Dienstag, März 31, 2009

Tages Anzeiger: War on Drugs - Krieg gegen die Drogen

Tages Anzeiger Online
«Aus tiefstem Herzen: Gracias Amigos!»
Aktualisiert am 30.03.2009

Der mexikanische Drogenbaron Joaquin Guzmán alias «El Chapo» hat sich bei den USA ausdrücklich dafür bedankt, dass er und seine «Produkte» mit aller Härte verfolgt werden.

Laut einem Vertrauten von Joaquin «El Chapo» Guzmán Loero, den....


Tages Anzeiger Online
«Aus tiefstem Herzen: Gracias Amigos!»
Aktualisiert am 30.03.2009

Der mexikanische Drogenbaron Joaquin Guzmán alias «El Chapo» hat sich bei den USA ausdrücklich dafür bedankt, dass er und seine «Produkte» mit aller Härte verfolgt werden.

Laut einem Vertrauten von Joaquin «El Chapo» Guzmán Loero, den die Internetzeitung «Huffington Post» zitiert, sagte der Boss des Sinaloa-Kartells in Mexiko: «Ich hätte niemals so stinkreich werden können ohne George Bush, George Bush Junior, Ronald Reagan und sogar El Presidente Obama» – mit der Begründung, dass sein «Geschäft» erst durch die Illegalität seiner «Produkte» dermassen lohnend sei. «Aus tiefstem Herzen: Danke, Freunde!», wird der Kartellboss weiter zitiert.

Der 55-jährige, 1,60 Meter grosse Guzmán hatte es kürzlich auf die «Forbes»-Liste der reichsten Menschen der Welt geschafft. Mit einem geschätzten Vermögen von einer Milliarde Dollar klassierte ihn das amerikanische Wirtschaftsmagazin auf Rang 701.

Held und Vorbild der Armen

Unterdessen berichten Quellen in der mexikanischen Regierung, dass der Staatspräsident Felipe Calderón von amerikanischen Politikern fordert, die Drogen aus Mexiko künftig zu legalisieren. «Jeder weiss, mit einer Prohibition erschafft man Gangster. Und je mehr man verbietet, desto mehr», so zitierte die Onlinezeitung, «ist El Chapo heute der Held all jener Slumbewohner, die Millionäre werden möchten.»

Laut dem Bericht werden prominente und reiche Clans in Mexiko mittlerweile verdächtigt, mit amerikanischen Geschäftsleuten unter einer Decke zu stecken. In deren Unternehmen werden die horrenden Gewinne aus dem Drogenhandel angeblich gewaschen. Und massgebliche Personen in der Gesetzgebung bekommen den Quellen zufolge gigantische Bestechungsgelder, damit diese Drogen auch künftig illegal bleiben – die Grundlage für das lohnende Geschäft. (raa)

Montag, März 30, 2009

Berge / Mountains

Sonntag, März 29, 2009

Samstag, März 28, 2009

Heuchelei der OECD Länder: TA - Scheinfirma gegründet – in 45 Minuten

Tages Anzeiger
Scheinfirma gegründet – in 45 Minuten
Von Norbert Raabe. Aktualisiert um 09:40 Uhr 16 Kommentare

Mit einem Budget von 10'000 Dollar und Google hat ein Politologe versucht, in den USA und anderen OECD-Ländern Scheinfirmen zur Steuerhinterziehung zu gründen – mit erstaunlichen Resultaten.

Die Schweiz, Österreich, Luxemburg und andere Länder stehen wegen des Bankgeheimnisses als Steueroasen in der Kritik – doch in jenen Ländern, aus denen die heftigste Kritik kommt, ist es ein Kinderspiel,......


Tages Anzeiger
Scheinfirma gegründet – in 45 Minuten
Von Norbert Raabe. Aktualisiert um 09:40 Uhr 16 Kommentare

Mit einem Budget von 10'000 Dollar und Google hat ein Politologe versucht, in den USA und anderen OECD-Ländern Scheinfirmen zur Steuerhinterziehung zu gründen – mit erstaunlichen Resultaten.

Die Schweiz, Österreich, Luxemburg und andere Länder stehen wegen des Bankgeheimnisses als Steueroasen in der Kritik – doch in jenen Ländern, aus denen die heftigste Kritik kommt, ist es ein Kinderspiel, eine anonyme Firma zu gründen, mit deren Hilfe sich Steuern hinterziehen lassen. Dies hat der Politikwissenschaftler Jason Sharman von der australischen Griffith University mit einem simplen Selbstversuch herausgefunden.

Freundliche Diskretion in Nevada, Delaware und Wyoming

Wie das britische Magazin «Economist» berichtet, versuchte Sharman zunächst in den USA, mit Hilfe von 10'000 Dollar und einem Internetanschluss Firmen zu gründen, ohne die Inhaber, den Geschäftszweck oder sonstige Einzelheiten zu nennen. Mit besonderem Erfolg im Bundesstaat Nevada: Die offizielle Webseite warb mit einer «begrenzten Anforderungen» zur Berichterstattung gegenüber den Behörden – und einem flotten Ein-Stunden-Service für Firmengründungen.

Eine Strategie, die offenbar Erfolge bringt. In Nevada erblühen laut dem «Economist» alljährlich rund 80'000 neue Firmen – insgesamt bislang 400'000 Unternehmen, so dass eine auf jeden sechsten Einwohner kommt. Schon im Jahr 2005 kamen die US-Behörden in einer Bedrohungsanalyse zu dem Schluss, dass der Service von Bundesstaaten wie Nevada, Delaware und Wyoming durchaus mit berüchtigten Offshore-Finanzzentren konkurrieren kann. Und der mittlerweile bekannte Senator Carl Levin hat die Gesetzgebung dieser Staaten bereits scharf kritisiert und Massnahmen angekündigt, die Heimlichtuerei von Firmen zu verhindern – zum Beispiel durch Vorschriften zur Identifizierung der Eigentümer.

Kein Problem in Grossbritannien und anderen OECD-Ländern

Insgesamt 45 Mal versuchte Politologe Sharman weltweit, anonyme Firmen oder Bankkonten zu eröffnen. Zum Beispiel auch in Grossbritannien, das Steuerflüchtlingen in scharfen Worten den Kampf angesagt hat. Dort gelang es Sharman laut «Economist», innerhalb von 45 Minuten ein Unternehmen zu gründen – ohne Angaben zu den Inhabern, einem Vorstand oder sonstige Informationen. Die Kosten für diesen Service betrugen lediglich rund 750 Dollar.

In anderen Fällen gelang es dem Wissenschaftler, schon mit Hilfe einer eingescannten Kopie seines Führerscheins eine Firma zu gründen. Dagegen erwiesen sich die Behörden in Bermuda und in der Schweiz als deutlich misstraurischer. Sie forderten allerlei Dokumente an, darunter auch eine beglaubigte Kopie der Geburtsurkunde. «In der Praxis», so lautete Sharmans Fazit gegenüber dem «Economist», «haben OECD-Länder eine viel laschere Regulierung als klassische Steuerparadiese.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

Erstellt: 27.03.2009, 08:11 Uhr

The economy, estate agents, jobs..... A bit of Fry and Laurie

Freitag, März 27, 2009

Müller Tauscher Wandmalerei Vernissage 2. April 2009

Die Mueller Tauscher Website: hier klicken!

SZ: Joschka Fischer über EU - Keine Führung, nirgends

Süddeutsche Zeitung
URL: /politik/325/462937/text/
Datum und Zeit: 27.03.2009 - 00:01

26.03.2009 08:25 Uhr

Joschka Fischer
Keine Führung, nirgends

Auf dem Trittbrett durch die Krise: Nächste Woche treffen die Europäer beim G-20-Gipfel in London erstmals Barack Obama und zeigen ein Verhalten, das ebenso legitim wie fatal ist. Mehr als ein "Formelkompromiss" zur Bewältigung der Finanzkrise ist nicht zu erwarten.
Eine Außenansicht von Joschka Fischer


Süddeutsche Zeitung
URL: /politik/325/462937/text/
Datum und Zeit: 27.03.2009 - 00:01

26.03.2009 08:25 Uhr

Joschka Fischer
Keine Führung, nirgends

Auf dem Trittbrett durch die Krise: Nächste Woche treffen die Europäer beim G-20-Gipfel in London erstmals Barack Obama und zeigen ein Verhalten, das ebenso legitim wie fatal ist. Mehr als ein "Formelkompromiss" zur Bewältigung der Finanzkrise ist nicht zu erwarten.
Eine Außenansicht von Joschka Fischer

Am Rhein und in Prag werden Nato und EU dem neuen amerikanischen Präsidenten huldigen, schöne Bilder, hehre Reden über die Zukunft des Transatlantismus - alles wie gehabt. Doch vor Straßburg und Prag findet, am 2. April, auf dem G-20-Treffen in London der transatlantische Ernstfall statt. Mit der Wahl Barack Obamas zum amerikanischen Präsidenten sollte alles besser werden - eigentlich. Die transatlantische Kontinentaldrift, die Europa und Amerika in den acht Jahren unter George W. Bush immer weiter auseinander gebracht hat, sollte gestoppt und sogar umgekehrt werden. Diese Hoffnung geht dahin.

Denn die Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise lässt die Differenzen zwischen Amerika und Europa voll ausbrechen. Europa weigert sich, sehr viel stärker als bisher finanziell bei der Bewältigung der beiden Krisen zu helfen. Gewiss, am Ende des Londoner Treffens werden sich die Staats- und Regierungschefs auf eine gemeinsame Erklärung einigen; ein Scheitern kann sich niemand erlauben. Aber die Unterschiede werden bestehen bleiben. Die einen wollen die Krise wegfinanzieren, die anderen wollen sie wegregulieren, und am Ende wird beides in der Erklärung stehen. So etwas nennt man dann "Formelkompromiss."

Die nationalen Medien der beteiligten Staaten werden anschließend ihre jeweiligen Regierungen für ihre "Tapferkeit" und "Durchsetzungskraft" preisen, werden von "Punktsiegen" schwadronieren, aber eine kraftvolle globale Antwort auf die schwerste Krise seit 1929 wird es trotzdem nicht gegeben haben. Keine Führung, nirgends.

Die Ursache der neuen transatlantischen Drift liegt vor allem darin, dass beide Seiten in unterschiedlichen Krisenwelten leben. Amerika fürchtet die Deflation, Europa hingegen, getrieben von seiner größten Volkswirtschaft Deutschland, Staatsverschuldung und Inflation.

Zögern und die Folgen

Die USA haben unter der Wucht der Krise bereits eine ideologische und praktische Kehrtwende um 180 Grad vorgenommen und setzen voll auf Keynes und eine massive, schuldenfinanzierte öffentliche Nachfrage, um den weiteren Absturz der Wirtschaft aufzufangen. Die Europäer haben zwar auch nationale Konjunkturprogramme aufgelegt, aber sie sind nach wie vor nicht bereit, ein ähnliches Verschuldensrisiko einzugehen, wie die USA. Das europäische Sozialstaatsmodell dämpft zudem, anders als in den USA, zumindest für eine gewisse Zeit den ökonomischen Absturz.

Es spielt aber auch die politische Taktik eine zentrale Rolle. Präsident Obama ist gerade für vier Jahre ins Amt gewählt worden, und sein politisches Schicksal wird davon abhängen, ob er den Absturz der US-Wirtschaft zuerst abbremsen und dann umdrehen kann oder nicht. Jegliches Zögern kann für ihn nicht wieder gutzumachende Folgen haben. In Europa stehen Merkel, Brown und Sarkozy aber vor ganz anderen Alternativen.

Gordon Brown ist in einer hoffnungslosen Lage. Der Absturz der Wirtschaft in Großbritannien war mindestens so hart wie in den USA, und deshalb musste die britische Regierung massiv auf Deficit Spending setzen, um den Totalkollaps des Finanzsystems zu verhindern. Gordon Brown sind kaum noch Optionen geblieben, ohne dass Großbritannien bereits die Talsohle der Krise erreicht hätte. Bei Neuwahlen kann ihn nur noch ein Wunder retten.

Das Schicksal Browns hat aber eine nachhaltige Wirkung in Berlin und Paris, denn es wird dort als Menetekel angesehen. Merkel und Sarkozy wollen auf keinen Fall ebenfalls ihre politische Zukunft verspielen. Für die europäische Positionierung spielt dabei die Bundeskanzlerin die zentrale Rolle, und zwar nicht nur, weil sie die größte Volkswirtschaft der EU führt, sondern auch, weil sie am 28. September wieder gewählt werden will. Der Ausgang dieser Wahl ist heute unsicherer denn je, und Angela Merkel ist in eine äußerst ungemütliche Lage geraten, die sich hin zu einer Zwickmühle entwickeln kann.

