit meetings and signing a major arms control agreement — steps that were strongly opposed by the American right.

The opposing perspective on the Reagan speech is that it was nothing but a stunt. The adherents of this interpretation include not just Democrats or liberals but many veterans of the George H. W. Bush administration.

In a 1995 book about the end of the cold war, “Germany United and Europe Transformed,” two former officials of the first Bush administration, Condoleezza Rice and Philip Zelikow, minimized the significance of the Berlin Wall address and its role in the events leading up to the end of the cold war. They argued that after the speech was given there was no serious, practical follow-up. No one pursued any policy initiative with respect to the Berlin Wall. “American diplomats did not consider the matter part of the real policy agenda,” they wrote.

Others agreed. “I thought it was corny in the extreme,” Brent Scowcroft, national security adviser to George H. W. Bush, told me. “It was irrelevant, that statement at that time.”

Even some of Mr. Reagan’s own senior foreign-policy officials seem to think the speech was not particularly noteworthy. In his 1,184-page memoir, former Secretary of State George P. Shultz does not mention the speech at all. Similarly, Jack C. Matlock, who served as Mr. Reagan’s Soviet adviser and then as United States ambassador to Moscow, does not discuss the speech in his own book about Mr. Reagan’s relations with the Soviets.

But those who dismiss the speech as insignificant miss the point, too. They fail to see its role in helping the president line up public support for his foreign policy.

In the months leading up to his speech, Mr. Reagan had been under attack in the United States for having been beguiled by Mr. Gorbachev. Conservatives were particularly outraged. In September 1986, after the K.G.B. had seized Nicholas Daniloff, a journalist for U.S. News & World Report, in retaliation for the arrest of a Soviet agent in the United States, Mr. Reagan hadn’t taken a hard line, but had instead negotiated an exchange.

Later that fall, hawks in the national-security establishment were upset that at the Reykjavik summit meeting, Mr. Reagan had talked about the possibility of abolishing nuclear weapons.

And these events were merely prologue: there was considerably more business Mr. Reagan was seeking to conduct with the Soviets — business that he knew would be deeply unpopular with many conservatives. By the spring of 1987, he was well into quiet negotiations for two more summit meetings with the Soviet leader in Washington and Moscow. His administration was moving toward a landmark arms-control agreement with the Soviet Union — a treaty on intermediate-range nuclear forces, which would have to be ratified by the Senate. The idea of such a treaty was beginning to attract considerable opposition in Washington.

The Berlin Wall speech, then, offered cover for Mr. Reagan’s diplomacy. It was an anti-Communist speech that helped preserve support for a conservative president seeking to upgrade American relations with the Soviet Union. In political terms, it was the prerequisite for the president’s subsequent negotiations. These efforts, in turn, created the vastly more relaxed climate in which the Soviets sat on their hands when the wall came down.

Those who minimize the speech also ignore the message it sent the Soviets. It served notice that the United States was willing to reach accommodations with Mr. Gorbachev, but not at the expense of accepting the permanent division of Berlin (or of Europe).

Yes, on the surface the address seemed like a follow-on to earlier Reagan speeches — the one at Westminster in 1982, where he predicted that the spread of freedom would “leave Marxism-Leninism on the ash heap of history,” and the speech the following year in which the president had called the Soviet Union “the evil empire.”

Yet the speech reflected an important shift in Mr. Reagan’s thinking, one that put him at odds with the Washington establishment: it acknowledged that Mr. Gorbachev represented something significant and fundamentally different in Moscow; that he was not merely a new face for the same old Soviet policies.

So while the speech reasserted the anti-communism on which Mr. Reagan had based his entire political career, it also gave recognition to the idea that the Soviet system might be changing. “We hear much from Moscow about a new policy of reform and openness,” Mr. Reagan said. “Are these the beginnings of profound changes in the Soviet state?”

While the speech did not attempt to answer that question, it did go on to establish a new test for evaluating Mr. Gorbachev’s policies:

“There is one sign the Soviets can make that would be unmistakable, that would advance dramatically the cause of freedom and peace. General Secretary Gorbachev, if you seek peace, if you seek prosperity for the Soviet Union and Eastern Europe, if you seek liberalization: Come here to this gate! Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!”

When viewed strictly as foreign policy doctrine, Mr. Reagan’s speech didn’t say anything overtly new. After all, it was a longstanding tenet of American policy that the wall should come down. Mr. Reagan himself had already said so before, on a visit to West Berlin in 1982 (“Why is that wall there?”) and on the 25th anniversary of the wall in 1986 (“I would like to see the wall come down today, and I call upon those responsible to dismantle it”). The new element in 1987 was not the idea that the wall should be torn down, but the direct appeal to Mr. Gorbachev to do it.

When Mr. Reagan’s speech was first drafted, senior officials at the State Department and National Security Council tried repeatedly to get the words out. They believed the statement might jeopardize Mr. Reagan’s developing relationship with the Soviet leader.

Like his latter-day interpreters, those officials misunderstood Mr. Reagan’s balancing act. He wasn’t trying to land a knockout blow on the Soviet regime, nor was he engaging in mere political theater. He was instead doing something else on that damp day in Berlin 20 years ago — he was helping to set the terms for the end of the cold war.

James Mann, an author in residence at Johns Hopkins University’s School of Advanced International Studies, is working on a book about the final years of the cold war.

Freitag, Juni 08, 2007

Go away Paris Hilton



hmm, I have absolutely no interest in this celebrity nonsense, but even I feel bombarded with "information" about that woman. So, great song, just don't make her come to Europe...
:-)

Montag, Mai 28, 2007

Militants Widen Reach as Terror Seeps Out of Iraq

Is it to cheap to say that this has been told to happen by those old Europeans? I think not. The Iraq war is breeding the terrorists it is said to combat.

The New York Times
The Iraq war, which for years has drawn militants from around the world, is beginning to export fighters and the tactics they have honed in the insurgency to neighboring countries and beyond, according to American, European and Middle Eastern government officials and interviews with militant leaders in Lebanon, Jordan and London.


New York Times
May 28, 2007
Militants Widen Reach as Terror Seeps Out of Iraq
By MICHAEL MOSS and SOUAD MEKHENNET


When Muhammad al-Darsi got out of prison in Libya last year after serving time for militant activities, he had one goal: killing Americans in Iraq.

A recruiter he found on the Internet arranged to meet him on a bridge in Damascus, Syria. But when he got there, Mr. Darsi, 24, said the recruiter told him he was not needed in Iraq. Instead, he was drafted into the war that is seeping out of Iraq.

A team of militants from Iraq had traveled to Jordan, where they were preparing attacks on Americans and Jews, Mr. Darsi said the recruiter told him. He asked Mr. Darsi to join them and blow himself up in a crowd of tourists at Queen Alia Airport in Amman.

“I agreed,” Mr. Darsi said in a nine-page confession to Jordanian authorities after the plot was broken up.

The Iraq war, which for years has drawn militants from around the world, is beginning to export fighters and the tactics they have honed in the insurgency to neighboring countries and beyond, according to American, European and Middle Eastern government officials and interviews with militant leaders in Lebanon, Jordan and London.

Some of the fighters appear to be leaving as part of the waves of Iraqi refugees crossing borders that government officials acknowledge they struggle to control. But others are dispatched from Iraq for specific missions. In the Jordanian airport plot, the authorities said they believed that the bomb maker flew from Baghdad to prepare the explosives for Mr. Darsi.

Estimating the number of fighters leaving Iraq is at least as difficult as it has been to count foreign militants joining the insurgency. But early signs of an exodus are clear, and officials in the United States and the Middle East say the potential for veterans of the insurgency to spread far beyond Iraq is significant.

Maj. Gen. Achraf Rifi, general director of the Internal Security Forces in Lebanon, said in a recent interview that “if any country says it is safe from this, they are putting their heads in the sand.”

Last week, the Lebanese Army found itself in a furious battle against a militant group, Fatah al Islam, whose ranks included as many as 50 veterans of the war in Iraq, according to General Rifi. More than 30 Lebanese soldiers were killed fighting the group at a refugee camp near Tripoli.

The army called for outside support. By Friday, the first of eight planeloads of military supplies had arrived from the United States, which called Fatah al Islam “a brutal group of violent extremists.”

The group’s leader, Shakir al-Abssi, was an associate of Abu Musab al-Zarqawi, the leader of Al Qaeda in Mesopotamia who was killed last summer. In an interview with The New York Times earlier this month, Mr. Abssi confirmed reports that Syrian government forces had killed his son-in-law as he tried crossing into Iraq to collaborate with insurgents.

A Danger to the Region

Militant leaders warn that the situation in Lebanon is indicative of the spread of fighters. “You have 50 fighters from Iraq in Lebanon now, but with good caution I can say there are a hundred times that many, 5,000 or higher, who are just waiting for the right moment to act,” Dr. Mohammad al-Massari, a Saudi dissident in Britain who runs the jihadist Internet forum, Tajdeed.net, said in an interview on Friday. “The flow of fighters is already going back and forth, and the fight will be everywhere until the United States is willing to cease and desist.”

