Dienstag, Januar 19, 2010

Frauen und Kinder zuletzt


Der Freitag 12.10.2009
Frauen und Kinder zuletzt
Wenn die Wirtschaft ihre Erwartungen an Männer nicht ändert, wird es nichts mit der Emanzipation. Wir brauchen mehr Väter, die Teilzeit arbeiten, meint Katrin Rönicke

„Wenn Frauen frei wählen könnten, würden sie die Kinder wählen“

Dieser Satz ist von 1981 und stammt aus der Feder Gesine Strempels, Mitbegründerin der Neuen Frauenbewegung. In der Tat ist meine Erfahrung deckungsgleich mit dieser einfach scheinenden, doch in Wahrheit schwerwiegenden Feststellung: Wäre Mutterschaft frei von den Attributen einer „Einzelhaft“, wie Strempel es in ihrem Aufsatz „Muttertägliche Wut“ nennt, würden sich dann nicht vielleicht mehr Frauen dafür entscheiden?

Die Realität hingegen zermürbe Mütter mit der Aufgabe, sich weitgehend allein und ohne Unterstützung um kleine Kinder zu kümmern. Schlaflose Nächte, die ständige Kommunikation mit einem immer wieder quäkendem kleinen Menschen… - das alles sei im Grunde menschenunwürdig, für Mütter unzumutbar, letztendlich aber auch für die Kinder, die von genervten, frustrierten und von Schuldgefühlen zerfressenen Müttern betreut würden.

Gebärstreiken bis es besser ist?

Der Aufsatz Strempels ist ein brisantes Politikum, denn sie fordert darin indirekt einen Gebärstreik der Frauen, bis sich die Bedingungen für Mütter und Kinder gebessert hätten. Eine folgenschwere Forderung, denn bis heute wird es den „Emanzen“ angelastet, für die angeblich zu geringe.....

siehe auch den Artikel zum weiblichen Beuteschema/ursus

Frauen und Kinder zuletzt
Wenn die Wirtschaft ihre Erwartungen an Männer nicht ändert, wird es nichts mit der Emanzipation. Wir brauchen mehr Väter, die Teilzeit arbeiten, meint Katrin Rönicke

„Wenn Frauen frei wählen könnten, würden sie die Kinder wählen“


Dieser Satz ist von 1981 und stammt aus der Feder Gesine Strempels, Mitbegründerin der Neuen Frauenbewegung. In der Tat ist meine Erfahrung deckungsgleich mit dieser einfach scheinenden, doch in Wahrheit schwerwiegenden Feststellung: Wäre Mutterschaft frei von den Attributen einer „Einzelhaft“, wie Strempel es in ihrem Aufsatz „Muttertägliche Wut“ nennt, würden sich dann nicht vielleicht mehr Frauen dafür entscheiden?

Die Realität hingegen zermürbe Mütter mit der Aufgabe, sich weitgehend allein und ohne Unterstützung um kleine Kinder zu kümmern. Schlaflose Nächte, die ständige Kommunikation mit einem immer wieder quäkendem kleinen Menschen… - das alles sei im Grunde menschenunwürdig, für Mütter unzumutbar, letztendlich aber auch für die Kinder, die von genervten, frustrierten und von Schuldgefühlen zerfressenen Müttern betreut würden.

Gebärstreiken bis es besser ist?

Der Aufsatz Strempels ist ein brisantes Politikum, denn sie fordert darin indirekt einen Gebärstreik der Frauen, bis sich die Bedingungen für Mütter und Kinder gebessert hätten. Eine folgenschwere Forderung, denn bis heute wird es den „Emanzen“ angelastet, für die angeblich zu geringe Geburtenrate in Deutschland verantwortlich zu sein. Was die Gesellschaft aus der Forderung der Frauenbewegten machte: Frauen, die sich emanzipieren kriegen keine Kinder mehr. Die Forderung nach einer Verbesserung der Bedingungen für Mütter und Kinder wurde unter den Teppich gekehrt – Kind und Karriere als Entweder-Oder-Prinzip hochstilisiert.

„Erfolgreich, einsam, kinderlos“ ist der Unter-Titel von Susanne Gaschkes Buch Die Emanzipationsfalle, eines von vielen Horrorszenarienbüchern, die seit Jahren in Wellen auf den Markt kommen. Frank Schirrmachers Methusalem-Komplott schlägt ebenso wie Eva Hermans Eva-Prinzip in dieselbe Kerbe. Die Frauen, die sich Kind und Berufsleben gleichermaßen wünschen, werden von vielen bis heute stigmatisiert. Eine Frau, die Macht will, gilt schnell als karrieregeiles Mannweib. Wünschen sich Feministinnen mehr Frauen in die Führungsetagen, werden sie als neoliberal abgestempelt. Und stellen Gender-Forscher die angeblich „natürlichen, biologischen“ Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die bis heute das Fundament der Geschlechter-getrennten Arbeitsteilung darstellen, infrage, werden sie als Ideologen gebrandmarkt und als unwissenschaftlich in die Ecke gestellt.