Arbeitslosigkeit oder Staatsverschuldung

Denn entscheidet die Kanzlerin sich jetzt für ein massives Deficit Spending, verliert sie in der Wählergruppe, die ihr bereits heute in Scharen von der Fahne geht - wegen Staatsverschuldung, Verstaatlichung, Konjunkturprogrammen etc. Sollte die Arbeitslosigkeit in Deutschland allerdings von Frühsommer an explodieren und einige namhafte Großunternehmen im Konkurs enden, dann könnte sie zu lange auf das falsche Pferd gesetzt haben - und die Sozialdemokraten die Wahlen für sich entscheiden.

Auf jeden Fall sieht es so aus, als ob die deutschen Wahlen an der Frage Arbeitslosigkeit oder Staatsverschuldung - Monetaristen gegen Keynesianer - entschieden werden. Das Rennen wird zunehmend ungewisser und damit offener. Deswegen wird die Kanzlerin alles tun, um eine vorzeitige Festlegung für sich zu vermeiden, und London kommt auf jeden Fall viel zu früh.

Pazifischer und weniger transatlantisch


Allerdings hat ein solch legitimes, gleichwohl bizarr kleinkariertes nationales Denken angesichts einer Krise von bisher nicht gekanntem globalem Ausmaß sehr ernste Konsequenzen: Erstens blockiert der Streit zwischen Europa und Amerika ein gemeinsames, also wirksames Handeln der wichtigsten westlichen Volkswirtschaften und schwächt so den Westen insgesamt; zweitens treibt dies die USA weg von Europa und weiter Richtung China; und drittens wird dies die transatlantischen Beziehungen weiter schwächen, die chinesische Rolle bei der globalen Bewältigung der Krise und darüber hinaus weiter aufwerten und China aller Voraussicht nach zum großen Gewinner dieser Weltwirtschaftskrise machen.

Die Welt wird danach eine andere sein, und die Europäer werden sich darüber nicht beschweren dürfen. Sie wird pazifischer und weniger transatlantisch sein, und die neue Achse der Weltpolitik wird von dem sino-amerikanischen Tandem gebildet werden. Insgeheim setzt man in Berlin, Paris und anderen europäischen Hauptstädten wohl darauf, dass es Präsident Obama schon richten wird.

Hat er Erfolg als Super-Keynes, dann ist man mit dabei, ohne unkalkulierbare Risiken für die eigene politische Zukunft eingegangen zu sein. Scheitert er, dann war man Gott sei Dank nicht dabei. Beides aber ist im Interesse Europas gleichermaßen falsch. Denn wenn Europa seine Rolle in dieser schweren Krise, die sich durchaus zu einer Depression entwickeln kann, auf dem Trittbrett des Krisenmanagements sieht, dann wird es zukünftig auch so behandelt werden.

Joschka Fischer, 60, (Bündnis 90/Grüne) war Bundesaußenminister und Vizekanzler von 1998 bis 2005. Er schreibt exklusiv für Project Syndicate und die Süddeutsche Zeitung.

(SZ vom 26.03.2009/ihe)

Donnerstag, März 26, 2009

Economist / NZZ 12/2004 : Ist der Dollar bald nur noch Geschichte?

NZZ am Sonntag
12. Dezember 2004
Ist der Dollar bald nur noch Geschichte?
Mögliche Anzeichen für ein Ende der Dominanz des Dollars

Der Denar der alten Römer, der niederländische Gulden, das britische Pfund Sterling - sie alle dienten einst als internationale Leitwährung, bevor sie an Bedeutung einbüssten. Gehört der Dollar bald auch dazu? Es gibt starke Anzeichen dafür, dass die US-Währung ihre Funktion für die Weltwirtschaft verlieren könnte, schrieb das Wirtschaftsmagazin «Economist» Ende 2004.

Wechselkursprognosen sind unzuverlässig. «Die Erfolgsquote solcher Prognosen», bemerkte einst der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan, «ist nicht viel besser als jene von Voraussagen eines Münzwurfes.»


NZZ am Sonntag
12. Dezember 2004
Ist der Dollar bald nur noch Geschichte?
Mögliche Anzeichen für ein Ende der Dominanz des Dollars

Der Denar der alten Römer, der niederländische Gulden, das britische Pfund Sterling - sie alle dienten einst als internationale Leitwährung, bevor sie an Bedeutung einbüssten. Gehört der Dollar bald auch dazu? Es gibt starke Anzeichen dafür, dass die US-Währung ihre Funktion für die Weltwirtschaft verlieren könnte, schrieb das Wirtschaftsmagazin «Economist» Ende 2004.

Wechselkursprognosen sind unzuverlässig. «Die Erfolgsquote solcher Prognosen», bemerkte einst der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan, «ist nicht viel besser als jene von Voraussagen eines Münzwurfes.»

Die letzten Jahre haben das gezeigt: Die meisten Währungs-Auguren hätten besser Münzen geworfen, dann hätten ihre Prognosen zumindest bei einer Trefferquote von fünfzig Prozent gelegen. Doch für die nächsten paar Jahre scheint es eine ziemlich sichere Sache zu sein, auf einen deutlichen Kursverfall des Dollars zu setzen.

Seit Mitte Oktober ist der Dollar gegenüber anderen führenden Währungen um etwa 7 Prozent gefallen, er hat gegenüber dem Euro ein Rekordtief, und gegenüber dem japanischen Yen ein Fünfjahrestief erreicht. Seit Anfang 2002 hat der Dollar gegenüber dem Euro 35 Prozent verloren, gegenüber einem breit angelegten Währungskorb, der auch den an den Dollar gebundenen chinesischen Yuan enthielt, hat er bescheidenere 17 Prozent verloren. Der Dollar schwächelte dieser Tage enorm, nachdem Alan Greenspan erklärt hatte, dass das amerikanische Leistungsbilanzdefizit nicht mehr zu finanzieren sei, weil ausländische Anleger irgendwann kein Interesse mehr hätten, in Amerika zu investieren.

Alarmierende Zeichen

Alan Greenspan dürfte nicht der einzige Notenbankchef mit einer pessimistischen Sicht auf den Dollar sein. Der Gedanke, ausländische Zentralbanken könnten ihre Dollarbestände reduzieren, sorgt allenthalben für Unruhe. Jüngst erklärten Sprecher der Staatsbanken von Russland und Indonesien, ihre Banken dächten über eine Reduzierung ihrer Dollarreserven nach. Noch alarmierender waren Meldungen, die chinesische Zentralbank, die nach Japan über den zweitgrössten Bestand an Devisenreserven verfügt, habe möglicherweise den Erwerb von US-Anleihen reduziert.

In dieser Situation denken einige Ökonomen das bisher Undenkbare: Wird der Dollar seinen Status als Reservewährung verlieren? In den letzten zweitausend Jahren gab es immer wieder eine andere internationale Leitwährung - vom römischen Denar über den byzantinischen Solidus zum niederländischen Gulden und dem Pfund Sterling. Der Dollar ist seit mehr als sechzig Jahren Leitwährung. Davon hat Amerika profitiert, es kann Importe und Kredite in der eigenen Währung und zu niedrigen Zinsen bezahlen.

Der Anteil des Dollars an den weltweiten Währungsreserven ist von 80 Prozent in der Mitte der siebziger Jahre bereits auf rund 65 Prozent gefallen. Läuft der Dollar aber wirklich Gefahr, seinen Status als internationale Leitwährung einzubüssen? Dieselbe Frage wurde schon Anfang der neunziger Jahre gestellt, nach dem deutlichen Kursverfall des Dollars, doch an seiner Position änderte das nichts. Allerdings gab es damals keine Alternative, während sich heutzutage der Euro tatsächlich als Rivale erweisen könnte.

Eine Reservewährung setzt eine grosse Volkswirtschaft, offene Finanzmärkte, eine niedrige Inflation und Vertrauen in die Währung voraus. Die Wirtschaft des Euroraums ist, nach dem gegenwärtigen Wechselkurs, nicht viel kleiner als die US-Wirtschaft. Der Euroraum ist der weltweit grösste Exporteur, und seit der Einführung des Euro sind die europäischen Märkte stärker und liquider geworden. Das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) des Euroraums wächst langsamer als das amerikanische, aber in Dollar gerechnet, hat das wirtschaftliche Gewicht des Euroraums in den letzten fünf Jahren im Vergleich zu Amerika sogar zugenommen.

Die Schwäche des Dollars ist das mangelnde Vertrauen. Seit 1960 hat der Dollar gegenüber dem Euro (bis 1999 gegenüber der D-Mark) und dem japanischen Yen um etwa zwei Drittel verloren. Der Euroraum ist, anders als Amerika, Nettogläubiger. Noch nie zuvor war der Staat mit der Leitwährung der Welt zugleich deren grösster Nettoschuldner. Und Schuldner versuchen normalerweise gern, ihr Aussenhandelsdefizit mittels Abwertung zu verringern - keine sehr attraktive Option für eine Reservewährung.

Diejenigen, die dem Dollar skeptisch gegenüberstehen, fragen sich, warum Investoren am Dollar festhalten sollten, wenn die USA ihren Status als Hüterin der Leitwährung durch ihre eigene Politik gefährden. Und sie weisen darauf hin, dass der Dollar ohne massive Ankäufe von ausländischen Zentralbanken längst viel schlechter dastehen würde. Wenn diese Zentralbanken einen Teil ihrer Bestände von insgesamt 2300 Milliarden Dollar auf den Markt werfen, könnte es zu einem Zusammenbruch der US-Währung kommen. Wie man es betrachtet - Amerika wird zunehmend Mühe haben, sein Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren.

Dieses Defizit ist der Kern des Problems. Experten haben mindestens vier Gründe dafür angeführt, warum das Leistungsbilanzdefizit irrelevant und der Status des Dollars als Reservewährung ungefährdet sei. Erstens sei das Defizit kein Zeichen von Schwäche, sondern von wirtschaftlicher Stärke. Zweitens liege das Defizit vor allem an der schwachen Auslandnachfrage, und die sei schliesslich umkehrbar. Drittens seien für das Defizit hauptsächlich die ausländischen Tochterunternehmen von amerikanischen Multis verantwortlich. Und viertens schaffe die Dollarnachfrage der Zentralbanken sogar ein stabiles wirtschaftliches System. Jedes dieser Argumente lässt sich leicht entkräften.

Wieso das Defizit zählt

Beginnen wir mit dem ersten Argument, das vom amerikanischen Finanzministerium bevorzugt wird. Ausländer, heisst es, investierten gern in Amerika, weil dort höhere Renditen möglich seien als in Europa oder Japan. Und ein Nettozufluss von Kapital führe naturgemäss zu einem Leistungsbilanzdefizit. Für die ausgehenden neunziger Jahre, als Amerika einen grossen Nettozufluss an direkten und indirekten Investitionen erlebte, mag das zugetroffen haben, doch in diesem Jahr hat es einen Nettoabfluss von langfristigen Investitionen gegeben. Und in den letzten Jahren erzielten ausländische Direktinvestitionen geringere Renditen als in Europa oder Japan.

Finanziert wird das amerikanische Leistungsbilanzdefizit durch ausländische Zentralbanken und kurzfristige Anleihen. Bis Mitte 2004 finanzierten ausländische Zentralbanken bis zu drei Fünftel des Defizits. Der kürzliche Dollarankauf von Zentralbanken ist beispiellos. Die globalen Währungsreserven (65 Prozent davon, man erinnere sich, in Dollar) sind innerhalb von anderthalb Jahren um 1000 Milliarden Dollar gestiegen. Zuvor hatte es zehn Jahre gedauert, bis der offizielle Reservebestand sich um 1000 Milliarden Dollar erhöht hatte. Diese Ankäufe haben nichts mit US-Renditen zu tun, sie sollen einzig die Währung der betreffenden Länder schwach halten.

Schlimmer noch: Der Kapitalzufluss der letzten Jahre finanzierte in den USA keine produktiven Investitionen, sondern den privaten Konsum und ein wachsendes Haushaltdefizit. Ein Leistungsbilanzdefizit, das mangelnde Sparbereitschaft spiegelt, dürfte kaum ein Zeichen von Stärke sein.

Schleppende Nachfrage

Wie steht es mit dem zweiten Argument, wonach eine schleppende Auslandnachfrage für das US-Defizit verantwortlich sei? Wenn Europa und Asien weniger sparten, so wird argumentiert, und stattdessen mehr ausgäben und mehr amerikanische Waren einführten, so würde das Defizit einfach verschwinden. Martin Barnes, Mitarbeiter der kanadischen Agentur «Bank Credit Analyst», hält dies für enorm übertrieben.* Als vor drei Jahren die Binnennachfrage in Europa und Japan tatsächlich etwas schneller stieg als in Amerika, änderte das am US-Defizit nur wenig.