There are signs of that traffic in and out of Iraq in other places.

In Saudi Arabia last month, government officials said they had arrested 172 men who had plans to attack oil installations, public officials and military posts, and some of the men appeared to have trained in Iraq.

Officials in Europe have said in interviews that they are trying to monitor small numbers of Muslim men who have returned home after traveling for short periods to Iraq, where they were likely to have fought alongside insurgents.

One of them, an Iraqi-born Dutch citizen, Wesam al-Delaema, was accused by United States prosecutors of making repeated trips to Iraq from his home in the Netherlands to prepare instructional videos on making roadside bombs, charges he denies. He was extradited to the United States in January and charged with conspiring to kill American citizens, possessing a destructive device and teaching the making or use of explosives.

In an April 17 report written for the United States government, Dennis Pluchinsky, a former senior intelligence analyst at the State Department, said battle-hardened militants from Iraq posed a greater threat to the West than extremists who trained in Afghanistan because Iraq had become a laboratory for urban guerrilla tactics.

“There are some operational parallels between the urban terrorist activity in Iraq and the urban environments in Europe and the United States,” Mr. Pluchinsky wrote. “More relevant terrorist skills are transferable from Iraq to Europe than from Afghanistan to Europe,” he went on, citing the use of safe houses, surveillance, bomb making and mortars.

A top American military official who tracks terrorism in Iraq and the surrounding region, and who spoke on condition of anonymity because of the sensitive nature of the topic, said: “Do I think in the future the jihad will be fueled from the battlefield of Iraq? Yes. More so than the battlefield of Afghanistan.”

Militants in Iraq are turning out instructional videos and electronic newsletters on the Internet that lay out their playbook for a startling array of techniques, from encryption to booby-trapped bombs to surface-to-air missiles, and those manuals are circulating freely in cyberspace.

And tactics common in Iraq are showing up in other parts of the world. In Somalia and Algeria, for example, recent suicide bombings have been accompanied by the release of taped testimonials by the bombers, a longtime terrorist practice embraced by insurgents in Iraq.

Problems in Jordan

It is perhaps not surprising that Jordan, the site of the failed airport plot, would be among the first countries to feel the effect of an expansion of the war beyond Iraq. The countries share a border, and Jordan is an American ally. Mr. Zarqawi, who was Jordanian, is believed to have been behind a failed rocket attack on two United States Navy ships anchored off the coast of Jordan in 2005 and, later that year, suicide bombings at three hotels in Amman that killed 60 people.

Last week, President Bush asserted that in early 2005 Osama bin Laden ordered Mr. Zarqawi, his designate in Iraq, to organize terrorist attacks against the United States and other countries.

Whether the plot against the Amman airport last year was connected to Al Qaeda is not clear. Some of the conspirators who were convicted in Amman in April told Jordanian investigators that Mr. bin Laden’s group sponsored their mission, although the investigation did not confirm any link, according to records of the case obtained by The Times.

But the investigation did establish a connection between the people who planned the attack and militants from Iraq. The plot, pieced together from a 130-page record in Jordan’s secret security court, along with interviews with intelligence officials and defense attorneys, shows why intelligence officials are concerned about the reverberations from Iraq.

The Iraqi identified by authorities as the organizer of the attack, Youssef al-Abidi, moved freely through Iraq, Syria and Jordan, ferrying cash, explosives and conspirators, court records show. He crossed national boundaries that officials concede they cannot control, and although he was convicted in absentia, he remains at large.

The logistics team included at least one recent refugee from Iraq, a 34-year-old former Iraqi Army soldier named Mohsen al-Wissi. He was among the estimated 1.5 million to 2 million Iraqis now living in Jordan and Syria.

The bomb maker, Saad Fakhri al-Naimi, 40, arrived on a commercial flight from Baghdad to prepare a suicide duffel bag for Mr. Darsi, using eight pounds of plastic explosives hidden in a child’s toy.

The airport plot got under way in Zarqa — the birthplace of Mr. Zarqawi — a city north of Amman where community and religious leaders say the growing Islamic conservatism among its mostly Sunni residents has turned hostile toward Shiites as well as the United States.

When the Zarqa police raided a house used by two Iraqis in the plot, they found a computer and 375 CDs filled with anti-Shiite propaganda.

But according to Jordanian prosecutors, Mr. Abidi, the organizer, wanted to focus on resort hotels in Jordan “due to the fact that these hotels are resided in by Americans and Jews.” As part of that goal, the prosecutors said, they selected the Queen Alia Airport in Amman.

During one meeting, Mr. Abidi showed Mr. Naimi, the bomb maker, a black sports bag labeled “Polo World” that contained the explosive PE-4A, which is used by insurgents in Iraq. According to court records, he told Mr. Naimi that he would earn $20,000 for wiring it into a bomb that could be carried in the bag.

They needed someone to set off the bomb at the airport, someone willing to kill himself. That is when they found Muhammad al-Darsi, the militant recently released from prison in Libya.

Disrupting a Plot

In his confession, Mr. Darsi said that he had been jailed in Libya for six years for associating with a militant group there, and that when he got out he wanted to rejoin the fight. He found a recruiter and, at the recruiter’s e-mail directions, Mr. Darsi said he flew to Istanbul, then traveled south to Damascus. By prearrangement, he dressed in black pants and a black sweater and met the recruiter on the bridge just after evening prayers.

“I told him I want to join the mujahedeen in Iraq,” Mr. Darsi said in his statement, each page of which bears his signature and thumbprint. Through his lawyer, Mr. Darsi agreed to be interviewed in prison, but Jordanian officials declined to make him available.

Mr. Darsi, in his statement, said the recruiter “told me that he will not send me to Iraq, that he will put me in charge of a military operation inside Jordan.”

Over the next few days, Mr. Darsi says, he was blindfolded and taken to safe houses in Syria where he was prepared for his mission. To maximize civilian deaths, he was told to survey incoming flights and then detonate his bomb after joining a crowd of arriving tourists as they boarded a bus outside the terminal. In his statement he said he was told that the bag of explosives would have buttons “and that by pressing the buttons, the explosion will take place.”

With a Nokia phone and a contact’s phone number in hand, Mr. Darsi drove south to Amman in a borrowed car.

Officials at the General Intelligence Department in Jordan had picked up vague references to the planned attack from sources in Syria. But the investigation was complicated by the fact that the plotters were moving between Jordan and Syria, which have strained relations.

American officials have accused the Syrians of being indifferent to the way militants use their country as a gateway to Iraq. In Damascus, Mounir Ali, a Ministry of Information spokesman, conceded that controlling Syria’s long border with Iraq was difficult and blamed the Americans for not supplying border-control technology. But he said that Syria, too, was apprehensive about militant attacks. “We are very afraid of this problem created in Iraq,” he said. “The religious problem. The sectarian one. It is going to affect everybody and primarily Syria.”

Although the Jordanians identified the safe houses in Syria used by the airport plotters, they could not raid them. Instead, they broke the case when they picked up the two men in Zarqa and then arrested Mr. Naimi as he arrived from Baghdad, according to court records and interviews with government officials.

Those men, in turn, gave up Mr. Darsi, who was grabbed as he crossed from Syria into Jordan.

The Jordanian Security Court acquitted one man and convicted six others in connection with the airport plot, three of whom remain fugitives, including a Saudi identified as Turki Nasr Abdellah, who is believed to have helped recruit Mr. Darsi.

Mr. Abidi, whose nickname is the Father of Innocence, is believed to still be in Syria.

At the hearing last month, in which he was sentenced to life in prison, Mr. Darsi struck a defiant tone. Although he never made it to Iraq, he said he had pursued his vision of jihad, according to his lawyer, Abdel Rahman al-Majali.

Mr. Darsi stood at the barred wooden defendant’s box, shouted “God is great!” and recited verses from the Koran aimed at justifying violent jihad, according to Mr. Majali. Before being led away, Mr. Darsi told the court, “I came here to fight against Zionists and occupiers.”

Margot Williams contributed reporting.

Sonntag, Mai 27, 2007

The History of Oil - always interesting and fun to watch



Direkt link to video.google

Robert Newman gets to grips with the wars and politics of the last hundred years - but rather than adhering to the history we were fed at school, he places oil centre stage as the cause of all commotion. This innovative history programme is based around Robert Newman's stand-up act and supported by resourceful archive sequences and stills with satirical impersonations of historical figures from Mayan priests to Archduke Ferdinand. Quirky details such as a bicycle powered street lamp on the stage brings home the pertinent question of just how we are going to survive when the world's oil supplies are finally exhausted. «

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Freitag, Mai 11, 2007

Selektive historische Wahrnehmung - Kranzniederlegung in Tallinn

10. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
Russland erinnert sich an seinen grossen Sieg
Selektive historische Wahrnehmung - Kranzniederlegung in Tallinn

Der «Tag des Sieges» am 9. Mai wird in Russland jedes Jahr pompöser gefeiert. Er eignet sich zur Darstellung von Grösse, zur Verklärung der Vergangenheit und zur Abgrenzung nach aussen. Wie selektiv die Erinnerung ist, zeigt sich im Konflikt mit Estland.

10. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
Russland erinnert sich an seinen grossen Sieg
Selektive historische Wahrnehmung - Kranzniederlegung in Tallinn

Der «Tag des Sieges» am 9. Mai wird in Russland jedes Jahr pompöser gefeiert. Er eignet sich zur Darstellung von Grösse, zur Verklärung der Vergangenheit und zur Abgrenzung nach aussen. Wie selektiv die Erinnerung ist, zeigt sich im Konflikt mit Estland.

mac. Moskau, 9. Mai

Jedes Jahr am «Tag des Sieges», dem Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs, wird über Moskau eine kleine Luftschlacht ausgetragen. Bürgermeister Luschkow wünscht am 9. Mai Sonnenschein - und wenn, wie am Mittwoch, dicke graue Wolken Regen versprechen, werden diese von der Luftwaffe in alle Winde zerstoben, bis die Sonnenstrahlen den Siegestag zum Glänzen bringen. Ganz Russland scheut keinen Aufwand, um den Sieg der Sowjetunion gegen das nationalsozialistische Deutschland im «Grossen Vaterländischen Krieg» jedes Jahr pompöser zu feiern, auch wenn das letzte runde Jubiläum erst zwei Jahre zurückliegt Die Symbolik erscheint wie aus einer anderen Zeit.

Alte und neue Bedrohungen
Den Hauptakt der Feierlichkeiten stellt die grosse Militärparade auf dem Roten Platz dar, die seit einiger Zeit wieder jährlich abgehalten wird, jedoch ohne Kriegsgerät. 7000 Angehörige der Streitkräfte - 1000 mehr als vor einem Jahr - nahmen an dem knapp einstündigen Ereignis vor Tausenden von Zuschauern teil und defilierten am Oberbefehlshaber, dem Präsidenten Putin, vorbei. Hunderte von Veteranen im Alter zwischen 82 und 97 Jahren sassen in ihren Uniformen als Ehrengäste auf der Tribüne. In einer kurzen Ansprache würdigte der hart und entschlossen dreinblickende Putin die Heldentaten der Soldaten und erinnerte an den Beistand der restlichen Alliierten.

Er nutzte den Anlass gleichzeitig, um vor den heutigen Bedrohungen von Extremismus und Konfrontation zu warnen. Diese zielten, genau wie zu Zeiten des Dritten Reiches, auf globale Ausschliesslichkeit und weltweites Diktat. Er brauchte keine Namen zu nennen, um die Botschaft verständlich zu machen. Die Schaffung von Feindbildern steht derzeit in der vom Wahljahr und von der offenen Frage nach Putins Zukunft geprägten politischen Debatte hoch im Kurs.

Der 9. Mai ist ein Fest- und Gedenktag, aber ebenso sehr ein politisches Datum. Der Stellenwert, den die Politik den Feierlichkeiten gibt und den sie jährlich noch erhöht, sagt viel über das gegenwärtige Russland aus, das für einen Tag in der Grösse der Sowjetunion erstrahlt. Dunkle Flecken der Vergangenheit gibt es nicht, und wer am Tabu des noch immer weitgehend sowjetischen Geschichtsbilds von Heldentum und Befreiung zu rütteln wagt, gerät sofort in den Verdacht, die Geschichte umschreiben und den «Faschismus» rehabilitieren zu wollen. Das Trauma der sowjetischen Kriegsgefangenen, die nach ihrer Rückkehr direkt in die Hölle der stalinistischen Zwangsarbeitslager geraten waren, und die mit Deportation und Zwang verbundene Okkupation des Baltikums und Ostmitteleuropas existieren in dieser äusserst selektiven historischen Wahrnehmung nicht - ähnlich wie während der sowjetischen Nachkriegszeit.

Estland am Pranger
Wie sehr diese einseitige, hoch emotionalisierte Wahrnehmung der Vergangenheit politisch wirksam ist, bezeugen die Auseinandersetzungen um die Entscheidung Estlands, das bronzene Soldatendenkmal vom Zentrum Tallinns auf einen Kriegsfriedhof zu verlegen. Exemplarisch zeigte sich daran die unterschiedliche Bewertung des sowjetischen Sieges, der den baltischen Staaten zwar Befreiung von deutschen Truppen brachte, aber zugleich die über vierzigjährige Besetzung durch die Sowjetunion. Die Sensibilitäten wurden ohne Zweifel auf beiden Seiten verletzt. Um eine «Wiederkehr des Faschismus» und ein «Umschreiben der Weltkriegsgeschichte» in Estland und überhaupt in der Europäischen Union, von der am Mittwoch sogar Putin in seiner kurzen Rede auf dem Roten Platz sprach, geht es bei den Vorgängen in Tallinn indessen nicht. Solche Behauptungen reflektieren vielmehr Selbstgerechtigkeit und einen Mangel an kritischem Umgang mit der eigenen Geschichte.

Eine simple Schwarz-Weiss-Wirklichkeit gibt es auch im Streit um den Tallinner Bronze-Soldaten nicht. Am 8. Mai, dem Tag des Kriegsendes in Westeuropa, hatte auch die estnische Führung am neuen Standort des Denkmals einen Kranz niedergelegt. Gemeinsam mit akkreditierten Botschaftern gedachten die Esten überdies des Holocausts und des Krieges am Soldatendenkmal Maarjamägi. Russische Vertreter lehnten die Einladung zur Teilnahme an dieser Gedenkveranstaltung mit dem Hinweis auf ihren traditionellen Feiertag am 9. Mai ab. Sie legten am Mittwoch Blumen und Kränze am bronzenen Soldatendenkmal nieder. Viele Bürger pilgerten laut Medienberichten und gegen den Willen der Behörden zum bisherigen Standort der Statue im Zentrum Tallinns, wo das Polizeiaufgebot aus Furcht vor neuen Ausschreitungen gross war.

Die Angst vor dem Musterschüler

10. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
Die Angst vor dem Musterschüler
Sentiment und Ressentiment - das aufstrebende China erhitzt die Phantasie des Westens


Der rasante Aufstieg der Volksrepublik China nach Jahrzehnten der Selbstisolation ist Gegenstand heftiger Projektionen des Westens. Diese haben weniger mit den tatsächlichen Verhältnissen in China zu tun als mit dem verunsicherten Selbstbild der westlichen Demokratien.

10. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
Die Angst vor dem Musterschüler
Sentiment und Ressentiment - das aufstrebende China erhitzt die Phantasie des Westens

Der rasante Aufstieg der Volksrepublik China nach Jahrzehnten der Selbstisolation ist Gegenstand heftiger Projektionen des Westens. Diese haben weniger mit den tatsächlichen Verhältnissen in China zu tun als mit dem verunsicherten Selbstbild der westlichen Demokratien.

Die Reaktionen auf den rasanten chinesischen Aufstieg bewegen sich zwischen den Extremen euphorischer Bewunderung und panischer Furcht vor den ungeheuren - vor allem wirtschaftlichen - Kräften, die er entfesselt hat. Dabei berühren sich beide Extremreaktionen zuweilen und vermischen sich zu einem diffusen Gefühl, einer unberechenbaren Gewalt ausgeliefert zu sein - ohne dass man erkennen könnte, ob sich ihre ungeheuren Wirkungen für uns im Westen als Segen oder als Verhängnis erweisen werden. Der Untertitel eines jüngst erschienenen China-Buches, «Globale Rivalen» von Eberhard Sandschneider, bringt dieses Sentiment passiv bangender, staunender Erwartung auf den Punkt: «Chinas unheimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens».

Jenseits westlicher Werte?
Sandschneider schreibt im Gestus des nüchternen Kenners nicht nur der chinesischen Verhältnisse, sondern auch der objektiven Gegebenheiten, von denen die Weltpolitik bestimmt wird - jenseits aller Wunschvorstellungen von der Universalität westlicher Werte wie Freiheit und Demokratie. Die Vorstellung von westlichen Kritikern, nach der China zur Verwirklichung dieser Werte gedrängt werden müsse, hält Sandschneider für ebenso weltfremd wie überheblich. Es sei die Illusion nach 1989 gewesen, dass sich die Ideen von Individualität und Menschenrechten nun auf dem ganzen Erdball durchsetzen würden. In Wirklichkeit gebe die chinesische Führung keinen Pfifferling auf Mahnungen des Westens, seinem Weg zu folgen, sondern verfolge unbeirrt seine eigene Entwicklungsagenda. Das nach westlichen Deutungsmustern undurchschaubare China wird bei Sandschneider zum Inbegriff einer in der Substanz fremden gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit, die sich von äusseren Ansprüchen nicht - oder nicht mehr - beeindrucken und beeinflussen lasse.

