Das Psychogramm des Topmanagers
Von Olivia Kühni
Obwohl sie bereits Macht und Geld haben, setzen manche Manager alles aufs Spiel. Warum? Forscher der Universitäten Bochum und Surrey wissen Antworten.
Seit Jahren versuchen Psychologen zu erkunden, wie Topmanager ticken. Zahlreiche Studien wurden zu dem Thema in den letzten Jahren verfasst, und sie alle kommen zu einem ähnlichen Fazit. Eine Mehrheit der Führungskräfte auf der obersten Ebene weist Merkmale auf, wie sie in psychiatrischen Kompendien aufgeführt werden: Sie sind narzisstisch, hysterisch und süchtig nach Aufmerksamkeit.
Einer der Forscher ist Rüdiger Hossiep von der deutschen Universität Bochum. Er hat Hunderte von Fragebögen zu den Eigenschaften von Topmanagern ausgewertet....
Das Psychogramm des Topmanagers
Von Olivia Kühni
Obwohl sie bereits Macht und Geld haben, setzen manche Manager alles aufs Spiel. Warum? Forscher der Universitäten Bochum und Surrey wissen Antworten.
Seit Jahren versuchen Psychologen zu erkunden, wie Topmanager ticken. Zahlreiche Studien wurden zu dem Thema in den letzten Jahren verfasst, und sie alle kommen zu einem ähnlichen Fazit. Eine Mehrheit der Führungskräfte auf der obersten Ebene weist Merkmale auf, wie sie in psychiatrischen Kompendien aufgeführt werden: Sie sind narzisstisch, hysterisch und süchtig nach Aufmerksamkeit.
Einer der Forscher ist Rüdiger Hossiep von der deutschen Universität Bochum. Er hat Hunderte von Fragebögen zu den Eigenschaften von Topmanagern ausgewertet – und ein Psychogramm des Topmanagers erstellt. Seine Erkenntnis, wie die «Financial Times Deutschland» schreibt: «Viele Leute in solchen Positionen sind Anerkennungsjunkies.» Sie suchten sich auf der Jagd nach einer Belohnung immer neue und grössere Risiken.
Es steigt auf, wer Zahlen liefert
Auch die finanziellen Entschädigungssysteme unterstützten diese Mentalität, so Hossiep in dem Blatt. Aufsteigen würde nur, wer Zahlen liefere, nicht, wer langfristig denke. «Ein Zocker will immer ganz vorne sein und dem System ein Schnippchen schlagen.» Auf diese Weise steige er immer weiter hoch auf der Karriereleiter – und in den Führungsetagen sässen dann stark machtorientierte Menschen.
Bahnbrechend waren die Erkenntnisse von Belinda Board und Katarina Fritzon von der britischen Universität Surrey. Sie untersuchten in einer viel beachteten Studie aus dem Jahr 2005, inwieweit psychiatrische Persönlichkeitsmerkmale bei Topmanagern und bei verurteilten Kriminellen vorkommen. Ihr Fazit: Störungen wie Theatralische Hysterie (ausgezeichnet durch oberflächliches Charisma, Unaufrichtigkeit, Egozentrismus, manipulative Tendenzen), Narzissmus (Grössenwahn, Empathiemangel, Ausbeuterei) sowie Zwangsneurosen (Perfektionismus, Sturheit, Arbeitswut, diktatorische Tendenzen) kommen bei Managern weitaus häufiger vor als bei verurteilten Kriminellen. Bei denen waren eher passiv-aggressive Merkmale wie physische Aggressivität, Unverantwortlichkeit oder depressiv-suizidale Tendenzen häufiger.
«Erfolgreiche Psychopathen»
Die Studie von Board und Fritzon sorgte für ein gewaltiges Echo und wurde tausendfach zitiert. Auch Autoren von populärwissenschaftlicher Management-Literatur greifen auf sie zurück, so beispielsweise Gunter Dueck, als IBM Business Leader selber ein Topmanager. In seinem Buch «Karriere Direkt» schreibt Dueck, Führungskräfte seien ganz einfach «erfolgreiche Psychopathen».
Wer Karriere machen wolle, müsse die Triebkräfte der Karrieristen studieren und in sich entdecken: Hyperaggression im unteren Management, Zwanghaftigkeit im mittleren Management und theatralische Hysterie, «die manischen und selbstzelebrierenden Verhaltensweisen», – im obersten Management. Schonungslos und selbstironisch legt der IBM-Topmann dem Buch ausserdem eine Schlagwortliste des Managementkauderwelschs bei. «Da das Kauderwelsch allein schwer beeindruckt, ist Inhalt entbehrlicher geworden», so das trockene Fazit.
«Ein Gefühl der Wertlosigkeit»
Oliver James, Autor beim britischen «Guardian», hat eine Reihe weiterer psychologischer Studien zusammengetragen, die allesamt zu ähnlichen Erkenntnissen kommen. Zusätzlich führt er eine erstaunlich Statistik auf: Unter den in den verschiedenen amerikanischen Studien erfassten Führungskräften hat ein Drittel einen Elternteil vor dem 14. Lebensjahr verloren, verglichen mit acht Prozent in der Gesamtbevölkerung der USA. Betrachte man all diese Studienergebnisse, so scheine es, als sei emotionale Not der Schlüssel zum Erfolg. Für viele erfolgreiche Menschen sei die Jagd nach Status eine Kompensation für ein ursprüngliches Gefühl der Wertlosigkeit und Verzweiflung: «Es ist nicht das kleine Bisschen mehr, das die Mächtigen antreibt, es ist das kleine Bisschen weniger.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Erstellt: 17.07.2009, 09:40 Uhr
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