Das Problem ist, dass die USA 50 Prozent mehr ein- als ausführen. Wenn Export und Import also in gleicher Weise wachsen, erhöht sich automatisch das Handelsbilanzdefizit. Bei einer Importsteigerung von etwa 10 Prozent müssten die Exporte um 15 Prozent zunehmen, nur damit das Defizit nicht weiter anwächst. Eine stärkere ausländische Nachfrage wäre also gewiss hilfreich, aber durch mehr Exporte allein kann Amerika sein Defizit nicht entscheidend reduzieren. Der Vizegouverneur der chinesischen Staatsbank, Li Ruogu, sagte dieser Tage, dass Amerika das eigene Haus in Ordnung bringen - das heisst: mehr sparen - und nicht andere für seine Probleme verantwortlich machen sollte. Er hatte Recht.

Multis und ihre Töchter

Das dritte Argument besagt, dass die Kritik am Leistungsbilanzdefizit irrelevant sei, da dieses Defizit grösstenteils Transaktionen zwischen amerikanischen Multis und deren ausländischen Tochterunternehmen spiegle. Es sei, so die Behauptung, eben nicht das Gleiche, einen IBM-Computer aus China oder einen japanischen Toshiba zu importieren. Wenn amerikanische Firmen im Ausland produzierten, erhöhe das ihren Gewinn. Martin Barnes weist jedoch darauf hin, dass der gesamte Handel zwischen amerikanischen Multis und ihren ausländischen Tochterfirmen selbst unter Berücksichtigung von Gewinnen und Dividenden defizitär bleibt, und diese Lücke müsse weiterhin durch ausländische Kredite geschlossen werden.

Stabiles System

Die vierte, letzte und im vergangenen Sommer gern verwendete Erklärung, warum das US-Defizit keine Rolle spiele, besagt, dass die Welt heute das Äquivalent des Bretton-Wood-Systems (des nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführten Systems fester Wechselkurse) geniesst. Asiatische Regierungen kauften amerikanische Staatsanleihen, die das US-Defizit finanzieren, um ihre eigenen Währungen billig zu halten und das exportgestützte Wachstum zu fördern. Dadurch könnten die Zinsen in Amerika niedrig bleiben, was dem privaten Konsum und den Importen zugute käme. Dieser Zyklus, heisst es, könne noch zehn Jahre anhalten.

Allerdings wies Amerika seinerzeit unter dem ursprünglichen Bretton- Woods-System einen Leistungsbilanzüberschuss auf, und das System beruhte auf der offiziellen Goldparität des US-Dollars. Kein Wunder vielleicht, dass das heutige System schon heftig wankt, wenn einige asiatische Zentralbanken über den Wert ihrer Dollarreserven nachdenken. Zur Aufrechterhaltung der jetzigen Ordnung werden sie immer mehr Dollar kaufen müssen, während das US-Defizit immer weiter anwächst. Die asiatischen Zentralbanken müssen schon jetzt mit enormen Verlusten rechnen, falls es zu einer Abwertung gegenüber dem Dollar kommt. Eigentlich sollten sie ihre Reserven diversifizieren, doch das wiederum könnte zu einem Kursverfall des Dollars führen. Larry Summers, US-Finanzminister unter Präsident Clinton, bezeichnet dies als «Gleichgewicht der finanziellen Abschreckung». Die USA vertrauen darauf, dass die asiatischen Zentralbanken aus Eigeninteresse das amerikanische Defizit weiter finanzieren.

Seit fast zwei Jahrzehnten gibt das amerikanische Leistungsbilanzdefizit Anlass zu Sorgen, und Fachleute haben einen Absturz des Dollars und eine Rezession vorhergesagt. Tatsächlich fiel der Dollar in den ausgehenden achtziger Jahren, ohne dass die Wirtschaft gross darunter gelitten hätte. Warum sollte man heute also besorgter sein? Ein guter Grund: Das Leistungsbilanzdefizit, das gegenwärtig knapp 6 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) beträgt, hat sich gegenüber den achtziger Jahren fast verdoppelt und wird, bei unveränderten Rahmenbedingungen, so weiterwachsen. Zweitens war Amerika damals ein Nettogläubiger. Heute ist das Land Nettoschuldner. Die Auslandschulden werden am Ende dieses Jahres schätzungsweise 3300 Milliarden Dollar beziehungsweise 28 Prozent des BIP erreichen.

Länder wie Australien und Neuseeland haben sich vergleichsweise stärker verschuldet, ohne dass dies mit offenkundigen Nachteilen für die heimische Wirtschaft verbunden wäre, aber als relativ kleine Länder absorbiert ihr Leistungsbilanzdefizit nur einen Bruchteil des globalen Sparvolumens. Die neuen Auslandkredite Amerikas werden allein in diesem Jahr immerhin 75 Prozent der weltweiten Überschussreserven beanspruchen.

Bisher hat der gigantische Schuldenberg die amerikanische Wirtschaft nicht belastet, und zwar vor allem wegen eines ungewöhnlichen Tricks. Amerika ist zwar Nettoschuldner, braucht aber keine Zinsen und Dividenden ins Ausland zu überweisen. Es geniesst stattdessen einen Nettozufluss an ausländischen Investitionen, weil es eine höhere Durchschnittsrendite bietet, als für die eigenen Schulden bezahlt werden muss. Ausserdem profitierte Amerika in den letzten Jahren von einem aussergewöhnlich niedrigen Zinsniveau. Anders als in früheren Phasen eines schwachen Dollars bewegen sich die Anleiherenditen auf niedrigem Niveau - vor allem wegen der massiven Ankäufe ausländischer Zentralbanken. Steigen aber in Zukunft Zinsen und Nettoauslandschulden, werden die amerikanischen Nettoinvestitionserträge in den Minusbereich abrutschen, wahrscheinlich schon im nächsten Jahr. Dann wird nicht nur das Leistungsbilanzdefizit steigen, auch die Wirtschaft wird zunehmend unter Druck geraten.

Amerika hat überdies den grossen Vorteil, dass es Kredite in seiner eigenen Währung aufnehmen kann. Ein normales Schuldnerland wie etwa Argentinien muss sich Geld in ausländischer Währung leihen, das verringert zwar bei einer Abwertung das Handelsbilanzdefizit, erhöht aber gleichzeitig die Schulden in lokaler Währung. Dagegen wird das Währungsrisiko bei den US-Auslandschulden in der Höhe von 11 000 Milliarden Dollar von ausländischen Geldgebern getragen. Trotz Dollarschwäche verbessert sich sogar die amerikanische Position, weil der Dollarwert ausländischer Guthaben steigt. Eine Dollarabwertung ist aus amerikanischer Sicht attraktiv. Als führende internationale Reservewährung kann der Dollar also Kapital zu ausserordentlich günstigen Bedingungen anlocken. Die Schattenseite davon ist, dass Amerika sich gigantische Summen leiht, deren Sanierung letztlich sehr kostspielig sein wird. Es geht nicht darum, ob Amerika es sich leisten kann, sich noch weiter zu verschulden, sondern ob Investoren angesichts des wachsenden Schuldenbergs, der gegenwärtigen Wechselkurse und Zinssätze auch weiterhin bereit sind, das Defizit zu finanzieren.

Nach Einschätzung der Ökonomen Nouriel Roubini (New York) und Brad Setser (Oxford) ** wird das amerikanische Leistungsbilanzdefizit, falls der reale Aussenwert des Dollars beim Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2003 bleibt (etwas über dem gegenwärtigen Niveau) und sich an den innenpolitischen Rahmenbedingungen nichts ändert, bis zum Jahr 2008 auf 8 Prozent des BIP steigen. Die Nettoverschuldung wird sich auf über 50 Prozent des BIP belaufen. In der Praxis ist damit wohl nicht zu rechnen, da Privatinvestoren nicht bereit sind, einen solchen Schuldenberg ohne deutlich höhere Zinsen und/oder eine Dollarabwertung (beides würde das Leistungsbilanzdefizit verringern) zu finanzieren.

Trotz den jüngsten Kursverlusten ist der Dollar aber keineswegs billig. Inflationsbereinigt liegt der reale Aussenwert des Dollars ungefähr bei seinem durchschnittlichen Wert der letzten dreissig Jahre. Gegenüber den meisten Währungen von Schwellenländern ist der Dollar zwar kaum gesunken, aber gegenüber dem Euro liegt er bereits unter seinem geschätzten, angemessenen Wert. Doch das wird niemanden überraschen. Typischerweise muss eine Währung ihren angemessenen Wert weit unterschreiten, wenn ein grosses Aussenhandelsdefizit abgebaut werden soll. Der reale Aussenwert des Dollars ist seit Anfang 2002 nur um 15 Prozent gefallen, verglichen mit einem Verlust von 34 Prozent gegenüber dem Höchststand von 1985. Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit ist heute aber viel grösser als in den achtziger Jahren, der Dollar wird also noch deutlicher fallen - nach Ansicht von Fachleuten müsste er um mindestens 30 Prozent sinken. 1 Euro würde dann $ 1,80 (heute: $ 1,33) kosten.

Historische Lektion

Je weniger der Dollar gegenüber den Währungen der Schwellenländer (etwa dem chinesischen Yuan) sinkt, desto eher wird er gegenüber dem Euro sinken. Auf China entfällt ein Viertel des amerikanischen Handelsbilanzdefizits. In den letzten Wochen wurde vermehrt über eine baldige Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar spekuliert. Doch Peking hat zu verstehen gegeben, dass man sich nicht zu einer Wechselkursänderung hinreissen lassen werde, schon gar nicht unter amerikanischem Druck.

Jedenfalls kann das US-Leistungsbilanzdefizit nicht ausschliesslich durch einen schwächeren Dollar korrigiert werden. Es muss wieder mehr gespart werden. Am besten wäre natürlich, wenn die Regierung das Haushaltdefizit abbauen würde. Amerika müsste dann nicht mehr im Ausland borgen, und der Fall des Dollars und der (von den Investoren andernfalls geforderte) Anstieg der Anleiherenditen würde abgeschwächt. In der Kombination mit einem stärkeren Wachstum im Ausland könnte das Leistungsbilanzdefizit allmählich verringert werden. Das Wirtschaftswachstum würde durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen verlangsamt, aber es müsste nicht zu einer Rezession kommen. Sollte aber die Regierung das Haushaltdefizit nicht reduzieren, wird der Dollar noch deutlicher sinken, und die Anleiherenditen werden steigen. Der Baukonjunktur könnte die Luft ausgehen, und der private Konsum dürfte sich deutlich verlangsamen. Diese beiden Faktoren könnten das Aussenhandelsdefizit reduzieren, allerdings nur auf Kosten einer tiefen Rezession.

1913, auf dem Höhepunkt seiner imperialen Macht, war Grossbritannien der weltweit grösste Gläubiger. Vierzig Jahre später, nach zwei kostspieligen Weltkriegen und wirtschaftlichen Irrwegen, war das Land Nettoschuldner, und der Dollar übernahm die Rolle des Pfunds Sterling. Eine Leitwährung zu verdrängen, kann Jahre dauern. Das Pfund Sterling spielte noch mindestens fünfzig Jahre lang eine wichtige internationale Rolle, auch nachdem Amerika gegen Ende des 19. Jahrhunderts Britannien wirtschaftlich schon überholt hatte. Am Ende verlor es aber seinen Status.

Wenn Amerika seinen gegenwärtigen Kurs fortsetzt, wird der Dollar ein ähnliches Schicksal erleiden. Doch in Zukunft wird keine einzelne Währung (etwa der Euro) die Rolle des Dollars übernehmen. Die Welt wird vielmehr auf ein System mehrerer Reservewährungen zusteuern, das aus dem Dollar, dem Euro und dem japanischen Yen (und irgendwann auch dem chinesischen Yuan) besteht. Damit wird eine deutliche Verringerung der Dollarguthaben von Zentralbanken und privaten Investoren einhergehen. Ein allmählicher Ausstieg aus dem Dollar wäre wohl zu handhaben. Sollte Amerika seine eigene Währung aber weiterhin dermassen vernachlässigen, wird das zu einem rapiden Fall des Dollars und zu steigenden US-Zinsen führen. Entscheidend für die amerikanische und die Welt-Wirtschaft wird sein, wie weit und wie schnell der Dollar sinkt. Und das kann nicht einmal Alan Greenspan voraussagen.

© The Economist Newspaper Limited. London,Dezember 2004. Übersetzung: Matthias Fienbork.

* Martin Barnes: «Re-Assessing the Dollar Outlook». The Bank Credit Analyst, Dezember 2004.