Erstaunlicherweise wird dieses Pathos des ganz Anderen bei uns in dem Masse stärker, als sich China unseren westlichen Wirtschafts- und Lebensgepflogenheit so eng wie nie zuvor anzugleichen scheint. «Unheimlich» war China uns schon immer - einst als rätselhaftes abgeschottetes «Reich der Mitte» und in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts als gleichgeschalteter kommunistischer «Ameisenstaat». Jetzt aber tritt es als potenter Konkurrent auf dem ureigensten Terrain des Westens an - nicht als Speerspitze einer darbenden «Dritten Welt», die dem amerikanisch-europäischen Entwicklungsmodell den «Krieg der Hütten gegen die Paläste» angesagt hat, sondern als (staats)kapitalistischer Global Player, der westliche Produkte und Produktionsweisen kopiert sowie die westlichen Produktionskosten durch den Rekurs auf frühkapitalistische Ausbeutung unterbietet. Dass China kein grundlegend anderes Weltanschauungsmodell mehr propagiert, sondern sich nach westlicher Effektivitätslogik an die Spitze der Weltwirtschaft zu katapultieren versucht, macht es in den Augen europäischer und anderer westlicher Beobachter doppelt suspekt - welche mimetische Anpassungsfähigkeit muss doch in einer solchen Kraft stecken, die ihre eigenen Ziele und Werte in der Verkleidung als Musterschüler des westlichen Kapitalismus durchzusetzen versteht!

Wachsendes Unbehagen
In Europa überwiegt noch Bewunderung für dieses Phänomen. Doch das Unbehagen über die schwindelerregende Dynamik Chinas wächst. Dabei wird die «chinesische» Gefahr bei uns, im Gegensatz zu den USA, meist noch mehr auf wirtschaftlichem Feld gesehen, nicht sosehr auf politischem und militärischem. Das deutsche Wochenmagazin «Der Spiegel» kam vor Jahresfrist mit eine alarmistischen Titelgeschichte heraus, in der die Chinesen als ökonomische Invasoren und Auslöser für die Neuauflage frühkapitalistischer Konkurrenzverhältnisse dargestellt wurden, die das europäische Sozialstaatsmodell hinwegfegen würden. Mit China bekommt so die tiefsitzende Angst der Europäer vor der - ihre wohlfahrtsstaatlichen Privilegien unterminierenden - Globalisierung einen neuen Namen und eine konkrete Gestalt. Freilich gibt es auch eine gegenläufige Furcht vor dem schwindelerregenden Tempo des chinesischen Wirtschaftswachstums: Was ist, wenn die Blase platzen und das chinesische System aufgrund von Überhitzung und innerer Widersprüche kollabieren sollte? Würde dann nicht der globale Wirtschafts- und Finanzmarkt in eine beispiellose Krise hineingerissen?

Weniger beunruhigt sind die Europäer einstweilen dagegen noch durch die politischen Weltmachtambitionen Chinas. Dabei spielt Peking gerade hier eine fragwürdige Rolle, die eigentlich alle globalisierungs- und kolonialismuskritischen Instinkte namentlich der Linken wachrütteln müsste. In Afrika zum Beispiel unterstützt Peking ohne jede Rücksicht auf Menschenrechte Regime, die ihm Rohstoffe für seinen Wirtschaftsboom liefern. So ist Peking der grösste Öl-Abnehmer des Sudans und schützt die Regierung in Khartum daher qua seiner Stellung als Vetomacht im Uno-Sicherheitsrat gegen internationale Sanktionen wegen des Völkermords in der westsudanesischen Provinz Darfur. Ähnlich verhält sich China in der Frage des iranischen Nuklearprogramms - iranisches Erdöl ist der chinesischen Führung wichtiger als die Gefahr für die internationale Stabilität, die von einem atomar bewaffneten Iran ausgehen würde. Dieser moralfreie, ökonomische Egoismus der Chinesen ruft im sonst hochmoralisch argumentierenden Europa freilich keine nennenswerten Proteste hervor.

Denn Chinas weltpolitische Obstruktionskraft wird hier auch mit einer Prise Genugtuung registriert - gegenüber den Amerikanern, die sich von der unaufhaltsam scheinenden Entwicklung Chinas zur zweiten Supermacht zunehmend bedroht und herausgefordert fühlen - auch wenn Peking, im Gegensatz zu Moskau, penibel jede offene, lautstarke Konfrontation mit Washington vermeidet. Allmählich rückt somit auch Chinas politisch-militärisches Potenzial als «Gegenmacht» zum übermächtigen «Hegemon» USA und möglichen Stifter einer «multipolaren Weltordnung» in den europäischen Blick.

Für den französischen Wirtschaftsexperten Jean-François Susbielle ist es gar ausgemachte Sache, dass es eines nicht allzu fernen Tages zu einem kriegerischen Showdown zwischen der «etablierten» Supermacht USA und der aufstrebenden Megamacht China kommen muss. «Der programmierte Krieg» lautet der deutsche Titel seines Buches, das sich ganz auf der Linie eines erstaunlich planen materialistischen Determinismus bewegt: Die Konkurrenz um die Erdölreserven der Welt, meint Susbielle, müsse die beiden weltpolitischen Giganten unweigerlich in einen militärischen Entscheidungskampf führen. Umso mehr, als Chinas Streben nach Weltherrschaft von einem extremen Nationalismus angetrieben werde, der sich auf das Bewusstsein der Überlegenheit der chinesischen Zivilisation stütze. In diesem sich abzeichnenden Kampf der Giganten wird Europa die Rolle des machtlosen Zuschauers zugewiesen, dessen moralisierende Sicht auf die Weltpolitik sich angesichts der harten Realität als irrelevant erweist.

Projektiv ausgetragener Konflikt
Es mag so scheinen, als baue Susbielle China zum neuen Feindbild auf. Doch tatsächlich dient ihm sein deterministisches Unheilszenario vor allem dazu, die Absehbarkeit des Endes der amerikanischen globalen Vormacht zu imaginieren. Der «eigentliche Gegner Amerikas» sei dabei «keineswegs al-Kaida, sondern das Reich der Mitte». Susbielle gibt Amerika «höchstens fünf Jahre», um «seine führende Rolle in der Welt aufrechtzuerhalten». Diese Aussicht dürfte bei vielen Europäern nicht nur Schrecken hervorrufen. Daran zeigt sich, dass in der europäischen Auseinandersetzung mit China häufig ein Konflikt projektiv ausgetragen wird, der die Europäer einstweilen noch dringender beschäftigt als die chinesische Herausforderung: der mit den zunehmend kritisch beäugten USA. Es ist offenbar ein Nachdenken darüber in Gang gekommen, ob Europa eine frühzeitige Anpassung an die Ansprüche der kommenden Supermacht im Fernen Osten besser täte, als die enge Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten fortzusetzen.

Richard Herzinger

Richard Herzinger ist Redaktor der «Welt am Sonntag» in Berlin. Zuletzt erschien 2001 sein Deutschland-Buch «Republik ohne Mitte».

Denkmal - denk mal: Zur Unterdrückung befreit

Die NZZ zum Denkmals-Streit zwischen Estland und Russland

10. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
Zur Unterdrückung befreit
Die Gegenwart der Sowjetdenkmäler in Ostmitteleuropa


10. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
Zur Unterdrückung befreit
Die Gegenwart der Sowjetdenkmäler in Ostmitteleuropa

Der sogenannte Denkmalstreit zwischen Russland und Estland rückt ein Thema in den Blick, das weit über eine bilaterale Kontroverse hinausgeht. Die Frage hat jenseits ihrer diplomatischen und politischen Aspekte einen zentralen kulturellen Hintergrund. Denkmäler dieser Art standen oder stehen in allen ehemaligen Satellitenstaaten des Sowjetimperiums, in der Regel in deren Hauptstädten, von Berlin bis Sofia, von Tallinn bis Budapest. Sie ehrten zwar vordergründig die gefallenen sowjetischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, waren aber dezidiert als Symbole der sowjetischen Machtausübung gedacht. Sie sollten den osteuropäischen Völkern vor Augen halten, dass die Besetzung einen legitimen Ursprung habe, nämlich die Niederwerfung des deutschen Nationalsozialismus.

Das Sowjetimperium begründete seine Macht durch eine Kombination von Symbolik und Gewalt. Da in der Beherrschung Osteuropas, bei seiner Sowjetisierung, die Rote Armee, die in kürzester Zeit vom Befreier zum Besetzer geworden war, neben dem NKWD eine entscheidende Rolle spielte, war es wichtig, ihre Präsenz moralisch zu legitimieren. Stalins totalitärem Antrieb ging es nie wirklich um die Ehrung der Gefallenen, sondern vielmehr um den Nutzen, den er für seine Propaganda und seine imperialen Ziele daraus ziehen konnte. Was der einzelne Kämpfer dem Imperium wert war, bezeugt das Schicksal zahlloser Rotarmisten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren und nach ihrer Befreiung umgehend in den Gulag verbracht wurden.

