Mittwoch, April 07, 2010

Die USA als «Steueroase»

6. April 2010, Neue Zürcher Zeitung
Die USA als «Steueroase»
Die Weltmacht misst im In- und im Ausland mit zweierlei Ellen

Die USA spannen Banken im Ausland für den Kampf gegen Steuersünder ein. Umgekehrt gibt es für Ausländer, die Geld in den USA verstecken wollen, durchaus Möglichkeiten.

Christoph Eisenring, Washington

Kürzlich hat der amerikanische Kongress den «Foreign Account Tax Compliance Act» verabschiedet. Demnach müssen Finanzdienstleister im Ausland ab 2013 alle ihre Konti auf Verbindungen zu US-Bürgern überprüfen. Die USA machen damit Finanzinstitute im Ausland quasi zu «Hilfssheriffs», die ihnen beim Eintreiben von Steuern helfen sollen. Wer nicht kooperiert, bezahlt hohe Strafsteuern auf US-Wertpapiergeschäften. Die Identifikation amerikanischer Kunden hinter Privat- und Firmenkonti bedeutet für die Finanzdienstleister ausserhalb der USA einen enormen Aufwand. Doch wie konsequent sind die USA selbst, wenn es darum geht, Steuersünder aus dem Ausland abzuschrecken? Die Antwort fällt nicht eben schmeichelhaft aus.

Bahamas strenger als die USA

Ein erstes Indiz gibt eine Studie des Politologen Jason Sharman von der Griffith University in Brisbane («Behind the Corporate Veil: Anonymous Shell Companies and Financial Crime», «Journal of Economic Perspectives», 2010). Er hat untersucht, wo man auf der Welt am einfachsten....


6. April 2010, Neue Zürcher Zeitung
Die USA als «Steueroase»
Die Weltmacht misst im In- und im Ausland mit zweierlei Ellen

Die USA spannen Banken im Ausland für den Kampf gegen Steuersünder ein. Umgekehrt gibt es für Ausländer, die Geld in den USA verstecken wollen, durchaus Möglichkeiten.

Christoph Eisenring, Washington

Kürzlich hat der amerikanische Kongress den «Foreign Account Tax Compliance Act» verabschiedet. Demnach müssen Finanzdienstleister im Ausland ab 2013 alle ihre Konti auf Verbindungen zu US-Bürgern überprüfen. Die USA machen damit Finanzinstitute im Ausland quasi zu «Hilfssheriffs», die ihnen beim Eintreiben von Steuern helfen sollen. Wer nicht kooperiert, bezahlt hohe Strafsteuern auf US-Wertpapiergeschäften. Die Identifikation amerikanischer Kunden hinter Privat- und Firmenkonti bedeutet für die Finanzdienstleister ausserhalb der USA einen enormen Aufwand. Doch wie konsequent sind die USA selbst, wenn es darum geht, Steuersünder aus dem Ausland abzuschrecken? Die Antwort fällt nicht eben schmeichelhaft aus.

Bahamas strenger als die USA

Ein erstes Indiz gibt eine Studie des Politologen Jason Sharman von der Griffith University in Brisbane («Behind the Corporate Veil: Anonymous Shell Companies and Financial Crime», «Journal of Economic Perspectives», 2010). Er hat untersucht, wo man auf der Welt am einfachsten anonym eine Firma gründen kann. Mit der Suchmaschine Google und 20 000 $ kommt man dabei recht weit. Sharman hat über das Internet 54 Dienstleister kontaktiert, über die man «Offshore»-Firmen gründen kann. 45 haben geantwortet, wobei es dem Autor in 17 Fällen gelang, eine Firma zu gründen, ohne dass für Aussenstehende ersichtlich ist, wer wirklich dahintersteckt. Diesen Service offerierten 13 von 17 angeschriebenen Dienstleistern in OECD-Ländern, aber nur 4 von 28 in «Steueroasen».

Sharman schreibt, dass «Steueroasen» wie die Bahamas oder die Kaimaninseln höhere Anforderungen an die Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten stellten als die USA oder Grossbritannien. Allerdings musste er auch feststellen, dass der nächste Schritt, nämlich das Eröffnen eines Kontos durch die gegründete Firma, deutlich schwieriger ist. Dies gelang nur in 5 Fällen. Die in vielen Staaten eingeführten Regeln zur Identifizierung der Kunden bei Banken («Know your customer») sind also nicht ohne Wirkung geblieben.

Dass sich die USA eignen, um Strohfirmen zu errichten, hat dem Land auch die Kritik der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) eingebracht, die bei der OECD in Paris angesiedelt ist. Eine Untersuchung des amerikanischen Government Accountability Office (GAO) aus dem Jahr 2006 zeigt, dass damals nur 4 von 50 Gliedstaaten Informationen zu den Eigentümern von Limited Liability Companies (LLC) verlangten – daran hat sich seither offenbar wenig geändert. LLC müssen keinen operativen Zweck verfolgen. Als Eigentümer kommen sowohl Privatpersonen als auch Firmen in Frage. LLC sind in vielen Gliedstaaten zudem nicht steuerpflichtig (sondern deren Eigentümer).