** http://www.stern.nyu.edu/globalmacro/Roubini-Setser-US-External-Imbalances.pdf

Mittwoch, März 25, 2009

Tages Anzeiger Magazin: Binswanger - Calvins Untergang

Tages Anzeiger Magazin:
Daniel Binswanger: Calvins Untergang

Die Kapitalwirtschaft wurde in der Schweiz quasi erfunden. Doch unser Geschäftsmodell hat sich überlebt.
20.03.2009 von Daniel Binswanger

Noch ist nicht absehbar, welche Einbussen das Schweizer Privatbanking erleiden wird. Feststehen dürfte lediglich, dass vom Abfluss schwarzer Gelder eine Stadt ganz besonders betroffen ist: die Finanzmetropole Genf. Dass der traditionsreichste Schweizer Bankenstandort hilflos von der Entwicklung der Finanzkrise eingeholt wird, zeugt von der Ironie der Geschichte. Schliesslich wurden gerade in Genf die sozialethischen Grundlagen für das Funktionieren der modernen Wirtschaft geschaffen.
Das behauptet jedenfalls Max Weber, der Gründungsvater der deutschen Soziologie, der in seiner klassischen Studie «Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» die These aufstellte, ......


Tages Anzeiger Magazin:
Daniel Binswanger: Calvins Untergang

Die Kapitalwirtschaft wurde in der Schweiz quasi erfunden. Doch unser Geschäftsmodell hat sich überlebt.
20.03.2009 von Daniel Binswanger

Noch ist nicht absehbar, welche Einbussen das Schweizer Privatbanking erleiden wird. Feststehen dürfte lediglich, dass vom Abfluss schwarzer Gelder eine Stadt ganz besonders betroffen ist: die Finanzmetropole Genf. Dass der traditionsreichste Schweizer Bankenstandort hilflos von der Entwicklung der Finanzkrise eingeholt wird, zeugt von der Ironie der Geschichte. Schliesslich wurden gerade in Genf die sozialethischen Grundlagen für das Funktionieren der modernen Wirtschaft geschaffen.
Das behauptet jedenfalls Max Weber, der Gründungsvater der deutschen Soziologie, der in seiner klassischen Studie «Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» die These aufstellte, dass «protestantische Sekten» — und unter diesen ganz besonders der Genfer Reformator Calvin — die Geisteshaltung erst geschaffen haben, welche die Entstehung der modernen Wirtschaft ermöglicht. Die Historiker debattieren zwar darüber, wie weit der Einfluss der reformierten Theologie konkret gegangen sei, aber es bleibt unbestreitbar, dass Calvin eine elegante Lösung für zwei Grundwidersprüche der modernen Wirtschaftsordnung geboten hat.
Erstens funktioniert kapitalistische Wertschöpfung nur dann, wenn das Gewinnstreben der Marktteilnehmer ins Unendliche geht. Nur wenn die Superreichen um jeden Preis noch reicher werden wollen, werden sie ihre Milliarden produktiv investieren und den Wirtschaftskreislauf am Laufen halten — auch wenn sie niemals imstande sind, das zusätzlich eingenommene Geld je wieder auszugeben. Akkumulation als Selbstzweck ist der eherne Imperativ der heutigen Kapitalwirtschaft — bis hin zu seiner zerstörerischen Übersteigerung im Investmentbanking, wo eine Kapitalrendite von 25 Prozent als untere Benchmark betrachtet wurde.
Zweitens führt die moderne Konkurrenzwirtschaft unweigerlich zu Ungleichheit. Zwar haben die Entwicklung der modernen Arbeitsmärkte und die Umverteilung durch den Sozialstaat in der industrialisierten Welt dazu geführt, dass auch die untersten Einkommensschichten weitgehend für ihre Grundbedürfnisse aufkommen können. Die relativen Einkommensunterschiede haben sich aber verschärft. Die anonymen Marktkräfte erzeugen wenige Gewinner — und dafür die grossen Massen der Verlierer. Max Weber beschreibt deshalb die Industriegesellschaft als «Weltherrschaft der Unbrüderlichkeit».
Für beide Schwierigkeiten unserer Weltordnung liefert Calvins Gnadentheologie eine Rechtfertigung. Erstens, sagt Calvin, wird die göttliche Gnade nur einem engen Kreis von Auserwählten zuteil — mit Chancengleichheit, Leistungsbereitschaft oder sonst einem rationalen Kriterium hat sie gar nichts zu tun. Dass die grosse Masse der Menschheit der Verdammnis bescheidener Einkommen anheimfällt, ist schlicht eine theologische Notwendigkeit. Zweitens aber ist auch die Auserwähltheit des prosperierenden Christen niemals gesichert — ob er der Gnade teilhaftig wird, offenbart sich erst im Jenseits. Die Heilsungewissheit ist absolut. Deshalb kann der Erdenbürger sich nicht begnügen, reich zu sein, er muss immer noch begüterter werden, um seine Heilschancen wenigstens so weit als möglich zu erhöhen. Die Kapitalakkumulation dient nicht dem weltlichen Lustgewinn, sie ist eine Form der religiösen Askese. Nur aus dieser Perspektive macht es Sinn, mehr Geld aufzuhäufen, als man jemals hienieden verzehren könnte.
Auf solchen Grundlagen entwickelte sich das Berufsethos der modernen Wirtschaft. Die Theologie ist inzwischen irrelevant geworden — geblieben ist das Kapital. Geblieben sind der Zwang zur Akkumulation und die Weltherrschaft der Unbrüderlichkeit. Durch den Wegfall ihrer sittlichen Rechtfertigung haben sich beide in den letzten Jahrzehnten massiv verschärft.
Jetzt beklagt man plötzlich den Untergang der althelvetischen Bankier-Kultur, ihrer Diskretion und Bescheidenheit, in der noch ein Element von religiöser Askese erhalten blieb. Doch die alten Geldhäuser wurden verdrängt von den Glücksrittern des schnellen Geldes. Das Polo-Turnier hat den Gottesdienst ersetzt, der Lamborghini das Standesethos. Die Verweltlichung ist ein normaler historischer Prozess. Doch die Schweiz wird einen besonders hohen Preis dafür bezahlen. Das Geschäftsmodell der protestantischen Stammlande hat sich überlebt.

Dienstag, März 24, 2009

NZZ: Leben in der Steuerwüste (Deutschland)

NZZ Online
21. März 2009, Leben in der «Steuerwüste»
Endloses Ringen zwischen Fiskus und Bürgern in Deutschland
Ist die Schweiz eine Steueroase, so müsste wohl Deutschland als Steuerwüste angesehen werden.

Die Attacken des deutschen Finanzministers Steinbrück auf die Schweiz lenken den Blick unwillkürlich auf die «Steuerwüste» Deutschland. Hohe Belastungen führen zu Leistungsverweigerung, Schattenwirtschaft, Abwanderung sowie scharfen Kontrollen durchs Finanzamt.


Von unseren Wirtschaftskorrespondenten Peter Rásonyi und Christoph Eisenring

NZZ Online
21. März 2009, Leben in der «Steuerwüste»
Endloses Ringen zwischen Fiskus und Bürgern in Deutschland
Ist die Schweiz eine Steueroase, so müsste wohl Deutschland als Steuerwüste angesehen werden.

Die Attacken des deutschen Finanzministers Steinbrück auf die Schweiz lenken den Blick unwillkürlich auf die «Steuerwüste» Deutschland. Hohe Belastungen führen zu Leistungsverweigerung, Schattenwirtschaft, Abwanderung sowie scharfen Kontrollen durchs Finanzamt.

Von unseren Wirtschaftskorrespondenten Peter Rásonyi und Christoph Eisenring

pra. Berlin, 20. März

Die kraftmeierischen Sprüche des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück über Peitschen, Indianer und die Kavallerie haben in der Schweiz die Gemüter erhitzt und auch in Berlin Kritik ausgelöst. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle bezeichnete am Donnerstag im Bundestag den undiplomatischen Umgang des Finanzministers mit dem kleinen Nachbarland als Unverschämtheit und erklärte, für den normalen Bürger sei in der Regel weniger die Steueroase als vielmehr die Wüste drum herum das Problem. Damit sprach der Oppositionspolitiker an, was von kaum jemandem bezweifelt wird: Das komplizierte deutsche Steuersystem gilt als Standortnachteil und Ärgernis für Bürger und Unternehmen.

«1000 legale Steuertricks»

Von der verbreiteten Unzufriedenheit zeugen viele Beobachtungen. Wer beispielsweise in einer Grossbuchhandlung in Berlin die Abteilung für Wirtschaftsbücher aufsucht, stösst auf eine riesige Auslage mit Steuerberatungsliteratur. Auf mindestens fünf Quadratmetern Verkaufsfläche werden 25 verschiedene, dicke Bücher und 10 elektronische Programme angeboten mit Titeln wie «1000 ganz legale Steuertricks», «Steueroasen 2009», «Steuer-Spar-Erklärung» oder schlicht «Sparbuch». Das Interesse an Steuertipps ist offenkundig gross. Das liegt zum einen an der Unbarmherzigkeit des Steuer- und Abgabensystems, das schon von einem durchschnittlichen Arbeitseinkommen weniger als die Hälfte für den Bürger übrig lässt.

Zum andern ist das permanent vom Gesetzgeber modifizierte System so kompliziert und undurchsichtig – allein die Aufzählung der von Ende 2005 bis Ende 2008 erlassenen Steuergesetz-Änderungen umfasst 16 Seiten –, dass Abzugsmöglichkeiten und Schlupflöcher ohne fachkundige Unterstützung kaum zu finden sind. Dabei ist auch das Finanzamt keine grosse Hilfe. Zwar sind die Beamten zu Auskünften verpflichtet, doch sind sie in der Regel ziemlich einsilbig und dürfen dafür auch noch eine Gebühr von mindestens 100 € je Stunde verlangen.

Angesichts dieser Widrigkeiten war die öffentliche Resonanz gross, als der damals führende Finanzpolitiker der CDU, Friedrich Merz, vor fünf Jahren das Projekt der «Bierdeckel-Steuer» popularisierte: ein Steuersystem, das so einfach sei, dass die Steuererklärung auf einem Bierdeckel angefertigt werden könne. Der Bierdeckel blieb indes im Wirtshaus, für die Steuererklärung eines Arbeitnehmer-Haushalts müssen immer noch gut und gerne 20 Seiten abgegeben werden, und Merz hat sich längst frustriert von seinen politischen Spitzenämtern zurückgezogen. Trotz ihrer Machtfülle in beiden Parlamentskammern hat sich die Koalition von SPD und Union nicht an eine Reform der Einkommenssteuer gewagt.

Optimieren, Abtauchen, Auswandern

Die Hoffnung auf den grossen Befreiungsschlag ist mittlerweile verflogen. Die Bürger konzentrieren sich stattdessen aufs Jammern, Optimieren, Abtauchen oder Ausreisen. Die erste Option ist weit verbreitet, aber nicht sehr einträglich, die zweite anspruchsvoll, weil dafür dicke, trockene Wälzer gelesen oder teure Steuerberater beschäftigt werden müssen. Der häufigste Ausweg ist das Abtauchen in die Schattenwirtschaft. Die häusliche Schwarzarbeit für Putzkräfte, Kinderbetreuung, in wachsendem Masse auch für die Altenpflege, ist ganz normal. Auch in der gewerblichen Wirtschaft ist sie weit verbreitet. Mit einem Umfang, der auf 14,7% des Bruttoinlandprodukts geschätzt wird, liegt die Schattenwirtschaft Deutschlands etwa im Mittelfeld der Industrieländer, damit ist sie aber fast doppelt so hoch wie in der Schweiz.

Der letzte Schritt, die Auswanderung, nimmt von Jahr zu Jahr zu, auch wenn ein Wanderungssaldo deutscher Bürger von 54 000 Personen bei einer Bevölkerung von 82 Mio. Einwohnern noch nicht dramatisch ist. Eines der beliebtesten Ziele ist die Schweiz, die vom Zuzug gut ausgebildeter Arbeitskräfte – gut die Hälfte sind Akademiker – und guter Steuerzahler profitiert.

Die gesamte Belastung durch Steuern und Abgaben ist in Deutschland zwar gemäss Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gar nicht besonders hoch; der Anteil am Bruttoinlandprodukt lag 2006 mit 35,7% sogar leicht unter dem OECD-Durchschnitt. Aber bei der Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Abgaben gehört Deutschland zu den absoluten Spitzenreitern. Mit 52,2% vom durchschnittlichen Arbeitsentgelt (inkl. Arbeitgeberbeitrag) war die Abgabenlast 2006 nach Belgien und Ungarn am dritthöchsten von allen westlichen Industrieländern. In der Schweiz waren es 29,6%, wobei allerdings in Deutschland auch Krankenkassenbeiträge im Umfang von rund 15% des Einkommens enthalten sind.