Im Übrigen waren die meisten Osteuropäer wenig erfreut über ihre Befreier. Hätten sie sich diese aussuchen können, wäre die Wahl in den meisten Fällen wohl nicht auf die Rote Armee, sondern auf Amerikaner und Engländer gefallen. Die leidvollen Erfahrungen mit der russischen Nachbarschaft, sei es in bolschewistischen oder zaristischen Zeiten, haben die Osteuropäer bereits 1945 misstrauisch reagieren lassen. - Ein Imperium, das keine öffentliche Debatte kennt, kann sich nur über eine drastische Symbolik ausdrücken. Das zeigt sich auch nach dem Ende der sowjetischen Besetzung Osteuropas. In Russland hat nie eine Aufarbeitung seiner unrühmlichen Rolle in der Beherrschung der osteuropäischen Völker nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden. Die ausgebliebene Demokratisierung Russlands, seine Wiederverankerung in einem Konglomerat aus Grössenbewusstsein, Ressourcenverschleuderung und Gesellschaftslenkung führen auch zum aggressiven Verhalten den neuen freien Staaten gegenüber.

Da diese zum Glück institutionell durch ihre Mitgliedschaften in Nato und EU im Westen fest eingebunden sind, kann die Auseinandersetzung nur symbolisch geführt werden. Ebenso wie die Denkmäler in diesen Ländern von Russland als Symbole seiner Macht angesehen werden, sind sie für die betreffenden Völker Zeichen ihrer Unterdrückung. Russland aber, das weiter denn je von einer selbstkritischen Sicht entfernt ist, missbraucht die Denkmalfrage, um Konflikte zu schüren und von relevanten Themen abzulenken. Im Inneren setzt es in bewährter Weise Schlägertrupps und staatlich geförderte Jugendgangs ein, im benachbarten Ausland Angehörige der russischen Minderheiten.

Gefordert ist eine klare Haltung der EU den demokratiefeindlichen Kreml-Machenschaften gegenüber. Estland gefährdet gewiss nicht die Stabilität des heutigen Russland. Die Angelegenheit ist ein politischer Treppenwitz. Moralisch aber zeigt sie, dass das offizielle Russland vor keinerlei Manipulation zurückschreckt und dass es weiterhin die eigenen Toten als Instrument imperialen Denkens missbraucht.

Richard Wagner

Richard Wagner, geboren im Banat, lebt als Schriftsteller in Berlin. Zuletzt erschien 2006 der Roman «Habseligkeiten».

Mittwoch, Mai 02, 2007

Der 1. Mai in Zürich - immer wieder nett, den Kindern beim Spielen zuzuschauen...

......und nein ich bin kein Gaffer, ich wohne am Stauffacher! Aus dem Fenster gucken reicht.

Zürich
Tages-Anzeiger vom 02.05.2007
Und dann, endlich, brennt das erste Auto

Erst an der Nachdemo zur Nachdemo knallte es im Kreis vier. Protokoll einer späten Eskalation.

Zürich
Tages-Anzeiger vom 02.05.2007
Und dann, endlich, brennt das erste Auto

Erst an der Nachdemo zur Nachdemo knallte es im Kreis vier. Protokoll einer späten Eskalation.

Von Jean-Martin Büttner

Zürich. – Im Interview mit der «Wochenzeitung», vielleicht müsste man sagen: In einem von der «WOZ» in Achtungsstellung entgegengenommenen Tagesbefehl dekretiert Andrea Stauffacher vom «Revolutionären Aufbau», wie dermassen falsch alles ist, was man über den so genannten Schwarzen Block und die so genannten Nachdemos so zu wissen glaubt.

Was von der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten als rituelle Prügelei wahrgenommen wird, die nicht einmal dem Schein nach mit politischem Protest zu tun hat, beschreibt Subcommandante Stauffacher mit dem Satz, man könne «immer nach neuen Begriffen suchen – von Chaoten zu Secondos – um die Vorgänge zu entpolitisieren». Was selbst innerhalb der Linken zu wachsender Frustration führt, dass nämlich die Ausschreitungen danach den Anlass davor desavouieren, verortet sie als «die Strasse ist ein Ort, an dem Klassenanliegen und Widerstandsformen zusammenkommen».

Die Sonne arbeitet fürs Kapital
Dergestalt für die Nuancen des Klassenkampfes sensibilisiert, heftet man sich an die Turnschuhe der Unzufriedenen für eine Unterweisung in internationaler Solidarität. Zunächst will es mit der termingerechten Wut nicht richtig klappen. Die meteorologischen Bedingungen scheinen dem Kapital in die Hände zu arbeiten, scheint die Sonne doch dermassen unverschämt warm auf den Umzug herunter, dass sich keine finstere Stimmung breitmachen mag. Der offizielle Cortège wälzt sich heiter durchs Limmatquai und dann über den Paradeplatz Richtung Stauffacher. Transparente schaukeln vorbei, Flugblätter werden verteilt, es hat rote Fahnen unter blauem Himmel, und selbst die Unzufriedenen ganz am Schluss sehen relativ zufrieden aus.

Am Helvetiaplatz lassen die einen die Reden über sich ergehen, während die anderen sich Richtung Kebab absetzen. Der schwarze Kern versammelt sich auf dem Kanzleiareal, man streckt sich auf der Wiese aus und blinzelt in die Sonne. Vor den Essständen bilden sich Schlangen. Es riecht nach Bier, Mayonnaise und Marihuana. Ein Rapper rappt schlecht, dafür laut. Die Stellwände mit Informationen zu Nepal und Indien sowie zur Geschichte des Faschismus (in drei Teilen) glühen in der Maisonne. Immer noch schwebt friedliche Heiterkeit über dem Gelände und behindert den antifaschistischen Kampf.

Plötzliche Vermummung
Dann, pünktlich um zwei, wird die Garderobe dem Ernst der Lage angepasst. Wer vorher noch schlaksig und sehr jung in die Gegend schaute, trägt jetzt Kapuze mit Skibrille, womöglich noch Handschuhe, und macht einem Angst. Dafür wirken die schwarzen Trainerjacken und Kämpferhosen kleidsam - radical chic, wie Tom Wolfe wohl sagen würde. Andrea Stauffacher greift zum Megaphon und macht in ihrer atemlos gepressten Art klar, dass sich die Leute an die Route halten und auf Sachbeschädigungen verzichten sollen.

Die Nachdemo verlässt das Hauptquartier und marschiert geschlossen um den Kreis vier. «Revolutionäre Perspektive erkämpfen», heisst es auf dem vordersten Transparent, auch wenn die Perspektive verschwommen bleibt. Ab und zu lässt einer die internationale Solidarität hochleben, andere blöken es nach. «1. Mai, Strasse frei» ist als Slogan auch beliebt. Es stimmt übrigens nicht, dass die Demonstranten nur Nike-Schuhe tragen. Sie tragen auch Reebok, Adidas und Lacoste. Die meisten sind sowieso damit beschäftigt, einander abzufilmen oder mit dem Handy zu fotografieren. Wer sie jetzt fichieren wollte, würde gar nicht auffallen. Die schwarze Kolonne biegt in die Langstrasse ein. Am Strassenrand steht das arbeitende Volk und schaut zu. Als zwei Jugendliche Rauchpetarden entzünden, geraten die Fotografen in Aufregung; wenn schon kein Feuer, dann wenigstens Rauch.

Eine knappe Stunde später ist der antifaschistische Stosstrupp wieder zurück im Kanzlei. Kurz zuvor gibt es einen ersten Zwischenfall: Steine und Flaschen gegen die Justizdirektion. Andrea Stauffacher ergreift das Megaphon und deeskaliert mit einem gewissen Erfolg. Der hält nur so lange an, bis sich die Jugendlichen auf dem Gelände zu langweilen beginnen und zur Nachdemo der Nachdemo ansetzen.

Faschistische Tramstationen
Zuallererst wird der Schriftzug einer Credit-Suisse-Filiale attackiert. Warum die Unterstände zweier Tramstationen demoliert werden, lässt sich vom antifaschistischen Aspekt her nicht einordnen; haben sie zuwenig internationale Solidarität gezeigt? Und warum wird ein Handygeschäft mit Steinen beworfen, ist das Globalisierungskritik oder ein Plünderungsversuch? Kurz nach vier brennt endlich das erste Auto, schwarzer Rauch über der Kalkbreite. Beirut-Feeling! Die Kameraleute sind selig. Endlich die Bilder zur Empörung.

Ein Teil der Unzufriedenen zieht sich wieder aufs Kanzlei zurück. Kinder weinen vor Angst, ihre Mütter bringen sie in Sicherheit, die friedliche Stimmung geht jäh kaputt. Die Restvermummten lassen sich auf dem Helvetiaplatz heldenhaft von der Polizei abspritzen und ruinieren zur Sicherheit noch das dortige Fest. So hat es trotzdem noch gekracht. Ein paar Hundert haben die mehreren Tausend verdrängt. Alles in allem ein guter Arbeitstag für den Widerstand. Das internationale Kapital wird mächtig beeindruckt sein.

