Samstag, Dezember 09, 2006

Climate Effects: ETH Zürich antwortet Kritikern

Ein Tagesbericht der ETH Zürich über den Stand der Klimaforschung. Leider aus dem Jahre 2003. Ich hoffe es gibt einen Aktuelleren und suche den noch ....

„Zeitbombe Klima“ oder „geistige Warmluft“? Die Diskussion um die Klimaerwärmung wird in den Medien hitzig geführt. Nicht immer mit wissenschaftlich korrekten Daten. Als gesichert gilt: Das Erdklima hat sich erwärmt, und die Temperaturen werden weiter zunehmen. Forscher der ETH Zürich setzen sich für eine sachliche Auseinandersetzung ein.

Klimaerwärmung
"Das Klima ist ein sehr kompliziertes, variables System"
Published: 30.04.2003 06:00
Modified: 29.04.2003 11:53

Von Michael Breu

Das Erdklima ist ein kompliziertes System, viele Faktoren beeinflussen es. Das macht eine Zukunftsaussage entsprechend schwierig. Für eine solche haben die Vereinten Nationen den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderung, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), beauftragt. Knapp tausend Wissenschafter der verschiedensten Fachrichtungen haben sich während der letzten 15 Jahre mit dem Thema befasst (1) . Vor zwei Jahren wurde der dritte „Assessment Report on Climate Change“ veröffentlicht. Der vierte Bericht ist bereits in Vorbereitung; er soll die neuesten Resultate berücksichtigen und 2007 vorliegen. Die Aussagen im aktuellen Report sind deutlich: Im 20. Jahrhundert sei die mittlere, globale Temperatur um 0.6 Grad Celsius angestiegen. Für die Zukunft erwarten die Wissenschafter, dass die mittlere Erdtemperatur bis ins Jahr 2100 um weitere 1.4 bis 5.8 Grad zunehmen wird. Die Klimaänderung werde „eine stärkere Gefährdung der menschlichen Gesundheit mit sich bringen“, heisst es im Synthesebericht.

Eine „Zeitbombe“, findet Greenpeace und warnt vor dem Kollaps. – „Oft gehört, gern geglaubt“, finden hingegen prominente Kritiker und sagen: „Es gibt viele Mythen und Missverständnisse rund um die Klimadebatte.“ So schlecht wie oft gezeichnet, stehe es nicht um das Treibhaus Erde (2) .

Professor Christoph Schär, Sie sind Vorsteher des Institutes für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich und Mitautor des dritten IPCC-Berichts. Was stimmt?
Christoph Schär: Die Klimaveränderung wird immer absehbarer; sie wird das Klimasystem empfindlich beeinflussen. Wir reden von Veränderungen, die es seit dem Ende der letzten Eiszeit noch nie gegeben hat – das heisst in den letzten zehntausend Jahren. Bereits haben wir deutliche Hinweise dahingehend, dass die heutigen Temperaturen wärmer sind als jemals im letzten Jahrtausend. Klar ist: Wenn eine Klimaerwärmung stattfindet, dann verschieben sich die Klimazonen. Dadurch werden auch der ganze Wasserkreislauf und die geographische Verteilung der Naturgefahren beeinflusst. Es ist allerdings noch zu früh um detaillierte Aussagen über die Zukunft zu machen.

Der neuste IPCC-Synthesebericht fasst die aktuelle Forschung zusammen. Unter anderen wird darin vom Anstieg der Erdtemperatur berichtet. Die Skeptiker finden: Der Anstieg der aktuellen Erwärmung sei nicht kontinuierlich verlaufen, sondern variiere von Region zu Region. Als Beispiel wird die weltweit längste Messreihe von Berlin-Dahlem angeführt. Kann mit der geringen Zunahme von 0.6 Grad tatsächlich auf eine globale Klimaerwärmung geschlossen werden?
Die Detektion ist eine schwierige Aufgabe. Die Klimastationen von 1860 waren instrumentell nicht dafür ausgelegt, so ein feines Signal zu messen. Aber: Man hat die vorhandenen Messreihen sehr genau untersucht, andere Faktoren wie etwa die Verstädterung mit einbezogen und die alten Messverfahren nachgespielt und neu kalibriert. Man weiss heute, welche systematischen Messfehler man damals hatte. Die aktuellen Beobachtungen zeigen alle in die gleiche Richtung. Der IPCC-Bericht zeigt denn auch, dass die Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 90 Prozent zutrifft.