Geringe Arbeitsanreize

Selbst ein halber Durchschnittslohn wird in Deutschland noch mit der enorm hohen Quote von 45% belastet; im Hochsteuerland Frankreich sind es lediglich 30%. Die starke Grenzbelastung kleiner und mittlerer Einkommen folgt aus der Kombination von hohen Sozialabgaben (rund 40% inkl. Arbeitgeber) und einer ungewöhnlich steilen Steuerprogression. Abgesehen von der nicht sehr bedeutsamen Reichensteuer (ab 250 000 €) greift der Spitzensatz von 42% (plus 2,31% Solidaritätszuschlag) schon ab einem durchaus mittelständischen Jahreseinkommen von 52 552 €. Zudem nimmt die Progression im unteren Einkommensbereich wegen des sogenannten Mittelstandsbauchs im Steuertarif extrem steil zu (vgl. Grafik). Das führt dazu, dass Mehrarbeit oder Zusatzanstrengungen unattraktiv erscheinen können, die Arbeitsanreize sind gering.

Dabei wirkt der Sozialstaat durchaus mächtig. Die Umverteilung der Markteinkommen durch Einkommenssteuer und Sozialversicherungen erfolgt in der erwünschten Weise. Die untersten 30% (nach Einkommen) der Haushalte kassieren, die oberen 50% finanzieren, und zwar mit steigendem Einkommen immer mehr, wie eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2007 zeigt (vgl. Grafiken). Bei der Steuer ist die Umverteilung gar noch deutlicher; die untersten knapp 50% der Einkommen zahlen laut dem Finanzministerium gar keine Einkommenssteuer, die obersten 10% erbringen die Hälfte des Aufkommens.

Viele Ökonomen fordern mit Blick auf Arbeitsanreize und Wachstum, dass der sogenannte Mittelstandsbauch im Steuertarif dringend abgetragen wird. Doch wie die Steuerausfälle kompensieren? Die oberen Einkommen tragen ohnehin schon die Hauptlast, bei den unteren ist kaum etwas zu holen, weil dann Sozialgeldbezug und Schwarzarbeit lukrativer sein könnten. Steuersenkungen auf Pump sind auch keine gute Lösung, nachdem Deutschland in der Finanzkrise wieder tief in die alte Schuldenwirtschaft gestürzt ist. Und da die grosse Mehrheit der Deutschen einen starken Staat wünscht, der sich um alle möglichen Lebens- und Arbeitsbereiche regulierend, finanzierend, absichernd und umverteilend kümmert, ist auch eine Reduktion der Staatsausgaben nicht zu erwarten. Es zeichnen sich deshalb für die nächsten Jahre kaum nennenswerte Entlastungen ab, abgesehen von einer vom Bundesverfassungsgericht geforderten stärkeren Abzugsfähigkeit der Krankenkassenbeiträge ab 2010.

Gleichheit und Kontrolle

Vieles spricht dafür, dass die Mehrheit der Bevölkerung die gegenwärtigen Belastungen akzeptiert hat, teils aus Gewöhnung und Resignation, teils aus der Überzeugung, dass ein starker und fürsorglicher Staat ausreichend finanziert werden muss. Wenn die Lasten schon so hoch sind, ist es aber vielen Bürgern ein fundamentales Bedürfnis, dass jeder seinen Teil mitträgt. Hier liegt vieles im Argen. Das Vertrauen der Bürger in die Gerechtigkeit des Steuersystems ist trotz den statistisch nachgewiesenen hohen Umverteilungseffekten gering. Zwar ist die Steuermoral gemäss einer Untersuchung des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen von 2005 ähnlich hoch wie in vielen anderen westeuropäischen Staaten (aber viel niedriger als in der Schweiz), doch die Erwartung, dass die «anderen» Steuerzahler sich nicht korrekt verhalten, ist in Deutschland mit Dänemark und Österreich am höchsten.

Das dürfte viel mit dem durch ständige Lobbyarbeit immer dichter werdenden Gestrüpp des Steuersystems zu tun haben. Auf der einen Seite spürt die grosse Mehrheit der Arbeitnehmer die unerbittliche Hand des Fiskus: Die Einkommenssteuer wird monatlich direkt vom Lohn abgezogen, Sparzinsen werden gleich auf der Bank besteuert, selbst kleinste Vorteile am Arbeitsplatz wie ein etwas grösseres Geburtstagsgeschenk oder ein etwas üppigeres Weihnachtsessen müssen auf komplizierten Formularen vermerkt und voll versteuert werden.

Auf der anderen Seite schwelt stetig der Verdacht, dass die «anderen», die «Reichen», die «Privilegierten», sich Vorteile verschaffen und die schwere Last der Staatsfinanzierung nicht gebührend mittragen. Der im letzten Jahr durch den Kauf gestohlener Kundendaten aus der liechtensteinischen Bankgruppe LGT aufgeflogene Fall Zumwinkel hatte deshalb eine enorme politische Bedeutung, weil er in geradezu idealtypischer Weise das Vorurteil zu bestätigen schien, wonach «die Reichen» sich der gerechten Besteuerung durch Tricks – in diesem Fall die Nutzung der «Steueroase» Liechtenstein – entziehen. Da half es auch nichts, dass der frühere Postchef den überwiegenden Teil seiner Einkünfte stets korrekt versteuert hatte.

Der Fiskus blickt ins Bankkonto

Eine gleichmässige Besteuerung erfordert im Kontext der Unübersichtlichkeit und des permanenten Verdachts scharfe Kontrollen. Deshalb akzeptiert die Mehrheit der Bevölkerung bereitwillig die ausufernden Kompetenzen des Fiskus, selbst wenn er tief in die Privatsphäre eindringt. Obschon der Datenschutz in anderen Bereichen, etwa im Kampf gegen Terrorismus oder am Arbeitsplatz, vehement verteidigt wird, überlässt man dem Fiskus klaglos Einblick in alle möglichen Lebensbereiche, auch in das Bankkonto (vgl. untenstehenden Artikel).

Das Bedürfnis nach «gerechter» Besteuerung überwiegt. Deswegen kann sich Finanzminister Steinbrück sicher sein, dass seine rüden Attacken auf benachbarte «Steueroasen» wie Liechtenstein und die Schweiz zwar nicht im Stil, aber in der Sache die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise finden. Es würde deshalb nicht erstaunen, wenn die Blockade bald fallen würde, welche die CDU derzeit noch gegen einen von Steinbrück im Januar vorgelegten Gesetzesentwurf mit Sanktionen gegen «Steueroasen» wie die Schweiz aufrechterhält.

Montag, März 23, 2009

NZZ: Der gläserne Bankkunde ist weitgehend Realität

NZZ-Online
21. März 2009, Neue Zürcher Zeitung
Der gläserne Bankkunde ist weitgehend Realität

cei. Frankfurt, 20. März

Im Prospekt der kleinen deutschen Volksbank Raesfeld aus dem Jahr 1949 wird damit geworben, dass der Sparwille der Bevölkerung nicht durch kleinliche Anfragen des Finanzamtes beeinträchtigt werde. Nach dem Krieg drückte der Staat bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zuweilen beide Augen zu, denn für den Wiederaufbau brauchte es Ersparnisse. Einen solchen Werbeslogan kann man sich heute in Deutschland nicht mehr vorstellen.


NZZ-Online
21. März 2009, Neue Zürcher Zeitung
Der gläserne Bankkunde ist weitgehend Realität

cei. Frankfurt, 20. März

Im Prospekt der kleinen deutschen Volksbank Raesfeld aus dem Jahr 1949 wird damit geworben, dass der Sparwille der Bevölkerung nicht durch kleinliche Anfragen des Finanzamtes beeinträchtigt werde. Nach dem Krieg drückte der Staat bei der Besteuerung von Kapitalerträgen zuweilen beide Augen zu, denn für den Wiederaufbau brauchte es Ersparnisse. Einen solchen Werbeslogan kann man sich heute in Deutschland nicht mehr vorstellen.

Automatische Informations-Weitergabe

Vom Schutz des Bankkunden vor dem Zugriff staatlicher Behörden ist über die Jahre nicht viel übrig geblieben. Ein eigentliches «Bankgeheimnis», das etwa mit der ärztlichen Schweigepflicht vergleichbar wäre, gibt es nicht. Wer in Deutschland vom Bankgeheimnis spricht, zitiert als rechtliche Grundlage Art. 30a der Abgabenordnung. Doch hierbei handelt es sich lediglich um eine recht allgemein gehaltene Anweisung an die Finanzbehörden. Diese sollen laut Gesetz bei ihren Ermittlungen in Steuersachen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Banken und deren Kunden besondere Rücksicht nehmen. Eine wirkungsvolle Barriere ist das nicht.

So erleichterte zum Beispiel ein Urteil des Bundesfinanzhofs 1997 den Steuerbeamten die Kontrolle der Zinseinkünfte von Privaten. Die Beamten müssen demnach keinen dringenden Verdacht auf Steuerhinterziehung haben, um Einblick in Konten nehmen zu können. Vielmehr genügt es, «wenn sie aufgrund einer nach konkreten Momenten oder allgemeiner Erfahrung getroffenen Prognose-Entscheidung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Auskünfte zur Aufdeckung steuerrechtlich relevanter Tatsachen führen könnten», wie es in gewundenem Amtsdeutsch heisst. Schon zuvor konnte das Finanzamt bei der Bank Auskünfte verlangen, wenn ein Kunde sich der «Aufklärung» verweigerte.

Seit 2003 können in Deutschland Strafverfolger und Steuerfahnder in einem automatisierten Verfahren auf Kontostammdaten zurückgreifen. Zu den Stammdaten gehören Name, Geburtsdatum, Adresse und Tag der Kontoeröffnung, nicht aber Kontostände oder -bewegungen. Diese Daten müssen die Banken an eine zentrale Stelle übermitteln. Die automatisierte Abfrage wurde von der Regierung im Nachgang zu den Anschlägen in den USA mit der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung begründet. Doch die von den Banken aufbereiteten Daten weckten auch das Interesse von Sozial- und Steuerämtern. Das «Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit» erlaubt diesen Stellen seit 2005 ebenfalls Einsicht in diese Daten, wobei Abrufe «ins Blaue hinein» unzulässig sind. 2008 hatte der Staat rund 118 000 automatisierte Abfragen vorgenommen, wobei 34 000 Abfragen von den Finanzämtern stammten. Während die Gesamtzahl leicht zurückging, erhöhten sich die Abfragen durch die Finanzämter um einen Fünftel.

Gegen die automatisierte Kontenabfrage hatte die eingangs erwähnte Volksbank Raesfeld seinerzeit beim Verfassungsgericht geklagt. Die Bank und weitere Kläger hatten moniert, der automatisierte Abruf verstosse gegen das Recht auf «informationelle Selbstbestimmung». Darunter versteht man, dass es unter die Entscheidung des Einzelnen fallen sollte, wem er persönliche Daten weiterleiten will. Doch mit dem grundsätzlichen Anliegen hatte die Klage keinen Erfolg. Das Verfassungsgericht hatte 2007 argumentiert, dass die Eingriffe «verhältnismässig» seien, um Steuergerechtigkeit zu schaffen und den Missbrauch von Sozialleistungen zu bekämpfen. Bei der Abfrage erführen die Behörden zudem nichts über Geldbeträge. Das ist indes eine Verharmlosung, da eine Abfrage der Steuerbehörde oft der erste Schritt ist, um weitergehende Ermittlungen einzuleiten.

Misstrauen dem Bürger gegenüber

In der zurückliegenden Woche hat der Bundesfinanzhof ein Urteil verkündet, das auch in Deutschland als weitere Aushöhlung des «Bankgeheimnisses» interpretiert wurde (NZZ vom 19. 3. 09). Demnach können Finanzbeamte, die bei einer Bank eine Betriebsprüfung machen und dabei bei Konti auf Auffälligkeiten stossen, «die aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte» herausstechen, diese Informationen an die Steuerbehörden des Kunden weiterleiten. Die Urteile und die Gesetzeslage belegen somit, dass in Deutschland der Schutz der Privatsphäre wenig gilt, sobald die Erhebung von Steuern ins Spiel kommt. Hier schwingt das Misstrauen des Staates gegenüber dem Steuerpflichtigen mit. Die «Peitsche» wird in Steuersachen also nicht nur gegenüber Nachbarstaaten, sondern auch gegenüber den eigenen Bürgern geschwungen. Die Auffassung, dass der Bürger in einem freiheitlichen Staat ein Recht auf Geheimnisse haben sollte, ist in Deutschland nicht gerade en vogue.