Sonntag, April 29, 2007

Dienstag, April 24, 2007

Ein Nachruf der NZZ auf Boris Jelzin

24. April 2007, 05:56, NZZ Online
Eine Symbolfigur mit Reizpotenzial
Verhaltene Trauer in Moskau um Boris Jelzin

Am Montag ist unerwartet der erste Präsident des unabhängigen Russland, Boris Jelzin, in Moskau gestorben. So kontrovers seine Präsidentschaft zu beurteilen ist – er bleibt ein Symbol für das Ende der Sowjetunion und Russlands beschwerlichen Weg der Transformation.



24. April 2007, 05:56, NZZ Online
Eine Symbolfigur mit Reizpotenzial
Verhaltene Trauer in Moskau um Boris Jelzin

Am Montag ist unerwartet der erste Präsident des unabhängigen Russland, Boris Jelzin, in Moskau gestorben. So kontrovers seine Präsidentschaft zu beurteilen ist – er bleibt ein Symbol für das Ende der Sowjetunion und Russlands beschwerlichen Weg der Transformation.

mac. Moskau, 23. April

«Eine starke, breite, bedeutsame und widersprüchliche Persönlichkeit – er war so wie Russland.» Mit diesen etwas unbeholfenen, aber emotionalen Worten hat Dmitri Jakuschkin, Ende der neunziger Jahre Pressesprecher des Kremls, am Montagabend im russischen Äther wenig und doch sehr viel über Boris Jelzin gesagt, den ersten Präsidenten der Russischen Föderation nach 1991. Die Nachricht vom Hinschied Jelzins hat Russland überrascht und die Medien, die Politik und die Öffentlichkeit unvorbereitet getroffen.
Ein widersprüchliches Bild

Im pluralistischen Grundwerten verpflichteten Radiosender Echo Moskwy gab es nur noch ein Thema, es waren die Stimmen und Einschätzungen von politischen Weggefährten und Gegnern zu hören. Und mit den Bildern aus Moskaus Strassen vom Augustputsch 1991, dem Beschuss des Parlamentsgebäudes 1993 und den immer unsichereren Auftritten des Präsidenten zum Ende seiner Amtszeit brachten die Hauptnachrichtensendungen der Fernsehkanäle mehr als anderthalb Dekaden stürmischer russischer Geschichte und widersprüchlicher Interpretationen erneut in die Wohnzimmer des Landes.

Boris Nikolajewitsch Jelzin starb am Montagnachmittag in einem der angesehensten Moskauer Spitäler an einem Herzversagen im Alter von 76 Jahren. Seit Jahren hatte er an Herzproblemen gelitten. Die schweren gesundheitlichen Probleme während seiner Amtsjahre, die ihm zeitweise und zunehmend die Führung der Regierungsgeschäfte verunmöglicht und seiner berüchtigten Entourage aus Familienmitgliedern, Kreml-Beamten und einflussreichen Wirtschaftsführern die faktische Herrschaft über Russland in die Hände gegeben hatten, waren zuletzt zum Symbol eines dahinsiechenden Staates geworden. Die Macht hatte der von Amt und Bürden, von Krankheit und ungesundem Lebensstil gezeichnete Revolutionär des neuen Russland bis zu seinem überraschenden Rücktritt Ende Dezember 1999 trotzdem mit aller Gewalt auf sich zu vereinen versucht.

Fast alle, die sich zu öffentlichen Stellungnahmen am Todestag veranlasst sahen, liessen Hemmungen spüren, eine überschwängliche Würdigung des Verstorbenen auszusprechen. So erbärmlich wie der Kommunistenführer Gennadi Sjuganow, im Wahlkampf 1996 Jelzins erbittertster Gegner, der sich einzig darauf berief, nach den Bräuchen dürfe über einen Verstorbenen nichts Schlechtes gesagt werden, weshalb er gar nichts zu sagen habe, reagierten auch die einst mächtigsten Gegner Jelzins nicht – nicht Michail Gorbatschew, der letzte Präsident der Sowjetunion, und auch nicht Alexander Ruzkoi, Jelzins erster Vizepräsident und Widersacher im blutigen Konflikt mit dem Parlament 1993. Sie und viele andere – langjährige Weggefährten wie der frühere Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin und viele erste Führer der unabhängig gewordenen Sowjetrepubliken – nannten zuvorderst den Einsatz für die Freiheit als bleibendes Erbe Jelzins.

Die Bilder, die Jelzin auf einem Panzer vor dem Weissen Haus in Moskau zeigen, als im August 1991 eine Gruppe ewiggestriger Sowjetfunktionäre das Ende der Sowjetunion zu verhindern versuchte und dadurch ihr Zerbrechen beschleunigte, sind das stärkste Symbol für den Kampf um Freiheit und für die Hoffnung, die mit der Person des damals 60-jährigen systeminternen Oppositionellen verbunden waren. Ein paar Monate vorher war er überlegen und als erster Politiker überhaupt zum Präsidenten Russlands (damals noch eine Sowjetrepublik) gewählt worden. Er sprach als Demokrat, auch wenn er vom Funktionieren einer Demokratie kaum eine Ahnung hatte. Er trat als Populist in den Ring einer verkrusteten Politik, die diesem kraftvollen, charismatischen Machtmenschen nicht gewachsen war.

Jelzin war ein sowjetischer Kadermann – aus einer Bauernfamilie hinter dem Ural, bei Swerdlowsk (heute Jekaterinburg), stammend, der nach dem Bauingenieur-Studium die Parteileiter erklommen hatte und vom westsibirischen Provinzstatthalter zum Parteichef der Hauptstadt aufgestiegen war. Im Zentrum der Macht legte er sich alsbald mit den etablierten Grössen an – auch mit Gorbatschew, dessen Reformkurs er guthiess, jedoch für zu wenig radikal hielt. Er hatte zwar selbst die Freiheit der Bürger im Sinn, erkannte den unbedingten und kompromisslosen Veränderungsbedarf der sowjetischen Wirtschaft und besiegelte, als er Ende 1991 den Rahmen der Sowjetunion dafür für nicht mehr tragfähig hielt, die Auflösung der Sowjetunion.

Sein äusserst rudimentäres Verständnis von Marktwirtschaft und Demokratie wendete sich später jedoch gegen ihn, als er vom erklärten Demokraten zum skrupellosen Machtpolitiker wurde. Zunächst liess er das offenkundig destruktiv widerborstige Parlament beschiessen. Später regierte er oft nur noch am Rande im Rahmen der von ihm selbst eingeführten Verfassung – oder liess regieren, weil er angesichts seiner Krankheit häufiger dazu selbst gar nicht mehr in der Lage war. Damit hatte er wesentlich seinen einstigen Bonus als Hoffnungsträger verspielt.
Transformation mit Verlierern

Russlands beeindruckende Transformation, die trotz allen inneren Wirren, die heute als Gegenbild für die Stabilität unter Präsident Putin herhalten müssen, weitgehend friedlich war, ist ohne Zweifel Jelzins Verdienst. Er holte junge liberale Wirtschaftsreformer in die Regierung, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit verordneten und das Land zunächst in einen Schock führten. Freiheit wurde zuweilen als Anarchie verstanden. Sicherheit war in allen Lebenslagen und -bereichen ein Wort der Vergangenheit. Die Verteilung des oft maroden und daher billig bewerteten Staatseigentums unter einige wenige, die davon reich und mächtig geworden sind, hat die breite Bevölkerung zunehmend abgestossen.

Das fatale an dem auch vom Westen unterstützten Umbau war der fehlende institutionelle Rahmen, in dem das neue Russland gebaut wurde. Die deutsche Politologin Margareta Mommsen hat dies, auf die Politik bezogen, eine «Demokratie ohne Demokraten» genannt. In gewisser Weise mangelt es Russland daran bis heute. Als gefallener Hoffnungsträger bleibt Jelzin dennoch eine markante Symbolfigur für das neue Russland. Ähnlich wie Gorbatschew im Westen mehr geschätzt als im eigenen Land, wo ihm der Zusammenbruch des sowjetischen Vaterlands und die wirren Zeiten der neunziger Jahre zum Vorwurf gemacht werden, ist der schillernde Demokrat Jelzin derjenige, der in gewissem Sinn den Grundstein für den Aufbruch neuer Generationen gelegt hat.
R.M.

Quo vadis Putin und Russland?

23. April 2007, Neue Zürcher Zeitung
Wohin steuert Putin?
Ein starker Mann schafft neue Freiheiten - Russland zwischen Ambition und Korruption, Aufbruch und Erstarrung
Nach einer längeren Phase der Schwäche im Anschluss an den Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt Russland derzeit eine Rückkehr zur Grossmachtpolitik. Das Selbstbewusstsein der Regierung Putin verdankt sich wesentlich dem Reichtum, der sich aus Öl- und Gaseinnahmen speist. Ob die neue Konsumgesellschaft auch politische Lockerungen nach sich zieht, ist ungewiss. Der Weg zur Zivilgesellschaft dürfte lang werden.


