Montag, März 23, 2009

NZZ: Der gläserne Bankkunde ist weitgehend Realität

NZZ-Online
21. März 2009, Neue Zürcher Zeitung
Der gläserne Bankkunde ist weitgehend Realität

cei. Frankfurt, 20. März

Im Prospekt der kleinen deutschen Volksbank Raesfeld aus dem Jahr 1949 wird damit geworben, dass der Sparwille der Bevölkerung nicht durch kleinliche Anfragen des Finanzamtes beeinträchtigt werde. Nach dem Krieg drückte der Staat bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zuweilen beide Augen zu, denn für den Wiederaufbau brauchte es Ersparnisse. Einen solchen Werbeslogan kann man sich heute in Deutschland nicht mehr vorstellen.


NZZ-Online
21. März 2009, Neue Zürcher Zeitung
Der gläserne Bankkunde ist weitgehend Realität

cei. Frankfurt, 20. März

Im Prospekt der kleinen deutschen Volksbank Raesfeld aus dem Jahr 1949 wird damit geworben, dass der Sparwille der Bevölkerung nicht durch kleinliche Anfragen des Finanzamtes beeinträchtigt werde. Nach dem Krieg drückte der Staat bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zuweilen beide Augen zu, denn für den Wiederaufbau brauchte es Ersparnisse. Einen solchen Werbeslogan kann man sich heute in Deutschland nicht mehr vorstellen.

Automatische Informations-Weitergabe

Vom Schutz des Bankkunden vor dem Zugriff staatlicher Behörden ist über die Jahre nicht viel übrig geblieben. Ein eigentliches «Bankgeheimnis», das etwa mit der ärztlichen Schweigepflicht vergleichbar wäre, gibt es nicht. Wer in Deutschland vom Bankgeheimnis spricht, zitiert als rechtliche Grundlage Art. 30a der Abgabenordnung. Doch hierbei handelt es sich lediglich um eine recht allgemein gehaltene Anweisung an die Finanzbehörden. Diese sollen laut Gesetz bei ihren Ermittlungen in Steuersachen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Banken und deren Kunden besondere Rücksicht nehmen. Eine wirkungsvolle Barriere ist das nicht.

So erleichterte zum Beispiel ein Urteil des Bundesfinanzhofs 1997 den Steuerbeamten die Kontrolle der Zinseinkünfte von Privaten. Die Beamten müssen demnach keinen dringenden Verdacht auf Steuerhinterziehung haben, um Einblick in Konten nehmen zu können. Vielmehr genügt es, «wenn sie aufgrund einer nach konkreten Momenten oder allgemeiner Erfahrung getroffenen Prognose-Entscheidung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Auskünfte zur Aufdeckung steuerrechtlich relevanter Tatsachen führen könnten», wie es in gewundenem Amtsdeutsch heisst. Schon zuvor konnte das Finanzamt bei der Bank Auskünfte verlangen, wenn ein Kunde sich der «Aufklärung» verweigerte.

Seit 2003 können in Deutschland Strafverfolger und Steuerfahnder in einem automatisierten Verfahren auf Kontostammdaten zurückgreifen. Zu den Stammdaten gehören Name, Geburtsdatum, Adresse und Tag der Kontoeröffnung, nicht aber Kontostände oder -bewegungen. Diese Daten müssen die Banken an eine zentrale Stelle übermitteln. Die automatisierte Abfrage wurde von der Regierung im Nachgang zu den Anschlägen in den USA mit der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung begründet. Doch die von den Banken aufbereiteten Daten weckten auch das Interesse von Sozial- und Steuerämtern. Das «Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit» erlaubt diesen Stellen seit 2005 ebenfalls Einsicht in diese Daten, wobei Abrufe «ins Blaue hinein» unzulässig sind. 2008 hatte der Staat rund 118 000 automatisierte Abfragen vorgenommen, wobei 34 000 Abfragen von den Finanzämtern stammten. Während die Gesamtzahl leicht zurückging, erhöhten sich die Abfragen durch die Finanzämter um einen Fünftel.

Gegen die automatisierte Kontenabfrage hatte die eingangs erwähnte Volksbank Raesfeld seinerzeit beim Verfassungsgericht geklagt. Die Bank und weitere Kläger hatten moniert, der automatisierte Abruf verstosse gegen das Recht auf «informationelle Selbstbestimmung». Darunter versteht man, dass es unter die Entscheidung des Einzelnen fallen sollte, wem er persönliche Daten weiterleiten will. Doch mit dem grundsätzlichen Anliegen hatte die Klage keinen Erfolg. Das Verfassungsgericht hatte 2007 argumentiert, dass die Eingriffe «verhältnismässig» seien, um Steuergerechtigkeit zu schaffen und den Missbrauch von Sozialleistungen zu bekämpfen. Bei der Abfrage erführen die Behörden zudem nichts über Geldbeträge. Das ist indes eine Verharmlosung, da eine Abfrage der Steuerbehörde oft der erste Schritt ist, um weitergehende Ermittlungen einzuleiten.

Misstrauen dem Bürger gegenüber

In der zurückliegenden Woche hat der Bundesfinanzhof ein Urteil verkündet, das auch in Deutschland als weitere Aushöhlung des «Bankgeheimnisses» interpretiert wurde (NZZ vom 19. 3. 09). Demnach können Finanzbeamte, die bei einer Bank eine Betriebsprüfung machen und dabei bei Konti auf Auffälligkeiten stossen, «die aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte» herausstechen, diese Informationen an die Steuerbehörden des Kunden weiterleiten. Die Urteile und die Gesetzeslage belegen somit, dass in Deutschland der Schutz der Privatsphäre wenig gilt, sobald die Erhebung von Steuern ins Spiel kommt. Hier schwingt das Misstrauen des Staates gegenüber dem Steuerpflichtigen mit. Die «Peitsche» wird in Steuersachen also nicht nur gegenüber Nachbarstaaten, sondern auch gegenüber den eigenen Bürgern geschwungen. Die Auffassung, dass der Bürger in einem freiheitlichen Staat ein Recht auf Geheimnisse haben sollte, ist in Deutschland nicht gerade en vogue.

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