Sonntag, März 22, 2009

Berge / Mountains

Samstag, März 21, 2009

Israel: Soldaten schockieren mit Aussagen über Gaza-Krieg

Yahoo News
Soldaten schockieren mit Aussagen über Gaza-Krieg

Donnerstag, 19. März, 12:50 Uhr
DPA

Tel Aviv (dpa) - Israelische Soldaten haben die Öffentlichkeit mit Aussagen über wahlloses Töten von Zivilisten und mutwillige Zerstörung während des jüngsten Gaza-Kriegs schockiert.

Israelische Medien berichteten, die Soldaten hätten entsprechende Zeugenaussagen vergangenen Monat während einer Versammlung an einer Militärakademie gemacht. Sie erzählten von sehr lockeren Dienstvorschriften, was das Schießen auf Zivilisten betraf. Die Aussagen wurden in dieser Woche in einem Informationsblatt für Absolventen der Akademie veröffentlicht.


Yahoo News
Soldaten schockieren mit Aussagen über Gaza-Krieg

Donnerstag, 19. März, 12:50 Uhr
DPA

Tel Aviv (dpa) - Israelische Soldaten haben die Öffentlichkeit mit Aussagen über wahlloses Töten von Zivilisten und mutwillige Zerstörung während des jüngsten Gaza-Kriegs schockiert.

Israelische Medien berichteten, die Soldaten hätten entsprechende Zeugenaussagen vergangenen Monat während einer Versammlung an einer Militärakademie gemacht. Sie erzählten von sehr lockeren Dienstvorschriften, was das Schießen auf Zivilisten betraf. Die Aussagen wurden in dieser Woche in einem Informationsblatt für Absolventen der Akademie veröffentlicht.

Einer der Kommandeure erzählte etwa von einer Anweisung, eine ältere Palästinenserin zu erschießen, die in etwa 100 Meter Entfernung von einer israelischen Stellung auf der Straße ging. Er sprach dabei von «kaltblütigem Mord». Ein anderer Kommandeur erzählte, wie ein Scharfschütze eine Mutter und ihre zwei Kinder erschoss, weil sie versehentlich eine falsche Straßenabbiegung nahmen. «Ich glaube nicht, dass er sich besonders schlecht fühlte, weil er aus seiner Sicht nur nach seinen Vorschriften handelte.»

Insgesamt habe der Eindruck vorgeherrscht, «dass das Leben von Palästinensern sehr, sehr viel weniger wichtig ist als das Leben unserer Soldaten», sagte er. Beim Stürmen von Häusern, in denen sich Zivilisten aufhielten, hätten Soldaten häufig wahllos und ohne Vorwarnung um sich geschossen. «Die Vorgesetzten sagten uns, dies sei in Ordnung, weil jeder, der dageblieben ist, ein Terrorist ist», erzählte einer der Soldaten. «Ich habe das nicht verstanden - wohin hätten sie denn fliehen sollen?» Andere Soldaten hätten ihm gesagt, man müsste alle töten, «weil jeder Mensch in Gaza ein Terrorist ist».

Viele Soldaten hätten auch mutwillig den Besitz palästinensischer Familien zerstört, «weil es ihnen Spaß macht». «Wir können sagen, sooft wir wollen, dass die israelische Armee moralisch überlegen ist, aber im Feld ist das einfach nicht so.»

Der Leiter der Akademie, Danny Samir, sagte über die Aussagen während der Versammlung: «Für uns war das ein totaler Schock.» Die israelische Organisation Rabbiner für Menschenrechte nannte die Vorfälle einen «moralischen Tsunami» und rief zur nationalen Trauer und Buße auf.

Während der drei Wochen langen israelischen Militäroffensive im Gazastreifen zum Jahreswechsel wurden nach Angaben der palästinensischen Menschenrechtsorganisation PCHR insgesamt 1434 Palästinenser getötet und weitere 5303 verletzt. Unter den Todesopfern seien 960 Zivilisten, teilte die Organisation vor einer Woche zum Abschluss einer Untersuchung in Gaza mit. Israel wollte mit dem Einsatz den Raketenbeschuss israelischer Ortschaften durch militante Palästinenser aus dem Gazastreifen unterbinden. Die Angriffe gehen jedoch weiter.

Freitag, März 20, 2009

Apocalyptica - Nothing else matters

Donnerstag, März 19, 2009

Das Christentum und seine seltsame Geschichten....

aus dem blog von Hugo Stamm:

John Rambo schreibt:

also ich kenne eine viel gefährlichere sekte, die behauptet, dass wenn man sich nicht an ihre regeln hält, man nach dem tod in eine feurige höhle kommt und für alle ewigkeit auf kleiner flamme geröstet wird und wo scheinbar so ein typ mit einem geissenkopf herumlümmelt, der immer mega böse ist.

die behauptet, dass da ein mensch, der aber irgendwie kein mensch war, ans kreuz geschlagen wurde und dann gen himmel fuhr und dann aber wieder zurückkam! obwohl sein körper noch da lag (ein körper übrigens der durch eine scheinschwangerschaft geboren wurde) und auf den warten die immer noch. nach zweitausend jahren haben sies nicht begriffen, dass da keiner mehr kommt.

die behaupten sogar, dass wenn man die hände faltet und einen spruch murmelt, dass dann im himmel oben so einer ist, der dann runterkommt und wunder geschehen lässt.

die behaupten, dass aids eine strafe des typen da oben in den wolken für die gleichgeschlechtlichen ereignisse auf der erde da unten sei. und das obwohl auch heteros daran sterben.

die behaupten sogar, dass der mensch nicht vom affen abstammt, obwohl sie selber der beste beweis dafür sind, sondern aus einem interdimensionalen botanischen garten herausgeworfen wurden, weil sie äpfel gegessen und mit schlangen gesprochen haben...


also da kommen mir die Stanniolkugeln eigentlich nicht mehr so abartig vor...
--

:-D

Dienstag, März 17, 2009

NZZ: Unendlichkeit des Geldes – Endlichkeit der Natur

NZZ-Online
17. März 2009, Neue Zürcher Zeitung
Unendlichkeit des Geldes – Endlichkeit der Natur
Überlegungen zum oft missverstandenen Prinzip der Nachhaltigkeit
Auch was die Nahrungsmittelproduktion angeht, stösst unser Planet irgendwann auf die Grenzen seiner Tragfähigkeit.

Zur weltweiten Wirtschaftskrise wäre es nicht gekommen, wenn auch in der Finanzbranche nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gearbeitet worden wäre. Dieses Prinzip legt die Anerkennung von Grenzen nahe. Wie die Finanzwirtschaft sich stärker auf die Realwirtschaft ausrichten muss, so muss diese stärker die Tragfähigkeit der Natur berücksichtigen.


NZZ-Online
17. März 2009, Neue Zürcher Zeitung
Unendlichkeit des Geldes – Endlichkeit der Natur
Überlegungen zum oft missverstandenen Prinzip der Nachhaltigkeit
Auch was die Nahrungsmittelproduktion angeht, stösst unser Planet irgendwann auf die Grenzen seiner Tragfähigkeit.

Zur weltweiten Wirtschaftskrise wäre es nicht gekommen, wenn auch in der Finanzbranche nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gearbeitet worden wäre. Dieses Prinzip legt die Anerkennung von Grenzen nahe. Wie die Finanzwirtschaft sich stärker auf die Realwirtschaft ausrichten muss, so muss diese stärker die Tragfähigkeit der Natur berücksichtigen.

Von Thomas Kesselring*

Der Umgang mit Knappheit gehört zur Conditio humana. Als Folge der geplatzten Hypotheken-Spekulations-Blase fehlt der Wirtschaft heute das Kreditvolumen – Kredit heisst Vertrauen –, das nötig wäre, um die Konjunktur der letzten Jahre aufrechtzuerhalten. Im Sachsen des 16. Jahrhunderts drohte aufgrund eines Booms im Bergwerkswesen das Holz knapp zu werden. Entschiedener als die Politik heute reagierte der Kurfürst damals mit einer Verordnung, worin er seinen Bergwerksbetreibern eine «beharrliche Nutzung» von Holz vorschrieb – eine Nutzung, welche «die Gehölze ertragen können». Dies ist eine der ältesten dokumentierten Vorschriften über die beharrliche oder, wie es zu Beginn des 18. Jahrhunderts hiess, «nachhaltige» Holznutzung. Das Konzept der Nachhaltigkeit – stammt es aus der deutschen Forstwirtschaft?

Die Ursachen der gegenwärtigen Kreditkrise signalisieren den enormen Abstand zwischen der auf Kurzfristigkeit angelegten Egomanie vieler Wirtschaftsakteure und der Idee der Nachhaltigkeit. Ins öffentliche Bewusstsein ist dieser Begriff 1987 mit dem Erscheinen des Uno-Berichts über Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht) getreten. Statt von «nachhaltig» ist darin oft auch von «dauerhaft» oder «zukunftsfähig» die Rede. Die zentrale Botschaft des Berichts lautet: «Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.» Das Wort «sustainable» im englischen Original war schon 1970 im Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums gestanden, in Anlehnung an die in der internationalen Forstwirtschaft gebräuchliche Wendung «sustained yield» (auf Dauer angelegter Ertrag).

Seither hat das Konzept der Nachhaltigkeit eine steile Karriere absolviert. Dabei kam es auch zu Pervertierungen, etwa durch den Finanzjargon, bei dem «nachhaltig» oft bloss längerfristig gewinnbringende Geldanlagen bezeichnet. Eine Begriffsklärung kann also nicht schaden. Nachhaltigkeitskonzepte betrachten die Natur, das Ökosystem Erde, als eine Art Ressource, die der Nutzung durch gegenwärtige und künftige Generationen gleichermassen offenstehen soll. Dieses Anliegen ist anthropozentrisch, es billigt der Natur nur einen instrumentellen, keinen Eigenwert zu. Doch verleiht es ihrem Schutz und ihrer Erhaltung (Konservierung) oberste Priorität. In der praktischen Auslegung bedeutet dies dreierlei.

1. Erneuerbare oder nachwachsende Ressourcen sollen nur in dem Rhythmus genutzt werden, in dem sie sich regenerieren. 2. Nicht erneuerbare Ressourcen – Mineralien, Metalle, fossile Brennstoffe – sollen nicht schneller abgebaut werden, als man geeignete Substitute bereitstellen kann. 3. Der Ausstoss an Schadstoffen ist auf ein Mass zu begrenzen, das die Absorptionsfähigkeit des gesamten Ökosystems, einschliesslich der Atmosphäre, nicht übersteigt.

Wie man diese Nutzungsregeln am besten anwendet, ist eine Frage, die Anlass zu vielfältigen theoretischen und praktischen Kontroversen bietet. Wo liegen die Kapazitätsgrenzen der Atmosphäre für die Aufnahme von Treibhausgasen genau? Bewegt sich eine um zwei Grad erhöhte Durchschnittstemperatur noch innerhalb dieser Grenzen? Verlangt Nachhaltigkeit ein Weniger oder ein Mehr an Technologie, und wenn Letzteres gilt – wie soll diese Technologie aussehen? Wie weit kann oder soll man knapp werdende natürliche Ressourcen durch andere natürliche Ressourcen ersetzen, und wie weit kommen dazu auch synthetische Produkte in Frage?

Eine wesentliche Orientierungshilfe

Auf viele dieser Fragen zeichnen sich inzwischen klare Antworten ab, wenn sich auch nicht alle angenehm anhören: Ein Temperaturanstieg um zwei Grad bedeutet eine Systemveränderung, deren Folgen nicht genau voraussehbar sind. Die Technik ist bekanntlich Fluch und Segen zugleich. Die heute geforderte Effizienzrevolution wäre jedenfalls ohne Technologieentwicklung undenkbar. Natürliche Ressourcen lassen sich häufig problemlos durch synthetische ersetzen – zum Beispiel Kupfer durch Glasfasern –, aber synthetische und technische Lösungen haben ihre Grenzen. Wasser, das knapp wird, kann man nicht mit Plastic kompensieren, den negativen Klimaeffekt durch abgeholzte Tropenwälder nicht mit dem Bau neuer Betonwüsten.

Auch wenn viele Kontroversen offen sind – die Idee der Nachhaltigkeit bietet eine wesentliche Orientierungshilfe. Die Richtung, die sie anzeigt, ist keineswegs beliebig. Was die Grenzen der Tragfähigkeit unseres Planeten betrifft, so hat keine Generation vor uns jemals auch nur im Entferntesten über so viel und so zuverlässige Informationen verfügt wie die unsere. Auch über das wechselvolle Schicksal früherer Völker in ihrem Kampf um die Erhaltung ihrer Lebensräume sind wir heute besser informiert, als alle unsere Vorfahren es waren. Mit diesem Wissen bietet sich uns eine einzigartige Chance.