23. April 2007, Neue Zürcher Zeitung
Wohin steuert Putin?
Ein starker Mann schafft neue Freiheiten - Russland zwischen Ambition und Korruption, Aufbruch und Erstarrung

Nach einer längeren Phase der Schwäche im Anschluss an den Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt Russland derzeit eine Rückkehr zur Grossmachtpolitik. Das Selbstbewusstsein der Regierung Putin verdankt sich wesentlich dem Reichtum, der sich aus Öl- und Gaseinnahmen speist. Ob die neue Konsumgesellschaft auch politische Lockerungen nach sich zieht, ist ungewiss. Der Weg zur Zivilgesellschaft dürfte lang werden.

Von Ulrich Schmid

Ein Kinobesuch in Moskau, den ich nie vergessen werde: «Doktor Schiwago». Sie erinnern sich: Omar Sharif, der schöne Ägypter, liebt Julie Christie, die in Indien geborene Britin, die noch viel schöner ist, aber nicht seine Frau. Schon ab der ersten Minute bringen Schiwago und Lara, bringt das grotesk saubere revolutionäre Russland des Regisseurs David Lean die Menschen zum Schmunzeln. Aber als sich Schiwago durch Schnee und Eis in die Wohnung der alleinstehenden Frau durchkämpft, in eine Wohnung, so geräumig und arvenhell wie die Wohnungen, in denen die Models von Laura Ashley ihre Blumen giessen, da brechen regelrechte Lachstürme los. Nie habe ich ein russisches Publikum so ausgelassen gesehen.

Lachen und Russland: Nicht eben die Begriffe, die man als untrennbar bezeichnen würde. Russland gilt nicht als das Mutterland des Humors. Ich habe das stets anders erlebt. Russen lachen oft und gern, in der Verzweiflung ebenso wie im Glück, manchmal sogar im Zorn, und sie verfügen über einen hintergründigen Humor, geschult in den langen Jahren kommunistischer Herrschaft. Man lacht ebenso gerne über sich selber wie über das westliche Russlandbild, und nie hat man das entspannter getan als heute, wo die reflexartige Ehrfurcht vor allem Westlichen längst passé ist.

Vor ein paar Wochen, bei meinem letzten Besuch, habe ich festgestellt: Die Moskauer sind freundlicher geworden. Sie lächeln wieder, selbst in der Öffentlichkeit. Griesgrämig schleppte sich einst die Kellnerin an den Tisch - heute bringt man mir strahlend meinen Kaffee und wünscht mir einen guten Tag, wenn ich gehe.

Ein neues Moskau
Der Wirtschaftsaufschwung, den Russland erlebt, macht fröhlich - zumindest die, die von ihm profitieren. Und das sind, bei allen Mängeln, nicht wenige. Welch unerhörte Entwicklung! Kommertscheskie strukturi! Russlands Wirtschaft floriert, in manchen Teilen boomt sie. Moskau ist nicht wiederzuerkennen. Einkaufszentren schiessen aus dem Boden, das Kleingewerbe blüht. Eine Schicht mit Kaufkraft ist herangewachsen - und bei Gott, sie kauft. Ein roher Kapitalismus ist es, ein wirtschaftlicher Goldrausch mit all den Schattenseiten derartiger Erscheinungen. Aber er funktioniert, tausendmal besser jedenfalls als die unsägliche Planwirtschaft von einst.

Keine Frage: Der Übergang zum Markt schreitet voran. Die Einführung der Flat Tax, der Einheitssteuer, war ein riesiger Erfolg - ein Erfolg, den man auch in Westeuropa etwas genauer studieren könnte. Eine ganz neue Unternehmerkultur ist entstanden. Banken haben begonnen, Kredite auszugeben, die Devisenreserven haben Rekordniveau erreicht. Im Privaten ist man dagegen weniger sparsam. Was man hat, wird mit vollen Händen ausgegeben. Immer mehr Russen tauchen an warmen Stränden auf. Die Türkei und Ägypten werden überschwemmt von russischen Sonnenhungrigen - der beste Beweis dafür, dass langsam eine Mittelschicht heranwächst.

Der wirtschaftlichen Vielfalt entspricht die kulturelle. Nicht von der etablierten Kultur spreche ich - die geht durch ihre von den Feuilletons ausgeloteten Höhen und Tiefen wie überall. Nein, mich faszinieren die kleinen Theater, die Musikklubs, Kabaretts, Kinos und Discos, die Strassentheater und U-Bahn-Musikanten, die privaten Museen und die inoffiziellen Stadtführungen. Was in dieser Hinsicht in Moskau entsteht, ist unerhört. Die Szene blüht und verzweigt sich in munterer Vielfalt. Moskau ist eine der vitalsten Städte, die ich kenne. Nachts, auf der Heimfahrt in der Metro, lächeln sich die Nachtschwärmer manchmal an wie die Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft.

Fehlende Rechtsstaatlichkeit
Die aber, die die Zeitung «Komersant» lesen oder den exzellenten Sender Radio Moskwy hören, lächeln dann wohl eher grimmig. Was sie zur Kenntnis nehmen müssen, ist dies: Dass der Kreml wieder ein Stück Demokratie vernichtet hat. Dass schreiendes Unrecht nicht geahndet wird. Dass Beamte über Jahre ungestraft Menschen terrorisieren. Dass wieder eine Demonstration niedergeknüppelt wurde. Dass wieder ein kritischer Journalist ums Leben gekommen ist. Es ist das Lachen, das einem im Halse stecken- bleibt, und es steht für das grösste Versagen des neuen Russland, die fehlende Rechtsstaatlichkeit. Noch immer, wie in den neunziger Jahren, wie in der Sowjetzeit, bestimmt das Gesetz wenig. Wer siegt und wer verliert, entscheidet die Macht. Kritiker des Kremls leben gefährlicher als zur Zeit Breschnews. 214 Journalisten seien seit 1993 bei der Ausübung ihres Berufs ums Leben gekommen, sagt die russische Journalisten-Gewerkschaft. Und nicht ein Fall wurde aufgeklärt.

Hier der wirtschaftliche Aufbruch - da die politische Erstarrung. Seit seinem Amtsantritt hat Putin die Macht des Kremls konsequent ausgebaut. Er ernennt die Gouverneure. Er setzt seine KGB-Freunde in Schlüsselpositionen. Seine Bürokraten bestimmen, wer zu den Wahlen zugelassen wird. Der Staat ist ein Moloch: Beamte gibt es mehr als zur Sowjetzeit. Die wichtigen Medien sind fast alle unter staatlicher Kontrolle. Oppositionelle werden inzwischen niedergeknüppelt wie in Weissrussland. Etwa 20 Sekunden lang habe er sein Plakat in Nischni Nowgorod in die Höhe recken können, bevor sich ein Polizist auf ihn geworfen habe, hat mir ein Bekannter erzählt. Die Szenen, die er beschrieb, erinnerten mich an die Hetzjagden der chinesischen Polizei gegen Demonstranten auf dem Tiananmen-Platz in Peking. Putin scheint von Deng Xiaoping zu lernen: Gebt der Opposition keinen Raum zum Wachsen, rottet sie mit der Wurzel aus.

Die demokratischen Institutionen des Russlands der neunziger Jahre sind heute potemkinsche Fassade. Jedinaja Rossija, Einiges Russland, ist keine Partei mit Ideologie, sondern eine Organisation zur Machterhaltung. Sprawedliwaja Rossija, Gerechtes Russland, ist eine Pseudo- Opposition, aufgebaut nicht aus Liebe zum Pluralismus, sondern aus dem Bedürfnis heraus, sich für alle Eventualitäten zu wappnen. Die Parteien gehorchen Persönlichkeiten, nicht Programmen; sie zu kaufen, ist leicht. Wahlen dürfen vieles bringen, aber nichts Unerwartetes, auf gar keinen Fall einen Machtwechsel. Also werden sie organisiert. Die Elite muss die Gewissheit haben, nicht ins Gefängnis geworfen zu werden und ihre Beute behalten zu dürfen: Darum geht es.

Überwundene Anarchie
Warum aber erfreut sich dieser Präsident dennoch so grosser Beliebtheit? Primär wohl deshalb, weil für die meisten Russen die Ära Jelzin eine sehr, sehr düstere Periode war. Was heute Rechtlosigkeit ist, war damals Anarchie. Auf der Strasse herrschte die Mafia. Pensionäre konnten sich kaum über Wasser halten. Kleine Beamte verloren mehr als die Hälfte ihres verspätet ausbezahlten Lohns an die wütende Inflation. Die neue Elite, personell mit der alten identisch, plünderte mit dem Instrument der Privatisierung den Staat - ein Raubzug, wie er in der Geschichte einmalig sein dürfte. Und dann verloren im Rubel- Crash von 1998 auch noch Millionen von Menschen ihr Erspartes. Gleichzeitig sass im Kreml der Mann, dem ich bis heute so etwas wie eine demokratische Gesinnung attestiere. Jelzin erwies sich in entscheidenden Momenten zwar stets als Zauderer. Doch er wollte ein besseres, demokratischeres und, wie er selber sagte, westlicheres Russland. All das, was Russland an Demokratie geblieben ist, stammt aus dieser Ära.