Geschlechterdemokratie muss man sich leisten können

Wer aber redet schon über die Männer? Das Normalarbeiterverhältnis ist für den gemeinen Mann bis heute selbstverständlich. Niemand stellt in Frage, dass Männer ganz natürlich 40 Stunden oder mehr arbeiten. Im Gegenteil: Es wird von ihnen erwartet und wenn sie etwas anderes fordern, dann werden sie schlimmstenfalls ausgegrenzt. Walter Hollstein beschreibt in Geschlechterdemokratie sehr ausgiebig, wie dieses Dogma, die gesellschaftliche Norm, welcher sich Männer ausgesetzt sehen, den „neuen“ Typ Mann verhindert wie nichts sonst.

In der Tat: Die Frauen können so viel für ihre Emanzipation kämpfen, wie sie wollen. Wenn sie heterosexuell sind, mit einem Mann zusammen leben und mit ihm Kinder bekommen wollen, werden sie nur dann eine gleichwürdige Gemeinschaft erlangen können, wenn ihr Mann eben nicht in einem Normalarbeiterverhältnis angestellt ist – sprich: nicht Vollzeit arbeitet. Diese Männer gibt es. Diese Beziehungen gibt es. Und sie funktionieren erstaunlich gut. Ihnen ist nur in der Mehrzahl eines gemeinsam: Sie spielen sich fast ausschließlich in den höheren Schichten dieser Gesellschaft ab. Denn die Männer müssen es sich leisten können, ihre „untypische“ Prioritätensetzung, die darauf basiert, Familie und Arbeit gleich wichtig – vielleicht sogar die Familie wichtiger – zu finden, mit weniger Karrierechancen, weniger Auswahl an Stellen, weniger Privilegien (Stichwort Ehegattensplitting) zu bezahlen.

Hollstein schreibt: Diese Männer müssten „eine erworbene Verhaltensstabilität aufweisen, die sie in die Lage versetzt, mit Vorurteilen und Spott ebenso souverän umzugehen wie mit Karriereknick und Einkommenseinbußen“. Diesen Preis zu zahlen sind die meisten Männer nicht bereit – oder in der Lage.

Die Überstundengesellschaft ist männlich

Wie tief verinnerlicht der vermeintlich „hohe Wert“ des normalarbeitenden Mannes ist, zeigen Kommentare von sogenannten "Maskulisten" in Diskussionen über die Ungerechtigkeit der Lohnschere zwischen den Geschlechtern: Diese sei vollkommen gerechtfertigt – schließlich seien es die Männer, die die meisten Überstunden in diesem Land erbrächten. Überstunden – sie sind in Deutschland so etwas wie eine Verdienstmedaille, man sammelt sie und gibt mit ihnen gegenüber den Kollegen an. Seht, wie viel ich ackere – hier steht es schwarz auf weiß.

Wer fragt nach dem „wie“? Wie ist die Beziehung dieser Männer zu Frau und Kindern? Wer fragt nach dem „wer“? Wer ist die ganze Zeit für die Familie, den Haushalt und die Steuerklärung da, wenn er in seinem Büro hockt? Wer fragt nach dem „was“? Was bleibt der Frau anderes übrig, als den Preis für diese Prestige-trächtigen Überstunden ihres Mannes zu bezahlen: In Zeit und mit Nerven? Und: Was entgeht eigentlich diesen Männern Tag für Tag mit ihrer Fokussierung auf Arbeit?

Eine neue Arbeitsgesellschaft muss her

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich mache diesen Männern keinen großen Vorwurf. Natürlich würde ich mir wünschen, dass sie sich mehr für die Belange einsetzten, für die Frauen in den verschiedenen Wellen der Feminismen weltweit seit Jahrzehnten kämpfen. Natürlich wünschte ich mir, dass sie reagierten, wenn ihre Frauen und Kinder ihnen signalisieren, dass sie sich mehr von ihnen zu Hause – und weniger auf der Arbeit wünschen. Doch ich sehe es wie Susan Faludi, die in Männern ein „betrogenes Geschlecht“ sieht: „Wenn Männer nicht reagieren, liegt es vielleicht daran, dass ihre Gesellschaft ihnen keinen Weg gewiesen hat, auf dem sie zu gehen wagen.“

Dass dieser Weg für Männer immer noch fehlt ist sicherlich einer der Hauptgründe dafür, dass die Emanzipation der Frauen noch in so manche „Falle“ geraten wird. Ein erster Schritt, der notwendiger Weise aus dieser Erkenntnis folgen muss, ist die konsequente und breite gesellschaftliche Infragestellung des Normalarbeiterprinzps an sich – von Männern wie von Frauen. Denn kritische Männerstimmen fragen uns Feministinnen zu Recht: Was wollt ihr denn mit einem dieser schrecklichen 60-80-Stunden-Jobs?

Doch viele hartnäckige Dogmen liegen auf dem steinigen Weg einer koalierenden Bewegung aus Männern und Frauen – sie müssen zur Disposition gestellt werden. Dazu gehört es, Arbeit zu teilen, die bislang unhinterfragt nur von einer einzigen Person allein gemacht wird – oder anders gesagt: Dazu gehört ein Wirbelsturm der Veränderungen auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Damit auch die Männer in Zukunft nicht mehr so „erfolgreich, einsam, [und faktisch] kinderlos“ sind.

Katrin Rönicke, geboren 1982 in Wittenberg, studiert Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften in Berlin und ist Mutter eines zweijährigen Jungen. Seit April ist sie Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung. Für den Freitag schreibt sie in ihrer wöchentlichen Kolumne über Gender- und Bildungsthemen. Außerdem schreibt sie für den feministischen Blog maedchenmannschaft.net

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