Die eigentliche Herausforderung liegt anderswo, nämlich in der übermächtigen Versuchung, das Nachhaltigkeitskonzept, das ursprünglich ganz auf den Umgang mit dem Naturhaushalt ausgerichtet war, zu verwässern. Im Brundtland-Bericht wurde dieses Konzept mit der Idee der Entwicklung verbunden und um eine wirtschaftliche und eine soziale Dimension erweitert. Soziale Nachhaltigkeit zielt auf Anliegen wie die Beseitigung der absoluten Armut, die Verbesserung der Grundausbildung und der Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern, auf Minderheitenschutz, Gleichstellung von Frau und Mann usw. ab. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit umfasst Aspekte wie Wirtschaftswachstum, Vermehrung von Beschäftigung und Einkommen, aber auch eine Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Diese Anliegen verdienen zweifellos hohe, zum Teil höchste Priorität. Ein globales Apartheid-System – hier üppige Wohlstandsparadiese, dort trostlose Elendsgürtel – verhöhnt nicht nur unser Gerechtigkeitsempfinden, sondern ist auch extrem fragil. Soziales Elend lässt sich nicht ohne Wirtschaftsentwicklung überwinden, zumal auch die Weltbevölkerung jährlich immer noch um 80 Millionen wächst. Dennoch wäre es irreführend, wirtschaftliche und soziale Entwicklung generell unter das Stichwort «Nachhaltigkeit» zu subsumieren.

Fehler der klassischen Ökonomie

Entwicklung ist nicht per se nachhaltig – schon gar nicht, wenn sie auf Wachstum ausgerichtet ist. Ein kritischer Blick auf die Frage nach den Quellen wirtschaftlicher Wertschöpfung kann das bestätigen. Die klassische Ökonomie hat diese Frage nie systematisch untersucht. Häufig werden zwei solche Quellen genannt: Arbeit und Kapital, dieses verstanden als Realkapital (Investitionsgüter wie Werkzeuge, Maschinen, Gebäude). Die Kapitalbildung wird gewöhnlich mit der Bereitschaft zum Sparen erklärt. Als eine dritte Quelle wird manchmal das menschliche Know-how (Wissen, Ausbildung) angeführt. Von ihm hängt klarerweise der technische Fortschritt ab.

Ein vierter Wertsteigerungsfaktor – Natur – ist den ökonomischen Klassikern jedoch entgangen. Adam Smith hat zwar die wohlstandsförderlichen Effekte einer arbeitsteiligen Marktgesellschaft analysiert. Eine solche Gesellschaft benötigt mehr Investitionsgüter als eine nicht arbeitsteilige. Smith glaubte, die Bereitstellung solcher Güter verdanke sich primär der Sparsamkeit. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn Investitionen lassen sich, genau so wie der Konsum, auch über die Neuausgabe von Geld (einst: Gold- und Silberförderung; heute: Beschleunigung der Notenpresse) steigern. Dieser Weg führt freilich nur dann zum Erfolg statt zur Inflation, wenn parallel zur Geldmenge auch die Realwirtschaft wächst – wenn das Volumen geleisteter Arbeit zunimmt und/oder wenn mehr Ressourcen genutzt werden, wenn also Böden zusätzlich unter den Pflug genommen, Bewässerungssysteme betrieben, neue Minerallager, Ölfelder, Energiequellen erschlossen und Wälder in Papier verwandelt werden. All diese Stichworte verweisen auf den Faktor Natur. Die klassische Nationalökonomie hat ihm nie die gebührende Beachtung geschenkt – vermutlich weil «Natur» lange Zeit unbegrenzt zur Verfügung stand, ihre Nutzung nichts kostete und ihr Schutz kein Thema war. Man erachtete ihren Beitrag zur Wertschöpfung schlicht als selbstverständlich.

Da ausserdem jede Anstrengung zur Steigerung der Wertschöpfung mit Arbeit verbunden ist, wurde der Beitrag, den Böden und Ressourcen allgemein an die wirtschaftliche Wertschöpfung leisten, systematisch unterschätzt. Locke schrieb in seinem für die Ökonomie bahnbrechenden «Second Treatise of Government», die für das menschliche Leben nützlichen Erzeugnisse der Erde seien «zu neun Zehnteln die Auswirkungen der Arbeit». Wobei er sich sogleich korrigierte: Meistens müsse man sogar «99 Hundertstel ganz dem Konto der Arbeit zuschreiben».

Aufgabe für die Politik

So kam es, dass die klassische Ökonomie den Unterschied zwischen der Endlichkeit der Natur und der Unendlichkeit des Geldes beziehungsweise des Geldkapitals unter den Tisch kehrte. Für diese Unterscheidung hat uns erst der Club of Rome mit seinem Bericht über die Grenzen des Wachstums empfänglich gemacht. Seit etwa einer Generation wissen wir: Die Fischerei wird eher wegen einer Verknappung der Fische als wegen eines Mangels an Schiffen an Grenzen stossen und die Nutzung fossiler Brennstoffe eher wegen der beschränkten Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für Kohlendioxid als wegen fehlender Raffinerien. Auch wenn sich durch Kultivierung des natürlichen Kapitals die Grenzen des Wachstums vielleicht ein Stück weit hinausschieben lassen – gegen die Begrenzung selbst ist kein Kraut gewachsen. Eine Wirtschaft, die diesem Faktum nicht Rechnung trägt, ist nicht nachhaltig.

Wie schwer sich die globalisierte Wirtschaft heute mit Begrenzungen tut, hat die spekulative Aufblähung flüchtiger Finanzblasen gezeigt. In der Folge steht sie nun vor der doppelten Aufgabe, die Finanzmärkte in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen und diese auf Nachhaltigkeit auszurichten. Für beides müsste die Politik jetzt endlich die Weichen stellen.


* Thomas Kesselring ist Professor für Ethik an der Pädagogischen Hochschule Bern und Privatdozent für Philosophie an der Universität Bern.

Montag, März 16, 2009

Meat Loaf - Bombastic Rock

Objects in the rearview mirror may appear closer than they are


Couldn't Have Said It Better


I'd lie for you (and that's the truth)


Bat out of hell


I'd would do anything for love


Live is a Lemon

Sonntag, März 15, 2009

Tages Anzeiger: Wolfgang Sofsky - Amok, der Rausch absoluter Macht

Tages Anzeiger 13.03.2009
Amok, der Rausch absoluter Macht
Von Wolfgang Sofsky.
Wie wird einer zum Amokläufer? Gibt es ein Standardprofil des Täters? Sind Massaker zu verhindern? Wolfgang Sofsky, der bekannte Soziologe, hat Antworten.


Der Göttinger Soziologe und Publizist Wolfgang Sofsky (1952) schreibt über Krieg und Gewalt und das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit. Zu seinen Publikationen gehören «Zeiten des Schreckens – Amok Terror Krieg» (2008), «Das Prinzip Sicherheit» (2005) oder «Verteidigung des Privaten» (2007).

Tages Anzeiger 13.03.2009
Amok, der Rausch absoluter Macht
Von Wolfgang Sofsky.
Wie wird einer zum Amokläufer? Gibt es ein Standardprofil des Täters? Sind Massaker zu verhindern? Wolfgang Sofsky, der bekannte Soziologe, hat Antworten.

Der Göttinger Soziologe und Publizist Wolfgang Sofsky (1952) schreibt über Krieg und Gewalt und das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit. Zu seinen Publikationen gehören «Zeiten des Schreckens – Amok Terror Krieg» (2008), «Das Prinzip Sicherheit» (2005) oder «Verteidigung des Privaten» (2007).

Ein Jugendlicher schlüpft in einen Kampfanzug, stürmt mit der Beretta seines Vaters in seine frühere Schule und exekutiert mit gezielten Kopfschüssen neun Schüler und drei Lehrerinnen. Auf der Flucht schiesst er drei Passanten nieder, bevor ihn die Polizei in die Enge treibt und er sich schliesslich selbst tötet. Wenige Stunden davor hatte in Geneva County im Südosten Alabamas ein 30-jähriger Mann sein Elternhaus in Brand gesteckt, alle Angehörigen erschossen und auf der Flucht eine Familie niedergemäht, die auf ihrer Veranda sass. Nach einem Feuergefecht mit der Polizei rettete er sich in ein nahes Gebäude und tötete sich selbst.

Treuherziges Wunschdenken

Die beiden jüngsten Amoktaten lösen - wie immer - Entsetzen, Ratlosigkeit und prompte Versuche der Selbstberuhigung aus. Ohne Vorzeichen bricht der Amok in den Alltag ein. Von einer Minute zur anderen herrscht das Chaos. Sofort rätselt man über Gründe und Ursachen. Doch können Gemütszustände, die in einer Gesellschaft gang und gäbe sind, unmöglich die Einzigartigkeit der Untat erklären. Die Zahl der Frustrierten, Gemobbten oder Depressiven, der Waffennarren, Killerspieler oder Weltverächter, der Behörden-, Schul-, oder Familiengeschädigten geht in die Millionen. Amoktäter indes sind eine rare Spezies - ohne besondere Eigenschaften.

Es gibt kein Standardprofil des Amoktäters. Keineswegs kommt er aus der schlechten Gesellschaft der Irren, Kran-ken und Erfolglosen. Manche sind Aussenseiter, andere dagegen sozial integriert. Auch einen Standardtatort sucht man vergebens. Amokläufe finden nicht nur in Schulen statt, sondern auch in Restaurants, Bürogebäuden, Universitäten, Einkaufszentren, Parlamenten.

Dennoch erfindet man aus einer Handvoll Merkmale sofort eine sinnhafte Geschichte. Besonders bewährt hat sich die Umkehrung ins Gegenteil, wonach der Mörder ein Opfer misslicher Umstände gewesen sein müsse, ein eingeschüchterter Einzelgänger mit einer verborgenen Zweitidentität des Lebensmüden und Missachteten. Als sei der Amok nur eine Reaktion ohne eigenes Zutun. Wie viele Menschen sind schwermütig und denken nicht im Traum daran, auch nur den Arm zu heben? Indem man jedoch den Täter zum Opfer umtauft, bewahrt man sein empfindsames Weltbild samt der Illusion, etwas ausrichten zu können. Die Idee, mit Schulreformen, Waffenkontrollen, Medienzensur oder psychologischer Dauerbeihilfe liesse sich auch nur ein einziges Massaker vereiteln, ist nichts als treuherziges Wunschdenken. Amokläufe konfrontieren die Gesellschaft mit ihrer Ohnmacht. Die Zerstörungskraft des Individuums ist nahezu unbegrenzt.

Kein spontaner Ausbruch

Die Tatmotive sind meist von bestürzender Banalität. Berufliche Niederlagen, verschmähte Liebe, enttäuschter Gel-tungsdrang, Neidanfälle oder simpler Alltagsärger können Menschen so in Rage versetzen, dass sie die Barriere überspringen. Ein ablehnender Bescheid, ein falsches Wort, ein verächtlicher Blick - und der innere Sprengsatz zündet. Um die Verhältnismässigkeit der Mittel kümmert sich der Amok nie. Immer übertrifft die Tat Anlass und Grund. Am 20. Dezember 1995 zog in einem New Yorker Schuhgeschäft ein junger Mann die Pistole, weil ihm die Schuhe zu teuer waren und die Verkäuferin nicht mit sich handeln liess. Fünf Tote waren das Ergebnis dieses Unmutsanfalls. Weil ihm ein Kredit verweigert worden war, erschoss am 30. Juli 2002 ein Angestellter des Bildungsministeriums in Beirut neun Kollegen. Mit einer Kalaschnikow und zwei Pistolen eröffnete er in den Büros das Feuer. Als ihm die Munition ausging, lief er die Treppe hinunter, zündete sich eine Zigarette an und mischte sich unter die Passanten.