Mit Putin ist es genau umgekehrt. Er ist ein autoritärer Führer, ein KGB-Mann, dem Demokratie wenig bedeutet: hart, skrupellos, nüchtern. Aber er hat Russland vorwärts- gebracht, zumindest sehen das die meisten Menschen so. Man fragt sich nicht mehr jeden Tag, was das Morgen bringt. Russland hat international wieder Gewicht, Putin liest dem Westen die Leviten. Die Welt braucht Energie, Russland hat sie, und die Welt frisst dem Kreml aus der Hand. Im Bereich der ehemaligen Sowjetunion tritt Putin immer arroganter auf, und das nehmen ihm wohl die wenigsten Russen übel. Mit einem Wort: Die demokratische Periode ist desavouiert, die autoritäre hat sich bei vielen Menschen einen guten Ruf erworben.

Nicht, dass dieser Ruf in jedem Fall gerechtfertigt wäre. Unter Putin gibt es mehr, nicht weniger Korruption als unter Jelzin. Die Mafia schiesst weniger, aber sie herrscht noch immer, und Putin lässt sie gewähren. Und die Wirtschaft ist nicht halb so gesund, wie sie erscheint: Sie lebt vom Rohstoffexport. Brechen die Ölpreise ein, stürzt Russland in eine ernste Krise: Eine Industrieproduktion, die den Wert schöpfen könnte, mit dem die gewaltigen Importe zu bezahlen wären, gibt es nicht. Russland ist eine Grossmacht mit der Wirtschaft eines Entwicklungslandes. Von einem Willen zur Produktion, wie man ihn beispielsweise in China findet, ist wenig zu spüren. Wettbewerb und Markt haben sich nur an der Basis durchgesetzt. Im Energiebereich aber und überall dort, wo sich die Oligarchen etabliert haben, herrscht schamloser Protektionismus.

Apathische Jugend
Und wahrhaftig: Russland überschäumt nicht vor Revolutionsgeist. Die russische Studentenjugend ist etwas vom Apathischsten, was ich je gesehen habe. Von kritischem Geist keine Spur. Durch die Strassen zieht die allrussische, nationalistische Putin-Jugend, terrorisiert Andersdenkende und fordert lautstark ihre eigene Entmündigung. Drei Viertel aller Russen empfinden sich nicht als Europäer. Und wo wäre die systematische Aufarbeitung der Verbrechen des Kommunismus? Kommunisten sind hochgeachtete Leute. Für den Westen ist das ein ernstes Problem: Wie kann man einem Land vertrauen, das eine derart monströse Vergangenheit nicht nur negiert, sondern oft sogar glorifiziert?

Die Welt bekommt das neue Selbstbewusstsein Russlands zu spüren, das sogenannte nahe Ausland ganz besonders. In Tschetschenien geschehen nach wie vor ungeheuerliche Kriegsverbrechen. Der Kreml mischt sich ein, stört und intrigiert, in der Ukraine ebenso wie in Georgien, in der Moldau und in Weissrussland. Aussenposten wie Südossetien, Abchasien und die Transnistrische Republik in der Moldau werden hartnäckig verteidigt; die schwachen Proteste der betroffenen Staaten und des Westens werden souverän ignoriert.

Natürlich gründet das neue Selbstbewusstsein auf dem alten. Weltmacht war Russland schon immer - man besitzt eines der grössten atomaren Arsenale. Heute aber will Russland mehr als Weltmacht sein: Grossmacht. Ein Land also, das in der Region respektiert wird, das erfolgreich intervenieren kann, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch. Das war lange Zeit unmöglich. Die Streitkräfte befanden sich nach dem Sturz der Sowjetunion in einem verheerenden Zustand, an Interventionen im Stil der Amerikaner war nicht zu denken. Heute aber wird wieder aufgerüstet, und der Kreml studiert sehr aufmerksam die Erfahrungen Washingtons.

Dennoch möchte ich die russische Aussenpolitik nicht dämonisieren. Sie ist rhetorisch aggressiver geworden, sicher, aber grundsätzlich erscheint sie mir noch immer erratisch und undurchdacht - so, als würden bei ihrer Formulierung zu viele Interessen berücksichtigt. Strategische Überlegungen kollidieren ganz offensichtlich mit Finanzinteressen. Bei Lichte betrachtet, bleibt es oft genug beim alten, sowjetischen Poltern. Man poltert, wenn die Balten zur Nato stossen. Man poltert, wenn die Ukrainer eine korrupte Elite stürzen. Man poltert, wenn die Georgier den intriganten Schewardnadse entfernen. Man poltert, wenn die Amerikaner in Polen zehn Raketen stationieren wollen, die die atomare Übermacht Russlands nicht in Frage stellen. Doch dann, und das übersieht man im Westen manchmal, gibt der Kreml oft auch stillschweigend nach. Wirklich entschlossen treten die Russen nur im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion auf. Ausflüge in die Welt - in den Nahen Osten zum Beispiel - erfolgen zögerlich und vermeiden die offene Kollision mit Washington.

Ähnliches gilt für das derzeit wichtigste aussenpolitische Instrument des Kremls, die Energiepolitik. Nein, es ist nicht schön anzusehen, wie Moskau mit seinen Nachbarn umspringt. Aber ist es ein Verbrechen? Dass Gazprom in Kiew, Minsk und Vilnius höhere Preise fordert - ich kann es nicht als «Erpressung» empfinden. Russland ist nicht verpflichtet, fremde Volkswirtschaften zu subventionieren. Der Westen predigt den Markt - was hat er Russland vorzuwerfen, wenn es Marktpreise erhebt? Eine ganz andere Frage ist, ob es klug ist, sich derart auf den Energieexport zu verlassen, wie Moskau das tut. Die Elite ist berauscht von der neuen Macht, von der Flut der Petrodollars. Moskau ruht sich auf seinen Ressourcen aus: Das behindert das Entstehen einer Arbeitsmentalität und macht das Land von den Schwankungen des Ölpreises abhängig und damit verwundbar.

Wie also sieht die Zukunft der russischen Demokratie aus? Viele Russen werden laut lachen, wenn Sie ihnen sagen, dass Sie trotz allem an die Demokratie in ihrem Land glauben. Man kann sie gut verstehen. Die Opposition ist schwach und zerstritten, nicht nur wegen der Medienzensur und der Repression. Der Gedanke, dass westorientierte Demokraten vom Schlage eines Gaidar, eines Jawlinksi, eines Kasparow oder eines Kasjanow an die Macht kommen könnten, erscheint absurd. Aber würden Sie einem der Millionen von Russen, die sich mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erhoffen, ins Gesicht lachen? Sie, als überzeugte Demokratin, als überzeugter Demokrat?

Raum für Hoffnung
Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Russen den Traum von der Demokratie aufgegeben haben. Es gibt keine Liebe zum Autoritarismus. Putin wird respektiert, nicht geliebt. Noch immer misstraut das Volk der Macht grundsätzlich. Das Verhältnis zur Obrigkeit ist ein zynisches. 80 Prozent aller Russen glauben, dass die nächste Präsidentenwahl gefälscht werden wird. Sicher, auch der Begriff Demokratie ist diskreditiert. Sehr viele Menschen setzen ihn mit Parteiengezänk und Instabilität gleich. Doch die meisten wissen, dass Demokratie auch funktionieren kann. Länder, die aus zivilisiertem Parteienstreit einen demokratischen Konsens entwickeln, werden bewundert. Die Skepsis, die ich oft konstatiere, bezieht sich fast nie auf die Demokratie an sich, sondern auf die angebliche Unfähigkeit Russlands, sie zu übernehmen. Man sei noch nicht reif, noch nicht bereit dafür, höre ich. «Noch nicht bereit»: Das lässt Raum für Hoffnung.

Und schliesslich gilt es zu bedenken, dass es ja auch ganz anders hätte kommen können. Im Grunde ist der Zusammenbruch der Sowjetunion sehr glimpflich verlaufen. Wer hätte damals Kriege, Tyrannei und Elend kategorisch ausschliessen wollen? Man kann die vielen demokratischen Mängel Russlands beklagen. Aber gleichzeitig sollte man sich auch immer wieder vor Augen halten, dass es kaum demokratische Traditionen gibt, auf die sich bauen liesse. Bei aller Kritik: Ich vermute, dass die gelenkte Demokratie Putins letztlich recht nahe am Optimum dessen liegt, was man sich im Westen mit einigem Realitätssinn erhoffen konnte. Das ist vielleicht kein Grund zur Zufriedenheit. Aber es ist so etwas wie ein Trost für all die, die im neuen Russland noch nicht zu einem entspannten Lachen finden können.

Ulrich Schmid ist Osteuropa-Korrespondent der NZZ mit Sitz in Prag. Beim vorliegenden Text handelt es sich um das leicht gekürzte Eingangsreferat, das er vergangene Woche beim NZZ- Podium Russland an der Falkenstrasse gehalten hat.