Für Steuersünder attraktiv sind sie, weil sich mit ihnen komplexe Strukturen mit Strohfirmen aufbauen lassen. Die Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten wird dadurch deutlich erschwert. Der frühere New Yorker Bezirksstaatsanwalt, Robert Morgenthau, sagte im Juli 2009 vor einem Senatsausschuss, es sei schwierig, im Ausland mit moralischer Autorität aufzutreten, wenn Ausländer in den USA eine geeignete Infrastruktur vorfänden, um Geld aus ihrem Heimatstaat zu verstecken. Er erinnerte an einen Fall, bei dem der korrupte Chef einer ausländischen Notenbank in Delaware eine Firma gegründet hatte, die dann ein Konto in Florida eröffnet habe, wohin Schwarzgeld transferiert worden sei. Dieses Vorgehen verglich Morgenthau mit dem Fall eines US-Bürgers, der über eine Liechtensteiner Stiftung ein Konto in der Schweiz aufmacht, um Steuern zu hinterziehen. Sein Vergleich zeigt auch, dass in den USA Steuerhinterziehung und Geldwäscherei oft in einem Atemzug genannt werden.

Washington will mitreden

Derzeit wird im Kongress über ein Gesetz debattiert, das US-Dienstleister dazu anhalten will, den wirtschaftlich Berechtigten bei Firmengründungen zu identifizieren. Diese Angaben sollen anschliessend an den jeweiligen Gliedstaat übermittelt werden, der ein entsprechendes Register führen müsste. Damit hätten Anwälte oder Treuhänder ähnliche Sorgfaltspflichten zu erfüllen wie heutzutage die Banken. Anwaltsverbände fürchten, dass darunter das Vertrauensverhältnis zum Kunden leiden würde. Auch die Gliedstaaten haben grosse Vorbehalte. Seit je legen sie autonom die Anforderungen an Firmengründungen fest. Die Gesetze der Gliedstaaten gewähren Firmengründern deshalb einen unterschiedlichen Grad an Anonymität und Schutz der Privatsphäre. Die Staaten scheuen ferner die Kosten eines neuen Registers, da pro Jahr 2 Mio. LLC und nicht kotierte Aktiengesellschaften neu entstehen.

Die grösste Zahl von LLC sind im kleinen Gliedstaat Delaware ansässig. Wenn von anonymen Gesellschaften die Rede ist, werden auch oft Nevada und Wyoming genannt. Allerdings unternehmen alle diese Staaten Schritte hin zu mehr Transparenz, um eine stärkere Einmischung Washingtons abzuwenden. So muss laut einem Teilnehmer an einer Anhörung vor dem Senat eine neue Firma in Wyoming einen registrierten Treuhänder nennen, der wissen sollte, wie man an Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten kommt.

Ganz dem Kampf gegen «Steueroasen» verschrieben hat sich der demokratische Senator Carl Levin, der auch schon verschiedentlich die Schweiz aufs Korn genommen hat. Ein Ausschuss des Senats, den er präsidiert, hat kürzlich einen Bericht vorgelegt, in dem detailliert 4 Fälle geschildert werden, bei denen «politisch exponierte Personen» die Dienste amerikanischer Banken und Treuhänder in Anspruch genommen hatten («Keeping foreign Corruption out of the United States: four Case Histories», Februar 2010). So konnte etwa der Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang Mangue, zwischen 2004 und 2008 110 Mio. $ in die USA verschieben – über so klangvolle Strohfirmen wie Beautiful Vision Inc. oder Sweetwater Malibu LLC. In einem anderen Fall unterhielten der französische Waffenschieber Pierre Falcone und seine Familie zwischen 1989 und 2007 rund 30 Konti bei der Bank of America. Falcone, der 2009 in Frankreich wegen illegaler Waffenverkäufe nach Angola und anderer Delikte zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde, war von der Bank of America lange Zeit nicht als «politisch exponierte Person» betrachtet worden.

Behörde mahnt Banken

Dass es mit der Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten bei den Banken manchmal hapert, lässt auch eine Anfang März von den US-Überwachungsbehörden verschickte Richtlinie vermuten. Darin werden die Banken ausdrücklich dazu ermahnt, besonders bei Trusts, LLC oder Stiftungen aufzupassen. Sie sollen etwa abklären, woher die Mittel dieser Vehikel stammen, und prüfen, ob es sich beim Kontoinhaber auch um den wirtschaftlich Berechtigten handelt. Ein Sprecher des Financial Crimes Enforcement Network, das solchen Fällen nachgeht, will diesen Eindruck allerdings nicht bestätigen. Die Richtlinie solle vielmehr sicherstellen, dass über alle Behörden hinweg identische Grundsätze gälten. Er versichert, dass Banken in den USA grundsätzlich dazu angehalten seien, den «beneficial owner» zu ermitteln.

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