Kritisiert wird auch die Methodik der Temperaturmessung: Einerseits habe die Art der Messung geändert (neue Thermometer), andererseits seien heute viele Orte stark besiedelt, die früher ländlich waren. In Südafrika zum Beispiel soll die Temperatur während der letzten dreissig Jahre deutlich zu hoch angegeben worden sein. Sind die Messungen in Fragen gestellt?
Es gibt einzelne Regionen, in denen der Temperaturtrend sehr unsicher ist; in anderen Regionen sind die Beobachtungsreihen zu kurz. Zudem erfolgt die Erwärmung nicht gleichmässig. Dies ist keine Überraschung. Das Klima ist ein sehr kompliziertes, variables System. Wenn sich ein solches System erwärmt, kommt es zu regionalen Patterns. Das heisst: Die Erde erwärmt sich nicht gleichmässig. Für viele Regionen gibt es sehr zuverlässige Daten. Im Alpenraum zum Beispiel gibt es seit mehr als 100 Jahren ein feines Netzwerk von Messstationen. Sie zeigen: Die Durchschnittstemperaturen haben deutlich zugenommen, im Winter um mehr als 1Grad. Die globale Erwärmung von 0.6 Grad seit 1900 hat eine Unsicherheit von 0.2 Grad. Indirekte Indikatoren wie der weltweit beobachtete Gletscherschwund bestätigen die Folgerung, dass eine globale Erwärmung stattgefunden hat.

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Unwetter: Szenarien sind auf der Maschine
Der Begriff „Klimaveränderung“ fällt in den Medien meist, wenn ein Hochwasser die Städte und Felder überflutet oder wenn ein Sturm über das Land braust. Die häufigste Frage bei solchen Ereignissen: Nehmen Unwetter zu? Im Abschlussbericht des Nationalen Forschungsprogramms „Klimaänderung und Naturkatastrophen“ heisst es: „Extreme Überschwemmungsereignisse, welche gegen Ende des Sommers und im Herbst im Alpenraum auftreten, zeigen natürliche Langzeitschwankungen. Die seit Ende der 1970er-Jahre erkennbare Zunahme dieser Ereignisse bleibt noch innerhalb dieser natürlichen Schwankungen“. Christoph Frei vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich weist auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung solcher Ergebnisse hin: Weil Extremereignisse selten sind, lässt sich eine kontinuierliche Veränderung über einen längeren Zeitraum aus rein statistischen Gründen nicht schlüssig beweisen auch wenn eine Veränderung real vorhanden wäre. Daraus den Schluss zu ziehen, dass die globale Klimaänderung keinen Einfluss auf Extremereignisse hätte, ist deshalb falsch, sagt Frei. Im Alpenraum, so zeigen die Beobachtungen, hat die Niederschlagsmenge im Laufe des 20. Jahrhunderts während den Wintermonaten um 20 bis 30 Prozent zugenommen. Die Häufigkeit von intensiven Niederschlägen ist in dieser Jahreszeit sogar um 20 bis 80 Prozent angestiegen. „Diese Veränderungen können durch natürliche Klimaschwankungen, durch die anthropogene Klimaveränderung oder durch beide verursacht sein“, sagt Frei. „Das Prozessverständnis und die Beobachtung von Niederschlagszunahmen in vielen anderen Regionen der mittleren Breiten sprechen für einen Einfluss der Klimaänderung.“ Die von Christoph Frei gesammelten Niederschlagsdaten werden auch zur Überprüfung von komplexen regionalen Klimamodellen verwendet, mit welchen Zukunftsszenarien entwickelt werden können. Ein konkretes Szenario mit dem regionalen Modell der ETH-Forschungsgruppe soll in den nächsten Monaten vorliegen; „es ist im Moment auf der Maschine“, sagt Frei, danach werden die Simulationen ausgewertet und die Szenarien publiziert.
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Skeptiker meinen: Diese kurze Messperiode sei nicht aussagekräftig, und warme Phasen habe es immer schon gegeben. Was halten Sie von der Kritik?
Warme Klimaphasen sind sicher nichts grundsätzlich Neues. Hier sind jedoch zwei Dinge wichtig. Erstens, die globale Erwärmung der letzen Dekaden sprengt die natürliche Variabilität des letzten Milleniums. Zweitens, für die kürzliche Erwärmung gibt es keine plausible natürliche Ursache, dies im Gegensatz zu früheren Klimaschwankungen, welche zum Beispiel durch solare Variabilität oder durch Veränderungen der Erdbahnelemente bedingt waren. Der IPCC-Bericht folgert daraus, dass diese Erwärmung zu einem beträchtlichen Teil durch anthropogene Ursachen bedingt ist.