Trotz seiner Seltenheit kennt der Amok wiederkehrende Elemente. Meist geht dem Massaker eine innere Verwandlung voraus. Die Inkubationszeit kann Monate, Tage oder auch nur Stunden währen. Der Amok ist kein spontaner Ausbruch. Der Täter bewaffnet sich und zieht sich in seine Innenwelt zurück, sitzt stumm in seiner Kammer, auf der Parkbank oder der Zuschauertribüne und brütet vor sich hin. Die Imagination künftiger Omnipotenz will ausgekostet werden. Die beiden Halbwüchsigen, die am 20. April 1999 in Littleton zwölf Mitschüler und einen Lehrer regelrecht exekutierten, nahmen sich für die Vorlust ein ganzes Jahr Zeit. In den Wochen vor dem Überfall drehten sie in den Kellern ihrer Elternhäuser fünf Videofilme, um sich ihren Tag des Jüngsten Gerichts auszumalen. In der Abgeschiedenheit überkommen den Mörder Fantasien der Vernichtung. Die Bilder verdichten sich zu einer fixen Idee, die sich einbohrt ins Gehirn. Im Freiraum der Fantasie gilt kein Tabu und keine Zensur. Die Gedanken überspringen alle Barrieren. Wer den Amok verhindern will, der müsste nicht nur jedem auffälligen und unauffälligen Zeitgenossen einen Bewacher zur Seite stellen, sondern ihm auch die Vorstellungskraft aus dem Hirn brennen.

Ekstatischer Tanz der Vernichtung

Kurz vor der Tat behelfen sich manche Täter noch mit einer äusseren Metamorphose. Der Amokschütze von Erfurt streifte sich auf der Schultoilette das schwarze Kostüm japanischer Ninja-Krieger über und zog sich eine Sturmmaske übers Gesicht. Im Augenblick der Verwandlung wurde er nicht nur anders, er wurde ein anderer. Die Maskerade diente ihm nicht zur Tarnung, sondern zur Entgrenzung seiner selbst. Sie verlieh ihm die Macht zu namenlosem Schrecken.

Vollendet ist die Verwandlung jedoch erst in der physischen Aktion. Erst die Tat bringt den Amoktäter hervor. Nach dem ersten Mord öffnet sich die Wüstenei absoluter Freiheit. Plötzlich ist der Täter Herr über Leben und Tod. Nichts steht ihm mehr im Wege. Mit ungeahnter «Selbstsicherheit», ja Souveränität bewegt er sich. Was von aussen wie blinde Vernichtungswut aussieht, ist in Wahrheit ein Zustand absoluter Geistesgegenwart. Der Mörder ist hellwach. Mancher streckt mit zügiger Gelassenheit ein Opfer nach dem anderen nieder, andere feuern begeistert um sich. Über 60 Patronen soll der Schütze von Winnenden verpulvert haben. Der Amok ist ein ekstatischer Tanz der Vernichtung. Der Bewegungsrausch entfesselt Energien, von denen der Täter nicht einmal ahnte, dass er sie hat.

Der erste Schuss öffnet dem Zufall Tür und Tor

Häufig beginnen Amokläufe mit Racheakten gegen verhasste Verwandte, Nebenbuhler oder Kollegen. Doch öffnet der erste Schuss dem Zufall Tür und Tor. Vom tödlichen Familiendrama unterscheidet sich der Amok durch seine Wahllosigkeit. Der Zorn eskaliert zur Wut. Sie nimmt auch Fremde ins Visier, die zufällig am falschen Ort sind. Der Täter macht keinen Unterschied. Von den Opfern will er nichts. Ihr Tod ist völlig sinnlos. Was den Täter treibt, ist der Rausch absoluter Macht. Er tötet allein um des Tötens willen. Im Triumph befreit er sich von sich selbst. Indem er ganz eins mit sich selbst wird, verliert er sich selbst.

Der Amok ist kein erweiterter Selbstmord. Nicht Verzweiflung, sondern Wut lenkt die Tat. Im Zustand des Exzesses verfolgt niemand Suizidpläne. Manche haben zwar ihr Leben satt, andere jedoch halten sich alle Optionen offen. Dass manche Sturmläufe mit dem Tod des Mörders enden, liegt auch nicht an einem plötzlichen Anflug von Reue. Amokläufer sind nicht ihre eigenen Henker. Sie sterben bei der Rückkehr aus dem anderen Zustand, wenn sie von der Normalität wieder eingeholt werden. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 13.03.2009, 08:25 Uhr

Samstag, März 14, 2009

Tages Anzeiger - «Wir würden eine feudale Oberschicht erhalten»

Tages Anzeiger
«Wir würden eine feudale Oberschicht erhalten»
Von Timm Eugster. 11.03.2009

Mit Hans Kissling, einst Zürcher Kantonsstatistiker, hat die Linke einen Verbündeten im Kampf für eine nationale Erbschaftssteuer. Im Interview mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz argumentiert er jedoch auf liberaler Linie.

Herr Kissling, Sie fordern eine nationale Erbschaftssteuer ab einer Million Franken – wie SP-Fraktionschefin Ursula Wyss. Hat sie bei Ihnen abgeschrieben?

Sie hat mein Buch gelesen und ist offenbar zur Überzeugung gelangt, dass eine Million Franken pro Erbe eine vernünftige Grenze ist, ab der man eine nationale Erbschaftssteuer einführen sollte. Die Zahl ist nicht zufällig: So werden normale Einfamilienhausbesitzer nicht tangiert. 97 Prozent der Erben würden nicht behelligt.


Tages Anzeiger
«Wir würden eine feudale Oberschicht erhalten»
Von Timm Eugster. 11.03.2009

Mit Hans Kissling, einst Zürcher Kantonsstatistiker, hat die Linke einen Verbündeten im Kampf für eine nationale Erbschaftssteuer. Im Interview mit Tagesanzeiger.ch/Newsnetz argumentiert er jedoch auf liberaler Linie.

Herr Kissling, Sie fordern eine nationale Erbschaftssteuer ab einer Million Franken – wie SP-Fraktionschefin Ursula Wyss. Hat sie bei Ihnen abgeschrieben?
Sie hat mein Buch gelesen und ist offenbar zur Überzeugung gelangt, dass eine Million Franken pro Erbe eine vernünftige Grenze ist, ab der man eine nationale Erbschaftssteuer einführen sollte. Die Zahl ist nicht zufällig: So werden normale Einfamilienhausbesitzer nicht tangiert. 97 Prozent der Erben würden nicht behelligt.

Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, als pensionierter Zürcher Kantonsstatistiker ein Buch mit dem Titel «Reichtum ohne Leistung» zu schreiben und für eine nationale Erbschaftssteuer zu kämpfen?
Zürich ist einer der wenigen Kantone mit einer sehr detaillierten Steuerstatistik. Wir haben regelmässig nachweisen können, wie stark die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung seit 1991 gestiegen ist – doch zu meinem Ärger hat sich niemand dafür interessiert. Dies, obwohl die Schweiz international spitze ist punkto Ungleichheit. Innerhalb der Schweiz dürfte Zürich im Durchschnitt liegen, während die Vermögen in Basel-Stadt noch etwas ungleicher verteilt sind. Am krassesten ist die Situation in Steueroasen wie Nidwalden, Zug oder Schwyz. Nach meiner Pensionierung habe ich mich daran gemacht, die Zahlen so aufzubereiten, dass sie einfach zu verstehen sind – und auf einmal war das Echo gross.

Was erregt am meisten Aufsehen?
Dass die drei reichsten Zürcher gleich viel Vermögen besitzen wie 56 Prozent der Bevölkerung. Oder dass das reichste Prozent der Zürcher Bevölkerung ihre Vermögen zwischen 1991 und 2003 um ganze 70 Prozent steigern konnte.

Mit der Finanzkrise sind jetzt wohl auch die Reichen nicht mehr so reich.
Der Börsenindex SMI war 2003 auf der gleichen Höhe wie jetzt wieder. Das heisst, meine Zahlen sind erst jetzt wieder topaktuell geworden – dazwischen sind die Reichen noch wesentlich vermögender gewesen.

Sie haben berechnet, dass in den kommenden 30 Jahren 1,5 Billionen Franken weitervererbt werden. Wie kann man sich das konkret vorstellen?
1,5 Billionen sind 1,5 Millionen Millionen. Jetzt werden die ganz grossen Vermögen vererbt, die in der Schweiz seit den 1970er-Jahren gebildet worden sind. Dazu ein anschauliches Beispiel aus Zürich: Ein 97-Jähriger hat acht Milliarden Franken und zwei rund 50-jährige Söhne. Sie werden bald je vier Milliarden erben oder haben einen Teil bereits in Form von Schenkungen erhalten . Mit ihrem Erbe könnten beide Söhne sämtliche Einfamilienhäuser und Wohnungen in Appenzell Innerrhoden kaufen. Das meine ich, wenn ich von einer Feudalisierung spreche: Solche geerbten Vermögen sind vergleichbar mit jenen mittelalterlicher Fürsten.

Das Beispiel ist nicht sehr real. Wo sehen Sie die wirklichen Gefahren?
Eine steigende Ungleichheit bremst das Wirtschaftswachstum: Wenn vor allem die Reichen von einem zunehmenden Bruttosozialprodukt profitieren, bleibt unten und in der Mitte der Gesellschaft weniger – und das sind die Schichten, die mit ihrem Konsum die Wirtschaft ankurbeln.

Sie warnen auch vor Gefahren für die Demokratie.
Hätte 1992 nicht ein Milliardär und Politiker von der Zürcher Goldküste Millionen investiert, um den Beitritt der Schweiz zum EWR mit seiner Kampagne zu verhindern, wäre das knappe Resultat wohl auf die andere Seite gekippt und wir wären heute im EWR. Ein aktuelleres Beispiel stammt aus der Stadt Zürich: Ein reicher Erbe der Firma Merck wollte von der Stadt ein Grundstück an bester Lage in der Altstadt für seine 500-Quadratmeter-Villa samt Hallenbad. Die Bevölkerung wehrte sich, es kam zur Abstimmung: Da liess der Millionenerbe die Stadt mit Plakaten zupflastern, wie ökologisch seine Villa doch sei, und der Stadtrat warnte vor der Abwanderung eines guten Steuerzahlers – und so siegte er schliesslich in der Abstimmung knapp. Solche Beispiele werden uns zunehmend blühen, wenn wir es zulassen, dass wir eine feudale Oberschicht erhalten.

Die Demokratie kann Schranken setzen.
Mit dem Vorstoss von Ursula Wyss bietet sich tatsächlich eine der letzten Gelegenheiten, Gegensteuer zu geben. Wenn man jetzt die Erbschaftssteuer nicht durchbringt, ist das Thema wohl für Jahre vom Tisch.

Sie sind zum Kronzeugen der Linken geworden, die Reiche sowieso stärker besteuern wollen. Ist Ihnen wohl dabei?
Ich habe Verbündete bei den letzten echten Liberalen. Bei den Freisinnigen sind dies etwa alt Ständerätin Vreni Spoerry und der frühere Finanzminister Kaspar Villiger.

Die NZZ bezeichnet die Erbschaftssteuer als «klassenkämpferischen Angriff auf die bürgerliche Gesellschaft, die Familie und die Marktwirtschaft».
Klassenkämpferisch wäre, wenn man alle Reichen hoch besteuern würde. Ich habe nichts gegen die Reichen: Wenn einer im System einer fairen Marktwirtschaft so clever ist, dass er mit seiner Tätigkeit viel Geld verdient, soll er reich werden. Aber durch die massenhafte Vererbung grosser Vermögen verdienen nicht mehr jene am meisten, die am meisten leisten, sondern jene, die das Glück haben, viel zu erben. Diese Entwicklung ist ein schlechtes Signal an alle, die arbeiten in diesem Land. Ich habe damit viel mehr Mühe als mit den 40 Millionen, die Daniel Vasella verdient.

Trotzdem: Sie fordern neue Steuern.
Mit dem Ertrag einer nationalen Erbschaftssteuer könnten Bund und Kantone andere Steuern senken oder aufheben. Jetzt in der Krise könnten aber auch Ausfälle bei den übrigen Steuereinnahmen kompensiert werden.

Familienunternehmen wären gefährdet: Die Erben müssten einen Teil verkaufen, um ihre Steuern bezahlen zu können.
Das ist ein Problem, das ich sehr ernst nehme. Aber es ist lösbar. Bei grossen Publikumsgesellschaften könnten die Erben ein paar Aktien verkaufen, ohne dass dies das Unternehmen berührt. Bei mittelgrossen Familienunternehmen könnte der Staat durch eine Treuhandfirma Aktien kaufen und wieder dem Markt zuführen. Die Firma wäre dann nicht mehr zu 100 Prozent im Besitz der Familie, aber sie bliebe in der Mehrheit. Und die kleinen KMU sind praktisch alle aus dem Schneider, wenn die Steuer erst bei hohen Erbschaften einsetzt. Sollte noch ein Problem bleiben, kann man wie in Deutschland die Steuer erlassen, wenn das vererbte KMU mindestens zehn Jahre lang weiterbetrieben wird. (Basler Zeitung)

Erstellt: 11.03.2009, 10:39 Uhr

Freitag, März 13, 2009

The Crisis?....... funny as hell!

Click on pics to make them bigger!


Donnerstag, März 12, 2009

Berge / Mountains