Wer noch tiefer in die Klimageschichte zurückblicken will, untersucht die Jahrringe von Bäumen oder die Ablagerungen von Stalagmiten. Sind solche Verfahren aussagekräftig?
Stalagmiten spiegeln geologische Zeiträume wieder. Weil Stalagmiten sehr alt sind, sind sie ein gutes Instrument, um langfristige Klimaveränderungen aufzuzeigen. Mit Baumringen kann man sehr schnelle Veränderungen aufzeigen; ob sie ein guter Indikator für lange Zeiträume sind, ist umstritten. Eisbohrkerne eignen sich für Klimaschwankungen mit Zeitskalen von einigen Jahren bis mehrere 100'000 Jahre. Bohrkerne aus Grönland zum Beispiel können auf wenige Jahre datiert werden; man kann die einzelnen Schneeschichten abzählen und erreicht so eine sehr hohe Genauigkeit. Die Signale der Klimaarchive zu interpretieren ist jedoch schwierig. Ein direkter Zusammenhang, zum Beispiel zwischen dem lokal gemessenen Anteil des Sauerstoffisotops O18 und dem globalen Temperaturverlauf, existiert nicht. Für die Forschung heisst dies: Nur wenn man verschiedene Klimaarchive zusammen betrachtet, kann man Aussagen über den globalen Temperaturverlauf machen. In diesem Gebiet wird heute intensiv und sehr erfolgreich gearbeitet.

Bleiben wir bei Messgrössen. Der Ausstoss des Klimagases Kohlendioxid habe deutlich zugenommen – seit 1870 von 270 ppm auf heute 370 ppm. In den verschiedenen Szenarien wird erwartet, dass die CO2-Konzentration weiter ansteigen wird – und mit dem CO2 die Temperatur. Skeptiker finden: Wenn der CO2-Gehalt ansteige, heisse dies noch nicht, dass auch die Temperatur steigen müsse. Denn das Absorptionspotenzial von CO2 setze ein Quasilimit. Was halten Sie davon?
Der Sättigungseffekt in gewissen spektralen Bändern ist seit langem bekannt. Dieser Effekt wird in den Klimamodellen berücksichtigt. Trotzdem zeigen alle Klimamodelle eine grosse Empfindlichkeit auf die atmosphärische CO2-Konzentration.

Zum gleichen Thema gehört die Sonnenaktivität: Die Auswirkungen würden unterschätzt. Denn das Magnetfeld der Sonne verändere sich und beeinflusse dadurch das Erdklima. Wird die Sonne als Klimafaktor unterschätzt?
Die Kritik basiert auf einer veralteten Studie welche nur die Daten bis in die 1970er-Jahre berücksichtigt, und welcher zudem ein krasser methodischer Fehler nachgewiesen wurde. Die Überarbeitung der Arbeit, welche vor drei Jahren veröffentlicht wurde, zeigt, dass der globale Temperaturverlauf seit 1950 nicht mit der Sonnenvariabilität erklärt werden kann. In der Tat hat die Sonnenleistung in den letzten 20 Jahren sogar abgenommen.

Unter Beschuss sind auch die Computermodelle. James Hansen, Klimatologe der Nasa, war 1988 einer der ersten, der Szenarien auf den Bildschirm zauberte. Mittlerweile distanziert er sich von seinen Aussagen und beurteilt die Klimaentwicklung für die kommenden fünfzig Jahre sehr viel optimistischer als Ende der 1980er-Jahre. Das IPCC stützt sich auf Computermodelle. Taugen die Szenarien?
Hansen’s Aussage wird oft falsch verstanden und in ihrer Kernaussage nicht richtig wiedergegeben. Im erwähnten Bericht heisst es klipp und klar: „CO2 will become the dominant climate forcing, if its emissions continue to increase and aerosol effects level off.” Hansen erwähnt auch, dass eine Stabilisierung des Klimas eine Reduktion der CO2-Emissionen notwendig macht. In diesem wichtigen Grundsatz hat sich Hansen keineswegs von seinen früheren Aussagen distanziert. Hansen schlägt in seinem Bericht alternative Stabilisierungsszenarien vor, welche nicht-CO2-Treibhausgase und Aerosole stärker gewichten. Daraus eine grundsätzliche Kritik am IPCC zu konstruieren, ist abstrus.

Welche Aspekte sprechen Ihrer Meinung nach für die Klimaerwärmung?
Erstens die Beobachtungen, welche die Erwärmung im letzten Jahrhundert aufzeigen, und welche durch unabhängige Indikatoren wie den Gletscherschwund bestätigt werden. Zweitens das Prozessverständnis, welches den Treibhauseffekt als eine der wichtigsten Triebfedern unseres Klimasystems isoliert hat. Und drittens die Klimamodelle, welche das Wechselspiel der relevanten Faktoren aufgrund physikalischer Gesetzte nachbilden. Alle diese Faktoren zeigen in dieselbe Richtung: die beobachtete Erwärmung kann nicht mit natürlichen Faktoren erklärt werden. Die Stabilisierung des Klimasystems verlangt eine Reduktion der anthropogenen Treibhausgasemissionen unter das heutige Niveau.

Nun wird am vierten IPCC-Report gearbeitet. Wo besteht Forschungsbedarf?
Wir brauchen genauere Daten über die natürlichen Klimaschwankungen der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende. Wir benötigen ein verbessertes Verständnis kritischer klimarelevanter Prozesse, zum Beispiel über die Rolle der Wolken und Aerosole im Klimasystem. Diese Forschung wird auch neue Feldexperimente notwendig machen. Wir brauchen bessere Modelle, welche die relevanten Prozesse auf einer physikalischen Basis berücksichtigen, und welche eine höhere räumliche Auflösung aufweisen. Schlussendlich ist es wichtig, probabilistische Klimaprognosen (anstelle der heute üblichen Szenarien) zu entwickeln, welche auch Aussagen über regionale Auswirkungen (z. B. Extremereignisse) beinhalten. Dies setzt auch eine weitere Entwicklung der Methodik voraus.

Welche Projekte sind an der ETH aktuell?
An der ETH gibt es zahlreiche Gruppen welche sich mit der Thematik Klimaveränderung befassen. Diese decken einen weiten Bereich ab, von der Rekonstruktion der Klimavergangenheit bis hin zur Rolle der Sonne für unser Klima. An unserem Institut sind wir im Bereich der Klimaprozesse und Klimamodellierung aktiv. Zu letzterem gehören mehrere EU Projekte, welche sich mit globalen und regionalen Klimarechnungen befassen. Die ETH ist auch massgeblich am Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) Klima beteiligt. Ein wichtiges Ziel dieses Projekts ist ein verbessertes Verständnis des Zusammenhangs zwischen Klimavariabilität, Klimaveränderung und Extremereignissen.

Footnotes:
(1) Intergovernmental Panel on Climate Change: http://www.ipcc.ch/
(2) Institutes für Atmosphäre und Klima, ETH Zürich: http://www.iac.ethz.ch/


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